BVerwG Beschluss v. - 4 BN 37.09

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: VGH Bayern, 14 N 08.1090 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; Fachpresse: nein

Gründe

Die auf Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Die geltend gemachten Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) genügen nicht den Darlegungsanforderungen. Die Darlegung einer Divergenz setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, auf welchen das vorinstanzliche Gericht die angegriffene Entscheidung gestützt hat, und dass zum anderen ein dem widersprechender, die Entscheidung tragender Rechtssatz eines der gesetzlich benannten Divergenzgerichte zu der gleichen Vorschrift aufgezeigt wird.

1.1

Die Antragstellerin macht geltend, das Normenkontrollgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, "dass ein Aufstellungsbeschluss und eine Veränderungssperre auch dann getroffen bzw. verfügt werden können, wenn diese zumindest auch dazu dienen, die Erneuerung und Erweiterung eines bestehenden Betriebs zu verhindern" (Beschwerdebegründung S. 7) und führt zur Begründung aus, die Antragstellerin habe mehrfach und unter Vorlage eindeutiger Nachweise dargelegt, dass die Antragsgegnerin nicht mehr und nicht weniger habe bewirken wollen, als eine Erneuerung und Erweiterung ihrer nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigten Betriebsstätte zu verhindern. Der Rechtssatz des Normenkontrollgerichts stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats ( BVerwG 4 CN 16.03 - BVerwGE 120, 138 und BVerwG 4 BN 60.03 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 25), wonach eine Veränderungssperre nicht, jedenfalls nicht gezielt auf die Verhinderung eines bestimmten baulichen Vorhabens gerichtet sein dürfe.

Damit wird die behauptete Divergenz nicht aufgezeigt. Der Tatbestand der Divergenz muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze bezeichnet werden. Ein solcher Rechtssatzwiderspruch wird nicht dargelegt. Das Normenkontrollgericht hat den Umstand, dass die Aufstellungsakten eine Reihe von Belegen dafür enthielten, dass mit dem Aufstellungsverfahren eine Erneuerung und Erweiterung des Betriebs der Antragstellerin verhindert werden solle, dahingehend gewürdigt, dass dieser Umstand nicht den Schluss zulasse, der Aufstellungsbeschluss und die Veränderungssperre hätten ausschließlich dazu gedient, weil die Antragsgegnerin eine darüber hinausgehende Zielvorstellung, nämlich die Lösung des Konflikts zwischen der gewerblichen Nutzung des zu überplanenden Bereichs einerseits und der benachbarten Wohnnutzung andererseits, gehabt habe und habe (UA S. 13). Es hat damit seiner Prüfung den Rechtssatz zugrunde gelegt, ein Bebauungsplan verstoße nicht schon dann gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn ein Aufstellungsverfahren eingeleitet werde, um ein in diesem Zeitpunkt zulässiges Vorhaben zu verhindern, weil an dieser Stelle nach dem städtebaulichen Konzept der Gemeinde eine andere Nutzung gewollt sei. Diese Rechtsauffassung steht ebenso wie der Hinweis, jede Regelung in einem Bebauungsplan habe neben einer positiven (zulassenden) Wirkung regelmäßig auch eine negative (ausschließende) Wirkung, soweit Vorhaben den positiven Festsetzungen widersprächen (UA S. 12 - Klammerzusätze im Original), in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats, wonach ein Mindestmaß des abzusehenden Inhalts der Planung nur erfüllt sein kann, wenn die Gemeinde für das betroffene Gebiet schon positive planerische Vorstellungen entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus (Beschlüsse vom - BVerwG 4 BN 60.03 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 25 S. 5; vom - BVerwG 4 BN 61.03 - [...] Rn. 12 und vom - BVerwG 4 B 191.89 - Buchholz 406.11 § 15 BBauG/BauGB Nr. 6 S. 10; BVerwG 4 C 39.74 - BVerwGE 51, 121 <128>). Ob eine Planung von städtebaulichen Zielen getragen ist oder ob die dafür sprechenden städtebaulichen Ziele in Wirklichkeit nicht gewollt, sondern nur vorgeschoben worden sind, um eine andere Nutzung zu verhindern, ist eine Frage der Sachverhaltswürdigung, die dem Tatsachengericht obliegt. Der Sache nach betreibt die Antragstellerin im Gewande der Divergenzrüge mangels durchgreifender Verfahrensrüge (dazu unten 2.2) lediglich schlichte Urteilskritik, weil sie meint, die angegebenen Ziele seien entgegen der Auffassung des Normenkontrollgerichts nur vorgeschoben.

1.2

Die zweite Divergenzrüge geht ebenfalls an den Entscheidungsgründen des Normenkontrollurteils vorbei. Das Normenkontrollgericht hat keinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, "dass ein der konkreten Verwirklichung in keinem Fall zugänglicher Bebauungsplan ... rechtlich in der Lage sein kann und sein soll, eine Veränderungssperre zu rechtfertigen" (Beschwerdebegründung S. 10 sowie Schriftsatz vom , S. 4). Es hat vielmehr die Vollzugsfähigkeit der künftigen Planung bejaht. Die Planung habe die Lösung des Konflikts zwischen der gewerblichen Nutzung des zu überplanenden Bereichs einerseits und der benachbarten Wohnbebauung andererseits zum Ziel. Die Konfliktlösung habe dabei nicht ausschließlich den Betrieb der Antragstellerin zum Gegenstand, sondern die gewerbliche Nutzung allgemein. Dass eine Nutzung des Gewerbegebiets durch andere Unternehmen als das der Antragstellerin, die den künftigen planungsrechtlichen Anforderungen genügten, schlechthin ausgeschlossen sei, sei nicht erkennbar. Der Einwand der Antragstellerin, die Planung werde sich nicht umsetzen lassen, weil durch einen Bebauungsplan eine bestandskräftige immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht geändert werden könne, lässt zudem außer Acht, dass nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts Nutzungen, die Bestandsschutz genießen, nicht berührt werden (UA S. 12). Soweit die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Divergenzrüge als Gehörsverstoß geltend macht, das Normenkontrollgericht habe völlig unbeachtet gelassen, dass die Antragsgegnerin an dem Konfliktpotential maßgeblichen Anteil gehabt habe, geht dieser Vorwurf an den Ausführungen des Normentrollgerichts vorbei. Das Normenkontrollgericht hat nicht verkannt, dass die Nachbarbebauung an den Betrieb der Antragstellerin herangerückt ist und dafür zum Teil durch qualifizierte Bebauungspläne, die Wohnnutzung festsetzen, die Grundlage geschaffen worden ist (UA S. 4, 12).

2. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) haben ebenfalls keinen Erfolg. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gebot der freien Beweiswürdigung verpflichtet unter anderem dazu, bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen. Wenn ein Tatsachengericht wesentliche Umstände, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, übergeht, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts sowie für die Überprüfung seiner Entscheidung darauf, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschritten ist (vgl. nur BVerwG 4 BN 4.07 - [...] Rn. 4). Für einen derartigen Verfahrensfehler ist indes nichts ersichtlich.

2.1

Bei dem Vorwurf, das Normenkontrollgericht habe die von der Antragsgegnerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegte "Fundpunktkarte" vom nicht verwerten dürfen, weil diese Karte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vorgelegen habe (Beschwerdebegründung S. 12), wird nicht beachtet, dass das Normenkontrollgericht davon ausgegangen ist, dass bereits zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses naturschutzrechtlich geschützte Arten im Tonabbaugebiet vorhanden gewesen seien (UA S. 13 f.). Die Antragstellerin zeigt keinen Verfahrensfehler auf, sondern rügt die dem materiellen Recht zuzuordnende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Normenkontrollgerichts, das der Karte indizielle Bedeutung beigemessen hat und davon ausgegangen ist, die naturschutzrechtlich geschützten Arten im Tonabbaugebiet seien nicht erst nach dem Satzungsbeschluss hier zugewandert. Inwieweit dies über einen - wie die Antragstellerin selbst ausführt - revisionsrechtlich nicht rügbaren Fehler in der Beweiswürdigung "weit hinaus" geht, erschließt sich aus der Beschwerde wie auch den nachfolgenden Schriftsätzen der Antragstellerin nicht.

2.2

Mit der ausdrücklich, auch im Zusammenhang mit der (ersten) Divergenzrüge erhobenen Rüge, das Normenkontrollgericht habe sich nicht mit den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen befasst (Beschwerdebegründung S. 13) und Feststellungen getroffen, die nicht in Übereinstimmung mit den in der Aufstellungsakte befindlichen Belegen stünden (Beschwerdebegründung S. 4), wird ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht dargelegt. Diesen Vortrag versteht der Senat als Rüge der Aktenwidrigkeit. Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit setzt die schlüssig vorgetragene Behauptung voraus, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf. Es bedarf daher einer genauen Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll (vgl. nur BVerwG 4 BN 14.08 - [...] Rn. 16). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht. Die Antragstellerin macht erneut nur geltend, dass sie den Inhalt der Akten und Unterlagen anders bewertet als das Normenkontrollgericht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
BAAAD-38225