BFH Urteil v. - III R 13/07

Beschränkung der Kindergeldberechtigung von Ausländern verfassungsrechtlich unbedenklich

Gesetze: EStG § 52 Abs. 61a, EStG § 62 Abs. 2, AuslG § 55, AuslG § 56

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) reiste im Jahr 1994 zusammen mit ihrer Familie von Sierra Leone in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein. Ihr Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte wurde rechtskräftig abgelehnt. Seit April 1994 war sie im Besitz einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nach § 63 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG), ab Juli 2002 war sie ausländerrechtlich bzw. ab 2005 aufenthaltsrechtlich geduldet. Im August 2005 erhielt sie eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).

Die Klägerin beantragte erstmals im Dezember 2001 Kindergeld für zwei Kinder. Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgelehnt, der Einspruch hatte keinen Erfolg. Während des anschließenden Klageverfahrens stellte die Klägerin im Oktober 2002, nach der Geburt des dritten Kindes, einen Antrag auf Kindergeld für drei Kinder. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag mit Bescheid vom ab. Dagegen ging die Klägerin nicht mit Einspruch vor. Im April 2005 stellte sie einen weiteren Antrag auf Kindergeld. Auch diesen Antrag lehnte die Familienkasse ab (Bescheid vom ), der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Klage.

Das Finanzgericht (FG) verband die ursprüngliche Klage gegen den Bescheid vom mit der späteren Klage gegen den Bescheid vom . Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für drei Kinder für die Zeit von August 2005 bis November 2005 festzusetzen; im Übrigen wies es die Klage ab (Urteil vom 10 K 5107/05 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 600).

Mit der Revision macht die Klägerin verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern geltend. Die Nichtbewilligung von Kindergeld für Personen, die Steuern zahlten, sei eine Benachteilung nach Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Die Klägerin halte sich bereits seit 1994 ununterbrochen in der Bundesrepublik auf, ihre Familie sei hier verwurzelt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das FG die Klage für den Zeitraum Juli 1997 bis Juli 2005 abgewiesen hat, und unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom und vom sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für zwei Kinder für den Zeitraum Juli 1997 bis Februar 2002 und für drei Kinder für den Zeitraum Dezember 2002 bis Juli 2005 zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die Klägerin hat für die noch streitigen Zeiträume Juli 1997 bis Februar 2002 sowie Dezember 2002 bis Juli 2005 keinen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) n.F.

a) Die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern in § 62 Abs. 2 EStG ist mit Wirkung vom in Kraft getreten und erfasst gemäß § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG alle Sachverhalte, bei denen —wie im Streitfall— das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom , BGBl I 2006, 2915). Die Gesetzesänderung war eine Reaktion auf den (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114), in dem dieses den nahezu wortgleichen § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes 1993 als insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG ansah, als die Gewährung von Kindergeld allein von der Art der ausländerrechtlichen Genehmigung nach dem Ausländergesetz (AuslG) 1990 abhing. Der Senat hat mit Urteilen vom III R 93/03 (BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234) sowie vom III R 54/02 (BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457) entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums handelte, als er die Kindergeldberechtigung von Ausländern vom Besitz bestimmter Aufenthaltstitel nach dem AufenthG abhängig machte, bei einzelnen Titeln, die einen schwächeren aufenthaltsrechtlichen Status vermitteln, darüber hinaus von einem mindestens dreijährigen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalt im Bundesgebiet sowie von einer berechtigten Erwerbstätigkeit, vom Bezug laufender Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder von der Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c, Nr. 3 EStG). An den Grundsätzen dieser Urteile hält der Senat fest.

b) Im Streitfall hatte die Klägerin für die streitigen Zeiträume keine ausländerrechtliche Genehmigung bzw. (ab 2005) keinen aufenthaltsrechtlichen Titel, der ihr einen Anspruch auf Kindergeld einräumte. Die Klägerin war zunächst nur im Besitz einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nach § 63 AsylVfG. Eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens (§ 55 AsylVfG) ist nicht in entsprechender Anwendung des § 101 Abs. 1 AufenthG (s. Senatsurteile in BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234, sowie in BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457) einem aufenthaltsrechtlichen Titel gleichzusetzen, der nach § 62 Abs. 2 EStG zum Bezug von Kindergeld berechtigt. Auch in der Zeit, in der der Aufenthalt der Klägerin ausländerrechtlich (§§ 55, 56 AuslG 1990) bzw. aufenthaltsrechtlich (§ 60a AufenthG) lediglich geduldet war, hatte sie keinen Anspruch auf Kindergeld (Senatsurteile in BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234, sowie in BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1638 Nr. 10
RAAAD-26962