EuGH Urteil v. - C-444/10 BStBl 2012 II S. 848

Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Vermietung von Geschäftsräumen an Erwerber

Leitsatz

Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens im Sinne dieser Bestimmung darstellt, sofern die übertragenen Sachen hinreichen, damit der Erwerber eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann.

Instanzenzug: , ,

Gründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Revisionsverfahrens zwischen dem Finanzamt Lüdenscheid (im Folgenden: Finanzamt) und Frau Schriever über einen Umsatzsteueränderungsbescheid, mit dem das Finanzamt die Übertragung des Warenbestands und der Ladeneinrichtung durch Frau Schriever als mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz eingestuft hat.

Rechtlicher Rahmen

Sechste Richtlinie

Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt.

Nach Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie gilt als "Lieferung eines Gegenstands" die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

Art. 5 Abs. 8 dieser Richtlinie lautet:

"Die Mitgliedstaaten können die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist."

Gemäß Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie gilt ihr Art. 5 Abs. 8 "unter den gleichen Voraussetzungen für Dienstleistungen".

Nationales Recht

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (BGBl. 1993 I, S. 565, im Folgenden: UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Art. 1 Abs. 1a UStG, mit dem die Art. 5 Abs. 8 und 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie in das nationale Recht umgesetzt worden sind, bestimmt:

"Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Frau Schriever betrieb bis zum 30. Juni 1996 in ihr gehörenden Geschäftsräumen ein Einzelhandelsgeschäft mit Sportartikeln. Sie veräußerte den Warenbestand und die Ladeneinrichtung für einen Gesamtpreis von 455 000 DM an die Sport S. GmbH (im Folgenden: Sport S.). Auf der hierüber erstellten Rechnung wurde keine Umsatzsteuer ausgewiesen.

Parallel dazu vermietete Frau Schriever die Geschäftsräume, in denen die Geschäftstätigkeit ausgeübt worden war, ab dem auf unbestimmte Zeit an Sport S. Nach den Bedingungen des Mietvertrags konnte dieser aber von jeder Partei spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahrs zum Ablauf des folgenden Kalendervierteljahrs gekündigt werden.

Sport S. führte das Sportgeschäft bis zum fort.

Frau Schriever behandelte die Veräußerung des Warenbestands und der Ladeneinrichtung als eine nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen. Folglich gab sie die Erlöse daraus nicht in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1996 an.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vorgelegen hätten, weil das Grundstück als wesentliche Geschäftsgrundlage nicht an Sport S. veräußert worden sei. Es stufte den Vorgang im Umsatzsteueränderungsbescheid für 1996 als steuerbar ein und setzte die Umsatzsteuer entsprechend fest.

Das Finanzgericht gab der Klage von Frau Schriever gegen den Bescheid des Finanzamts statt, weil es sich bei einer Gesamtwürdigung der Umstände bei dem streitigen Umsatz um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG gehandelt habe, da zum einen Sport S. das Unternehmen von Frau Schriever tatsächlich fortgeführt habe und zum anderen die bloße theoretische Möglichkeit, den Vertrag jederzeit zu kündigen, in diesem Zusammenhang keine Auswirkungen gehabt habe.

Das Finanzamt legte gegen dieses Urteil Revision beim Bundesfinanzhof ein und brachte vor, eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens sei bei einem Mietvertrag mit gesetzlicher Kündigungsfrist nicht gewährleistet, da der Betrieb eines Einzelhandelsgeschäfts ohne Ladenlokal nicht möglich sei.

In seinem Vorlagebeschluss weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass eine Geschäftsveräußerung nach seiner ständigen Rechtsprechung auch dann vorliegen könne, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden seien, sofern sie nur dem Unternehmer langfristig zur Nutzung überlassen worden seien, damit das Unternehmen durch den Übernehmer dauerhaft fortgeführt werden könne. Der Bundesfinanzhof habe eine Mietdauer von zehn Jahren für eine langfristige Nutzungsüberlassung eines Betriebsgrundstücks als ausreichend angesehen, um eine langfristige Nutzung dieser wesentlichen Betriebsgrundlagen zu ermöglichen, während das Finanzgericht Baden-Württemberg in einem rechtskräftigen Urteil festgestellt habe, dass die Vermietung eines im Eigentum des Übertragenden stehenden Betriebsgrundstücks für eine Dauer von fünf Jahren nicht hinreichend sei, um eine dauerhafte "Fortführung" des Unternehmens annehmen zu können.

Nach den Angaben des Bundesfinanzhofs sind die Umstände des Ausgangsverfahrens jedoch besonders, da der auf unbestimmte Zeit geschlossene Mietvertrag von jeder Partei kurzfristig kündbar war.

Der Bundesfinanzhof hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Liegt eine "Übertragung" eines Gesamtvermögens im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie vor, wenn ein Unternehmer den Warenbestand und die Geschäftsausstattung seines Einzelhandelsgeschäfts an einen Erwerber übereignet und ihm das in seinem Eigentum stehende Ladenlokal lediglich vermietet?

2. Kommt es dabei darauf an, ob das Ladenlokal durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist?

Zu den Vorlagefragen

Mit seinen Vorlagefragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens darstellt.

Zunächst ist daran zu erinnern, dass Art. 5 Abs. 8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie vorsieht, dass die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens behandeln können, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen können. Hat ein Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, gilt die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens folglich für die Zwecke der Sechsten Richtlinie nicht als eine Lieferung von Gegenständen und unterliegt damit nicht der Mehrwertsteuer nach Art. 2 der Sechsten Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Abbey National, C-408/98, Slg. 2001, I-1361, Randnr. 30, vom , Zita Modes, C-497/01, Slg. 2003, I-14393, Randnr. 29, und vom , SKF, C-29/08, Slg. 2009, I-10413, Randnr. 36).

Nach Art. 5 Abs. 8 Satz 2 der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Fälle der Übertragung einer Vermögensmasse auf einen Begünstigten, der kein Steuerpflichtiger im Sinne der Sechsten Richtlinie ist oder nur für einen Teil seiner Tätigkeit als Steuerpflichtiger handelt, von diesem Grundsatz der Nichtlieferung ausnehmen, wenn dies erforderlich ist, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Diese Bestimmung nennt abschließend die Umstände, unter denen ein Mitgliedstaat, der von der Befugnis nach Art. 5 Abs. 8 Satz 1 Gebrauch macht, die Anwendung des Grundsatzes der Nichtlieferung einschränken kann (Urteil Zita Modes, Randnr. 30).

Zum Begriff der "Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt", nach Art. 5 Abs. 8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass es sich dabei um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff handelt, der in der gesamten Union eine einheitliche Auslegung finden muss. Mangels Definition dieses Begriffs in der Sechsten Richtlinie oder ausdrücklicher Verweisung auf das Recht der Mitgliedstaaten sind sein Sinn und seine Bedeutung unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Zwecks zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil Zita Modes, Randnrn. 32 bis 35).

Insbesondere im Licht des Regelungszusammenhangs von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie und des Zwecks der Richtlinie hat der Gerichtshof festgestellt, dass diese Bestimmung es den Mitgliedstaaten gestatten soll, die Übertragungen von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern, nämlich sie zu vereinfachen und zu vermeiden, dass die Mittel des Begünstigten übermäßig steuerlich belastet werden, zumal er den Betrag der Steuer später durch einen Vorsteuerabzug wiedererlangen würde (Urteil Zita Modes, Randnr. 39).

Ferner hat der Gerichtshof im Hinblick auf diese Zielsetzung festgestellt, dass der Begriff "Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens" dahin auszulegen ist, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann, dass er aber nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestands einschließt (vgl. Urteile Zita Modes, Randnr. 40, und SKF, Randnr. 37).

Damit eine Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie festgestellt werden kann, muss folglich die Gesamtheit der übertragenen Bestandteile hinreichen, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen.

Die Frage, ob diese Gesamtheit sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen umfassen muss, ist im Hinblick auf die Art der in Rede stehenden wirtschaftlichen Tätigkeit zu beurteilen.

Im Fall, dass für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich ist, kann eine Übertragung eines Gesamtvermögens im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie auch ohne Übereignung einer unbeweglichen Sache vorliegen.

Hingegen kann man nicht annehmen, dass eine solche Übertragung im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, ohne dass der Erwerber Besitz an dem Geschäftslokal erhält, wenn die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit in der Nutzung einer untrennbaren Gesamtheit von beweglichen und unbeweglichen Sachen besteht. Insbesondere wenn das Lokal mit einer festen Ladeneinrichtung ausgestattet ist, die für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendig ist, müssen diese unbeweglichen Sachen zu den übertragenen Bestandteilen gehören, damit es sich um die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens im Sinne der Sechsten Richtlinie handeln kann.

Ebenso kann eine Vermögensübertragung auch stattfinden, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrags zur Verfügung gestellt wird oder wenn er selbst über eine geeignete Immobilie verfügt, in die er sämtliche übertragenen Sachen verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin ausüben kann.

Jede andere Auslegung hätte eine willkürliche Unterscheidung zwischen Übertragungen durch Veräußerer, die Eigentümer des Lokals sind, in dem sich der zu übertragende Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil befindet, und Übertragungen durch Veräußerer, die nur Inhaber eines Mietrechts an dem Lokal sind, andererseits zur Folge. Denn weder der Wortlaut des Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie noch sein Zweck lassen die Annahme zu, dass Letztere keine Übertragung eines Gesamtvermögens im Sinne dieser Bestimmung vornehmen könnten.

Zudem kann die bei der Übertragung eines Unternehmens oder Unternehmensteils zu entrichtende Mehrwertsteuer im Verhältnis zu den Mitteln des betreffenden Betriebs auch in dem Fall, dass das übertragene Gesamtvermögen keine unbeweglichen Sachen umfasst, eine besonders hohe Belastung für den Erwerber sein. Es entspricht daher dem Zweck der fraglichen Bestimmung, wie er in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils wiedergegeben worden ist, auch der Übertragung eines Gesamtvermögens unter gleichzeitigem Abschluss eines Mietvertrags über ein Geschäftslokal eine besondere Behandlung zukommen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil Zita Modes, Randnr. 41).

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass für die Feststellung, ob ein Geschäft unter den Begriff der Übertragung eines Gesamtvermögens im Sinne der Sechsten Richtlinie fällt, eine Gesamtwürdigung der für das betreffende Geschäft kennzeichnenden tatsächlichen Umstände vorgenommen werden muss. Dabei ist der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, deren Fortführung geplant ist, besondere Bedeutung zuzumessen.

Was insbesondere die Übertragung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts betrifft, so dient diese im Allgemeinen dazu, dem Erwerber die Fortführung dieses Geschäfts zu ermöglichen.

Auch wenn es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, die nicht ohne ein Geschäftslokal ausgeübt werden kann, ist es normalerweise zur Fortführung des übertragenen Einzelhandelsgeschäfts nicht notwendig, dass der Inhaber des Geschäfts auch der Eigentümer der Immobilie ist, in der dieses Geschäft geführt wird.

Wenn die Übertragung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung hinreicht, um die Fortführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen, ist die Übertragung von unbeweglichen Sachen für die Einstufung des Vorgangs als Übertragung des Gesamtvermögens nicht ausschlaggebend.

Wenn sich zeigt, dass der Erwerber zur Fortführung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal verfügen muss, das dem Veräußerer zur Verfügung stand, spricht grundsätzlich auch nichts dagegen, dass ihm der Besitz durch Abschluss eines Mietvertrags eingeräumt wird.

Weiter ist für die Anwendung von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie erforderlich, dass der Erwerber beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil weiterzuführen und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln und gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen (vgl. in diesem Sinne Urteil Zita Modes, Randnr. 44).

Dazu ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Absichten des Erwerbers im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände eines Geschäftsvorgangs berücksichtigt werden können oder in bestimmten Fällen auch berücksichtigt werden müssen, sofern sie durch objektive Anhaltspunkte untermauert werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Rompelman, 268/83, Slg. 1985, 655, Randnr. 24, vom , Enkler, C-230/94, Slg. 1996, I-4517, Randnr. 24, vom , Gabalfrisa u. a., C-110/98 bis C-147/98, Slg. 2000, I-1577, Randnr. 47, und vom , X, C-84/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 47 und 51).

Aus den beim Gerichtshof eingereichten Unterlagen geht hervor, dass im Ausgangsverfahren die Übertragung des Warenbestands und der Ausstattung des Sportartikelgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Geschäftslokals dem Erwerber erlaubt haben, die zuvor vom Verkäufer ausgeübte selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortzuführen. In diesem Zusammenhang steht fest, dass diese Übertragung nicht als einfacher Verkauf eines Warenbestands angesehen werden kann. Denn sowohl der Warenbestand als auch die Geschäftsausstattung gehörten zur Gesamtheit der übertragenen Sachen. Außerdem bestätigt der Umstand, dass der Erwerber den Betrieb des Sportgeschäfts fast zwei Jahre lang fortgeführt hat, dass er nicht beabsichtigte, die betreffende Tätigkeit sofort abzuwickeln.

Demnach stellte es im Ausgangsverfahren kein Hindernis für die Fortführung der Tätigkeit des Verkäufers durch den Erwerber dar, dass das Geschäftslokal an den Erwerber nur vermietet und nicht verkauft wurde.

Schließlich wirft das vorlegende Gericht die Frage auf, ob die Dauer des Mietvertrags und die Bedingungen für seine Beendigung bei der Beurteilung, ob die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmensteils als Übertragung eines Gesamtvermögens im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie angesehen werden kann, zu berücksichtigen sind.

Dazu ist festzustellen, dass Elemente wie die Dauer des gewährten Mietvertrags und die für seine Beendigung vereinbarten Bedingungen bei der Gesamtbeurteilung des Vorgangs einer Vermögensübertragung im Sinne von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie berücksichtigt werden müssen, da sie Auswirkungen auf diese Beurteilung haben können, falls sie ein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit sein können.

Die Möglichkeit, einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit kurzfristig zu kündigen, ist jedoch nicht als solche für die Schlussfolgerung entscheidend, dass der Erwerber beabsichtigte, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil sofort abzuwickeln. Demnach kann die Anwendung von Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie nicht allein aus diesem Grund abgelehnt werden.

Diese Auslegung steht im Einklang mit dem dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnenden Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Dieser Grundsatz verbietet es nämlich, dass Wirtschaftsteilnehmer, die die gleichen Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. u. a. Urteile vom 7. September 1999, Gregg, C-216/97, Slg. 1999, I-4947, Randnr. 20, und vom 10. März 2011, Skandinaviska Enskilda Banken, C-540/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 36). Folglich wäre dieser Grundsatz verletzt, wenn die Möglichkeit, Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie auf einen Vorgang zur Übertragung eines Gesamtvermögens wie den im Ausgangsverfahren streitigen anzuwenden, von den Bedingungen des Mietvertrags und insbesondere von seiner Dauer und den Kündigungsbedingungen abhängig wäre.

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens im Sinne dieser Bestimmung darstellt, sofern die übertragenen Sachen hinreichen, damit der Erwerber eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens im Sinne dieser Bestimmung darstellt, sofern die übertragenen Sachen hinreichen, damit der Erwerber eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann.