BFH Beschluss v. - X B 68/10

Rüge der falschen Rechtsanwendung im Rahmen einer Schätzung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtlich (hier: Schätzung der Einkünfte einer Prostituierten durch das FG)

Gesetze: AO § 162, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2 1. Ein von ihr geltend gemachter Verfahrensmangel, der gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zulassung der Revision führen könnte, liegt nicht vor.

3 a) Die Klägerin rügt, das Finanzgericht (FG) hätte als Beweismittel ihre vollständigen Bankkontoauszüge der Streitjahre besorgen und zur Sachverhaltsermittlung heranziehen müssen, weil sie nur anhand dieser Kontoauszüge zu ihrer Entlastung hätte nachweisen können, wann sie welche Miete gezahlt habe und welche Zahlungen, insbesondere Ratenzahlungen sie geleistet habe. Dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung wegen mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO).

4 Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen und hat dabei die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO). Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn es auf das Beweismittel zur Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten des betreffenden Beteiligten unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—-, vgl. z.B. Beschlüsse vom V B 205/02, BFH/NV 2004, 964; vom XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564, und vom VII B 178/08, BFH/NV 2009, 1277).

5 Das FG durfte von der Beschaffung der vollständigen Kontoauszüge der Klägerin Abstand nehmen, weil diese als Beweismittel ungeeignet waren. Fehlende Einzahlungen oder Einzahlungen in bestimmter Höhe auf ein Girokonto erbringen keinen Beweis dafür, dass keine (weiteren) Einnahmen vorhanden sind. Zudem ist es, wie das FG zutreffend dargelegt hat, unüblich, Bareinnahmen aus erotischen Dienstleistungen auf ein Girokonto einzuzahlen.

6 b) Soweit die Klägerin darlegt, es müsse zu einer Umkehr der Beweislast kommen, da sie für den klagegegenständlichen Zeitraum Steuererklärungen abgegeben habe, die sie —sofern möglich— mit ihren Kontoauszügen und ergänzenden Angaben belegt habe, kann dies die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Darin liegt nämlich nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern einer falschen materiellen Rechtsanwendung, die nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 132/98, BFH/NV 1999, 510; vom IV B 96/98, BFH/NV 2000, 70). Denn sowohl die Sachverhalts- und Beweiswürdigung als auch die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Beweislastverteilung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. , BFH/NV 2000, 874).

7 c) Aus diesem Grund kann auch der Einwand der Klägerin, sie sei —im Gegensatz zur Auffassung des FG— nur im eingeschränkten Maße als Gelegenheitsprostituierte tätig gewesen, nicht zur Zulassung der Revision führen. Unstreitig hat die Klägerin erotische Dienstleistungen erbracht. In welchem Umfang dies der Fall war, ist gerade Gegenstand der dem FG obliegenden Sachverhalts- und Beweiswürdigung.

8 2. Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen vermögen im Verfahren gegen die Nichtzulassung der Revision deren Zulassung regelmäßig nicht zu begründen (vgl. Senatsbeschlüsse vom X B 36/07, nicht veröffentlicht —n.v.—, juris, und vom X B 14/09, Zeitschrift für Steuern und Recht —ZSteu— 2009, R1144).

9 Nur ausnahmsweise kann eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dann erforderlich sein, wenn dem FG ein Rechtsanwendungsfehler von einigem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung unterlaufen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 15/05, BFH/NV 2006, 1366, unter II.3.b, m.w.N., und vom V B 131/08, BFH/NV 2009, 1678, unter II.3.). Dies kann auch bei einer Entscheidung des FG zur Rechtmäßigkeit einer Schätzung der Fall sein, wenn das Schätzungsergebnis schlechthin unvertretbar ist, weil es wirtschaftlich unmöglich ist und sich als offensichtlich realitätsfremd darstellt (vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; in BFH/NV 2006, 1366, und in ZSteu 2009, R1144).

10 Eine solche offensichtlich realitätsfremde Schätzung ist im Streitfall jedoch nicht erkennbar. Die Schätzung des FG von jährlich 200 Arbeitstagen mit durchschnittlich drei Freiern pro Tag sowie einem durchschnittlichen Entgelt pro Dienstleistung von 50 € bewegt sich innerhalb des üblichen Schätzungsrahmens (vgl. zu den geschätzten Einnahmen von Prostituierten auch die Senatsbeschlüsse vom X B 93/03, n.v., juris, und vom X B 167/08, ZSteu 2008, R1180, die von gleichen beziehungsweise höheren Annahmen ausgehen).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2011 S. 818 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2011 S. 278
KAAAD-62775