BGH Beschluss v. - 5 StR 13/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349; StGB § 64

Instanzenzug: LG Berlin, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.

1.

Die eine Maßregel gemäß § 64 StGB betreffenden Erwägungen halten der sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand.

Das Landgericht hat zwar der - freilich nicht im Blick auf allfälliges Verteidigungsverhalten kritisch überprüften - Selbsteinschätzung des Angeklagten folgend (UA S. 8) festgestellt, dass der Angeklagte "inzwischen seit einiger Zeit seine Abhängigkeit von harten Drogen überwunden hat", und konnte sich zudem auf das Ergebnis einer Blutanalyse stützen, die keine Nachweise von harten Drogen erbracht hat. Diese Umstände konnten das Landgericht aber nicht von der Pflicht zur erschöpfenden Beweiswürdigung entbinden (vgl. BGHSt 14, 162, 164 f. ; 29, 18, 20 ; ), die sich aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen ergebenden massiven Hinweise auf eine wenigstens weiter bestehende Drogenabhängigkeit auch ohne aktuellen Konsum harter Drogen (vgl. ; Fischer, StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 7) in Erwägung zu ziehen.

Der Lebensweg des Angeklagten, Sohn an den Folgen ihrer Sucht mittlerweile verstorbener Drogenabhängiger, spiegelt eine klassische Drogenkarriere. Der Angeklagte hat seit Erreichen der Strafmündigkeit ohne Unterbrechung und ohne Beeindruckung durch den Jugendstrafvollzug Raub und Diebstahlstaten begangen, um - wie es das Landgericht hinsichtlich der letzten einschlägigen Verurteilung ausdrücklich dargelegt hat - durch Verwertung der Beute seine Drogensucht befriedigen zu können. Noch während seiner letzten Haftzeit hatte der Angeklagte Umgang mit Betäubungsmitteln und wurde wegen deren unerlaubten Besitzes verurteilt. Die auf § 35 BtMG abhebenden Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin gingen Anfang 2007 noch von einer bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten aus, wie auch dieser selbst nach seiner Haftentlassung am . Anders lässt sich die gegen den Angeklagten bei Entlassung aus dem Jugendstrafvollzug erhobene Forderung, eine Drogenentwöhnungstherapie zu absolvieren, nicht verstehen. Zur Tatzeit stand der Angeklagte mit über 2 Promille BAK unter Alkohol und unter dem Einfluss von Cannabinoiden. All dies hätte zu einer vertieften Prüfung des Bestehens einer Drogenabhängigkeit genötigt.

Es tritt hinzu, dass sich eine Bewertung der verfahrensgegenständlichen Tat als Fortsetzung der vom Angeklagten früher betriebenen Beschaffungskriminalität nahezu aufdrängt. Der Angeklagte hat ein schwerwiegendes, mit einem hohen strafrechtlichen Risiko verbundenes Verbrechen begangen, um eine nach den Tatumständen offensichtlich nur geringe Beute erzielen zu können, die indes ausgereicht hätte, in geringem Umfang Betäubungsmittel zu erwerben (vgl. ).

2.

Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafe niedriger ausgefallen wäre, falls eine Drogenabhängigkeit vorgelegen hätte (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1974, 544; BGH NStZ 1992, 381; ). Die Strafe ist zumal angesichts des geringen Umfangs der Beute und der vergleichsweise harmlosen Art des Waffeneinsatzes trotz Anwendung des § 250 Abs. 3 StGB eher hoch bemessen. Mit Hilfe des nach § 246a StPO zwingend zu hörenden Sachverständigen wird das neue Tatgericht die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB neu zu prüfen haben. Die bislang in diesem Zusammenhang herangezogenen psychodiagnostischen Kriterien erscheinen wenig überzeugend.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BAAAD-13458

1Nachschlagewerk: nein