BGH Urteil v. - IV ZR 200/10

Inhaltskontrolle für Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Kapitallebensversicherung und die aufgeschobene Rentenversicherung sowie die fondsgebundene Rentenversicherung: Verwendung von Formularklauseln durch einen VVaG

Gesetze: § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB, § 308 BGB, § 309 Nr 12 Buchst a BGB, § 11 VAG, § 174 Abs 2 VVG vom , § 176 Abs 3 VVG vom , § 176 Abs 4 VVG vom , § 211 VVG

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 9 U 20/10 Urteilvorgehend Az: 324 O 1152/07 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger ist ein in der Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG geführter gemeinnütziger Verbraucherschutzverein. Die Beklagte ist eine deutsche Versicherungsgesellschaft in Form eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit bestimmter Klauseln in den von der Beklagten jedenfalls im Zeitraum von Januar 2007 bis Ende 2007 verwendeten "Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung" (AVB-KLV), "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" (AVB-PRV) und "Allgemeinen Bedingungen für die Fondsgebundene Rentenversicherung" (AVBF-PRV).

2In diesen Bedingungen finden sich unter anderem die im Tenor wiedergegebenen Klauseln zur Kündigung und Umwandlung des Vertrages in eine prämienfreie Versicherung, zur Berechnung des Rückkaufswertes, zum sogenannten Stornoabzug und zur Abschlusskostenverrechnung. In einem von der Beklagten als Musterversicherungsschein für die Kapitallebensversicherung vorgelegten Versicherungsschein ist eine Tabelle der garantierten Rückkaufswerte und der beitragsfreien Versicherungssummen für 33 Jahre enthalten. In dieser werden sämtliche Versicherungsjahre abgebildet, wobei der Rückkaufswert und die beitragsfreie Versicherungssumme für die ersten zwei Vertragsjahre mit Null ausgewiesen werden. Die aufgelisteten Beträge betreffen die um den Stornoabzug geminderten Auszahlungsbeträge.

3Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der angegriffenen Klauseln sowohl beim Abschluss neuer Versicherungsverträge als auch bei der Abwicklung bereits geschlossener Verträge in Anspruch. Er hält sie unter Bezugnahme auf die und IV ZR 138/99) und (IV ZR 162/03 und IV ZR 177/03) sowie den ) sowohl wegen fehlender Transparenz als auch wegen inhaltlicher Unangemessenheit für unwirksam. Mit anwaltlichem Schreiben vom verlangte er von der Beklagten erfolglos die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung sowie die Erstattung der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten.

4Das Landgericht hat der Klage bezüglich der angegriffenen Klauseln für Lebensversicherungen und für Rentenversicherungen in vollem Umfang sowie für fondsgebundene Rentenversicherungen teilweise stattgegeben und das weitere Unterlassungsbegehren des Klägers, das gegen Allgemeine Bedingungen für fondsgebundene Lebensversicherungen gerichtet war und mit seinen Rechtsmitteln nicht weiter verfolgt wird, für unbegründet erachtet. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht weitere Bedingungen der fondsgebundenen Rentenversicherung für unwirksam erklärt und die Beklagte zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten verurteilt. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten hat es die Klage hinsichtlich der Untersagung der Klauselverwendung bei Neuabschlüssen ab abgewiesen. Die Parteien verfolgen mit ihren Revisionen die von ihnen zuletzt im Berufungsverfahren gestellten Anträge im Wesentlichen weiter.

Gründe

5Die Revision des Klägers hat Erfolg, diejenige der Beklagten ist weitgehend unbegründet. Soweit die Revisionen Erfolg haben, ist das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des Landgerichts teilweise abzuändern.

6I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann sich die Beklagte bei der Abwicklung bestehender Versicherungsverträge nicht auf die vom Kläger angegriffenen Klauseln berufen, da diese wegen Intransparenz i.S. des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam seien. Der Versicherungsnehmer könne sich in der Kapitallebensversicherung kein zuverlässiges Bild von der Höhe des Stornoabzugs machen und entgegen § 309 Nr. 12a BGB nicht erkennen, dass die Beklagte zunächst die Angemessenheit des vorgesehenen Abzugs darzulegen habe. Die weiteren Bestimmungen zur Kündigung der Versicherung und Beitragsfreistellung seien intransparent, weil sie dem Versicherungsnehmer die Berechnung des korrekten Versicherungswerts vorenthielten. Die Bedingungen differenzierten entgegen der gesetzlichen Vorgabe nicht zwischen dem nach den anerkannten versicherungsmathematischen Methoden zu ermittelnden Zeitwert (= Rückkaufswert) und dem sich nach dem in § 176 Abs. 4 VVG a.F. vorgesehenen Stornoabzug ergebenden Auszahlungsbetrag. Die Regelungen zu den Abschlusskosten zeigten die Dauer der aus der Verrechnung resultierenden Nachteile und die Zusammensetzung der Kosten nicht in nachvollziehbarer Weise auf. Der Vorbehalt der Beklagten, Rückkaufswerte von weniger als 10 € nicht auszuzahlen, benachteilige den Versicherungsnehmer unangemessen. Die entsprechenden Regelungen für die Rentenversicherung und die fondsgebundene Rentenversicherung seien ebenfalls unwirksam.

7Hinsichtlich des Abschlusses von Neuverträgen nach dem sei die Berufung der Beklagten dagegen begründet, da die für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs notwendige Wiederholungsgefahr insoweit nicht vorliege. Das an diesem Tag in Kraft getretene neue Versicherungsvertragsgesetz enthalte strikte Regelungen zum Stornoabzug sowie zu den Abschluss- und Vertriebskosten, die zum Teil deutlich von den angegriffenen Bedingungen der Beklagten abwichen und selbst eine "kerngleiche" Weiterverwendung ausschlössen. Es liege auf der Hand, dass sich rational verhaltende Versicherungsunternehmen ihre Bedingungen der neuen gesetzlichen Regelung anpassten.

8II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Umfang der erfolgten Verurteilung der Beklagten im Wesentlichen stand. Die Revision der Beklagten hat nur hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten Erfolg.

91. Die Klage ist i.S. der §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Dem steht weder die teilweise Verwendung von Platzhaltern ("…") noch die Einklammerung einzelner Gliederungsziffern, Überschriften und Sätze oder die Beschränkung der Klage auf einige Absätze, Sätze und Teilsätze der Versicherungsbedingungen entgegen (vgl. insoweit Senatsurteil vom  - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 9-12, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

102. Mit Ausnahme der § 7 II Nr. 1c Satz 1, § 17 Nr. 1 Satz 1 AVB-KLV, AVB-PRV, AVB-F-PRV - bezüglich derer der Kläger die Klage in der Revisionsinstanz zurückgenommen hat und die daher nicht länger der gerichtlichen Überprüfung unterliegen - betreffenden Verurteilung hat das Berufungsgericht die Beklagte im Ergebnis zu Recht gemäß § 1 UKlaG verurteilt, die Verwendung der streitbefangenen Klauseln ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu unterlassen.

11Hierbei kann die von den Vorinstanzen erörterte Frage, ob und inwieweit die angegriffenen Bestimmungen gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen, weitestgehend dahinstehen. Die Regelungen zur Kostenverrechnung mittels der so genannten "Zillmerung" in § 17 Nr. 2 Satz 1, 2 AVB-KLV, AVB-PRV und AVB-F-PRV sowie § 7 II Nr. 1 c) Satz 3, 4 AVB-KLV, AVB-PRV und AVB-F-PRV sind bereits wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB materiell unwirksam (unter 3.). Ihre Unwirksamkeit erstreckt sich auf weitere Teile der angegriffenen Klauselwerke (unter 4.). Die Regelungen zur Ermittlung von Rückkaufswerten und prämienfreien Versicherungssummen sowie zum Stornoabzug sind darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht intransparent gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (unter 5.). Weitere Klauseln verstoßen gegen § 309 Nr. 12 a) BGB (unter 6.). Die Regelungen, mit denen sich die Beklagte den Einbehalt von Kleinbeträgen von weniger als 10 € vorbehält (10 €-Klausel), sind unwirksam gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB (unter 7.). Die grundsätzlich zu vermutende Wiederholungsgefahr liegt vor (unter 8.).

123. Die Kostenverrechnungsklauseln der §§ 17 Nr. 2 Satz 1, 2 AVB-KLV, AVB-PRV und AVB-F-PRV sowie § 7 II Nr. 1 c) Satz 3, 4 AVB-KLV, AVB-PRV und AVB-F-PRV sind gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Dies hat der Senat für vergleichbare Klauseln eines anderen Versicherers mit Urteil vom entschieden und im Einzelnen begründet. Insoweit nimmt der Senat in vollem Umfang Bezug auf die Gründe dieses Urteils, die hier entsprechend gelten (IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 15-33; ferner Senatsurteil vom  - IV ZR 202/10, juris Rn. 12-14). Es handelt sich um kontrollfähige Nebenabreden außerhalb des Anwendungsbereichs des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (Senatsurteil vom aaO Rn. 16). Art. 4 Abs. 2 EGVVG steht einer umfassenden gerichtlichen Überprüfung der Klauseln auf ihre materiell-rechtliche Wirksamkeit nicht entgegen (aaO Rn. 17).

13Die in Form der Zillmerung erfolgende Abschlusskostenverrechnung führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Versicherungsnehmers mit den Abschlusskosten gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (aaO Rn. 18-30). Durch die mit der Zillmerung verbundenen Nachteile wird das Recht des Versicherungsnehmers auf die Versicherungssumme unzulässig beeinträchtigt. Die Kapital-Lebensversicherung dient nicht lediglich der Absicherung des Todesfallrisikos, sondern auch der Kapitalanlage und Vermögensbildung (vgl. , BGHZ 147, 354, 362; IV ZR 138/99, BGHZ 147, 373, 378; vom  - IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 322; BVerfG NJW 2006, 1783 Rn. 65). Für die zahlenmäßig große Gruppe von Versicherungsnehmern, die von der beabsichtigten langfristigen Vertragsfortführung vorzeitig absehen müssen, wird dieser Vertragszweck aufgrund der ihnen auferlegten Abschlusskosten je nach Beendigungszeitpunkt unverhältnismäßig belastet oder vereitelt. Hierin liegt zugleich ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (Senatsurteil vom aaO Rn. 31).

14Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte demgegenüber darauf, dass bei ihr als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit die Gewinne nicht Aktionären, sondern den Versicherungsnehmern als Vereinsmitgliedern zugute kämen. Der Senat hat bereits mit Urteil vom entschieden, dass dem Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert die Rechtsnatur des Versicherers als VVaG nicht entgegensteht (IV ZR 94/05, VersR 2008, 337 Rn. 12). Der Rückkaufswert betrifft das Austauschverhältnis der Partner des Versicherungsvertrages, das in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten in gleicher Weise geregelt ist wie bei als Aktiengesellschaften verfassten Versicherern. Für das Versicherungsverhältnis trifft daher die im Senatsurteil vom (IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 320 ff.) nach objektiv generalisierenden Gesichtspunkten vorgenommene Interessenabwägung auch für den VVaG zu.

15Ferner lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten der Regelung in § 211 VVG (= § 189 VVG a.F.) nicht entnehmen, dass auch für die in dieser Vorschrift nicht genannten Versicherungen eine vertragliche Regelung des Inhalts möglich wäre, die die Auszahlung eines Rückkaufswertes für die ersten Vertragsjahre ausschließt (vgl. Senatsurteil vom  - IV ZR 202/10, juris Rn. 13).

16Die Beklagte kann weiter nicht mit ihrer Auffassung durchdringen, sie sei aufsichtsrechtlich verpflichtet, Abschlusskosten, vor allem Vermittlerprovisionen, gemäß § 11 VAG kalkulatorisch zu berücksichtigen. Zwar bestimmt § 10 Nr. 4 der Verordnung über die Berichterstattung von Versicherungsunternehmen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BerVersV), dass Lebensversicherungsunternehmen formgebundene Erklärungen bezüglich der Zerlegung des Rohergebnisses nach Ergebnisquellen gemäß Nachweisungen 213-219 zu erstellen haben. Auch sieht das Formular der Nachweisung 219 unter der Überschrift "Gegenüberstellung der tatsächlichen Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungen und der rechnungsmäßigen Erträge zu ihrer Deckung für das selbst abgeschlossene Versicherungsgeschäft" auf Seite 2, Ziff. 3 a) eine Bestimmung mit der Bezeichnung "Rechnungsmäßig gedeckt: durch Aktivierung noch nicht fälliger Ansprüche an VN sowie durch Zillmerung der DR für den Neuzugang des Geschäftsjahres laut Nw 217, Zeile 24" vor. Diese Regelung schreibt jedoch nicht die Zillmerung im Verhältnis des Versicherers zum Versicherungsnehmer vor, sondern betrifft allein bilanz- und aufsichtsrechtliche Verpflichtungen der Versicherer zur Sicherstellung einer ausreichenden Kapitaldecke. Für das privatrechtliche Versicherungsverhältnis sind derartige Berichterstattungspflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde unerheblich.

17Diese Erwägungen gelten entsprechend für die Abschlusskostenregelung in § 17 Nr. 2 Satz 1, 2 AVB-PRV, AVB-F-PRV sowie § 7 II Nr. 1 c) Satz 3, 4 AVB-PRV, AVB-F-PRV. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, § 176 VVG a.F. gelte nur für Kapital- und nicht für Rentenversicherungen, übersieht sie, dass es dem Versicherungsnehmer auch bei einer (fondsgebundenen) Rentenversicherung maßgeblich darum geht, von Vertragsbeginn an die Kapitalanteile der gezahlten Prämien gewinnbringend zu investieren sowie im Falle vorzeitiger Vertragsbeendigung oder -umwandlung an den gebildeten Vermögenswerten teilzuhaben (vgl. , juris Rn. 14, 16; ferner vom  - IV ZR 209/03, VersR 2008, 244 Rn. 7 f. zur Rentenversicherung und vom  - IV ZR 321/05, VersR 2007, 1547 Rn. 13 f., 16 zur fondsgebundenen Lebensversicherung). Die Beklagte hat für die kapitalbildende Lebensversicherung, die Rentenversicherung sowie die fondsgebundene Rentenversicherung weitgehend übereinstimmende Versicherungsbedingungen verwendet. Insbesondere hat sie auch in § 7 II Nr. 2 a) Abs. 1, Nr. 4 a) Abs. 1, Nr. 4 b) Abs. 1 AVB-PRV und § 7 II Nr. 2 a) Abs. 1 AVB-F-PRV die Vermögensbildung den Vorgaben der §§ 174, 176 VVG a.F. unterstellt. Dies kommt in der ausdrücklichen Zusage der Beklagten, einen Rückkaufswert zu gewähren, in den Warnungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen vor den nachteiligen Auswirkungen der Zillmerung auf die Vermögensbildung sowie in den ergänzenden Informationen zur Höhe der vorzeitigen Versicherungsleistung zum Ausdruck. Dieses wesentliche Vertragsziel darf nicht über eine Abschlusskostenverrechnung mit Hilfe des unzulässigen Zillmerverfahrens unterlaufen werden.

184. Die Unwirksamkeit der Kostenverrechnungsklauseln erstreckt sich auf weitere streitbefangene Bedingungen. Auch dies hat der Senat für vergleichbare Bedingungen eines anderen Versicherers im Urteil vom entschieden und näher begründet (zur Erstreckungswirkung im Einzelnen IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 34-39, 41 f.). Erfasst von der Unwirksamkeit werden

● für die Kapitallebensversicherung § 7 II Nr. 1 c) Satz 2, Nr. 1 d) Satz 1-3, Nr. 2 c), Nr. 3 a) Abs. 2, § 17 Nr. 1 Satz 2, Nr. 3 Satz 2 AVB-KLV,

● für die Rentenversicherung § 7 II Nr. 1 c) Satz 2, Nr. 1 d) Satz 1-3, Nr. 2 f), Nr. 4 a) Abs. 2, § 17 Nr. 1 Satz 2, Nr. 3 Satz 2 AVB-PRV sowie

● für die fondsgebundene Rentenversicherung § 7 II Nr. 1 c) Satz 2, Nr. 1 d), § 17 Nr. 1 Satz 2 AVB-F-PRV.

195. a) Die Klauseln zum Rückkaufswert, zur prämienfreien Versicherungssumme und zum Stornoabzug in § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 a) Abs. 1 Satz 2-4, Abs. 3 Satz 1, 2, Nr. 3 a) Abs. 1 Satz 1, 2, Nr. 3 b) Abs. 1 AVB-KLV, Ziff. 4.1 Abs. 1 und Ziff. 4.2 Abs. 1 der Tarifbedingungen für die Lebensversicherung, § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 a) Abs. 1 Satz 2-4, Abs. 3 Satz 1, 2, Nr. 4 a) Abs. 1 Satz 1, 2, Nr. 4 b) Abs. 1 AVB-PRV, Ziff. 4.1 Abs. 1 und Ziff. 4.2 Abs. 2, 3 der Tarifbedingungen für die Rentenversicherung sowie § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 a) Abs. 1 Satz 2-4, Nr. 3 b) Abs. 1 Satz 1 AVB-F-PRV sowie jeweils Ziff. 2 Abs. 1 der Tarifbedingungen für die fondsgebundene Rentenversicherung der Produktgruppen Classic und Select verstoßen ferner gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beklagte differenziert unzulässig nicht zwischen dem Rückkaufswert als versicherungsmathematisch zu berechnendem Zeitwert i.S. der §§ 174 Abs. 2, 176 Abs. 3 VVG a.F. und einem gesondert zu vereinbarenden angemessenen Stornoabzug i.S. der §§ 174 Abs. 4, 176 Abs. 4 VVG a.F.. Zur näheren Begründung wird auf das auch insoweit vergleichbare Klauseln betreffende Senatsurteil vom (IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 43-52, 56) verwiesen. Das Verhältnis von Rückkaufswert bzw. prämienfreier Versicherungssumme sowie Stornoabzug ist wegen § 178 Abs. 2 VVG a.F. einer zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorgaben abweichenden Regelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht zugänglich.

20Dem widersprechen § 7 II Nr. 2 a) Abs. 1 Satz 2-4 AVB-KLV, AVB-PRV und AVB-F-PRV. Hiernach ist der Rückkaufswert der Zeitwert der Versicherung. Dieser Betrag wird um den in den Tarifbedingungen festgesetzten Abzug vermindert. Im Folgenden wird unter dem Begriff des Rückkaufswerts immer der Zeitwert, vermindert um den Abzug, verstanden. Auch wenn die Beklagte somit offenlegt, dass von dem als Zeitwert beschriebenen Rückkaufswert ein Abzug vorgenommen wird, ändert dies nichts an der Unzulässigkeit einer derartigen Regelung. Tatsächlich wird durch die zusätzliche Berücksichtigung des Abzugs bei der Bestimmung des Begriffs des Rückkaufswerts eine unzulässige Vermischung von Rückkaufswert und Stornoabzug vorgenommen. Dies ist mit der gesetzlichen Vorgabe in § 176 Abs. 3 und 4 VVG a.F. nicht zu vereinbaren. Die Regelung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen führt dazu, dass der Begriff des Rückkaufswerts unzulässig mit dem des Auszahlungsbetrages gleichgesetzt wird. Dasselbe gilt im Ergebnis für die Regelung in § 7 II Nr. 3 a) Abs. 1 Satz 1, 2, Nr. 3 b) Abs. 1 AVB-KLV, § 7 II Nr. 4 a) Abs. 1 Satz 1, 2, Nr. 4 b) Abs. 1 AVB-PRV, § 7 II Nr. 3 b) Abs. 1 Satz 1 AVB-F-PRV.

21b) Diese Intransparenz vermag auch die von der Beklagten für die Kapitallebensversicherung verwendete "Tabelle der garantierten Rückkaufswerte und der beitragsfreien Versicherungssummen" nicht zu beheben. Sie weist lediglich den als "Rückkaufswert" sowie "Beitragsfreie Versicherungssumme" umschriebenen Auszahlungsbetrag aus. Der Rückkaufswert nach § 176 Abs. 3 VVG a.F. und die beitragsfreie Versicherungssumme nach § 174 Abs. 2 VVG a.F. jeweils vor Stornoabzug werden dem Versicherungsnehmer demgegenüber an keiner Stelle mitgeteilt. Zwar werden in den Tarifbedingungen für die Lebens- und Rentenversicherung sowohl bei Haupt- als auch bei Zusatzversicherungen für die einzelnen Produkte die prozentualen Abzüge genannt. Sie sollen sich auf einen bestimmten Prozentbetrag der noch ausstehenden Beitragssumme abzüglich Stückkosten und ohne Ratenzuschläge berechnen. Es ist aber bereits nicht ersichtlich, dass der Versicherungsnehmer in der Lage wäre, selbst und ohne weitere Erläuterung diese Stückkosten und Ratenzuschläge zu berechnen. Selbst wenn dies der Fall wäre, müsste er den von ihm selbst errechneten Abzug zunächst in einem weiteren Rechenschritt zu dem Rückkaufswert und der beitragsfreien Versicherungssumme in der Wertetabelle addieren, um den Rückkaufswert i.S. von § 176 Abs. 3 VVG a.F. bzw. die prämienfreie Versicherungsleistung nach § 174 Abs. 2 VVG a.F. zu erhalten. Dies ist schon deshalb unzulässig, weil der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet ist, die Nachteile, über die der Versicherer Aufklärung zu leisten hat, erst selbst durch eine Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Daten zu ermitteln (vgl. , BGHZ 147, 354, 363; IV ZR 138/99, BGHZ 147, 373, 379).

22Schließlich bleibt dem Versicherungsnehmer aufgrund der in der Tabelle für die ersten beiden Vertragsjahre ausgewiesenen Null-Werte verborgen, in wie vielen Vertragsjahren sich die vorzeitigen Versicherungsleistungen aufgrund der Zillmerung auf Null belaufen und ab welchem Zeitpunkt zwar eine Vermögensbildung einsetzt, aber wegen des Stornoabzugs keine Auszahlung erfolgt.

23c) Entgegen der Auffassung der Beklagten weicht der Senat mit dieser Beurteilung weder von seiner bisherigen Rechtsprechung noch derjenigen des Bundesarbeitsgerichts ab (vgl. hierzu Senatsurteil vom  - IV ZR 202/10, juris Rn. 19).

24d) Auch der Umstand, dass weder die AVB-PRV noch die AVB-F-PRV auf die gesetzlichen Regelungen der §§ 174, 176 VVG a.F. Bezug nehmen, vermag nichts an der Unwirksamkeit der maßgeblichen Bestimmungen zu ändern. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer stellt sich der Stornoabzug aufgrund der Regelung in § 7 II Nr. 2 a) Satz 2-4 AVB-PRV, AVB-F-PRV durch die Formulierung "wird um den in den Tarifbedingungen festgesetzten Abzug vermindert" als notwendiger Bestandteil der Bestimmung des Rückkaufswerts dar. Entsprechendes gilt für § 7 II Nr. 4 a) Abs. 1 Satz 2, Nr. 4 b) Abs. 1 AVB-PRV und § 7 II Nr. 3 b) Abs. 1 Satz 1 AVB-F-PRV.

25e) Die Unwirksamkeit der Regelungen zur Berechnung des Rückkaufswerts in § 7 II Nr. 2 a) Abs. 1 Satz 2-4 AVB-KLV, AVB-PRV und AVB-F-PRV erstreckt sich ferner auf die damit im Zusammenhang stehenden Bestimmungen in § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 a) Abs. 3 Satz 1, 2, Nr. 3 a) Abs. 1 Satz 1, 2, Nr. 3 b) Abs. 1 AVB-KLV, § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1, Nr. 2 a) Abs. 3 Satz 1, 2, Nr. 4 a) Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Nr. 4 b) Abs. 1 AVB-PRV, § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1, Nr. 3 b) Abs. 1 Satz 1 AVB-F-PRV, Ziff. 4.1 Abs. 1 und Ziff. 4.2 Abs. 1 der Tarifbedingungen für die Lebensversicherung, Ziff. 4.1 Abs. 1 und Ziff. 4.2 Abs. 2 und 3 der Tarifbedingungen für Rentenversicherung sowie jeweils Ziff. 2 Abs. 1 der Tarifbedingungen für die fondsgebundene Rentenversicherung Produktgruppe Classic und Produktgruppe Select.

26f) Daneben werden sämtliche streitbefangene Bedingungen zum Rückkaufswert, zur prämienfreien Versicherungsleistung und zum Stornoabzug von der Unwirksamkeit der Zillmerabrede erfasst, ohne die sie nicht isoliert bestehen bleiben könnten. Insoweit wird auf die Ausführungen im Senatsurteil vom (IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 53 f., 56) verwiesen.

276. § 7 II Nr. 1 b) Abs. 3 AVB-KLV, AVB-PRV und AVB-F-PRV verstößt ferner gegen § 309 Nr. 12 a) BGB. Zwar wird dem Versicherungsnehmer entsprechend § 309 Nr. 5 b) BGB der Nachweis gestattet, dass die dem Abzug zugrunde liegenden Annahmen in seinem Fall entweder dem Grunde nach nicht zutreffen oder der Abzug wesentlich geringer zu beziffern ist, so dass der Abzug entfällt oder herabzusetzen ist. Dem Versicherungsnehmer wird aber durch das Zusammenspiel von § 7 II Nr. 1 b) Abs. 3 mit § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1 der falsche Eindruck vermittelt, er sei insgesamt beweispflichtig für eine unangemessene Höhe des Stornoabzugs. Tatsächlich besteht ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, nach dem zunächst die Beklagte als Verwenderin darlegungs- und beweispflichtig für die generelle Angemessenheit der Höhe des Stornoabzugs ist und der Versicherungsnehmer erst in einem zweiten Schritt die Beweislast dafür trägt, dass in seinem konkreten Einzelfall ein Abzug überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe angemessen ist (Senatsurteil vom  - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 65). Diese Differenzierung kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Zusammenspiel der Bedingungen nicht entnehmen. Es fehlt an einer ausdrücklichen Regelung, dass zunächst die Beklagte die Angemessenheit der Höhe des Stornoabzugs darzulegen und zu beweisen hat. Vielmehr heißt es in § 7 II Nr. 1 b) Abs. 1 Satz 1 lediglich, die Beklagte sei berechtigt, die dem Versicherungsnehmer zustehenden Leistungen um einen in den Tarifbedingungen festgesetzten Betrag (Abzug) zu verringern. Auch wenn im Folgenden im Einzelnen erläutert wird, auf welche Kostenpositionen sich der Abzug bezieht und welche Umstände bei seiner Kalkulation zu berücksichtigen sind, kann der Versicherungsnehmer hieraus nicht entnehmen, dass die Beweislast zunächst den Versicherer trifft. Gerade aus dem Umstand, dass lediglich in § 7 II Nr. 1 b) Abs. 3 der Bedingungen eine Regelung über die Beweislast getroffen wurde, wird der Versicherungsnehmer erkennen können, die Beweislast liege allein bei ihm.

287. Der Vorbehalt in Ziff. 3.4 der Tarifbedingungen für die Lebensversicherung sowie in Ziff. 3.3 der Tarifbedingungen für die Rentenversicherung, wonach ein Rückkaufswert unter 10 € aus Kostengründen nicht ausgezahlt wird, sofern kein weiterer Zahlungsvorgang erfolgt, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. Senatsurteil vom  - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 67 f., 70). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Auszahlungsvorbehalt ausdrücklich auf die Fälle beschränkt ist, in denen aus der Versicherung keine andere Zahlung zu erbringen ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom  - IV ZR 202/10, juris Rn. 26).

298. Die für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr besteht. Aus der vertraglichen Einbeziehung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Vergangenheit resultiert die tatsächliche Vermutung ihrer zukünftigen Verwendung und ihrer Anwendung bei der Vertragsdurchführung (vgl. , NJW 1992, 1108, 1109; vom  - XII ZR 159/98, NJW-RR 2001, 485, 487; vom - III ZR 99/01, NJW 2002, 2386). An die Widerlegung dieser Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen ( aaO; vom - I ZR 79/85, NJW 1987, 3251, 3252). Diese sind hier nicht erfüllt. Die Beklagte verweigert die für eine Widerlegung regelmäßig erforderliche Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, gegebenenfalls unter Hervorhebung ihrer an sich gegenteiligen Rechtsauffassung (vgl. aaO), und verteidigt durchgehend die angebliche Rechtmäßigkeit ihrer Allgemeinen Versicherungsbedingungen (vgl. aaO; vom aaO). Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, mit den insbesondere für problematisch erachteten Frühstornofällen sei wegen Zeitablaufs jetzt nicht mehr zu rechnen. Die angegriffenen Klauseln sind insgesamt unwirksam, unabhängig davon, ob und wann eine Kündigung des Vertrages erfolgt.

309. Bezüglich der Pflicht der Beklagten, dem Kläger die durch die außergerichtliche Abmahnung vom entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.638,16 € zuzüglich Zinsen zu erstatten, hat die Revision der Beklagten insoweit Erfolg, als der Kläger lediglich Zahlung von 1.036,01 € verlangen kann. Zutreffend hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers aus § 5 UKlaG, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auf Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen angenommen. Der Kläger war berechtigt, sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen (vgl. Senatsurteil vom  - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 74 f.). Der Höhe nach steht ihm indessen nur ein Anspruch auf Zahlung von 1.036,01 € zu. Unter Zugrundelegung der mit der Abmahnung mit Erfolg gerügten Klauseln und eines Gegenstandswerts von 2.500 € pro Klausel ergibt sich ein Gegenstandswert für das Mahnschreiben von 37.500 €. Auf der Grundlage einer 1,3-Geschäftsgebühr errechnet sich zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ein erstattungsfähiger Betrag von 1.036,01 €.

31III. Die Revision des Klägers hat in vollem Umfang Erfolg. Sein Unterlassungsanspruch umfasst nicht nur die Verwendung der streitbefangenen Klauseln bei der Abwicklung bestehender, sondern auch beim Abschluss neuer Verträge ab dem . Insoweit ist in vollem Umfang auf die Gründe des Senatsurteils vom (IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 79-81) zu verweisen, die hier entsprechend gelten. Auf die unter Zeugenbeweis gestellten Behauptungen der Beklagten zur inhaltlichen Überarbeitung der AVB und zur nicht berücksichtigten weiteren Verwendung auch nur "kerngleicher" AVB kommt es angesichts der von der Beklagten unverändert in Abrede gestellten weiteren Transparenzdefizite nicht an.

Mayen                            Harsdorf-Gebhardt                                        Dr. Karczewski

                Lehmann                                          Dr. Brockmöller

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Fundstelle(n):
VAAAE-27879