BFH Beschluss v. - III S 30/08 (PKH)

Die Rechtsfrage, ob neben dem Eintritt der Behinderung zusätzlich auch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt des behinderten Kindes vor Eintritt des 27. Lebensjahres eingetreten sein muss, ist klärungsbedürftig.

Gesetze: EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung einer Prozessbevollmächtigten für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung der Revision gegen das klageabweisende , in dem das FG einen Kindergeldanspruch der Antragstellerin für ihren behinderten Sohn (S) wegen Eintretens der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt nach Vollendung des 27. Lebensjahres abgelehnt hat. Dagegen hat die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, mit der sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache begehrt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Grundsätzlich bedeutsam sei die Entscheidung der Rechtsfrage, ob gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 2. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur die Behinderung oder auch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt vor Vollendung des 27. Lebensjahres (ab Veranlagungszeitraum 2007: 25. Lebensjahr) eingetreten sein muss. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage sei trotz der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur sehr umstritten und daher erneut klärungsbedürftig.

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) ist ebenfalls der Auffassung, dass die angesprochene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei und einer Entscheidung durch den BFH bedürfe, zumal sich das FG auf ein ) beziehe, das zu einer alten Gesetzeslage —vor Einführung der Bedingung des Eintritts der Behinderung vor dem 27. Lebensjahr zum — ergangen sei, was der ) möglicherweise nicht berücksichtige.

II. Der Antrag der Antragstellerin, ihr für die Nichtzulassungsbeschwerde III B 42/08, bei der sie Beschwerdeführerin ist, PKH zu gewähren und ihr Rechtsanwältin M als Prozessbevollmächtigte beizuordnen, ist begründet.

Die Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. von § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO), da die Rechtsfrage, ob neben dem Eintritt der Behinderung zusätzlich auch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt des behinderten Kindes vor Eintritt des 27. Lebensjahres (jetzt 25. Lebensjahr) eingetreten sein muss, grundsätzlich bedeutsam sein kann und insbesondere auch klärungsbedürftig ist. Der früher für den Familienleistungsausgleich zuständige VIII. Senat des BFH hat zwar in seinem Beschluss vom VIII B 286/02 (juris) unter Bezugnahme auf das Urteil des VI. Senats vom VI R 56/98 (BFHE 196, 161, BStBl II 2001, 832) ausgeführt, die Rechtsfrage, ob nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vor Vollendung des 27. Lebensjahres nicht nur die Behinderung des Kindes gegeben sein muss, sondern auch die dadurch bedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt, sei höchstrichterlich bereits entschieden und daher nicht klärungsbedürftig. Das Urteil des VI. Senats in BFHE 196, 161, BStBl II 2001, 832 ist allerdings noch zum alten Recht ergangen, das noch keine ausdrückliche gesetzliche Begrenzung des Eintritts der Behinderung vor Erreichung des 27. Lebensjahres vorsah. Nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 2. Halbsatz EStG n.F. muss aber nur die Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres (ab Veranlagungszeitraum 2007: 25. Lebensjahr) eingetreten sein. Die Frage, ob zusätzlich auch die Unfähigkeit zum Selbstunterhalt zu diesem Zeitpunkt vorliegen muss, ist in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur umstritten (dafür außer der Vorinstanz z.B. Helmke in Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 EStG Rz 113; dagegen z.B. , Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 867; Loschelder in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 27. Aufl., § 32 Rz 47).

Aus der von der Antragstellerin eingereichten Erklärung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt sich, dass sie nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 142 FGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.

Fundstelle(n):
NAAAC-90709