BFH Urteil v. - XI R 15/10 BStBl 2011 II S. 839

Keine Differenzbesteuerung bei Veräußerung eines betrieblich genutzten PKW durch einen Kioskbetreiber

Leitsatz

Die Veräußerung eines PKW, den ein Kioskbetreiber als Gebrauchtwagen ohne Vorsteuerabzugsberechtigung erworben und in seinem Unternehmen betrieblich genutzt hat, unterliegt bei richtlinienkonformer Auslegung nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, sondern ist nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu versteuern.

Gesetze: UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1UStG 1999 § 25aRichtlinie 77/388/EWG Art. 26aMwStSystRL Art. 311 Abs. 1 Nr. 5

Instanzenzug: (EFG 2010, 1459) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1Streitig ist, ob die Veräußerung eines PKW im Jahr 2003 (Streitjahr) der Differenzbesteuerung nach § 25a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unterliegt.

2Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb eine Lotto- und Totoannahmestelle, einen Einzelhandel (Kiosk) mit Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren sowie eine Reiseagentur. Er erwarb von dem Autohaus H in regelmäßigen Abständen (ca. alle zwei Jahre, einmal nach ca. einem Jahr) einen neuen oder gebrauchten PKW, den er jeweils seinem Unternehmen zuordnete und den er im Zusammenhang mit einer Ersatzbeschaffung jeweils in Zahlung gab.

3Im Juli 2003 gab der Kläger einen von ihm betrieblich genutzten PKW, den er im September 2001 als Gebrauchtwagen von dem Autohaus H wegen Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG ohne Umsatzsteuer für 33.900 DM erworben hatte, im Rahmen des Erwerbs eines anderen PKW von H für 11.000 € in Zahlung. Auf dieses Veräußerungsgeschäft wandte der Kläger die Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG an. Da der Verkaufspreis unter dem Einkaufspreis lag, erklärte er insoweit keine Umsatzsteuer.

4Im Rahmen einer beim Kläger im Jahr 2005 durchgeführten Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Differenzbesteuerung auf den Weiterverkauf des PKW nicht anwendbar sei, da der Kläger nicht Wiederverkäufer i.S. des § 25a UStG sei. Nach Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) —nunmehr Abschn. 25a.1. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses— gelte als Wiederverkäufer ein Unternehmer, der —anders als der Kläger— üblicherweise mit gebrauchten Gegenständen handele.

5Daraufhin erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) am einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2003, in dem er nunmehr auch Umsatzsteuer auf die Lieferung des PKW in Höhe von 1.516,80 € berücksichtigte.

6Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung aus, nach der Legaldefinition des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG gelte als Wiederverkäufer u.a., wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handele. Darunter falle nach Wortlaut und richtlinienkonformer Auslegung der Vorschrift auch derjenige Unternehmer, der —wie der Kläger— gewerbsmäßig mit neuen beweglichen Gegenständen handele. Die Auslegung der Finanzverwaltung in Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 UStR, nach der als Wiederverkäufer nur der Unternehmer gelte, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwerbe und verkaufe, finde keine Grundlage im Gesetz. Die Differenzbesteuerung sei allerdings nur insoweit anwendbar, als die in Art. 26a Teil A Buchst. e der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) genannten Gebrauchtgegenstände etc. wiederverkauft würden. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt.

7Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 1459 veröffentlicht.

8Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, der Kläger sei kein Wiederverkäufer i.S. des § 25a UStG.

9Soweit er eine Lotto- und Totoannahmestelle bzw. eine Reiseagentur betreibe, erbringe er Leistungen, die keine Lieferungen von beweglichen körperlichen Gegenständen i.S. des § 25a UStG seien. Die im Rahmen des Einzelhandels umgesetzten Waren (Tabakwaren, Zeitschriften und Süßigkeiten) seien eindeutig nicht zum Gebrauch, sondern zum Verbrauch bestimmt, so dass der Kläger auch mit dieser Tätigkeit nicht die Tatbestandsmerkmale eines Wiederverkäufers erfülle. Bei diesen Waren handele es sich zudem nicht um Gebrauchtgegenstände, auf die neben Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 UStR auch Art. 26a Teil A Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG und nunmehr Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112 EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem —MwStSystRL— (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347/1) abstelle.

10Da die Veräußerung des PKW, die der Differenzbesteuerung unterworfen werden solle, selbst ein einmaliger Vorgang ohne Wiederholungsabsicht gewesen sei, der für sich betrachtet nicht das Merkmal der Nachhaltigkeit erfülle, fehle es insoweit an der nötigen Gewerbsmäßigkeit des Handelns. Der PKW sei auch nicht i.S. von Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL „zum Zwecke des Wiederverkaufs” erworben worden.

11Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

13Er tritt dem Vorbringen des FA entgegen und macht im Wesentlichen geltend, maßgebend für den Begriff des Wiederverkäufers sei allein die Legaldefinition in § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, deren Voraussetzungen er erfülle, weil er als Kioskbetreiber gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handele. Die Einschränkung des Begriffs des Wiederverkäufers durch Abschn. 276a Abs. 2 Satz 2 UStR und auch die vom FA vorgenommene Differenzierung der Nachhaltigkeit bezüglich einzelner Umsatzarten hätten keine gesetzliche oder unionsrechtliche Grundlage. Die Auslegung einer Gesetzesvorschrift gegen ihren klaren Wortlaut sei nicht statthaft.

II.

14Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung).

15Die Veräußerung des PKW durch den Kläger im Juli 2003 an das Autohaus H ist als Lieferung, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt hat, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar. Sie unterliegt nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG, weil der Kläger dabei entgegen der Auffassung des FG nicht als Wiederverkäufer im Sinne dieser Vorschrift gehandelt hat.

161. Nach § 25a Abs. 1 UStG setzt die Differenzbesteuerung für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen voraus, dass der Unternehmer ein Wiederverkäufer ist (Nr. 1), die Gegenstände an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert wurden und für diese Lieferung Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben oder die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde (Nr. 2) und es sich bei den Gegenständen nicht um Edelsteine oder Edelmetalle handelt (Nr. 3).

17Der Umsatz wird dabei gemäß § 25a Abs. 3 Satz 1 UStG nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt; bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG und in den Fällen des § 10 Abs. 5 UStG tritt an die Stelle des Verkaufspreises der Wert nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG.

18Die Regelung bewirkt, dass der Wiederverkäufer durch den Abzug des Vorumsatzes im Ergebnis so gestellt wird, als hätte ihm aus dem Erwerb der Ware ein Vorsteuerabzug zugestanden (vgl. , BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585, unter II.5.a). Dadurch sollen insbesondere Wettbewerbsnachteile vermindert werden, die sich für unternehmerisch tätige Wiederverkäufer im Verhältnis zu privaten (nichtunternehmerischen) Verkäufern ohne die Sonderregelung des § 25a UStG ergeben würden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 182, 444, BStBl II 1997, 585, unter II.5.a; vom V R 52/07, BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860, unter II.1.c cc).

192. Als Wiederverkäufer gilt nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

20a) § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG ist richtlinienkonform auszulegen (vgl. , BFHE 213, 139, BStBl II 2006, 675, unter II.2.; vom V R 73/07, BFHE 223, 546, BStBl II 2009, 612, unter II. 2.; in BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860, unter II.1.c dd).

21aa) Die zum in Kraft getretene Neufassung des § 25a UStG beruht nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 12/7686, S. 7) auf Art. 26a der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. des Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 94/5/EG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1994 Nr. L 60, S. 16).

22bb) Die Auslegung des einzelstaatlichen Steuergesetzes, das —wie hier § 25a UStG— Unionsrecht umsetzt, ist richtlinienkonform vorzunehmen. Sie hat sich soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten und muss die dazu ergangenen Erkenntnisse des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) berücksichtigen (vgl. , BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II.3.b bb; vom V R 61/00, BFHE 206, 457, BStBl II 2004, 970, unter II.2.; vom V R 53/04, BFHE 213, 256, BStBl II 2007, 16, unter II.1.c, jeweils m.w.N.).

23cc) Zwar hat der Gesetzgeber die Differenzbesteuerung durch § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG im Gegensatz zu Art. 26a Teil B Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG nicht auf die Lieferung von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen und Antiquitäten beschränkt, sondern auf sämtliche bewegliche Gegenstände erstreckt. Ausweislich der Gesetzesbegründung geschah dies zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten; stattdessen wurde allgemein auf die in § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG bezeichnete Voraussetzung abgestellt, dass für den Erwerb der Gegenstände kein Vorsteuerabzugsrecht bestand (vgl. BTDrucks 12/7686, S. 7).

24Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, den Begriff des Wiederverkäufers in § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG im Übrigen —also abgesehen von den von der Vorschrift erfassten Gegenständen— richtlinienkonform auszulegen.

25b) Nach Art. 26a Teil A Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG ist „steuerpflichtiger Wiederverkäufer” jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft oder zur Deckung seines unternehmerischen Bedarfs verwendet oder zum Zwecke des Wiederverkaufs einführt, gleich, ob er auf eigene Rechnung oder aufgrund eines Einkaufs- oder Verkaufskommissionsvertrags auf fremde Rechnung handelt.

26aa) Wie der EuGH dazu klargestellt hat, bezieht sich die Wendung „zum Zwecke des Wiederverkaufs” nicht nur auf das ihr unmittelbar nachfolgende Verb „einführt”, sondern auch auf Erwerbsumsätze und auf Umsätze zur Deckung des unternehmerischen Bedarfs. Auch dabei muss der Wiederverkäufer also „zum Zwecke des Wiederverkaufs” handeln (vgl. —Jyske Finans—, Slg. 2005, I-10683, BFH/NV Beilage 2006, 131, Internationales Steuerrecht —IStR— 2006, 58, Rz 30 bis 32).

27Dementsprechend wird der „steuerpflichtige Wiederverkäufer” seit dem in Art. 311 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL definiert als „jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft, seinem Unternehmen zuordnet oder einführt ...”.

28Eine inhaltliche Änderung des zuvor geltenden Rechts bedeutet diese Klarstellung nicht (vgl. Nr. 3 der Vorbemerkungen zur MwStSystRL).

29bb) Allerdings kann als „steuerpflichtiger Wiederverkäufer” i.S. von Art. 26a Teil A Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG (auch) ein Unternehmen angesehen werden, das „im Rahmen seiner normalen Tätigkeit” Fahrzeuge wieder verkauft, die es für seine Leasingtätigkeit als Gebrauchtwagen erworben hatte, und für das der Wiederverkauf im Augenblick der Anschaffung des Gebrauchtgegenstandes nicht das Hauptziel, sondern nur sein zweitrangiges und dem der Vermietung untergeordnetes Ziel darstellt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10683, BFH/NV Beilage 2006, 131, IStR 2006, 58, Rz 44).

30c) Danach ist § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG dahin zu verstehen, dass der Unternehmer bei der konkreten Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, die der Differenzbesteuerung unterworfen werden soll, als Wiederverkäufer gehandelt haben muss (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 213, 139, BStBl II 2006, 675, unter II.2.; , EFG 2004, 1333; Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 25a Rz 17; Radeisen in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 25a Rz 39; wohl a.A. Meyer, EFG 2010, 1460).

31Dies ist nur der Fall, wenn der gelieferte Gegenstand —zumindest nachrangig— zum Zweck des Wiederverkaufs erworben wurde und der Wiederverkauf zur normalen Tätigkeit des Unternehmers gehört.

32aa) Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der dem Begriff des Wiederverkäufers in § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG solche gewerbsmäßigen Händler zuordnen wollte, „die im Rahmen ihres Unternehmens oder eines abgrenzbaren Teilbereichs üblicherweise Gegenstände zum Zwecke des Wiederverkaufs einkaufen und sie anschließend, ggf. nach Instandsetzung, wieder verkaufen” (vgl. BTDrucks 12/7686, S. 7).

33bb) Nur diese Auslegung des Wortlauts des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG wird dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer gerecht. Dieser verlangt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden (vgl. z.B. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10683, BFH/NV Beilage 2006, 131, IStR 2006, 58, Rz 39).

34Es würde aber zu einer sachlich nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung gleichartiger Umsätze führen, wenn die Veräußerung von unternehmerisch genutzten Gegenständen, die ohne Vorsteuerabzug erworben wurden, umsatzsteuerrechtlich allein deshalb unterschiedlich behandelt würde, weil der eine Unternehmer ein Händler ist und der andere Dienstleistungen erbringt.

35Die Anwendung der Differenzbesteuerung kann in beiden Fällen nur dann gerechtfertigt sein, wenn der Wiederverkauf des Gegenstandes bei seinem Erwerb zumindest nachrangig beabsichtigt war und dieser Wiederverkauf aufgrund seiner Häufigkeit zur normalen Tätigkeit des Unternehmers gehört. Nur in einem solchen Fall würde die Versagung der Differenzbesteuerung zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorteil für Gebrauchtwarenhändler führen, die in den Genuss der Regelung über die Differenzbesteuerung kommen (vgl. dazu EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10683, BFH/NV Beilage 2006, 131, IStR 2006, 58, Rz 40).

36cc) Entgegen der Auffassung des Klägers überschreitet der erkennende Senat mit dieser Gesetzesauslegung die ihm zustehenden Befugnisse nicht.

37Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter nicht haltzumachen. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang zu wörtlicher Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Interpretation ist Methode und Weg, auf dem der Richter den Inhalt einer Gesetzesbestimmung unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in die gesamte Rechtsordnung erforscht, ohne durch den formalen Wortlaut des Gesetzes begrenzt zu sein (vgl. , 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263, unter C.III., m.w.N.).

38Eine einschränkende Auslegung des Wortlauts einer Norm im Wege einer teleologischen Reduktion gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. , 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145, unter C.II.2., m.w.N.).

39So kann auch eine richtlinienkonforme Auslegung dazu führen, dass eine nach ihrem Wortlaut weit gefasste Vorschrift einschränkend auszulegen ist (vgl. z.B. , BFHE 231, 343, BFH/NV 2011, 538, unter II.4.c).

403. Im Streitfall hat der Kläger als Betreiber einer Lotto- und Totoannahmestelle, eines Einzelhandels (Kiosk) mit Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren sowie einer Reiseagentur den PKW nicht „im Rahmen seiner normalen Tätigkeit” veräußert. Der An- und Verkauf von PKW gehört nicht zum „normalen Tätigkeitsfeld” (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2005, I-10683, BFH/NV Beilage 2006, 131, IStR 2006, 58, Rz 42) des Klägers, ebenso wenig wie dies bei einer Steuerberatungsgesellschaft der Fall ist (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 213, 139, BStBl II 2006, 675, unter II.2.b).

41Dass der Kläger in regelmäßigen Abständen (ca. alle zwei Jahre, einmal nach ca. einem Jahr) einen neuen oder gebrauchten PKW kaufte, den er jeweils seinem Unternehmen zuordnete und den er im Zusammenhang mit einer Ersatzbeschaffung jeweils in Zahlung gab, reicht nicht aus, um dies als seine normale Tätigkeit anzusehen.

42Der Kläger ist mithin —was er und das FG übersehen— nicht schon deshalb Wiederverkäufer i.S. des § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG, weil er im Rahmen seines Einzelhandels (Kiosk) gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen wie Tabakwaren, Zeitungen, Zeitschriften und Süßwaren handelt.

Fundstelle(n):
BStBl 2011 II Seite 839
BB 2011 S. 2133 Nr. 35
BFH/NV 2011 S. 1808 Nr. 10
BFH/PR 2011 S. 429 Nr. 11
BStBl II 2011 S. 839 Nr. 17
DStR 2011 S. 1618 Nr. 34
DStRE 2011 S. 1165 Nr. 18
GStB 2011 S. 378 Nr. 11
GStB 2011 S. 42 Nr. 11
HFR 2011 S. 1139 Nr. 10
KÖSDI 2011 S. 17653 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2011 S. 2926
RIW 2011 S. 896 Nr. 12
StB 2011 S. 339 Nr. 10
StC 2011 S. 12 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2011 S. 685
StuB-Bilanzreport Nr. 22/2011 S. 886
UR 2011 S. 837 Nr. 21
UStB 2011 S. 313 Nr. 10
UVR 2011 S. 292 Nr. 10
OAAAD-89943