StuB Nr. 8 vom Seite 1

Zur Maßgeblichkeit nach den EStÄR 2012

PD Dr. Patrick Velte | Lüneburg

Nach langem Ringen hat die Bundesregierung am die Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 (EStÄR 2012) beschlossen (vgl. BStBl 2013 I S. 276 sowieso hierzu im Einzelnen Hörhammer/Rosenbaum, StuB 2013 S. 250 f.). Die wesentlichen Diskussionspunkte betrafen die Bemessung der Herstellungskosten sowie die Rückstellungsbewertung. In Abgrenzung zu den EStR 2008 und dem handelsrechtlichen Einbeziehungswahlrecht nach § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB wird nunmehr in R 6.3 Abs. 1 EStR die steuerliche Untergrenze der Herstellungskosten um die „angemessenen Kosten” der allgemeinen Verwaltung, die „angemessenen Aufwendungen” für soziale Einrichtungen des Betriebs, freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung angehoben. Insofern liegt eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips vor. Beispiele für die in Rede stehenden Kosten werden in R 6.3 Abs. 3 EStR genannt. Insofern setzt die Finanzverwaltung die Sichtweise, die nach der Veröffentlichung der und für wesentliche Kritik im Schrifttum geführt hatte (vgl. statt vieler Velte/Sepetauz, StuB 2010 S. 253 f.) fort. Allerdings soll den Bedenken im Hinblick auf den mit der Anhebung der steuerlichen Kostenuntergrenze verbundenen administrativen Mehraufwand Rechnung getragen werden. Nach dem neuen (BStBl 2013 I S. 296, in dieser Ausgabe ab S. 309) „wird es nicht beanstandet, wenn bis zur Verifizierung des damit verbundenen Erfüllungsaufwands, spätestens aber bis zu einer Neufassung der Einkommensteuerrichtlinien” die bisherigen Regelungen nach den EStR 2008 angewendet werden. Eine Einbeziehungspflicht für herstellungsbezogene Fremdkapitalzinsen wird dagegen nicht implementiert. Vielmehr soll in diesem Fall weiterhin die handelsrechtliche Ausübung des Bewertungswahlrechts maßgeblich für die steuerliche Gewinnermittlung bleiben.

Der zweite „Zankapfel” der EStÄR 2012 betraf die zwingende steuerliche Übernahme niedrigerer handelsrechtlicher Rückstellungsbeträge. So dürfen nach R 6.11 Abs. 3 EStR
nunmehr die Höhe der Rückstellungen (mit Ausnahme der Pensionsrückstellungen) aus steuerlicher Sicht die handelsrechtlichen Beträge nicht überschreiten. Um die mit der „Deckelung” verbundenen gewinnerhöhenden Auflösungen bereits gebildeter Rückstellungen abzumildern, können die Gewinnauswirkungen über 15 Jahre durch eine Rücklage verteilt werden. Diese ist in den Folgejahren dann zu mindestens einem Fünfzehntel gewinnerhöhend aufzulösen.

Die Neuregelungen folgen unzweifelhaft rein fiskalpolitischen Zielsetzungen einer vollen Gewinnbesteuerung; sie sind aus steuersystematischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten abzulehnen. So wird i. S. einer „Salami-Taktik” auf der Aktivseite der Bilanz die Maßgeblichkeit bei den Herstellungskosten eingeschränkt, während sie auf der Passivseite bei der Rückstellungsbewertung einseitig zur Deckelung der Beträge herangezogen wird. Das Maßgeblichkeitsprinzip wird zu einem „Lippenbekenntnis” degradiert, wo die Regel zur Ausnahme mutiert. Der BFH wird aufgefordert sein, sich zu diesen Neuauslegungen der Finanzverwaltung aufgrund des erhöhten Klagerisikos zu äußern. Die in die EStÄR 2012 implementierten Abmildungseffekte der Neuregelungen (temporäre Anwendung der EStR 2008 und Bildung einer Gewinnrücklage) verdeutlichen die wesentlichen Auswirkungen auf die steuerliche Gewinnermittlung.

Patrick Velte

Fundstelle(n):
StuB 8/2013 Seite 1
NWB BAAAE-34269