Die Lehrkanzel der IFRS
Die IFRS-Rechnungslegungsregeln geraten in Deutschland seit einiger Zeit zunehmend in kritisches Kreuzfeuer, während das hohe Lied des guten alten HGB mit Verve angestimmt wird. Vor zehn Jahren lautete die Devise gerade umgekehrt. Für den Inhalt der PiR fühlen wir uns, Herausgeber und Redaktion, zu einer strikten Neutralität verpflichtet, d. h. wir lassen Befürworter und Gegner der IFRS-Rechnungslegung gleichermaßen zu Wort kommen. Allerdings betrachten wir die IFRS in weiten Teilen als möglichen Nukleus zur Weiterentwicklung mancher Aspekte der HGB- und EStG-Bilanzierung. In der Rubrik „Kompaktwissen” unterbreitet Jens Freiberg ein schönes Beispiel eines so verstandenen Fortbildungsobjekts. Das dort skizzierte Mehrkomponentengeschäft stellt ein verbreitetes Geschäftsmodell der globalisierten Wirtschaftswelt dar. Beispiel aus der Wirtschaftspresse: Die Siemens AG erhielt einen Auftrag zur Lieferung einer ganzen Anzahl von Hochgeschwindigkeitszügen mit der Verpflichtung, diese während eines Zeitraums von vielleicht zehn Jahren zu warten. Oder wie verhält es sich bei der verlustträchtigen Lieferung und Montage von Rolltreppen für den Flughafen von Abu Dhabi, was sich erst in den nächsten 15 Jahren durch die gesondert vergüteten Wartungsarbeiten (hoffentlich) überkompensieren lässt? Den Editor bedrängen einige Zweifel, ob solche Geschäftspraktiken etwa mit der BFH-Rechtsprechung zu den Nachbetreuungsleistungen von Versicherungsvertretern und Augenoptikern abgebildet werden können. Übrigens: Bei der deutschen und EU- Umsatzbesteuerung stellt das Mehrkomponentengeschäft ein gängiges Problem der Rechtsauslegung dar. Wenn zwei Leistungselemente unterschiedlichen Steuersätzen oder eines davon der Befreiung unterliegen, muss über die Einheitlichkeit des Gesamtgeschäfts befunden und die Anwendung des Steuertarifs bzw. der Gesamtbefreiung entschieden werden.
Eine rechtsvergleichende Darstellung aus der Feder unseres Autors Robin Mujkanovic eignet sich zur Weiterführung dieser Gedanken. Das dort behandelte Problem der Installation von ERP-Software hat die Finanzverwaltung und später das IDW zu Stellungnahmen veranlasst. Die Regeln des IAS 38 beruhen im Wesentlichen auf der gleichen konzeptionellen Grundlage wie die deutsch-nationalen Bilanzierungsvorschriften. In beiden Fällen steht insbesondere das customizing im Mittelpunkt der Auslegungsproblematik.
In die „reine Lehre” der IFRS wird die Lesergemeinde der PiR durch den weiteren Fokus-Beitrag von Marco Meyer versetzt. In der PiR 2013 S. 277 hatte unser Autor bereits Untersuchungen zu Einzelfragen der Steuerlatenzierung nach den Regeln von IAS 12 ausgebreitet. Diese führt er jetzt fort in einer kombinierten Betrachtung der Steuerlatenz zusammen mit der Sonderproblematik des IFRS 5, der kaum etwas zu Folgewirkungen aus seinem Anwendungsbereich für die Steuerlatenzierung aussagt. Der Autor betritt hier an manchen Stellen analytisches Neuland, was die intensive Lektüre unbedingt empfehlenswert erscheinen lässt.
Schließlich greift im letzten Fokus-Beitrag Jens Reinke das hochumstrittene Thema des Abschreibungserfordernisses nach Maßgabe des IAS 36 auf. Dargestellt wird der praktische Umgang der DAX-30-Unternehmen mit den Angabepflichten.
Beste Grüße
Wolf-Dieter Hoffmann
Fundstelle(n):
PiR 10/2013 Seite 1
NWB QAAAE-45640