BGH Urteil v. - IX ZR 238/07

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: OLG Karlsruhe, 1 U 122/06 vom LG Heidelberg, 7 O 369/05 vom

Tatbestand

Der Kläger nimmt den beklagten Steuerberater wegen einer unrichtigen gesellschaftsrechtlichen Auskunft in Anspruch. Das satzungsmäßige Stammkapital der F. GmbH von 50.000 DM war bei der Gründung im Jahre 1998 nicht an diese Gesellschaft, sondern an die von der GmbH als Komplementärin geführte KG gezahlt worden. Nach Ausscheiden der Mitgesellschafter wollte der Kläger, der ursprünglich an dem Stammkapital hälftig beteiligt war und als Gesellschafter der GmbH verblieb, diesen Mangel beheben. Vor der Kapitalentrichtung durch Banküberweisung fragte er im Februar 2003 den Beklagten, ob die Einlage ohne Haftungsnachteile von der GmbH sogleich an die geschäftlich allein tätige GmbH & Co. KG weiterüberwiesen werden könne. Der Beklagte hat diese Frage bejaht.

Die auf Feststellung der Ersatzpflicht (richtig: Freihaltepflicht) gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Dagegen wendet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

Gründe

Die Revision ist begründet. Die Klage ist derzeit weder zulässig noch schlüssig. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben.

1. Der Kläger hat sein Feststellungsinteresse daraus hergeleitet, dass mit Haftungsansprüchen der Gesellschaftsgläubiger zu rechnen sei. Dafür hat er sich auf das Sachverständigengutachten der späteren Insolvenzverwalterin über das Vermögen der GmbH & Co. KG berufen, welches auf der Seite 6 gegen den vermögenslosen Kläger nicht durchsetzbare Haftungsansprüche der GmbH gemäß §§ 43, 30 Abs. 1 GmbHG angenommen hat.

a) Für solche Haftungsansprüche gegen den Kläger fehlt derzeit schon eine handlungsfähige Gläubigerin. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH ist auf Empfehlung der Sachverständigen mangels Masse nicht eröffnet worden. Über eine etwaige Nachtragsliquidation für die GmbH, um deren Ansprüche gegen den Kläger zu verfolgen, ist nichts vorgetragen worden. Die Insolvenzverwalterin über das Vermögen der GmbH & Co. KG ist insoweit nicht forderungsberechtigt.

Das gleiche Durchsetzungshemmnis für Ansprüche, welche das Feststellungsinteresse des Klägers begründen sollen, besteht, soweit seine Einlagenhaftung aus § 19 Abs. 1 GmbHG, die wegen der Dreijahresfrist nicht dargelegte erweiterte Einlagenhaftung innerhalb einer Einmann-GmbH aus § 19 Abs. 4 GmbHG a.F. oder die Ausfallhaftung gemäß § 24 GmbHG für den ausgeschiedenen Gesellschafter G. zu prüfen sind. Diese Ansprüche sind nach Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB, § 195 BGB n.F., § 19 Abs. 6 GmbHG nicht verjährt (vgl. , NJW-RR 2008, 843, 844 ff Rn. 17 ff). Ob anderenfalls das Feststellungsinteresse des Klägers bereits endgültig zu verneinen wäre (bejahend im Hinblick auf § 254 BGB etwa OLG Hamm OLG Report 1995, 254 f), bedarf hier keiner Entscheidung.

b) Ansprüche nach § 43 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG kommen überdies nicht in Betracht, weil keine verbotene Kapitalrückzahlung durch den Geschäftsführer (Kläger), sondern eine unterbliebene Stammeinlage des Gesellschafters (gleichfalls Kläger) vorliegt (, ZIP 2008, 174, 175 Rn. 7, 176 f Rn. 11).

Würde der Kläger nach § 43 Abs. 1 GmbHG als Geschäftsführer wegen der Kreditgewährung an die GmbH & Co. KG in Anspruch genommen, wäre eine Verletzung seiner Sorgfaltspflichten sehr zweifelhaft, so dass sein Haftungsrisiko in der Gesamtschau zur Zeit ebenfalls vernachlässigt werden muss. Seine Pflicht als Geschäftsführer ging dahin, sich wegen der Kapitalaufbringung im Interesse der GmbH rechtskundig beraten zu lassen. Das hat er mit der Befragung des Beklagten, allerdings im eigenen Interesse, getan. Dass die Raterteilung des Beklagten berufsrechtlich verboten war, konnte der Kläger mangels Aufklärung durch diesen nicht erkennen. Der Beklagte war nicht Erfüllungsgehilfe des Klägers als Geschäftsführer der GmbH, dessen Fahrlässigkeit er im Rahmen seiner Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 1 GmbHG zu vertreten haben könnte. Der Beklagte, der Fragen der Einlagenerbringung etwa bei Bilanzierungsarbeiten für eine GmbH im steuerrechtlichen Zusammenhang wohl prüfen durfte, war auch kein offenkundig ungeeigneter Rechtsberater, für dessen Auswahl der Kläger wegen verletzter Sorgfalt einzustehen haben könnte.

2. Die Anspruchsgrundlage der Klage ist nur § 311 Abs. 2 BGB. Die Rechtsberatung des Beklagten war hier nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verboten und der Beratungsvertrag gemäß § 134 BGB nichtig. Das Nebengeschäftsprivileg des § 5 Nr. 2 RBerG konnte nicht eingreifen, weil die Beratung des Beklagten keinen Zusammenhang mit Steuerberatung, insbesondere Bilanzierungsarbeiten, hatte. Der Zweck des Berufsrechts, das Publikum vor der Beratung durch ungeeignete Personen zu schützen (vgl. BGHZ 132, 229, 232 oben; , WM 2005, 1334, 1335 unter 2. d; v. - IX ZR 238/06, WM 2008, 950, 952 Rn. 19), ist hier nur abstrakt berührt. Gleichwohl kann der Beklagte nach § 311 Abs. 2 BGB für seine unzureichende Auskunft vom Februar 2003 haften. Die noch völlig offene Frage ist aber, was der Kläger bei pflichtmäßiger Aufklärung durch den Beklagten getan hätte, insbesondere, ob er sich überhaupt anderweitig hätte beraten lassen. Dazu fehlt bisher jeder Vortrag.

a) Der Kläger kann nach § 311 Abs. 2 BGB nicht mehr verlangen, als so zu stehen, als wäre er von einem berufsrechtlich zugelassenen Rechtsberater zutreffend unterrichtet worden. Ein solcher Berater hätte richtigerweise darauf aufmerksam machen müssen, dass die beabsichtigte Weiterzahlung der Einlage von der Komplementär-GmbH an die geschäftlich tätige GmbH & Co. KG schon nach dem , ZIP 1986, 161, 162 ein beträchtliches Risiko für eine ordnungsmäßige Erfüllung begründete. Die vom Berufungsgericht zitierten widerstreitenden Urteile der Oberlandesgerichte Oldenburg vom (veröffentlicht erst im Oktober 2003 in OLG-Report 2003, 387) und (veröffentlicht im Januar 2003 in NZG 2003, 42 = WM 2003, 1423) konnte und brauchte der Beklagte am Tage seiner Beratung (noch) nicht zu kennen. Sie siedeln das Problem der Weiterzahlung der GmbH-Einlage an die geführte GmbH & Co. KG zudem wie das Berufungsgericht fälschlich bei § 30 GmbHG an. Das weicht noch dazu in seinem tragenden Obersatz, der die Theorie von der wirtschaftlichen Einheit der GmbH & Co. KG und der Komplementär-GmbH bejaht, offenkundig von dem (a.a.O.) ab. Die von dem Beklagten vorgelegte Besprechung von BGHZ 157, 72 in einem 2004 erschienenen Fachdienst entlastet ihn ebenfalls nicht; hier wird wie andernorts nur § 30 GmbHG erörtert. Umgekehrt brauchte der Beklagte auch das BGHZ 153, 107 abgedruckte Urteil - Weiterleitung der Einlage an eine aus den Einlegern bestehende OHG mit der Folge der gemäß § 19 Abs. 1 GmbHG nicht erfüllten Einlageschuld - zum Zeitpunkt der Beratung nach Ort und Zeit seiner anderweitigen Veröffentlichung noch nicht zu kennen. Es mag sein, dass für die Beratungspraxis trotz des höchstrichterlichen Urteils vom (a.a.O.) die Rechtsfrage, zu welcher der Kläger Auskunft wünschte, im Blick auf die GmbH & Co. KG noch nicht abschließend geklärt war, sondern erst durch das spätere , ZIP 2008, 174, 175 f) geklärt worden ist. Das änderte nichts daran, dass der Beklagte in seiner Beratung verpflichtet war, auf das für den Kläger hiernach bestehende beträchtliche Risiko für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Einlagenschuld bei dem beabsichtigen Vorgehen hinzuweisen.

b) Die weitere Frage geht dann dahin, was der Kläger auf die bei pflichtmäßiger Beratung demnach gebotene Risikobelehrung mit Blick auf das (a.a.O.) getan hätte. Dazu ist bisher nichts vorgetragen worden. Die GmbH & Co. KG brauchte anscheinend das in die GmbH eingelegte Geld. Der Kläger hätte - richtig beraten - deshalb unter Umständen nichts anderes getan als in Wirklichkeit geschehen ist und das Risiko seiner fortbestehenden Einlageschuld sehend in Kauf genommen. Hätte er die Mittel direkt der GmbH & Co. KG zugeführt, stünde er jedenfalls nicht schlechter als tatsächlich. Der Tatrichter wird sich hierzu nach der Zurückverweisung und ergänzendem Sachvortrag des Klägers gegebenenfalls eine Überzeugung (§ 287 ZPO) bilden müssen.

3. Die Klage kann aus den genannten Gründen noch nicht als spruchreif angesehen und abgewiesen werden. Der Kläger ist auf die Zulässigkeits- und Schlüssigkeitsmängel seines Vortrages bisher weder durch die Tatsacheninstanzen noch durch entsprechende Einwendungen des Beklagten hingewiesen worden. Auf diese Hinweise gemäß § 139 ZPO im Revisionsurteil muss der Kläger danach Gelegenheit erhalten, in der wiedereröffneten Berufungsinstanz seinen Vortrag zu ergänzen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 592 Nr. 3
HFR 2010 S. 661 Nr. 6
PAAAD-35517