„Sanierungsklausel - noch 15 Verfahren anhängig”
Unzulässige staatliche Beihilfe – unzulässige Klagen?
Es war einmal zu Zeiten der Unternehmensteuerreform 2008, als eine Verlustvernichtungsregelung (§ 8c KStG) für schädliche Beteiligungserwerbe Geld in die klamme Staatskasse spülen sollte. In der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde dem Steuergesetzgeber schnell klar, dass die Norm etwaigen Investitionen in angeschlagene Unternehmen komplett im Wege steht. Deshalb wurde im Jahr 2009 nachgebessert und ein Sanierungsprivileg (§ 8c Abs. 1a KStG) rückwirkend eingeführt: Bei Anteilserwerben zum Zwecke der Sanierung sollten die Verluste der Körperschaft nicht mehr entfallen. Alles schien wieder gut. Jedenfalls bis zum Auftritt des Hüters der Europäischen Verträge, der in dieser Sanierungsausnahme eine nicht angemeldete und zudem unzulässige steuerliche Beihilfe sah. Die Kommission sprach daher am ein Beihilfeverbot aus und forderte die Bundesrepublik zur Rückgängigmachung auf (Az. C 7/10).
Derartig brüskiert, erhob die Bundesrepublik am Nichtigkeitsklage. Nach der Erkenntnis des Gerichts (EuG) in seinem kürzlich ergangenen Beschluss vom (Rs. T-205/11, Deutschland/Kommission) war die Entscheidung der Kommission der Bundesrepublik am zugestellt worden. Damit endete die Klagefrist von zwei Monaten und zehn Tagen mit Ablauf des , so dass die Klage um ein paar wenige Stunden zu spät eingelegt worden war. Die Luxemburger Richter mussten die Klage abweisen. Wer zu spät kommt, den bestraft eben das Leben.
Gerüchteweise befürchtete man im BMF diesen Verfahrensausgang schon seit Längerem. Um die betroffenen deutschen Unternehmen jedoch nicht im Regen stehen zu lassen, bot das BMF den Unternehmen, die in eigener Sache Nichtigkeitsklage in Luxemburg eingelegt hatten, seine Unterstützung an. In der Tat würde es für die Anwendung des Sanierungsprivilegs auf noch nicht bestandskräftige Bescheide ausreichen, wenn auch nur eine der 15 beim EuG anhängigen Klagen eines Unternehmens Erfolg hätte. Allerdings wird kolportiert, dass in einigen Fällen die unmittelbare Betroffenheit und damit die Klagebefugnis für problematisch gehalten wird. Es bleibt daher zu hoffen, dass sich das EuG zumindest in einer Rechtssache mit der materiell-rechtlichen Fragestellung auseinandersetzt. Schließlich geht es im Beihilfestreit darum, ob die Verlustnutzung oder der Verlustwegfall das Referenzsystem darstellt, für das das Sanierungsprivileg entweder die Bestätigung oder die Ausnahme darstellt. Würde das EuG der Kommission zustimmen, so wäre ein doppelter Verlust zu beklagen: Verloren wären zum einen die Verlustvorträge der betroffenen Unternehmen, verloren wäre aber auch ein Stückweit Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers. Denn einmal getroffene Belastungsentscheidungen könnten durch selektive Ausnahmen nicht mehr ohne Genehmigung der Kommission nachträglich abgemildert werden. Mit Spannung wird daher hierzulande der Ausgang der noch anhängigen EuG-Verfahren verfolgt.
Ingmar Doerr
Fundstelle(n):
NWB 2013 Seite 329
YAAAE-28033