Leitsatz
[1] a) Überträgt der Gründer eines Unternehmens der finanzierenden Bank nahezu das gesamte Vermögen zur Sicherung ihrer Kredite, handelt er auch dann nicht mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn seine Hoffnung, die Gründung werde erfolgreich sein, objektiv unberechtigt ist.
b) Die von der Rechtsprechung für die anfechtungsrechtliche Beurteilung von Sanierungskrediten entwickelten Grundsätze sind auf die Anschubfinanzierung von neu gegründeten Unternehmen nicht übertragbar.
Gesetze: InsO § 133 Abs. 1
Instanzenzug: OLG Dresden, 13 U 1132/06 vom LG Leipzig, 7 O 2041/05 vom
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der 2001 gegründeten F. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin), die wärme- und kältetechnische Anlagen herstellen und vertreiben sollte. Die Beklagte war die Hausbank der Schuldnerin. Die Parteien streiten um den Erlös aus der Verwertung von Kreditsicherheiten.
Nach dem Unternehmenskonzept des Gründers, Alleingesellschafters und Geschäftsführers A. der Schuldnerin sollte diese unter Inkaufnahme einer anfänglichen, durch einen Kontokorrentkredit gedeckten Liquiditätslücke in Höhe von bis zu 800.000 DM binnen 18 Monaten in die Gewinnzone kommen. Für das erste Geschäftsjahr war ein Umsatz von 3,6 Mio. DM prognostiziert. Den Gesamtinvestitionsbedarf veranschlagte der Gründer mit ca. 5 Mio. DM, die durch Eigenmittel von 340.000 DM und hauptsächlich durch öffentliche Fördermittel aufgebracht werden sollten. Diese wurden auch tatsächlich bewilligt. Abgewickelt wurden die öffentlichen Förderungsmaßnahmen über die Beklagte. Der verbleibende Kapitalbedarf wurde durch zwei Kontokorrentkredite der Beklagten über 751.500 und 870.000 DM gedeckt. Das erste Darlehen diente der Vorfinanzierung bestimmter sukzessive ausgezahlter Förderungsmittel. Zur Absicherung der Kredite verbürgte sich der Gründer selbstschuldnerisch und verpfändete eine Lebensversicherung. Ferner trat er der Beklagten Außenstände aus Fördermitteln und Ansprüche auf Mehrwertsteuererstattung ab; auch bestellte er Grundschulden über insgesamt 2.652.000 DM am Betriebsgrundstück der Schuldnerin. Darüber hinaus trat diese der Beklagten alle Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen ab und übereignete ihr alle neu anzuschaffenden Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände zur Sicherheit.
Das Geschäftskonzept der Schuldnerin ging nicht auf. Die prognostizierten Umsatzerlöse blieben aus. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verständigten sich der Kläger und die Beklagte auf eine Veräußerung des Betriebsgrundstücks und des beweglichen Anlagevermögens der Schuldnerin. Der hieraus erzielte Gesamterlös in Höhe von 522.311,52 EUR wurde mit der Maßgabe von der Masse getrennt, dass darüber erst nach einer Einigung zwischen den Parteien oder einer rechtskräftigen Entscheidung über die Aufteilung verfügt werden durfte. Die zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung der Beklagten aus den Darlehensverträgen betrug bei Verfahrenseröffnung 871.209,86 EUR.
Das Landgericht hat die vom Insolvenzverwalter erhobene Klage auf Freigabe des Verwertungserlöses zu Gunsten der Masse abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers und die im Wege der Anschlussberufung erhobene Widerklage der Beklagten auf Auszahlung des Verwertungserlöses abzüglich der Kostenbeiträge haben die Parteien die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Widerklage unter Zurückweisung der Anschlussberufung abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Widerklage weiter.
Gründe
I.
Die Revision ist zulässig. Zwar hat die Beklagte in der Revisionsbegründung nur beantragt, das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen. Auf die im Berufungsverfahren im Wege der Anschlussberufung erhobene Widerklage ist sie nicht eingegangen. Den Antrag, den Kläger gemäß der Widerklage zu verurteilen, hat sie erst in der mündlichen Verhandlung gestellt.
Über diesen Antrag ist aber in der Sache zu entscheiden, obwohl zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Frist zur Revisionsbegründung schon abgelaufen war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsmittelkläger nicht gehindert, seinen Antrag bis zum Ende der mündlichen Verhandlung auf die Widerklage auszudehnen, wenn er das Rechtsmittel uneingeschränkt eingelegt hat und der Antrag in der Begründung des Rechtsmittels nicht als Verzicht auf die Widerklage zu verstehen ist (BGHZ 12, 62, 67 ; , NJW 1985, 3079; für den Berufungsantrag , NJW 1983, 1063). Entsprechend liegt der Fall hier. Die Beklagte hat uneingeschränkt Revision eingelegt. Aus der Revisionsbegründung lässt sich entnehmen, dass im Ergebnis die Widerklage weiterverfolgt werden soll, weil die Beklagte weiter Auszahlung des Verwertungserlöses an sich begehrt. Ein Verzicht auf die Widerklage liegt schon wegen der übereinstimmenden Erledigung der Klage in der zweiten Instanz fern. Andernfalls wäre der Revision insgesamt der Boden entzogen, weil es kein Rechtsschutzziel mehr gäbe.
II.
Die Revision ist auch begründet. Die Beklagte hat Anspruch auf Auskehrung des Erlöses aus der Verwertung der ihr eingeräumten Sicherheiten. Die Einrede der Anfechtbarkeit der Sicherungsverträge vom greift nicht durch. Das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig.
1.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NZI 2007, 661 veröffentlicht ist (vgl. dazu die durchweg kritischen Anmerkungen von Antoni NZI 2007, 664 ff; Cranshaw jurisPR-InsR 17/07 Anm. 3; Edelmann WuB VI A. § 133 InsO 1.08; Ingelmann ZInsO 2007, 802; grundsätzlich zustimmend dagegen Rendels In-Dat-Report 2009, 36 ff), meint, die Bestellung der Sicherheiten zu Gunsten der Beklagten sei nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil die Schuldnerin mit dem der Beklagten bekannten Vorsatz der Benachteiligung ihrer Gläubiger gehandelt habe. Zwar habe sie in erster Linie das Ziel verfolgt, ein Unternehmen zu gründen, gewinnbringend zu führen und ihre vertraglichen Pflichten - etwa auch aus den Darlehensverträgen - zu erfüllen. Diese Vorstellung könne aber den Benachteiligungsvorsatz nicht ausschließen. Die Schuldnerin habe es billigend in Kauf genommen, ihre künftigen Gläubiger zu schädigen, indem sie der Beklagten nahezu jegliche Haftungsmasse überlassen habe. Soweit im Unternehmenskonzept von einer Umsatzerwartung von 3,6 Mio. DM für das erste Geschäftsjahr ausgegangen worden sei, habe diese Erwartung nicht auf entsprechenden Fakten beruht. Aufträge, schriftliche Anfragen oder Absichtserklärungen potentieller Kunden hätten nicht vorgelegen. Es sei deshalb erkennbar gewesen, dass es sich nicht um ein schlüssiges Unternehmenskonzept gehandelt habe. Auf den vorliegenden Sachverhalt seien die Grundsätze anzuwenden, die die Rechtsprechung für die anfechtungsrechtliche Beurteilung von Sanierungsmaßnahmen entwickelt habe. Auch wenn es Unterschiede zwischen einem Sanierungsfall und einer Neugründung gebe, seien doch die Situationen miteinander vergleichbar. Das Risiko des Scheiterns eines untauglichen Unternehmensgründungskonzepts müsse die finanzierende Bank ebenso tragen wie bei einem untauglichen Sanierungskonzept.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin wird von den Feststellungen nicht getragen.
a)
Der Schuldner handelt mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt (BGHZ 155, 75, 84 ; 162, 143, 153 ; , Rn. 13; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 133 Rn. 13; Bork in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 133 Rn. 24; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 133 Rn. 10; Graf-Schlicker/Huber, InsO § 133 Rn. 12). Er muss also entweder wissen, dass er neben dem Anfechtungsgegner nicht alle Gläubiger innerhalb angemessener Zeit befriedigen kann, oder sich diese Folge zumindest als möglich vorgestellt, aber in Kauf genommen haben, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (, ZIP 2007, 1511 Rn. 8). Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit oder seine drohende Zahlungsunfähigkeit, kann daraus nach ständiger Rechtsprechung auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden (BGHZ 155, 75, 83 f ; 167, 190, 195Rn. 14; aaO S. 1513 Rn. 19; Urt. v. - IX ZR 121/06, ZIP 2008, 190, 193 Rn. 32; Urt. v. aaO). In diesem Fall handelt der Schuldner nur dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder Forderungen realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann. Droht die Zahlungsunfähigkeit, bedarf es konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann ( aaO S. 1511 f Rn. 8).
b)
Im vorliegenden Fall ist keiner der vorgenannten Umstände, die auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz schließen lassen, festgestellt.
aa)
Die Schuldnerin war bei Bestellung der Sicherheiten weder zahlungsunfähig noch drohte ihr die Zahlungsunfähigkeit. Vielmehr war sie auf Grund der an sie ausgereichten Darlehen, die im Gegenzug abgesichert wurden, liquide.
bb)
Die "Entziehung" von Haftungsmasse durch die Gestellung von Sicherheiten kann für sich allein einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz noch nicht begründen. Andernfalls wären Sicherungsgeschäfte durchweg zehn Jahre lang nach § 133 InsO anfechtbar, wenn der Erhalt eines Kredites unter Einsatz des gesamten Vermögens des Kreditnehmers besichert wird und der Kreditgeber das erkennt. Die Finanzierung von Unternehmensgründungen würde zu einem unkalkulierbaren Risiko, weil damit gerechnet werden müsste, dass die Sicherheitenbestellung auch dann noch anfechtbar ist, wenn die Krise weitab von der in der Gründungsphase geleisteten Anschubfinanzierung eintritt. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die angeblich "entzogene" Haftungsmasse mit den von der Beklagten ausgereichten Kreditmitteln erst geschaffen werden sollte.
cc)
Das Berufungsgericht hat allerdings festgestellt, dass das Gründungskonzept "ersichtlich nicht das Überleben des Unternehmens [gewährleistet]" habe. Der Gründungsgesellschafter habe keine berechtigte Hoffnung auf eine dauerhafte Marktteilnahme der Schuldnerin gehabt oder haben dürfen.
Das genügt nicht für § 133 InsO. Vorsatz scheidet - auch in Gestalt des bedingten Vorsatzes - aus, wenn der Gründer tatsächlich davon ausging, er habe gute Chancen, sein Unternehmen am Markt zu etablieren. War diese Hoffnung unberechtigt, begründet das nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Die tatsächliche Hoffnung, sein Unternehmen werde Erfolg haben, hat das Berufungsgericht dem Gründer nicht abgesprochen. Dies wäre auch völlig lebensfremd. Ein Existenzgründer investiert nicht 350.000 DM Eigenmittel und verbürgt sich zusätzlich für die aufgenommenen Kredite, wenn er von vornherein ernsthaft mit seinem geschäftlichen Scheitern rechnet.
dd)
Gewiss konnte der Gründer umgekehrt auch nicht sicher sein, dass sein Konzept tragen würde. Das ist im Gründungsstadium fast nie der Fall. Diese Unsicherheit begründet aber noch kein "Wissen und Wollen" im Sinne eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Das sich daraus ergebende Begründungsdefizit kann - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts - nicht durch Übertragung der für Sanierungskredite geltenden Grundsätze auf die Unternehmensgründung überspielt werden.
Diese Grundsätze sind von der Rechtsprechung für den umgekehrten Fall entwickelt worden, dass in der Krise eine inkongruente Deckung gewährt wird, was im Allgemeinen ein starkes Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes darstellt (BGHZ 123, 320, 326 ; , WM 1997, 545, 547; v. - IX ZR 116/97, NJW 1999, 641, 643; v. - IX ZR 196/97, NJW 1999, 1395, 1397; v. - IX ZR 128/01, ZIP 2004, 1370, 1372). Dieses Beweisanzeichen wird entkräftet, wenn Umstände feststehen, welche den Benachteiligungsvorsatz in Frage stellen (, ZIP 2005, 769, 771). Der Schluss von der Inkongruenz auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners kann insbesondere dann ungerechtfertigt sein, wenn die Gewährung der inkongruenten Deckung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich allerdings fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist (, ZIP 2004, 957, 959; v. - IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 Rn. 18). Im Streitfall kann weder von einer Krise noch von der Gewährung einer inkongruenten Deckung ausgegangen werden. Wird zugleich mit der Gewährung eines Kredits die Stellung bestimmter Sicherheiten vereinbart, so ist deren Bestellung im Allgemeinen kongruent. Für eine Ausnahme ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.
3.
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Nichtigkeit der Sicherungsverträge wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB oder ein Anspruch des Klägers auf Freigabe der Verwertungserlöse wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB kommen nicht in Betracht. Das Landgericht hat im erstinstanzlichen Urteil mit umfassender Begründung festgestellt, dass die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorliegen. Diese Entscheidung hat der Kläger nicht angegriffen. Ein Vorsatz der Beklagten, der Schuldnerin ihre wirtschaftliche Bewegungs- und Entschließungsfreiheit zu nehmen oder deren künftige Gläubiger zu schädigen, ist nicht festgestellt.
III.
Der Senat hat die Sache selbst zu entscheiden. Die Aufhebung des Berufungsurteils erfolgt wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes. Weitere Feststellungen sind nicht zu treffen. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2009 S. 1025 Nr. 20
DB 2009 S. 1123 Nr. 21
DStR 2009 S. 1439 Nr. 28
NJW 2009 S. 1601 Nr. 22
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2009 S. 1472
SJ 2009 S. 38 Nr. 16
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2009 S. 554
WM 2009 S. 905 Nr. 19
ZIP 2009 S. 922 Nr. 19
SAAAD-20417
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja