Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG)
Allgemeines
Grundsätzlich erfolgt die Besteuerung der Umsätze nach dem Soll-Prinzip, d. h. nach Ausführung der Leistung, entsprechend dem vereinbarten Entgelt.
Abweichend davon erfolgt eine Besteuerung nach Vereinnahmung
kraft Gesetz bei Anzahlungen, Abschlagszahlungen, Vorauszahlungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 4 UStG und A 181 UStR)
auf Antrag nach § 20 UStG (Ist-Besteuerung).
Nachfolgende Ausführungen gelten nur für die Ist-Besteuerung des § 20 UStG.
Zweck und Bedeutung der Ist-Besteuerung
Bei der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten entsteht die Steuerschuld erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem der Unternehmer das Entgelt vereinnahmt hat. Diese Regelung bringt kleineren und mittleren Unternehmern eine Verbesserung der Liquidität.
Die Vorschrift des § 20 UStG zielt jedoch nicht darauf ab, den betroffenen Unternehmern Finanzierungsvorteile zu verschaffen, sie ist vielmehr in erster Linie zur Arbeitserleichterung geschaffen worden. Denn Unternehmer, die keine Bücher führen und die ertragsteuerlich nur zur Aufzeichnung der Zahlungseingänge verpflichtet sind, müssten allein für Zwecke der Soll-Besteuerung besondere zusätzliche Aufzeichnungen zur Ermittlung der vereinbarten Entgelte führen.
Für nicht buchführende Unternehmer, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahme-Überschussrechnung ermitteln, wird daher regelmäßig die Ist-Besteuerung nach § 20 UStG von Vorteil sein.
Hingegen kann der buchführende Unternehmer für die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten nicht auf die (nach dem Soll-Prinzip geführten) Erlös- und Verkaufskonten zurückgreifen. Für ihn erweist sich daher regelmäßig die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten als vorteilhafter.
Voraussetzungen
Die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten kann vom Finanzamt auf Antrag grundsätzlich jedem Unternehmer gestattet werden, sofern eine der in § 20 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt wird.
Danach kommt die Ist-Besteuerung nach § 20 UStG in folgenden Fällen in Betracht:
für Unternehmer, deren Gesamtumsatz i. S. d. § 19 Abs. 3 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 € betragen hat, oder
für Unternehmer, die von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit sind, oder
für Unternehmer, soweit sie Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführen.
Mit hat der BFH entschieden, dass eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG fällt ( BStBl. 1999 II S. 630), Abschnitt 20.1 Absatz 1 Satz 4 UStAE. Ggf. kann jedoch § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG zur Anwendung kommen.
Antrag
Für den Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist keine bestimmte Form vorgeschrieben. Er kann schriftlich, (fern-)mündlich oder durch schlüssiges Verhalten gestellt werden. Soweit es für das Finanzamt zweifelsfrei erkennbar ist, kann der Antrag daher auch dadurch gestellt werden, dass der Unternehmer seine Umsätze in einer Umsatzsteuer-Voranmeldung oder in einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung nach vereinnahmten Entgelten besteuert. Wird festgestellt, dass ein Unternehmer ohne Antrag die Ist-Besteuerung anwendet, ist ein nachträglicher Antrag (für noch nicht bestandskräftige Besteuerungszeiträume) anzuregen (Problematik des Widerrufs).
Antragsfrist
Der Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten ist an keine Frist gebunden. In den Antrag und die Genehmigung können auch Besteuerungszeiträume einbezogen werden, die dem Kalenderjahr der Antragstellung vorangehen, soweit die betreffenden Steuerfestsetzungen noch nicht durchgeführt oder noch nicht formell bestandskräftig geworden sind.
Zuständigkeit im Finanzamt
Für die Bearbeitung der Anträge auf Ist-Besteuerung ist die UStVA-Stelle zuständig (s. Tz. 1.2 der Arbeitshinweise für die UStVA-Stelle).
Ablehnung eines Antrages
Grundsätzlich hat das Finanzamt einen Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten bei Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 20 UStG zu genehmigen. Stellt der Steuerpflichtige nachträglich einen Antrag für vorangegangene Kalenderjahre, in denen er seine Umsätze der Soll-Besteuerung unterworfen hat, ist der Antrag abzulehnen, Abschnitt 13.6 Absatz 3 Satz 4 UStAE. Eine weitere Ausnahme dürfte im Fall des wiederholten Wechsels zwischen der Ist- und der Soll-Besteuerung gesehen werden, weil die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten Vereinfachungen bewirken soll, während der wiederholte Wechsel der Besteuerungsart jeweils mehr Arbeit mit sich bringt.
Hat ein Steuerpflichtiger die Ist-Besteuerung ohne Antrag angewandt, so ist der nachträglich gestellte Antrag rückwirkend zu genehmigen, wenn eine der in § 20 UStG genannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Genehmigung der Ist-Besteuerung
Die Genehmigung erfolgt mit dem Vordruck USt (S) 23. Dieser ist vollständig auszufüllen. Die Durchschrift ist der Umsatzsteuer-Akte vorzuheften und nicht auszusondern.
Die Genehmigung erstreckt sich wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung stets auf das volle Kalenderjahr (Abschnitt 20.1 Absatz 1 Satz 5 UStAE).
Widerruf
Der im Vordruck USt (S) 23 enthaltene Passus, dass die Genehmigung ohne förmlichen Widerruf erlischt, wenn die Voraussetzungen des § 20 UStG nicht mehr vorliegen, bedeutet für die Finanzverwaltung eine Arbeitserleichterung, da der Steuerpflichtige von sich aus zur Soll-Besteuerung zurückkehren muss, ohne dass ein förmlicher Widerruf durch die Finanzverwaltung erfolgen muss.
Im Jahresveranlagungsverfahren wird der Hinweis 4540 ausgegeben, wenn der Gesamtumsatz die Wertgrenze des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG übersteigt. Ein förmlicher Widerruf ist erforderlich, wenn vom Steuerpflichtigen ein Sachverhalt derart gestaltet wurde, dass der Steueranspruch gefährdet wird.
Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Steueraufkommens könnten beispielsweise sein (TOP 3.1 der USt-Gruppenbesprechung 1998):
Umsätze werden nur bzw. überwiegend zwischen nahe stehenden Personen ausgeführt
die Besteuerung wird über einen längeren Zeitraum nicht ordnungsgemäß vorgenommen (z. B. Feststellung bei Außenprüfung)
erhebliche Forderungen werden über einen branchenüblichen Zeitraum hinaus nicht eingefordert (Hinweis: Stundung bei nahe stehenden Personen nicht unüblich Zeitraum beachten)
Forderungen bestehen überwiegend nur gegenüber nahe stehenden Personen
beide verbundenen Unternehmen versteuern nach vereinnahmten Entgelten und haben über einen längeren Zeitraum (mehrere Jahre) erhebliche Vorsteuerüberhänge
Fälle, die so konstruiert sind, dass sie sich nicht auf wirtschaftlich übliche Vorgänge übertragen lassen und nicht der vom Gesetz beabsichtigten Vereinfachung der Besteuerung für den Steuerpflichtigen dienen.
In Frage kommende Fälle sind über einen längeren Zeitraum zu betrachten. Es ist zweckmäßig, jede diesbezügliche Feststellung aktenkundig zu dokumentieren, um den Sachverhalt insgesamt werten zu können und im Rechtsbehelfsverfahren entsprechende Aussagen begründen zu können (Vfg. vom – S 7368-5-St 243).
Die Genehmigung der Ist-Besteuerung ist im Grundinformationsdienst zu speichern (Kz 15004 bzw. 15005 – DFV-AL Fach 31 Teil 5 Tzn. 4.4 und 4.5).
Folgen der Ist-Besteuerung
Für den Vorsteuerabzug gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Soll-Besteuerung.
D. h. bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung für die ausgeführte Leistung ist der Vorsteuerabzug ohne Begleichung der Rechnung zulässig. Ist eine Leistung noch nicht erbracht, ist der Vorsteuerabzug dann möglich, wenn eine Rechnung vorliegt und die Zahlung erfolgt ist.
Für die Umsatzbesteuerung
gilt:
Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1b S. 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist. Zeitlich ist der Entgeltsbetrag von dem Unternehmer dann vereinnahmt, wenn er wirtschaftlich darüber verfügen kann. Folgende Vereinnahmungsformen sind zu unterscheiden:
Tabelle in neuem Fenster öffnen– BarzahlungZeitpunkt der Zahlung– Überweisung auf Bank- oder PostgirokontenZeitpunkt der Gutschrift bei der Bank– KontokorrentverkehrZeitpunkt der Anerkennung des Saldos am Ende des Abrechnungszeitraums– WechselZeitpunkt der Einlösung– ScheckZeitpunkt der Hingabe– Abtretung einer ForderungZeitpunkt der Abtretung– AufrechnungZeitpunkt der Aufrechnungserklärung.
Weitere Vereinnahmungsformen sind in Plückebaum/Malitzky Anm. 145 bis 169 zu § 20 erläutert.
Eine Änderung der Bemessungsgrundlage i. S. d. § 17 UStG tritt bei der Ist-Besteuerung nicht ein, wenn der Unternehmer lediglich das vom vereinbarten Preis abweichende Entgelt (endgültig) vereinnahmt. Wird dies festgestellt, ist das Finanzamt des Leistungsempfängers mittels KM zu informieren (Korrektur des Vorsteuerabzugs).
Änderungen der Bemessungsgrundlage bei Lieferungen und sonstigen Leistungen können sich bei der Ist-Besteuerung nur dann ergeben, wenn sich bereits vereinnahmte Entgelte nachträglich mindern oder erhöhen und wenn die Entgeltsvereinnahmung und die Minderung oder Erhöhung in unterschiedlichen Voranmeldungszeiträumen eingetreten ist.
Auswirkungen der Anhebung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes
Bei jeder Änderung der Steuersätze des § 12 Abs. 1 und Abs. 2 UStG ist zu prüfen, welchem Steuersatz die vor und nach dem Zeitpunkt der Änderung ausgeführten Umsätze unterliegen.
Maßgebend für die Anwendung des Steuersatzes ist allein der Zeitpunkt der Leistungsausführung, also der Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer den Umsatz bewirkt hat (§ 27 Abs. 1 S. 2 u. 3 UStG). Die Umsatzsteuer ist stets nach dem Steuersatz zu berechnen, der im Voranmeldungszeitraum der Leistungsausführung Gültigkeit hat. Zur Steuersatzänderung auf 19 v. H. siehe BStBl. 2006 I S. 477.
Wechsel der Besteuerungsart
Beim Wechsel der Besteuerungsart, z. B. beim Wechsel von der Soll-Besteuerung zur Ist-Besteuerung und umgekehrt, ist zu beachten, dass Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder unversteuert bleiben (§ 20 S. 3 UStG).
Der Vorsteuerabzug wird durch den Wechsel nicht beeinflusst, da der Vorsteuerabzug in keinem Fall bei der Ist-Besteuerung anders zu beurteilen ist als bei der Soll-Besteuerung.
Wechsel von der Soll-Besteuerung zur Ist-Besteuerung
Bei der Soll-Besteuerung entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Das bedeutet, dass gebuchte Forderungen bereits der Umsatzbesteuerung unterworfen wurden.
Beim Wechsel zur Ist-Besteuerung hat der Unternehmer deshalb aus eigenem Interesse sicherzustellen, dass bei Bezahlung der Forderung nicht noch einmal eine Besteuerung erfolgt.
Die bereits bei der Leistungserbringung nach dem Sollprinzip erfolgte Besteuerung wird nicht im Zeitpunkt des Wechsels rückgängig gemacht (keine Steuerrückgewährung), Abschnitt 13.6 Absatz 3 Satz 4 UStAE.
Wechsel von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung
Die Ist-Besteuerung nach § 20 UStG gilt für alle Umsätze, die in dem Besteuerungszeitraum ausgeführt werden, für den dem Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten erlaubt war, und zwar auch dann, wenn in späteren Besteuerungszeiträumen zur Regelbesteuerung gewechselt wird; Abschnitt 13.6 Absatz 3 Satz 1 UStAE. Die Steuer entsteht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. D. h. bisher nicht versteuerte Umsätze sind nach dem Übergang zur Soll-Besteuerung erst bei Vereinnahmung zu versteuern, da die Umsatzsteuer erst mit Vereinnahmung entsteht.
Durch folgende organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass alle offenen Forderungen aus der Zeit der Ist-Besteuerung der Umsatzsteuer unterworfen werden:
Die offenen Forderungen zum 31.12. sind zu erfragen und aktenkundig festzuhalten.
Im Rahmen der folgenden Veranlagungen ist jeweils festzustellen, welche Forderungen beglichen wurden und zu prüfen, ob die Umsatzbesteuerung vorgenommen wurde. Dies ist solange zu tun, bis alle Forderungen, die im Zeitpunkt der Ist-Besteuerung entstanden sind, beglichen wurden bzw. feststeht, dass eine Vereinnahmung nicht mehr erfolgen wird.
OFD Magdeburg v. - S
7368-6-St 245
Fundstelle(n):
USt-Kartei
ST
UStG § 20
DStR 2012 S. 10 Nr. 24
UR 2013 S. 77 Nr. 2
Ubg 2012 S. 642 Nr. 9
IAAAE-37184