BGH Urteil v. - IX ZR 130/21

Insolvenzanfechtung einer Zahlung auf ein bürgschaftsgesichertes Darlehen einer insolventen GmbH & Co. KG: Darlegungslast des Gläubigers/Darlehensgebers des Hauptschuldners im Verhältnis zum Bürgen für die Anfechtbarkeit der Leistung

Leitsatz

Hat der Tatrichter im Rechtsstreit des Gläubigers gegen den Bürgen, der das Wiederaufleben der Forderung des Gläubigers bestreitet, nach Rückgewähr der vermeintlich anfechtbaren Leistung an den Insolvenzverwalter bei ansonsten feststehender Tatsachengrundlage Zweifel am Vorliegen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners, geht dieser Umstand zu Lasten des Gläubigers.

Gesetze: § 765 Abs 1 BGB, § 133 Abs 1 InsO, § 144 Abs 1 InsO, § 286 ZPO

Instanzenzug: Az: 3 U 8/20 Urteilvorgehend Az: 5 O 16/19

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft auf Zahlung in Anspruch. Mit Vertrag vom gewährte die Klägerin der B.    GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 150.000 €, rückzahlbar bis zum . Der Beklagte, Gesellschafter und Steuerberater der Schuldnerin, verbürgte sich für die Rückzahlung dieses Darlehens einschließlich der Zinsen persönlich und unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage. Neben dem der streitgegenständlichen Bürgschaftsforderung zugrundeliegenden Darlehen über 150.000 € hatte die Klägerin der Schuldnerin bereits am ein weiteres Darlehen über 250.000 € gewährt, welches zum zurückgezahlt werden sollte. Am hatte die Schuldnerin zudem mit einer dritten Person einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft mit Wirkung zum geschlossen, in dem sich die stille Gesellschafterin zu einer Bareinlage in Höhe von 525.000 € auf ein Konto der Schuldnerin bis spätestens verpflichtete. Am leistete die Schuldnerin an die Klägerin eine Teilzahlung auf das durch die Bürgschaft des Beklagten abgesicherte Darlehen in Höhe von 50.000 €. Auf Eigenantrag vom wurde am das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. Nach Anfechtung der von der Schuldnerin bewirkten Zahlung erstattete die Klägerin am dem Insolvenzverwalter die an sie gezahlten 50.000 €. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt sie von dem Beklagten die Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen.

2Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel weiter.

Gründe

3Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in WM 2021, 1951 ff veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Anspruch aus der Bürgschaft nicht zu. Ihre Darlehensforderung sei von der Schuldnerin getilgt worden und auch nicht infolge der Anfechtung der Zahlung nach § 144 Abs. 1 InsO wiederaufgelebt. Die Voraussetzungen für eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO hätten nicht vorgelegen. Zwar spreche einiges dafür, dass die Schuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung an die Klägerin am zahlungsunfähig gewesen sei und dies auch erkannt habe. Die erkannte Zahlungsunfähigkeit allein habe nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dargestellt. Gegen einen Benachteiligungsvorsatz habe aber schon bisher gesprochen, wenn ein Schuldner aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung der Krise habe rechnen können. Nach neuerer Rechtsprechung könne für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ohnehin nicht mehr allein auf die erkannte Zahlungsunfähigkeit abgestellt werden. Von entscheidender Bedeutung sei vielmehr, dass der Schuldner wisse oder billigend in Kauf nehme, seine (übrigen) Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Die Darlegungs- und Beweislast treffe in der vorliegenden Fallkonstellation die sich auf die Anfechtbarkeit der Darlehensrückzahlung berufende Klägerin. Daran gemessen, könne im Streitfall ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin sowohl nach der bisherigen als auch nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden. Denn die Schuldnerin habe Ende des Jahres 2012 aufgrund des Vertrags über eine stille Beteiligung vom mit einem baldigen Zufluss erheblicher Liquidität und folglich mit einer zeitnahen Überwindung der Krise rechnen können. Die am möglicherweise bestehende Zahlungsunfähigkeit habe daher kein Ausmaß erreicht, das eine vollständige Befriedigung der übrigen Gläubiger auch in der Zukunft nicht habe erwarten lassen. Vielmehr habe die Schuldnerin darauf vertrauen dürfen, mit der stillen Einlage ihre bestehende Liquiditätslücke schließen und ihre Zahlungsunfähigkeit nachhaltig beseitigen zu können. Konkrete Tatsachen, aus denen sich eine Situation hätte ergeben können, die ein Insolvenzverfahren unausweichlich habe erscheinen lassen, hätten nicht vorgelegen. Unerheblich sei, dass die stille Beteiligung erst zum fällig gewesen sei. Ein Zeitraum von drei Monaten sei so überschaubar, dass die Schuldnerin damit habe rechnen können, dass ihr diese Zeit verbleibe.

II.

5Das hält rechtlicher Überprüfung stand. Die Klägerin kann die begehrte Zahlung von dem Beklagten nicht gemäß § 765 Abs. 1 BGB aus der Bürgschaft verlangen.

61. Für die Verpflichtung des Bürgen, für die Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen, ist der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend (§ 767 Abs. 1 Satz 1 BGB). Akzessorische Sicherheiten - wie im Streitfall die Bürgschaft - leben mit einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung wieder auf, wie wenn die Forderung nie erloschen gewesen wäre. Dies gilt für akzessorische Sicherheiten sowohl des Schuldners als auch eines Drittsicherungsgebers (, WM 2017, 326 Rn. 11 mwN).

72. Die durch die Bürgschaft gesicherte Darlehensverbindlichkeit der Schuldnerin ist infolge der von ihr am bewirkten Zahlung an die Klägerin gemäß § 362 Abs. 1 BGB in Höhe von 50.000 € erloschen und nach Rückgewähr dieses Betrags an den Insolvenzverwalter am nicht gemäß § 144 Abs. 1 InsO wiederaufgelebt. Gewährt der Empfänger einer Leistung das Erlangte an den Insolvenzverwalter auf dessen Verlangen zurück, lebt seine Forderung gemäß § 144 Abs. 1 InsO nur dann wieder auf, wenn die Leistung tatsächlich anfechtbar war. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine Anfechtbarkeit der in Frage stehenden Zahlung nach § 133 Abs. 1 InsO in der gemäß Art. 103j EGInsO noch anwendbaren, bis zum geltenden, früheren Fassung der Norm verneint, weil es sich nicht von dem Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin hat überzeugen können. Andere Anfechtungstatbestände scheiden von vornherein aus.

8a) Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

9Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners setzt voraus, dass der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge erkannt und gebilligt hat (vgl. , WM 2017, 51 Rn. 13; st. Rspr.). Der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners sowie die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon sind allerdings innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung können daher in aller Regel nur mittelbar aus objektiven (Hilfs-)Tatsachen hergeleitet werden (vgl. , ZIP 2016, 1686 Rn. 12; vom - IX ZR 72/20, BGHZ 230, 28 Rn. 11; st. Rspr.).

10Es ist Aufgabe des Tatrichters, die ihm unterbreiteten Hilfstatsachen auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der mündlichen Verhandlung und einer etwaigen Beweisaufnahme umfassend und widerspruchsfrei zu würdigen (vgl. aaO; vom , aaO Rn. 12). Dabei hat er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den für und gegen den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz sprechenden Beweisanzeichen zu berücksichtigen ( aaO). Zu beachten ist, dass solche Tatsachen nur mehr oder weniger gewichtige Indizien darstellen, die eine Gesamtwürdigung durch den Tatrichter nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne einer von dem anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen (vgl. , WM 2009, 1943 Rn. 8; vom - IX ZR 18/19, WM 2020, 1074 Rn. 10; vom - IX ZR 174/19, ZIP 2020, 2135 Rn. 17).

11Die revisionsrechtliche Kontrolle der bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gebotenen Gesamtwürdigung beschränkt sich dabei auf die Prüfung, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (, WM 2015, 591 Rn. 15; vom - IX ZR 84/13, WM 2016, 366 Rn. 10; vom - IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 Rn. 16, zVb in BGHZ).

12b) Nach diesen Maßstäben ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage der unstreitigen Tatsachen einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin im Ergebnis nicht hat feststellen können und diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

13aa) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Gläubiger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Anfechtbarkeit der Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 InsO, insbesondere für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, trägt. Der Gläubiger hat nach dieser Bestimmung die Tatsachen, welche die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anfechtung begründen, darzulegen und zu beweisen. Ob dann etwas Anderes zu gelten hat, wenn im Anfechtungsprozess die Darlegungs- und Beweislast für einzelne, streitige Tatsachenbehauptungen, etwa für die Voraussetzungen eines Bargeschäfts, nicht beim Insolvenzverwalter, sondern beim Anfechtungsgegner läge, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil die von dem Berufungsgericht seiner Prüfung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes zugrunde gelegten Tatsachen allesamt unstreitig sind. Aus dem Sicherungszweck der Bürgschaft ergibt sich nach § 765 Abs. 1 BGB, § 144 Abs. 1 InsO ebenfalls keine abweichende Bewertung.

14(1) Der Gläubiger des Hauptschuldners trägt im Verhältnis zum Bürgen grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die Anfechtbarkeit der Leistung. Zweifel am Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes gehen zu seinen Lasten.

15(a) Nach allgemeinen Beweisregeln trifft den Anspruchsteller die Beweislast für die rechtsbegründenden, der Anspruchsgegner trägt sie für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale (Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., Vor § 284 Rn. 17a mwN). Aus der Akzessorietät der Bürgschaft (vgl. , BGHZ 210, 348 Rn. 23 f) folgt, dass zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger grundsätzlich dieselbe Darlegungs- und Beweislastverteilung gelten muss wie zwischen diesem und dem Hauptschuldner (, ZIP 2014, 1472 Rn. 19 mwN). Allgemein anerkannt ist deshalb, dass der Gläubiger das Entstehen und die Fälligkeit der Hauptverbindlichkeit und damit den Grund für die Haftung des Bürgen aus dem Bürgschaftsvertrag darzulegen und zu beweisen hat; Sache des Hauptschuldners oder des an seiner Stelle in Anspruch genommenen Bürgen ist es hingegen darzutun, dass die Hauptschuld zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung aufgrund rechtsvernichtender Einwendungen, etwa durch Erfüllung oder ihre Surrogate, und damit die Haftung des Bürgen für diese Schuld erloschen ist (, MDR 1988, 403; vom - IX ZR 110/95, ZIP 1996, 222, 223; vom - XI ZR 360/00, WM 2002, 281, 282; vgl. MünchKomm-BGB/Habersack, 8. Aufl., § 765 Rn. 68, § 767 Rn. 6).

16(b) Das Wiederaufleben der Hauptschuld aufgrund der Rückgewähr einer anfechtbaren Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 InsO stellt eine rechtsbegründende Tatsache in Bezug auf die Hauptverbindlichkeit dar. Anders als die Revision meint, erhebt der Bürge, der die Anfechtbarkeit der durch den Hauptschuldner bewirkten Leistung bestreitet, keinen (rechtsvernichtenden) Erfüllungseinwand. Eine Forderung, die erfüllt wird, erlischt vorbehaltlos (§ 362 Abs. 1 BGB), auch wenn das Risiko der Anfechtbarkeit bestehen mag (vgl. Ganter, WM 2011, 245, 248). Spiegelbildlich dazu lebt sie im Falle der Rückgewähr einer anfechtbaren Leistung nach § 144 Abs. 1 InsO in ihrem jeweiligen Bestand wieder auf. Die Anfechtbarkeit ist für das Wiederaufleben, mithin für den Bestand der Forderung Voraussetzung und damit rechtsbegründend.

17(2) Aus dem Sicherungszweck der Bürgschaft ergibt sich für die Beweislastverteilung im Prozess des Gläubigers gegen den Bürgen nach § 765 Abs. 1 BGB, § 144 Abs. 1 InsO nichts Anderes.

18(a) Die Akzessorietät der Bürgschaft kann durch die Sicherungsabrede der Parteien beschränkt sein (vgl. , WM 2008, 1350 Rn. 21). Nach dem Bürgschaftsvertrag richtet sich, welche Ansprüche in welchem Umfang verbürgt sind. Dieser bestimmt den Umfang des vom Bürgen übernommenen Risikos bezüglich der erfassten Ansprüche sowie bezüglich eventueller Einschränkungen der Akzessorietät und möglicher Einreden (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl., § 765 Rn. 19). Die Rechtsprechung nimmt Lockerungen der Akzessorietät an, wenn die Bürgschaft gerade das Risiko absichert, das sich verwirklicht hat (, WM 2004, 1381, 1383; vgl. zum Untergang der Rechtsperson wegen Vermögenslosigkeit (; BGHZ 82, 323, 326 f; zur Rückzahlungssperre bei eigenkapitalersetzendem Darlehen aaO; zum Saldoanerkenntnis bei Kontokorrentbürgschaft , WM 2002, 281, 282; zur Bürgschaft auf erstes Anfordern , BGHZ 143, 381). Zudem enthalten § 768 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Fall des Todes des Hauptschuldners, § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO für den Fall der Restschuldbefreiung und § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO für die Wirkungen des Insolvenzplans eine Einschränkung der Akzessorietät mit Blick auf den Sicherungszweck der Bürgschaft.

19(b) Der Sicherungszweck der Bürgschaft gebietet im Rahmen der Prüfung des § 144 Abs. 1 InsO indes keine Einschränkung der Akzessorietät.

20(aa) Nach dem Sicherungszweck der Bürgschaft ist es dem Bürgen nicht verwehrt, sich auf die fehlende Rechtskrafterstreckung des Urteils im Anfechtungsprozess zu berufen (anders bei der Prozessbürgschaft, vgl. , NJW 1975, 1119, 1120 f). Eine Bindungswirkung zum Nachteil des Bürgen kommt nur in Betracht, wenn diesem der Streit verkündet worden ist. Ob die Hauptschuld besteht, nie bestand oder etwa durch (unanfechtbare) Erfüllung erloschen ist, ist wegen der fehlenden Rechtskrafterstreckung im Prozess des Gläubigers gegen den Bürgen neu zu prüfen (vgl. , juris Rn. 3). Ob und inwieweit das Bestehen der Hauptforderung im Rechtsstreit gegen den Bürgen zu bejahen ist, wird durch die rechtskräftige Verurteilung des Hauptschuldners nicht beeinflusst (vgl. , BGHZ 210, 348 Rn. 24).

21(bb) Insbesondere gebietet der Sicherungszweck der Bürgschaft im Prozess gegen den Bürgen nach § 765 Abs. 1 BGB, § 144 Abs. 1 InsO grundsätzlich auch keine erleichterte Beweisführung zu Gunsten des Gläubigers. Es reicht nicht aus, wenn der Gläubiger darlegt und beweist, auf ein Anfechtungsbegehren zurückgezahlt zu haben oder sich auf einen Anfechtungsrechtsstreit eingelassen zu haben. Sinn und Zweck der Bürgschaft ist, wie sich aus § 765 Abs. 1 BGB ergibt, die Sicherung der Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, wenn deren anderweitige Erfüllung unterbleibt ( aaO). Von diesem Sicherungszweck umfasst ist daher der Fall des Wiederauflebens der Forderung nach Rückgewähr einer anfechtbaren Leistung gemäß § 144 Abs. 1 InsO. Voraussetzung des § 144 Abs. 1 InsO ist allerdings - davon geht auch die Revision aus - die tatsächliche Anfechtbarkeit der Leistung. Es reicht nicht aus, dass der Empfänger - wie im Streitfall - auf das Rückgewährverlangen des Insolvenzverwalters geleistet hat (vgl. Fuchs, NZI 2019, 653, 655) oder hierüber ein Vergleich geschlossen worden ist (, NZI 2022, 582 Rn. 35). Die Bürgschaft schützt den Gläubiger im Grundsatz nicht vor dem Risiko, das Erlangte auf ein unberechtigtes Anfechtungsbegehren zurückgewährt zu haben. Mit der Übernahme dieses (erhöhten) Risikos muss der Bürge bei der Verbürgung in der Regel nicht rechnen. Diese Wertung entspricht auch den wohlverstandenen Interessen der Parteien des Bürgschaftsvertrags. Der Gläubiger, der auf ein Anfechtungsbegehren freiwillig leistet, hat das sich später im Prozess gegen den Bürgen verwirklichende Risiko, das Erlangte auf ein nicht oder jedenfalls nicht feststellbar berechtigtes Anfechtungsbegehren zurückgewährt zu haben, aufgrund eigenen Entschlusses begründet. Er hätte die Berechtigung des Anfechtungsbegehrens in einem Anfechtungsprozess einschließlich Streitverkündung mit Bindungswirkung für den Bürgen klären lassen können. Umgekehrt wäre der Bürge wehrlos gestellt, würde bereits das Anfechtungsbegehren als solches oder ein Anfechtungsrechtsstreit den Bürgschaftsfall auslösen.

22(cc) Eine Verschiebung der Beweislast zum Nachteil des Bürgen ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Hauptschuldners mit der Insolvenzeröffnung übergegangen ist (§ 80 Abs. 1 InsO), die Anfechtung erklärt. Sofern darin ein deklaratorisches Anerkenntnis der Anfechtbarkeit der bewirkten Leistung durch den Insolvenzverwalter zu sehen sein sollte, welches im Falle einer Klage des Anfechtungsgegners gegen diesen nach § 179 Abs. 1 InsO, § 144 Abs. 1 InsO auf Feststellung der wiederaufgelebten Hauptverbindlichkeit zur Tabelle zu einer Beweislastumkehr führen könnte, müsste der Bürge dies gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht gegen sich gelten lassen, weil es zu einer Erweiterung seiner Verpflichtung führen würde und er mit seiner Verbürgung nur für das Risiko der wiederaufgelebten Hauptverbindlichkeit nach berechtigter Anfechtung der Leistung einstehen muss (vgl. zur Verwertungsvereinbarung nach § 168 Abs. 3 InsO , NJW 2006, 228 Rn. 16 ff).

23bb) Den danach der Klägerin als Darlehensgläubigerin obliegenden Beweis des Vorliegens eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als nicht geführt erachtet. Seine Ausführungen halten der eingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

24(1) Bei der Anfechtung kongruenter Deckungen kann der Benachteiligungsvorsatz nach der neuen Rechtsprechung des Senats nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist (, BGHZ 230, 28 Rn. 30). In diesen Fällen ist für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz von entscheidender Bedeutung, dass der Schuldner weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, dass er seine (übrigen) Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen können wird ( aaO Rn. 36; vom - IX ZR 78/20, ZIP 2022, 589 Rn. 19, zVb in BGHZ). Dies kann aus der im Moment der Rechtshandlung gegebenen Liquiditätslage nicht in jedem Fall mit hinreichender Gewissheit abgeleitet werden ( aaO; vom , aaO). Ist die Krise noch nicht so weit fortgeschritten oder besteht aus anderen Gründen berechtigte Hoffnung auf Besserung, genügt der Blick auf die momentane Liquiditätslage nicht für eine im Sinne des § 286 ZPO sichere Überzeugung ( aaO). Besteht - abhängig vom Ausmaß der bestehenden Deckungslücke und der aus objektiver Sicht erwartbaren und vom Schuldner erkannten Entwicklung - Aussicht auf nachhaltige Beseitigung der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit, darf der Schuldner davon ausgehen, dass ihm der hierfür erforderliche Zeitraum verbleibt. Der Schuldner handelt daher dann mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er einen Zeitraum in seine Überlegungen einbezieht, der ihm unter Berücksichtigung des Verhaltens der übrigen Gläubiger ersichtlich nicht zur Verfügung steht. Sieht sich der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erheblichem Mahn- und Vollstreckungsdruck ausgesetzt, begrenzt dies den für eine Beseitigung der vorhandenen Deckungslücke zur Verfügung stehenden Zeitraum ( aaO Rn. 47; vom , aaO Rn. 23). Aus der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO oder dem Zahlungsverbot nach § 15b InsO ergibt sich allerdings keine Begrenzung des Zeitraums, den der Schuldner für eine künftige Befriedigung seiner Gläubiger in Betracht ziehen darf, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat ( aaO Rn. 27 ff). Für die Beurteilung des Benachteiligungsvorsatzes ist im Übrigen ausschließlich die Perspektive ex ante, zum Zeitpunkt der Rechtshandlung, maßgebend. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob der Schuldner weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, seine anderen Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können (vgl. aaO Rn. 21).

25(2) Revisionsrechtlich ist eine von der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlung an die Klägerin am auch erkannte Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO zu unterstellen, nachdem das Berufungsgericht diesen Punkt offengelassen hat.

26(3) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe bei der Zahlung an die Klägerin am von einer nachhaltigen Beseitigung ihrer gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit in der Zukunft ausgehen dürfen, ist frei von Rechtsfehlern.

27Die Schuldnerin hat ihren Überlegungen zu diesem Zeitpunkt einen Liquiditätszufluss zugrunde gelegt, der aus der Betrachtung ex ante ausgereicht hätte, die vorhandene Deckungslücke vollständig zu schließen. Aufgrund des bereits am geschlossenen Vertrags stand bis zum die Zurverfügungstellung eines Betrags von 525.000 € an die Schuldnerin durch die künftige stille Gesellschafterin zu erwarten. Dieser Betrag hätte die am fälligen beziehungsweise bis zum fällig werdenden Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin samt Zinsen von insgesamt etwa 415.000 € mehr als gedeckt. Ausgenommen die absehbaren und voraussichtlich durch die Einnahmen gedeckten laufenden Kosten sowie einer langjährig streitigen Verbindlichkeit in Höhe von 17.811,30 € gegenüber einem Dritten war nicht mit dem Fälligwerden weiterer Verbindlichkeiten in der kommenden Zeit rechnen. Insbesondere war der ihr eingeräumte Kontokorrentkredit ungekündigt. Aus der maßgeblichen Sicht im Zeitpunkt der in Frage stehenden Zahlung an die Klägerin war ein Insolvenzverfahren nicht unausweichlich. Die Schuldnerin konnte davon ausgehen, dass ihr der Zeitraum bis zur vereinbarten Einzahlung der stillen Einlage Ende März 2013 und damit bis zur nachhaltigen Wiederherstellung ihrer Zahlungsfähigkeit verbleiben würde. Bis zu diesem Datum waren seinerzeit auch keine Gläubigermaßnahmen gegen sie zu erwarten.

28c) Es kann offenbleiben, ob das Berufungsgericht - wie die Revision unter Bezugnahme auf das Rückwirkungsverbot meint - für den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin mit der Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Neuausrichtung der Vorsatzanfechtung einen unzutreffenden Maßstab angewandt hat und nicht vielmehr auf die frühere Rechtsprechung hätte abstellen müssen. Das Berufungsgericht hat einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin auch anhand der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum Beweisanzeichen der erkannten Zahlungsunfähigkeit geprüft und ist danach ebenso wenig - rechtsfehlerfrei - zu einer sicheren Überzeugung gelangt.

29aa) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats handelt der Schuldner mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge kennt und billigt. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, kann daraus auf einen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. In diesem Fall handelt der Schuldner dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er aufgrund konkreter Umstände - etwa der sicheren Aussicht, demnächst Kredit zu erhalten oder eine Forderung realisieren zu können - mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (vgl. , BGHZ 180, 98 Rn. 10; vom - IX ZR 62/10, WM 2013, 88 Rn. 7; vom - IX ZR 28/12, NZI 2013, 253 Rn. 16; vom - IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 11).

30bb) Nach diesem Maßstab ist die Würdigung des Berufungsgerichts, ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin sei nicht festzustellen, gleichfalls ohne Rechtsfehler.

31Das Berufungsgericht hat dem Indiz der erkannten Zahlungsunfähigkeit das gegenläufige - der Tatsachengrundlage nach unstreitige - Indiz der baldigen Überwindung der Liquiditätskrise gegenübergestellt. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, begründete das - hier revisionsrechtlich zu unterstellende - Indiz der erkannten Zahlungsunfähigkeit bereits nach bisheriger Rechtsprechung keine (widerlegliche) Vermutung; vielmehr bedurfte es auch nach bisheriger Rechtsprechung einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen unstreitigen oder bewiesenen Umstände des Einzelfalls gemäß § 286 ZPO (vgl. , NZI 2009, 768 Rn. 8; vom - IX ZR 57/09, WM 2010, 851 Rn. 18; Kayser, WM 2013, 293, 295, 298; zur Entwicklung der Rechtsprechung Ganter, NZI 2021, 945). Das Ergebnis der Prüfung des Berufungsgerichts, einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz in Gesamtwürdigung aller Umstände nicht mit der nach § 286 ZPO gebotenen Sicherheit bejahen zu können, ist deshalb auch auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des Senats nicht zu beanstanden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:131022UIXZR130.21.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 66 Nr. 3
DB 2022 S. 2911 Nr. 49
DStR 2023 S. 12 Nr. 11
NJW 2022 S. 9 Nr. 50
NJW 2023 S. 214 Nr. 4
WM 2022 S. 2391 Nr. 49
ZIP 2022 S. 2501 Nr. 49
GAAAJ-27587