Zahlungen der öffentlichen Hand an eine juristische Person des privaten Rechts, die Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übernimmt als Entgelt; Abgrenzung Zuschuss oder Entgelt
Gesetze: UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Stadt W betrieb ein eigenes Frei- und Hallenbad, aus dem sich Verluste in Millionenhöhe ergaben. Im Jahr 1992 gründete sie gemeinsam mit einer auf den Betrieb von Freizeitbädern spezialisierten GmbH eine Kommanditgesellschaft —KG— (die Klägerin und Beschwerdeführerin —Klägerin—). Zweck der Gründung war es, das vorhandene Frei- und Hallenbad mit einem modernen Freizeitbad zu kombinieren. Im Jahr 1997 schloss die Stadt W mit der Klägerin einen Vertrag, wonach die Klägerin verpflichtet war, das Hallenbad für das Schul- und Vereinsschwimmen zu bestimmten Zeiten vorzuhalten und die von der Stadt W bestimmten Eintrittspreise für die Nutzung des Hallen- und Freibades zu übernehmen, und die Stadt sich verpflichtete, zur Deckung eines voraussichtlichen Defizits „aus dem Betrieb des Frei- und Hallenbades” einen verlorenen Betriebskostenzuschuss von jährlich 750 000 DM an die Klägerin zu zahlen. Sollte das Finanzamt den Zuschuss der Umsatzsteuer unterwerfen, sei diese zusätzlich von der Stadt zu übernehmen. Nach Fertigstellung des Bades im Jahr 1998 zahlte die Stadt in 1998 und 1999 „Betriebskostenzuschüsse” an die Klägerin aus.
Nachdem die Klägerin lediglich für das Jahr 1999 einen auf das Vereinsschwimmen entfallenden Teilbetrag von 45 000 DM in ihre Umsatzsteuererklärung als steuerbare Leistung an die Stadt einbezogen hatte, vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Rechtsauffassung, die ausgezahlten Betriebskostenzuschüsse unterlägen insgesamt der Umsatzsteuer, und erließ entsprechende Änderungsbescheide. In der Einspruchsentscheidung wandte das FA auf diese Umsätze den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit der Begründung ab, es handele sich bei den streitigen Zuschüssen nicht um sogenannte „echte” Subventionen, nämlich um unspezifische Förderungsmaßnahmen zur Verfolgung strukturpolitischer, allgemeinpolitischer oder volkswirtschaftlicher Ziele, vielmehr habe die Klägerin an die Stadt W nach den getroffenen Vereinbarungen Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht. Die Zahlungen seien Gegenleistung für die Verpflichtung, das Frei- und Hallenbad sowie den Vereinsraum für das Schul- und Vereinsschwimmen bereit zu halten, sowie für das Tarifbestimmungsrecht der Stadt für das Frei- und Hallenbad. Die Klägerin habe Aufgaben übernommen, die die Stadt zuvor als Schulträger und im Rahmen der ihr obliegenden Daseinsvorsorge und Schulträgerschaft mit erheblichem Kostenaufwand selbst erfüllt habe. Das Aufführen gegenseitiger Verpflichtungen in einem Vertrag mache unmissverständlich deutlich, dass es sich um miteinander verknüpfte, einander bedingende Verpflichtungen handele. Der Zuschuss sei nach dem Vertrag ausdrücklich auf die zu erwartenden Defizite von Frei- und Hallenbad bezogen. Im Übrigen ergebe sich die Steuerbarkeit des Zuschusses auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG, weil im Rahmen des Leistungsaustausches zwischen der Klägerin und den einzelnen Schwimmbadbenutzern zum Entgelt der Schwimmbadbenutzer auch gehöre, was ein Dritter (die Stadt W) für die Leistung gewähre.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf grundsätzliche Bedeutung, Divergenz und Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). Die Beschwerde ist zu begründen. In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Zahlungen der öffentlichen Hand an eine juristische Person des privaten Rechts, die Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übernimmt, Entgelt für eine steuerbare Leistung sein können oder nicht, hat keine grundsätzliche Bedeutung (so schon , BFH/NV 2006, 1162); denn die maßgeblichen Grundsätze sind durch die Rechtsprechung bereits geklärt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile vom V R 20/05, BFH/NV 2008, 900; vom V R 9/04, BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285, jeweils m.w.N.) und des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— (Urteile vom Rs. C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 1997, 430; vom Rs. C-215/94, Mohr, Slg. 1996, I-959, UVR 1996, 110, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1996, 294; vom Rs. C-384/95, Landboden, Slg. 1997, I-7387) setzt die Annahme einer Leistung gegen Entgelt —und damit eines steuerbaren Umsatzes i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG— das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und einer empfangenen Gegenleistung voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein; er muss einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.
b) Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer können nicht steuerbarer Zuschuss oder Entgelt für eine Leistung sein. In Fällen, in denen eine Person des privaten Rechts die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung („Zuschuss”) verknüpft ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (, BFH/NV 2008, 996, m.w.N.). Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor (BFH-Urteile in BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285; vom V R 11/03, BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63; vom V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394, mit Nachweisen); das versprochene Tun, Dulden oder Unterlassen ist der Vorteil, den der Leistungsempfänger erhält. Ob der Leistungsempfänger die Leistung tatsächlich verwendet oder ggf. zu welchem Zweck, ist grundsätzlich unerheblich (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 1394; in BFHE 211, 50, BStBl II 2007, 63, unter II.1.b aa; vom V R 34/03, BFHE 211, 59, BStBl II 2007, 66, unter II.2.b).
c) Dagegen sind Zahlungen, durch die lediglich eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein-politischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll, kein Entgelt für eine steuerbare Leistung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285; vom V R 11/97, BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169; vom V R 74/98, BFH/NV 2000, 240; vom V R 10/00, BFHE 193, 165, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 2001, 60, jeweils m.w.N.).
Allein der Umstand, dass eine Leistung im öffentlichen oder allgemeinen Interesse liegt, steht der Steuerbarkeit nicht entgegen; entscheidend ist vielmehr, ob ein individueller Leistungsempfänger vorhanden ist, der aus der Leistung einen Vorteil zieht, der Gegenstand eines Leistungsaustauschs sein kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285; in BFHE 184, 137, 141, BStBl II 1998, 169, 171).
d) Ob eine Zahlung („Zuschuss”) einer Institution des öffentlichen Rechts an einen Privaten lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen soll oder ob die Zahlung Entgelt für eine Leistung des Zahlungsempfängers ist, bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden. Die Auslegung des FG kann das Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist oder ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt; ist dies nicht der Fall, so ist die tatrichterliche Würdigung selbst dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn ein abweichendes Verständnis gleichermaßen möglich oder sogar nahe liegend wäre (z.B. , BFH/NV 2008, 614, m.w.N.; vom
I R 76/05, BFHE 217, 1, BStBl II 2007, 631). Verstöße gegen Denkgesetze sind nicht dargelegt.
3. Die Klägerin hat keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt, die noch klärungsbedürftig sind.
a) Grundsätzliche Bedeutung haben nach Auffassung der Klägerin die Fragen, ob „eine Stadt als Verbraucher angesehen werden (kann), wenn sie ein Unternehmen bezuschusst, welches im Bereich der freiwilligen kommunalen Daseinsvorsorge tätig ist und dessen Aufgabe darin besteht, entgeltliche Leistungen an Benutzer (fremde Dritte) zu erbringen?” und falls „diese Frage zu bejahen ist, welche Abgrenzungskriterien zu nicht steuerbaren Subventionen sind in diesem Bereich anzulegen?”
Diese Fragen lassen sich ohne weiteres anhand der Rechtsprechung (z.B. aus den BFH-Urteilen in BFH/NV 2000, 240, und vom V R 12/00, BFH/NV 2001, 494 —betreffend Zahlungen an einen Verkehrsverein und einen Touristikverein—) beantworten, die offensichtlich nicht danach differenziert, ob es um die Übernahme einer den Gemeinden nach den jeweiligen Gemeindeordnungen der Länder obliegende Pflichtaufgabe handelt oder nicht, sondern allein auf die zuvor dargestellten Grundsätze abstellt.
b) Auch der Frage, ob „kommunale Zuschüsse an Unternehmen, die im Bereich der freiwilligen kommunalen Daseinsvorsorge tätig sind und deren Aufgabe darin besteht, entgeltliche Leistungen an Benutzer zu erbringen, nur dann umsatzsteuerbar (sind), wenn die Zuschüsse mit dem Preis der an die Benutzer erbrachten Umsätze unmittelbar zusammenhängen”, kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze zur Beurteilung als Entgelt von dritter Seite (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG und Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG —Richtlinie 77/388/EWG—) insoweit geklärt sind.
Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Lieferungen oder sonstige Leistungen an Dritte erbringt, gehören (unabhängig von der Bezeichnung als „Zuschuss”, vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 1542; , BFH/NV 2003, 667) dann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn
- der Zuschuss dem Abnehmer des Gegenstands oder dem Dienstleistungsempfänger zugute kommt,
- der Zuschuss gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstands oder die Erbringung einer bestimmten sonstigen Leistung gezahlt wird, und
- mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat (, Office des produits wallons, Slg. 2001, I-9115, BFH/NV Beilage 2002, 33 Randnrn. 11 ff.; vom Rs. C-144/02, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2004, I-6985, UR 2004, 625 Randnrn. 27 ff.; , BFHE 203, 515, BStBl II 2004, 322, unter II.2.c; in BFH/NV 2008, 996; , BFH/NV 2005, 391, unter II.1.).
c) Auch der Hinweis auf kritische Anmerkungen in der Fachliteratur, wonach es nicht zweckmäßig sei, Zuschüsse für Leistungen an die öffentliche Hand durch Umsatzsteuer zu versteuern, zeigt keinen erneuten Klärungsbedarf im Rahmen eines Revisionsverfahrens auf. Denn es ist bereits geklärt, dass die Betätigung der öffentlichen Hand im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Aufgabe nicht ausschließt, dass auch eine Gemeinde Leistungsempfängerin steuerbarer Leistungen sein kann (z.B. , BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782; , BFH/NV 2007, 1938; vgl. auch Randnr. 23 der Schlussanträge des Generalanwalts vom in der Rechtssache Landboden Agrardienste in Slg. 1997, I-7387).
d) Die weiteren von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen nach den Einzelheiten der Abgrenzung zwischen steuerbaren und nicht steuerbaren Zuschüssen wären in einem Revisionsverfahren nicht klärbar. Das FG ist aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zu dem Ergebnis gelangt, es handele sich bei den streitigen „Zuschüssen” nicht um unspezifische Förderungsmaßnahmen zur Verfolgung strukturpolitischer, allgemeinpolitischer oder volkswirtschaftlicher Ziele; vielmehr habe die Klägerin nach den getroffenen Vereinbarungen konkrete Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht.
Die Auslegung der jeweils zu beurteilenden Vereinbarung obliegt —wie dargelegt— grundsätzlich dem Tatrichter.
4. Schließlich beruht das Urteil des FG nicht deshalb auf einem Verfahrensfehler, weil es entgegen dem schriftsätzlich gestellten Antrag der Klägerin kein Sachverständigengutachten „zur Frage der Angemessenheit von Subvention und Gegenleistung” eingeholt hat. Insoweit hat die Klägerin einen Verfahrensfehler nicht schlüssig dargelegt, weil es für die Frage, ob dem FG ein Fehler in der Anwendung des gerichtlichen Verfahrensrechts unterlaufen ist, nach ständiger Rechtsprechung des BFH auf die materiell-rechtliche Auffassung des FG ankommt (z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 145/02, BFH/NV 2003, 1096; vom VI B 298/01, BFH/NV 2002, 1166; z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 226 und 228). Ausführungen dazu enthält die Beschwerdeschrift nicht.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1895 Nr. 11
QAAAC-92234