BGH Beschluss v. - 1 StR 602/12

Strafverfahren: Voraussetzungen für ein Glaubwürdigkeitsgutachten über einen Zeugen; Gehörsverletzung durch das Revisionsgericht

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 81c StPO, § 244 Abs 2 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Instanzenzug: Az: 1 StR 602/12 Beschlussvorgehend LG München I Az: 20 KLs 459 Js 145541/11

Gründe

I.

1Der Senat hat mit Beschluss vom die von dem Verurteilten eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I vom gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

2Mit einem am eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers hat der Verurteilte die Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO erhoben. Er sieht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG darin, dass der Senat die gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an eine Verfahrensrüge überspannt habe. Indem der Senat in Bezug auf eine Rüge der Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigengutachtens über die geschädigte Zeugin Darlegungen zu deren Einwilligung in die Untersuchung verlangt habe, sei der Revision Unmögliches abverlangt worden.

II.

31. Die Anhörungsrüge ist unzulässig.

4Es fehlt an der von § 356a Satz 3 StPO gesetzlich geforderten Glaubhaftmachung des Zeitpunkts der Kenntniserlangung des Betroffenen von der Verletzung rechtlichen Gehörs. Die Anhörungsrüge kann zulässig nur binnen einer Woche nach dieser Kenntniserlangung erhoben werden (§ 356a Satz 2 StPO). Da das Revisionsgericht diesen Zeitpunkt regelmäßig nicht aus den Akten entnehmen kann (), verlangt das Gesetz die Glaubhaftmachung des relevanten Zeitpunkts durch den Antragsteller. Dabei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags nach § 356a Satz 1 StPO (, StV 2010, 297; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 356a Rn. 9). An der Glaubhaftmachung fehlt es. Der Antrag teilt unabhängig von der Glaubhaftmachung noch nicht einmal den Zeitpunkt der Kenntniserlangung als solchen mit.

52. Die Anhörungsrüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.

6Der Senat hat das angefochtene Urteil unter Berücksichtigung der in der Revisionsbegründung enthaltenen Beanstandungen und unter Einbeziehung der Ausführungen in der Erwiderung vom auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts umfassend geprüft. In seinem Beschluss vom hat der Senat seine mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übereinstimmende Auffassung über die gesetzlichen Darlegungsanforderungen an die hier fragliche Verfahrensrüge näher begründet. Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen der Verurteilte nicht zuvor gehört worden war, hat er dabei nicht verwertet. Auch ist kein entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen worden. Dass der Senat der Rechtsauffassung der Revision über die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gefolgt ist, lässt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht erkennen. Auch wird mit der Forderung nach Ausführungen zu der für eine Exploration rechtlich erforderlichen Einwilligung der Zeugin nichts Unmögliches gefordert. Vielmehr wird damit dem Umstand Rechnung getragen, dass Zeugen nicht ohne deren Einwilligung auf ihre Glaubwürdigkeit hin untersucht werden dürfen (siehe insoweit Meyer-Goßner, aaO, § 81c Rn. 7 mwN).

7Im Übrigen hat der Senat in seinem Verwerfungsbeschluss ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die Verfahrensrüge auf Einholung des Glaubwürdigkeitsgutachtens auch unbegründet war. Damit wird den aus Art. 103 Abs. 1 GG resultierenden Pflichten zur Begründung letztinstanzlicher, nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbaren gerichtlichen Entscheidungen genügt.

Wahl                       Rothfuß                          Jäger

             Cirener                         Radtke

Fundstelle(n):
ZAAAE-33639