Vor Einlegung eines Einspruchs erhobene Klage unzulässig
Gesetze: FGO § 44, FGO § 46, FGO § 96, GG Art. 103 Abs. 1
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg.
2 1. Das Finanzgericht (FG) hat ohne Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) die Klage als unzulässig abgewiesen.
3 Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits ausdrücklich entschieden hat, ist eine Klage unzulässig, wenn sie vor Einlegung des Einspruchs oder —wie im Streitfall bei Untätigkeit der Behörde trotz eines bei ihr gestellten Antrages— vor Einlegung des in § 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) vorgesehenen Rechtsbehelfs erhoben wird. Eine derartige Klage wird auch nicht dadurch zulässig, dass nach Klageerhebung der Antrag abgelehnt wird oder die angefochtene Verwaltungsentscheidung nachträglich ergeht (, BFH/NV 2003, 651; ebenso , BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 FGO Rz 83).
4 Der Hinweis der Beschwerde auf das (BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter B.1.b) geht fehl, da es dort um eine anders gelagerte Fallgestaltung ging, bei der eine Untätigkeitsverpflichtungsklage erst erhoben worden ist, nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Untätigkeitseinsprüche beschieden hatte. Daher liegt auch keine Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) vor.
5 2. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt keine Überraschungsentscheidung vor, wenn das FG in seinem Urteil nicht auf das vom Kläger angeführte Senatsurteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315 eingegangen ist und für den Kläger nicht erkennbar war, wie mit dem Streitfall weiter verfahren werden sollte.
6 Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (, BFH/NV 2011, 448, m.w.N.). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht nicht, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung einzelner Umstände offenzulegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235; vom IX B 50/06, BFH/NV 2007, 1135). Auch verlangt das Recht auf Gehör vom Gericht nicht, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. , Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056). Danach liegt im Streitfall keine Überraschungsentscheidung vor. Denn das FG hat sein Urteil nicht auf einen bis dahin unerörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt. Dass es in den Gründen das vom Kläger zitierte, einen anderen Sachverhalt betreffende Urteil V R 48/04 nicht erwähnt hat, ist unerheblich.
7 Auch soweit der Kläger geltend macht, dass mit einem Prozessurteil nicht zu rechnen gewesen sei, liegt keine Überraschungsentscheidung vor. Das FG hat —worauf das FA zu Recht hinweist— mit Schreiben vom den Kläger auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage vor Erhebung eines Untätigkeitseinspruchs hingewiesen. Dass für Umsatzsteuerbescheide insoweit nichts anderes gelten kann als für Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide kann für den durch einen Steuerberater vertretenen Kläger nicht überraschend sein.
8 3. Erweist sich die Klageabweisung als unzulässig somit als zutreffend, kommt es auf die auch von der Beschwerde aufgeworfene Frage der Festsetzungsverjährung und der Anwendung von § 171 Abs. 3 AO im Streitfall und die vom Kläger für erforderlich gehaltene Zeugeneinvernahme nicht mehr an.
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Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 1523 Nr. 9
LAAAD-86723