Leitsatz
Leitsatz:
1. Gegen die Sozialversicherungspflicht der zu ihrer Berufsausbildung betrieblich Beschäftigten und ihre Belastung mit Beiträgen bestehen auch bei einem monatlichen Entgelt im Bereich der Geringfügigkeitsgrenze keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Ebenso begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Beitragsanteil, den die zu ihrer Berufsausbildung betrieblich Beschäftigten zu tragen haben, nicht nach den Regelungen über die sog. Gleitzone bemessen wird.
Instanzenzug: LSG Baden-Württemberg, L 4 KR 6527/06 vom SG Freiburg, S 11 KR 2469/06 vom
Gründe
I
Die Klägerin begehrt für die Zeit ihres Berufsausbildungsverhältnisses die Feststellung, dass sie während des ersten Ausbildungsjahres (vom bis ) nach Maßgabe der Regelungen für geringfügig entlohnte Beschäftigte versicherungsfrei ist bzw Beiträge nur nach den für diesen Personenkreis anzuwendenden Regelungen zu tragen hat. Für das zweite (vom bis ) und dritte (vom bis ) Ausbildungsjahr begehrt sie die Feststellung des von ihr zu tragenden Beitragsanteils zur Sozialversicherung in der Höhe, die sich bei Anwendung der Regelungen über die sog Gleitzone ergibt.
Die am 1987 geborene Klägerin nahm am eine bis zum noch andauernde Ausbildung als Friseurin bei der Beigeladenen zu 4. mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf. Als monatliche Ausbildungsvergütung erhielt die Klägerin im ersten Ausbildungsjahr (bis ) 396 Euro, anschließend im 2. Ausbildungsjahr (bis ) 420 Euro, ab 430 Euro und im dritten Ausbildungsjahr (ab ) bis 520 Euro. Im Dezember 2007 hat die Klägerin eine Einmalzahlung von 104 Euro erhalten. Aus der Ausbildungsvergütung errechnete die Beklagte jeweils den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Beiträge zur Krankenversicherung [KV], Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung [AV] und Rentenversicherung [RV]).
Die Beigeladene zu 4. führte ab Beginn des Ausbildungsverhältnisses monatlich folgende Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beklagte bzw deren Rechtsvorgängerin, bei der die Klägerin krankenversichert war und ist, als Einzugsstelle ab:
1.8. bis |162,36 Euro
1.1. bis |170, 48 Euro
1.8. bis |180,81 Euro
1.11. bis |185,15 Euro
1.12. bis |178,27 Euro
1.1. bis |176,55 Euro
1.8. bis |222,30 Euro
1.10. bis |215,70 Euro
1.12. bis |257,30 Euro
ab |212,06 Euro
Dem lagen folgende Beitragssätze zugrunde:
|KV|PV|AV|RV
1.8. bis |12,4% + 0,9%|1,7%|6,5%|19,5%
bis |13,1% + 0,9%|1,7%|4,2%|19,9%
bis |14,8% + 0,9%|1,7%|4,2%|19,9%
bis |13,3% + 0,9%|1,7%|4,2%|19,9%
ab |13,8% + 0,9%|1,7%|3,3%|19,9%
Zu Beginn des Ausbildungsverhältnisses wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Auskünfte zur Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Sie machte geltend, für die Ausbildungsvergütung im ersten Lehrjahr seien keine Beiträge zu erheben, die Beiträge für die Ausbildungsvergütung im zweiten Lehrjahr seien entsprechend den Bestimmungen zur sog Gleitzonenregelung niedriger festzusetzen. Die Beklagte erließ den Bescheid vom :
"Festsetzung der abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge
Ihre KV-Nr.: 0118796002
Sehr geehrte Frau Kern,
seit dem sind sie bei dem Friseursalon Erika Balogh als Auszubildende nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB V beschäftigt.
Die Aufbringung der Mittel zur Sozialversicherung werden durch die Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter aufgebracht (§ 20 Abs. 1 SGB IV).
Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen bemessen und werden von den versicherungspflichtig Beschäftigten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und ihren Arbeitgebern jeweils zur Hälfte getragen (vgl. § 223 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 249 Abs. 1 SGB V).
Die besondere Regelung zur "Gleitzone" gilt ausdrücklich nicht für Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§ 20 Abs. 2 SGB IV i.V.m. § 249 Abs. 4 SGB V).
Ihre Sozialversicherungsbeiträge werden korrekt jeweils von Ihnen und von Ihrem Arbeitgeber getragen."
Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom , Urteil des Sozialgerichts [SG] Freiburg vom , Beschluss des Landessozialgerichts [LSG] Baden-Württemberg vom ). Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat das SG zutreffend entschieden, dass die Klägerin versicherungspflichtig ist. Bei der Beitragsberechnung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung seien die Vorschriften für geringfügig entlohnte Beschäftigte und ab dem die Vorschriften der Gleitzonenregelung nicht anzuwenden. Die Klägerin werde hierdurch nicht verfassungswidrig ungleich behandelt.
Die Klägerin hat hiergegen Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von Verfassungsrecht und trägt hierzu im Wesentlichen vor: Ihre Versicherungspflicht im ersten Ausbildungsjahr sei mit dem allgemeinen Gleichbehandlungssatz nicht vereinbar. Für eine besondere Behandlung derjenigen Personengruppe, der sie zugehöre, gegenüber sonstigen entgeltgeringfügig Beschäftigten fehle es an einem rechtfertigenden Sachgrund. Damit scheide insofern gleichzeitig eine Belastung mit Beiträgen aus. Im weiteren Verlauf ihrer Ausbildung werde die Klägerin zu Unrecht nicht nach den Regelungen über die sog Gleitzone behandelt und auch hier unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz stärker mit Sozialversicherungsbeiträgen belastet als andere Beschäftigte.
Sie hat den Antrag gestellt:
Der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom und das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom sowie der Bescheid der Revisionsbeklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beitragsberechnung der Arbeitnehmeranteile der Revisionsklägerin zur Sozialversicherung für die Zeit vom bis nach den Vorschriften für geringfügig Beschäftigte und für die Zeit vom bis nach der Gleitzonenregelung zu erfolgen hat.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Die Beigeladene zu 1. hält den angefochtenen Beschluss ebenfalls für zutreffend. Für die Frage der Vereinbarkeit der in Frage stehenden Regelungen mit Art 3 Abs 1 GG sei zusätzlich das Leistungsrecht in den Blick zu nehmen.
Die Beigeladene zu 3. stimmt den Ausführungen im angefochtenen Beschluss und denjenigen der Beklagten in der Revisionserwiderung zu.
Die Beigeladene zu 4. hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
II
Die Revision ist nur teilweise begründet. Das LSG hat gegen Bundesrecht verstoßen, indem es die Entscheidung des SG über die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die beitragsrechtlichen Regelungen in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten bestätigt hat. Die Entscheidungen der Vorinstanzen und die Bescheide der Beklagten waren jeweils insofern aufzuheben (nachfolgend 1.). Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin auch während ihres ersten Ausbildungsjahres vom bis sozialversicherungspflichtig war (nachfolgend 2.). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der von ihr zu tragenden Beitragsanteile zur Sozialversicherung in Höhe des Anteils, der sich im ersten Ausbildungsjahr in Anwendung der für geringfügig Beschäftigte sowie im zweiten (vom bis ) und dritten Ausbildungsjahr (vom bis ) nach den Regelungen über die sog Gleitzone ergibt (nachfolgend unter 3. und 4.).
1. Die Beklagte hat sich in den angegriffenen Bescheiden zu Unrecht auf allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Krankenkassen ist in ihrer Funktion als Einzugsstelle unter anderem die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung Bundessozialgericht [BSG] vom , B 12 KR 2/99 R, SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten, die - wie die Klägerin - nicht selbst Beitragsschuldner sind, kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festzusetzende Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl , BSGE 97, 292 = SozR 4-3300 § 59 Nr 1). Die hierfür relevanten Umstände wie die beitragspflichtigen Einnahmen, der Beitragssatz und die quotenmäßige Verteilung der Beitragslast, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils reine Berechnungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) zugänglich. Insoweit waren die angefochtenen Bescheide deshalb aufzuheben. Unter diesen Umständen ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass etwa der Hinweis der Beklagten darauf, dass Beiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer "zur Hälfte getragen" werden ("§ 20 Abs. 2 SGB IV i.V.m. § 249 Abs. 4 SGB V") unter anderem die zum eingetretenen Verschiebungen in der paritätischen Finanzierung der GKV durch die Einführung von § 241 SGB V bzw durch die Änderung von § 249 Abs 1 SGB V unbeachtet lässt.
2. Die Beklagte hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Klägerin mit dem als im Betrieb der Beigeladenen zu 4. entgeltlich zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte in der gesetzlichen KV, sozialen Pflegeversicherung (sPV), gesetzlichen RV und nach dem Recht der AV versicherungspflichtig geworden ist. Die Angriffe der Klägerin gegen ihre Pflichtversicherung kraft Gesetzes - und ebenso gegen ihre Verpflichtung zur Beitragstragung nach Grund und Höhe (hierzu nachfolgend unter 3. und 4.) sind unbegründet. Die Anträge, festzustellen, dass die Beitragsberechnung nach den Vorschriften für geringfügig Beschäftigte bzw der Gleitzonenregelung zu erfolgen habe, waren deshalb erfolglos. Die Klägerin erfüllt jeweils die Voraussetzungen der entsprechenden Grundtatbestände (§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI), ohne sich auf eine Ausnahmeregelung berufen zu können. Insbesondere liegen die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit wegen sog Entgeltgeringfügigkeit (§ 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV, § 27 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB III, § 7 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI) nicht vor, weil diese Regelungen für Personen, die im Rahmen betrieblicher Berufsausbildung beschäftigt sind, jeweils ausdrücklich nicht gelten (§ 27 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III, § 7 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr 1 SGB V, § 5 Abs 2 Satz 3 SGB VI, § 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI).
Gegen diese auch von der Klägerin zugrunde gelegte einfachgesetzliche Rechtslage bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist geklärt, dass es im Spannungsverhältnis zwischen der (Vorsorge-)Freiheit des einzelnen (Art 2 Abs 1 GG) und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung weitgehend in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegt, ob er eine Pflichtversicherung begründen will und wen diese erfassen soll. Die Einbeziehung in die Versicherung erfolgt nach Maßgabe einer typisierten Schutzbedürftigkeit ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse (vgl etwa für die gesetzliche RV: , SozR 4-2600 § 157 Nr 1 und ua, SozR Nr 8 zu Art 2 GG; für das Recht der Arbeitsförderung: BVerfG, (Kammer)Beschluss vom , 1 BvR 1487/88, SozR 4100 § 168 Nr 21 und , SozR 4-4100 § 169 Nr 1).
Der Gesetzgeber darf dabei die Sozialversicherung primär an der Schutzbedürftigkeit der abhängig Beschäftigten ausrichten ( ua, BVerfGE 75, 78, 103 = SozR 2200 § 1246 Nr 142), ist aber dennoch im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums durch Art 3 Abs 1 GG bereits nicht gehalten, deshalb jede denkbare Form von Beschäftigung in den Schutz der Sozialversicherung einzubeziehen ( ua, BVerfGE 98, 169). Erst recht ist er grundsätzlich nicht zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Versichertengruppen gezwungen.
Keinen Bedenken begegnet im Blick auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers danach, dass die Klägerin in die Beschäftigtenversicherung einbezogen bleibt, obwohl ihr vom LSG festgestelltes monatliches Entgelt im ersten Ausbildungsjahr die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV von 400 Euro monatlich unterschreitet. Diese Norm, die entgegen der Revision keine eigenständige Regelung mit Tatbestand und Rechtsfolge verkörpert, beschränkt sich "vor die Klammer gezogen" unter anderem auf die abstrakte und allgemeine Bestimmung des Begriffs der geringfügigen Beschäftigung, der erst als Element des Tatbestandes von Bestimmungen in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung Bedeutung erlangt. Erst die dort vorgesehenen Rechtsfolgen können folglich auch jeweils zu der von der Klägerin behaupteten Belastung führen.
Die Rechtsfolgenanordnungen der § 27 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB III, § 7 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI führen jeweils dazu, dass die betroffenen geringfügig Beschäftigten, trotz Erfüllung des Grundtatbestandes der abhängigen Beschäftigung von der Beschäftigtenversicherung (§ 25 Abs 1 SGB III, § 5 Satz 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI) nicht erfasst werden. Dem liegt erkennbar die Wertung zu Grunde, dass unter anderem entgeltgeringfügige Beschäftigungen mangels ausreichender wirtschaftlicher Bedeutung in aller Regel keinen ausreichenden Anlass für eine zwangsweise öffentlich-rechtliche Sicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall oder für das Risiko der Arbeitslosigkeit und eine eigenständige Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung darstellen. Grundlegende Bedenken hiergegen haben weder das BVerfG (Kammerbeschlüsse vom , 1 BvR 678/88, SozR 2100 § 8 Nr 6; vom , 1 BvR 1591/87, SGb 1989, 386; vom , 1 BvQ 2/99, NZA 1999, 583; vom , 1 BvQ 5/99, NZA 1999, 973), noch das , SozR 3-2500 § 5 Nr 26), noch - unter dem Aspekt der mittelbaren Diskriminierung von Frauen - der Europäische Gerichtshof (Urteile vom , C-317/93, SozR 3-6083 Art 4 Nr 11 und vom , C-444/93, SozR 3-6083 Art 4 Nr 12) erhoben.
Die Anordnung der Versicherungsfreiheit ist indes ausnahmsweise nicht gerechtfertigt, wo einem - am allgemeinen Erwerbsleben gemessen - geringen Entgelt gruppenspezifisch typisierend dennoch entscheidende wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Das Gesetz nimmt dies unter anderem beim Vorliegen einer Beschäftigung auf der Grundlage des Erwerbs beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (§ 7 Abs 2 SGB IV) an. Auch insofern bestehen im Blick auf Art 3 Abs 1 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat hat im Urteil vom (B 12 KR 27/04 R, SozR 4-2500 § 249b Nr 2 RdNr 30 ff) bereits im Einzelnen den sachlichen, historischen und rechtssystematischen Hintergrund der zum geänderten Regelungen zu den sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Vorliegens einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung dargestellt. Hiernach geht das Gesetz in zulässiger Typisierung und Pauschalierung vor allem von solchen geringfügigen Beschäftigungen aus, die - häufig von verheirateten Frauen - im Rahmen des Neu- und Wiederzugangs zu einer Berufstätigkeit isoliert ausgeübt werden.
Gerade unter anderem die Gruppe der zu ihrer Ausbildung Beschäftigten weicht von diesem angenommenen "Regelfall des Ausnahmetatbestandes" in wesentlichen Punkten mit der Folge ab, dass bei ihnen die für Beschäftigte grundsätzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht bestehen bleibt. Bei diesem Personenkreis handelt es sich außerdem typischerweise nicht um Berufsrückkehrer. Vielmehr liegt bei den zu ihrer Berufsausbildung betrieblich Beschäftigten ein Sonderfall innerhalb der Gruppe der entgeltgeringfügig Beschäftigten vor. Das besondere Schutzbedürfnis dieses Personenkreises kommt bereits darin zum Ausdruck, dass hier im Rahmen von § 7 SGB IV in begrenztem Umfang Bildungsvorstufen zur beruflichen Betätigung erst aufgrund spezialgesetzlicher Gleichstellung in Abs 2 fiktiv ("gilt") der Beschäftigung im Sinne von Abs 1 zugeordnet werden. Die normative Anordnung lässt dabei im Ergebnis unberücksichtigt, dass die zugrunde liegende Tätigkeit zweckgebunden im Rahmen der Berufsbildung erfolgt und damit weniger die Erbringung produktiver Arbeit als vielmehr die Vermittlung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Vordergrund steht. Hervorgehoben wird der Personenkreis, dem die Klägerin zugehört, zudem auch dadurch, dass er in den Grundtatbeständen der Versicherungspflicht (§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XI) jeweils besonders aufgeführt wird, obwohl es dessen im Blick auf die allgemeine Anordnung in § 7 Abs 2 SGB IV gerade nicht bedürfte. Im Hinblick auf die stärkere soziale Schutzwürdigkeit zu ihrer Berufsausbildung betrieblich Beschäftigter liegt deshalb keine gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung vor, wenn dieser Personenkreis von Regelungen über die Versicherungsfreiheit bei Entgeltgeringfügigkeit ausgenommen bleibt. Vielmehr findet hierdurch gerade sachgerecht Berücksichtigung, dass die Betroffenen am Beginn einer typischerweise von weiteren entgeltlichen Beschäftigungen gefolgten Berufslaufbahn stehen und Entgelte am Beginn der Berufsbiografie typischerweise niedriger sind, ohne dass hierdurch zugleich ein Mangel an sozialer Schutzbedürftigkeit seinen Ausdruck findet. Erst recht besteht in Fällen der vorliegenden Art kein Anlass für die Annahme, dass auf der Grundlage von Bagatellbeschäftigungen Rechte und Ansprüche auf Sozialleistungen begründet werden könnten.
3. Keine Grundlage gibt es für das Begehren der versicherungspflichtigen Klägerin, den von ihr zu tragenden Beitragsanteil im ersten Ausbildungsjahr entsprechend den für versicherungsfreie (entgelt-)geringfügig Beschäftigte einschlägigen Regelungen, im Ergebnis also mit "null", festzustellen. Grundsätzlich sind Beiträge in der gesetzlichen KV und in der sPV für jeden Tag der Mitgliedschaft (§ 223 Abs 1 SGB V, § 54 Abs 2 Satz 2 SGB XI) auf der Grundlage des Arbeitsentgelts aus dieser Beschäftigung (§ 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V, § 57 Abs 1 SGB XI) zu zahlen. Ebenso sind für versicherungspflichtig abhängig Beschäftigte während der Dauer der Beschäftigung Beiträge nach dem Recht der Arbeitsförderung und zur gesetzlichen RV auf der Grundlage des Arbeitsentgelts, bei zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten wie der Klägerin mindestens 1 vH der Bezugsgröße zu entrichten (§ 342 SGB III, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI). Die wirtschaftliche Zuordnung der Beitragslast im Innenverhältnis der Vertragsparteien (Beitragstragung) bestimmt sich auch bei entgeltgeringfügig beschäftigten Pflichtversicherten wie der Klägerin, mit einem monatlichen Entgelt von mehr als 325 Euro (§ 20 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV) nach den für versicherungspflichtig Beschäftigte geltenden Regelungen. Dagegen kommt eine Anwendung des § 249b Satz 1 SGB V und des § 172 Abs 3 Satz 1 SGB VI, die jeweils dem Arbeitgeber von Beschäftigten nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, dennoch die Tragung von Beiträgen zur gesetzlichen KV und zur gesetzlichen RV auferlegen, vorliegend offenkundig nicht in Betracht. Die Klägerin erfüllt bereits die Voraussetzung nicht, dass sie in der in Frage stehenden Beschäftigung "versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist" (vgl vorstehend unter 2.). Sie kann aus den genannten Vorschriften daher auch nicht mittelbar ableiten, dass sie ihrerseits keine Beiträge zu tragen hat.
Ebenso wenig kann sich die Klägerin auf § 20 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV berufen. Hiernach trägt der Arbeitgeber abweichend von den besonderen Vorschriften für Beschäftigte für die einzelnen Versicherungszweige den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein, wenn Versicherte, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, ein Arbeitsentgelt erzielen, das auf den Monat bezogen 325 Euro nicht übersteigt. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzung bei dem vom LSG festgestellten monatlichen Entgelt von 396 Euro nicht. Das Gesetz sieht eine besondere Schutzbedürftigkeit der - trotz Entgeltgeringfügigkeit pflichtversicherten - Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, nur betragsmäßig begrenzt als gegeben an und erlegt demgemäß im Rahmen der Ausnahmeregelung des § 20 Abs 3 SGB IV auch nur insofern die alleinige Tragung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages auf. Eine derartige typisierende und pauschalierende Unterscheidung ist im Blick auf Art 3 Abs 1 GG ebenso wie bei der Bestimmung des Kreises der Versicherten auch bei der Verteilung der Beitragslast grundsätzlich möglich (vgl etwa , SozR 3-2500 § 240 Nr 39). Die besondere Grenze des § 20 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB IV orientiert sich an der im Jahr 2002 geltenden Geringfügigkeitsgrenze und wurde nach kurzfristiger Anhebung auf 400 Euro in der nicht streitbefangenen Zeit vom 1.4. bis wieder auf den bis heute maßgeblichen Wert reduziert. Der hierfür einschlägige arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkt der Förderung der Bereitschaft, Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen (vgl BT-Drucks 15/1199 S 19 rechte Spalte) lässt eine Überschreitung des dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungsspielraums nicht erkennen.
4. Die Klägerin kann schließlich für das 2. und 3. Ausbildungsjahr nicht mit Erfolg begehren, dass insofern der von ihr zu tragende Beitragsanteil nach den Regelungen über die Gleitzone festgestellt wird. Eine Gleitzone liegt nach § 20 Abs 2 Halbsatz 1 SGB IV bei einem Beschäftigungsverhältnis vor, wenn das daraus erzielte Arbeitsentgelt zwischen 400,01 Euro und 800,00 Euro im Monat liegt und die Grenze von 800,00 Euro im Monat regelmäßig nicht überschreitet. An das Vorliegen dieser Voraussetzung wird in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung grundsätzlich die Rechtsfolge geknüpft, dass der von versicherungspflichtig Beschäftigten zu tragende Beitragsanteil nach einem gegenüber dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt geminderten Betrag zu bemessen ist, während der Arbeitgeber den nach dem - tatsächlichen - Arbeitsentgelt zu bemessenden Beitrag zur Hälfte trägt (§ 344 Abs 4 Satz 1, 2, § 346 Abs 1a SGB III, § 226 Abs 4 Satz 1 bis 6, § 249 Abs 4 SGB V, § 163 Abs 10 Satz 1 bis 7, § 168 Abs 1 Nr 1d SGB VI, § 57 Abs 1 Satz 1, § 58 Abs 5 Satz 2 SGB XI). Die Regelungen über die besondere Bemessung der beitragspflichtigen Einnahmen aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gelten indes jeweils ausdrücklich nicht für Personen, die - wie die Klägerin - zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (§ 344 Abs 4 Satz 3 SGB III, § 226 Abs 4 Satz 7 SGB V, § 163 Abs 10 Satz 8 SGB VI, § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI).
Eine sachwidrige Ungleichbehandlung ist entgegen der Revision auch hierin nicht zu sehen. Die Regelungen über die Gleitzone sehen die ausnahmsweise Bemessung von Beiträgen auf der Grundlage eines niedrigeren als des tatsächlich erzielten Entgelts vor, um in einem Übergangsbereich die Aufnahme solcher Beschäftigungen zu fördern, die gering entlohnt, jedoch wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV von 400 Euro versicherungspflichtig sind und die mangelnde Attraktivität derartiger Beschäftigungen für den dann mit Beiträgen belasteten Arbeitnehmer zu mildern. Auch von dieser arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung ist nicht erfasst, wer - wie die Klägerin - von einer zwar entgeltgeringfügigen, dennoch jedoch bereits versicherungs- und in vollem Umfang beitragsund beitragstragungspflichtigen Beschäftigung in den Bereich der Gleitzone hineinwächst. Ein derartiger Arbeitnehmer kann von vorneherein kein geeigneter Adressat für Maßnahmen der Verhaltenssteuerung auf dem Wege der Milderung einer erstmals eintretenden Beitragstragungspflicht sein. Dem Personenkreis der Beschäftigten in der Ausbildung steht entsprechend den vorstehend unter 2. bereits angeführten rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten einer derartigen Beschäftigung eine Wahl zwischen einer entgeltgeringfügigen und versicherungsfreien einerseits und einer mehr als entgeltgeringfügigen und nur deshalb versicherungspflichtigen Beschäftigung typischerweise nicht offen. Ihr Entgelt ist - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - noch wesentlich durch den Ausbildungszweck mitbestimmt und nicht allein marktorientiert ermitteltes Äquivalent einer Arbeitsleistung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAD-43697