BGH Beschluss v. - 5 StR 214/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StGB § 21; StGB § 64

Instanzenzug:

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen räuberischer Erpressung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der zwischen April 1999 und November 2002 überwiegend wegen Verkehrsdelikten zu Geldstrafen verurteilte, 1979 geborene Angeklagte holte nach einer Maurerlehre das Abitur nach und absolvierte 2003 erfolgreich eine Lehre als Bauzeichner. Das Landgericht konnte nicht feststellen, wovon er außerhalb der Lehrzeiten seinen Unterhalt bestritten hat.

Der Angeklagte und der ehemalige Mitangeklagte L wollten als Türsteher während einer von den Zeugen H und C geplanten Großparty für die Sicherheit sorgen. Während einer Besprechung in seiner Wohnung knüpfte der Angeklagte am seine beabsichtigte Mitwirkung an die Bedingung, während der Party Drogen verkaufen zu können. Nachdem C dies abgelehnt hatte, holte der Angeklagte eine Axt hervor, hielt diese in die Höhe und drohte C , ihm eine Hand abzu-hacken. Davon nahm der Angeklagte Abstand, nachdem der Zeuge unter dem Eindruck der Bedrohung sich bereit erklärt hatte, dem Angeklagten ohne Rechtsgrund 1000 € zu zahlen. C beschaffte 500 € sogleich und übergab das Geld dem Angeklagten. Dieser suchte dann mit L am Nachmittag des die Arbeitsstelle des C und die Wohnung des Zeugen auf, um die restlichen 500 € entgegenzunehmen. C ließ sich durch seine Eltern verleugnen. Die Täter drohten, der Zeuge sei "jetzt dran".

Gegen Abend des gleichen Tages verschafften sich der Angeklagte und L im Anschluß an den dem Wohnungsinhaber bekannten Zeugen S Zutritt zur Wohnung des Hö . L schlug Hö mit einem Faustschlag nieder und verletzte ihn erheblich. In Anwesenheit weiterer Zeugen verlangte der Angeklagte von den Zeugen Hö und K die Zahlung von 500 € anstelle einer solchen durch C . Unter dem Eindruck des rücksichtslosen Auftretens des Angeklagten und der massiven Gewaltanwendung des L übergaben Hö und K 55 €. Einer der Täter drohte damit, im Fall der Nichtzahlung der restlichen Forderung den Bedrohten ein Messer in den Bauch zu stecken.

2. Die Revision des Angeklagten beanstandet mit einer Beweisantrags- und einer Aufklärungsrüge, daß es das Landgericht zu Unrecht unterlassen habe, einen Sachverständigen zur Aufklärung der Schuldfähigkeit des Angeklagten heranzuziehen. Auf diese Rügen kommt es indes nicht an, weil schon die allgemeine Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs führt. Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch richtet, ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat kann ausschließen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben war.

Das Landgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung nicht mit allen Umständen auseinander gesetzt, die den Angeklagten hätten entlasten können (vgl. BGHSt 29, 18, 20; 14, 162, 164 f.). Es läßt ohne Würdigung der dafür geeigneten Umstände offen, ob der Angeklagte zur Tatzeit drogenabhängig war. Damit hat sich das Landgericht den Blick darauf verstellt, daß auch dann, wenn die Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht erheblich war, die Schuld des Angeklagten bei bestehender Drogenabhängigkeit gemindert gewesen sein kann (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1974, 544; BGH NStZ 1992, 381; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 330 m.w.N.). Ferner hat das Landgericht eine Würdigung unterlassen, ob eine Drogenabhängigkeit des Angeklagten einen Hang im Sinne des § 64 StGB begründet und die Gefahr besteht, daß der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Das Landgericht hat die Zeugenaussage des ehemaligen Mitangeklagten L , der Angeklagte habe in starkem Maße fast täglich Kokain zu sich genommen und Alkohol getrunken, nicht als Beleg für eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln angesehen und diese Aussage nicht im Zusammenhang mit weitergehenden Feststellungen über eine Affinität des Angeklagten zu Drogen gewürdigt. Als solche kommen folgende Umstände in Betracht: Der offensichtlich erwerbslose Angeklagte, der auch keine Sozialleistungen bezog, strebte an, während der geplanten Großparty Drogen zu verkaufen. Die ausgeurteilten Taten sind durch Besonderheiten gekennzeichnet, die im Zusammenhang mit einem erheblichen Drogenkonsum des Angeklagten stehen könnten. Die massive Vorgehensweise des Angeklagten steht in einem gewissen Mißverhältnis zur Höhe der erstrebten Vermögensvorteile. Die Taten offenbaren bei dem bis dahin im wesentlichen unauffällig lebenden Angeklagten eine durch große Gewaltbereitschaft gekennzeichnete Wesensveränderung. Sie richteten sich ferner gegen Angehörige seines weiteren Bekanntenkreises und unterlagen hierdurch und im Blick auf ihre offene Ausführung einem hohen Entdeckungsrisiko. Nachdem der Versuch am endgültig gescheitert war, von C weitere 500 € zu erpressen, gingen die Täter ohne zeitliche Zäsur zur nächsten Erpressung über. Diese Umstände hätten Anlaß gegeben, in gewissem Umfang eine drogenbedingte Realitätsverkennung und ein dringendes Bedürfnis zur Erlangung von Bargeld zur Drogenbeschaffung zu erwägen. Davon war das Landgericht durch den Hinweis, daß der Angeklagte auf die Kammer jedenfalls einen vollkommen gesunden Eindruck hinterlassen hat (UA S. 16), nicht entbunden. Der Angeklagte befand sich vor Beginn der Hauptverhandlung sieben Monate in Untersuchungshaft. Dies konnte sein Erscheinungsbild und seinen Gesundheitszustand naheliegend verändert haben.

3. Der neue Tatrichter wird demnach die Umstände, die eine Drogenabhängigkeit des Angeklagten begründen können, neu aufzuklären und zu bewerten und neue Strafen festzusetzen haben - auch im Blick auf die Voraussetzungen des § 21 StGB. Er wird seine Untersuchung naheliegend auf die im Hilfsbeweisantrag genannte Behandlung und Medikation des Angeklagten durch die Ärzte der Justizvollzugsanstalten erstrecken und sich jedenfalls für die mögliche Prüfung einer Maßregel nach § 64 StGB sachverständiger Hilfe zu bedienen haben (§ 246a StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
RAAAC-06948

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