BGH Beschluss v. - I ZB 47/10

Kostenfestsetzung: Anrechnung der anwaltlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Verfügungsverfahren

Gesetze: Teil 3 Vorbem 3 Abs 4 RVG-VV, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV, § 15a RVG vom

Instanzenzug: Hanseatisches Az: 4 W 43/10 Beschlussvorgehend Az: 315 O 46/09 Beschluss

Gründe

1I. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben ihres anwaltlichen Bevollmächtigten vom erfolglos wegen eines Wettbewerbsverstoßes ab. Im anschließenden Verfügungsverfahren wurden der Antragsgegnerin durch und durch Urteil vom die Kosten des Verfahrens auferlegt.

2Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Antragstellerin beantragt, unter Anrechnung der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr eine 0,65-fache Verfahrensgebühr aus einem Wert von 200.000 € in Höhe von 1.180,40 € nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG festzusetzen. Das Landgericht hat dem Kostenfestsetzungsantrag mit Beschluss vom entsprochen. Mit weiterem Kostenfestsetzungsantrag vom hat die Antragstellerin eine Nachfestsetzung der restlichen 0,65-fachen Verfahrensgebühr in Höhe von 1.180,40 € nebst Zinsen mit der Begründung geltend gemacht, die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei zu Unrecht erfolgt.

3Das Landgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie ihren Antrag auf Nachfestsetzung weiterverfolgt.

4II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

51. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

6Der Nachfestsetzung stehe zwar nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom entgegen. Die weitere 0,65-fache Verfahrensgebühr sei nicht Gegenstand des ersten Kostenfestsetzungsverfahrens gewesen.

7Eine Nachfestsetzung sei jedoch ausgeschlossen, weil die entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei mit der Folge, dass sich die erstattungsfähige Verfahrensgebühr auf eine 0,65-fache Gebühr vermindert habe. Diese Gebühr sei durch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom bereits festgesetzt. Der am in Kraft getretene § 15a Abs. 2 RVG stehe der Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht entgegen. Diese Bestimmung sei aufgrund der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 RVG im Streitfall nicht anwendbar.

82. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

9a) Das Beschwerdegericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass dem Nachfestsetzungsantrag nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom entgegensteht. Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind zwar der materiellen Rechtskraft fähig (, BGHZ 111, 168, 170). Die Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses bezieht sich jedoch nur auf die im Antrag geforderten und im Beschluss beschiedenen Beträge (vgl. Rn. 9, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Die Nachforderung des im ersten Kostenfestsetzungsantrag vom bislang nicht geltend gemachten und bisher daher auch nicht festgesetzten Teils der Verfahrensgebühr ist deshalb nicht ausgeschlossen.

10b) Der Nachfestsetzungsantrag ist auch begründet.

11aa) Bis zum Inkrafttreten des § 15a RVG am entsprach es allerdings der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG eine in derselben Angelegenheit angefallene Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird (vgl. , NJW 2007, 2049 Rn. 11 f.; Versäumnisurteil vom - VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500 Rn. 11; Beschluss vom - VIII ZB 57/07, NJW 2008, 1323 Rn. 6; Beschluss vom - III ZB 8/08, NJW-RR 2008, 1095 Rn. 4; Beschluss vom - IV ZB 26/07 Rn. 6, juris; Beschluss vom - VII ZB 93/07 Rn. 5, juris; Beschluss vom - I ZB 30/08, WRP 2009, 75 Rn. 10 f.).

12Nach dem Inkrafttreten des § 15a RVG, der in seinem Absatz 2 bestimmt, dass sich ein Dritter nur unter bestimmten Voraussetzungen auf die Anrechnung berufen kann, haben die mit dieser Vorschrift befassten Senate des Bundesgerichtshofs den Standpunkt eingenommen, dass die Regelung in § 15a RVG die bisherige Rechtslage nicht geändert, sondern diese lediglich klargestellt hat (Beschluss vom - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 8; Beschluss vom - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16 ff.; Beschluss vom - IX ZB 82/08, JurBüro 2010, 358 Rn. 6; Beschluss vom - XII ZB 230/09, AGS 2010, 256 Rn. 6; Beschluss vom - V ZB 38/10, JurBüro 2010, 471 Rn. 7 ff.; Beschluss vom - V ZB 176/09, AGS 2010, 459 Rn. 5; Beschluss vom - VIII ZB 15/10 Rn. 9 f., JurBüro 2011, 22; Beschluss vom - IV ZB 5/10, AGS 2010, 474 Rn. 8 f.; Beschluss vom - VII ZB 15/10 Rn. 6, JurBüro 2011, 78). Dieser Ansicht hat sich der Senat im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen (vgl. Rn. 12 und Beschluss vom - I ZB 96/09 Rn. 8).

13bb) Aufgrund des Nachfestsetzungsantrags vom ist danach eine weitere 0,65-fache Verfahrensgebühr in Höhe von 1.180,40 € nebst Zinsen festzusetzen.

143. Die angefochtenen Beschlüsse sind aufzuheben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat selbst (§ 577 Abs. 5 ZPO) und setzt die Gebühren in der beantragten Höhe fest.

15III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Bornkamm                              Büscher                                  Schaffert

                          Koch                                    Löffler

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Fundstelle(n):
DAAAD-82524