NWB Nr. 11 vom Seite 849

„Wer ist reich im Sinne des Elterngelds?”

Reinhild Foitzik | Verantw. Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Trotz Abschaffung in aller Munde

Seit jeher sind die Reihengeschäfte im deutschen Umsatzsteuerrecht eine Besonderheit. Man versteht darunter eine Kette von Umsatzgeschäften zwischen mehreren Unternehmern über ein und denselben Gegenstand, bei der der Gegenstand nur einmal, und zwar vom ersten an den letzten Unternehmer, bewegt wird. Bei Einführung des Binnenmarkts stand der deutsche Gesetzgeber bei den grenzüberschreitenden Reihengeschäften innerhalb der Gemeinschaft allerdings vor einem Problem: In der 6. EG-Richtlinie fehlten Regelungen für das Reihengeschäft, die den Regelungen des deutschen Umsatzsteuergesetzes entsprachen! Konsequenz: Mit dem Umsatzsteuer-Änderungsgesetz 1997 wurde der bisherige § 3 Abs. 2 UStG – also die Fiktion des einheitlichen Lieferorts und -zeitpunkts – ersatzlos gestrichen. Damit kommt der Begriff „Reihengeschäft” im Umsatzsteuergesetz nicht mehr vor. Die Streichung des Begriffs heißt aber nicht, dass es den Rechtsvorgang als solchen nicht mehr gibt. Und deshalb spricht die Praxis bei entsprechenden Sachverhalten weiterhin von Reihengeschäften. Die deutsche Finanzverwaltung widmet den Reihengeschäften im Umsatzsteuer-Anwendungserlass gar einen eigenen Abschnitt. Nur die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, die inzwischen die 6. EG-Richtlinie abgelöst hat, kennt immer noch keine Regelungen zur Behandlung von Reihengeschäften. – Doch sind, so fragt Monfort auf Seite 870, die deutschen Regelungen zu den Reihengeschäften auch EU-rechtskonform?

Mit oder ohne Kapitaleinkünfte? Diese Frage stellt sich Hechtner auf Seite 896. Seit der Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 haben „Reiche” bei einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 250.000 Euro keinen Anspruch auf Elterngeld mehr. Doch gehören zu den 250.000 Euro auch die Kapitaleinkünfte? Grundsätzlich schon, denn knüpfen außersteuerliche Rechtsnormen wie das Elterngeld an den Begriff des zu versteuernden Einkommens an, dann gehören – so regelt es das Einkommensteuergesetz – auch die Kapitaleinkünfte dazu. Aber eigentlich wollte der Gesetzgeber beim Elterngeld an die einkommensteuerliche Regelung der sog. Reichensteuer anknüpfen, und dann fallen die Kapitaleinkünfte seit Einführung der Abgeltungsteuer nicht mehr unter den Begriff des zu versteuernden Einkommens. Damit aber wären Bezieher hoher Kapitaleinkünfte nicht mehr „reich” im Sinne des Elterngelds. Also doch mit Kapitaleinkünften? Stellt sich nur die Frage, wie die Behörden unter dem Regime der Abgeltungsteuer von der Höhe der abgeltend besteuerten Kapitalerträge Kenntnis erhalten wollen. Das Familienministerium macht es sich einfach: Grundsätzlich soll das zu versteuernde Einkommen, so wie es im Steuerbescheid ausgewiesen ist, für die Bemessung der Einkommenshöhe herangezogen werden. – Also mal mit und mal ohne Kapitaleinkünfte …

Beste Grüße

Reinhild Foitzik

Fundstelle(n):
NWB 2011 Seite 849
NAAAD-62829