Gewinne aus der Veräußerung von Bezugsrechten körperschaftsteuerpflichtig
Leitsatz
Gemäß § 8b Abs. 2 KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG 2002 führen, außer Ansatz, nicht aber Gewinne aus der Veräußerung eines durch Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts an einem entsprechenden Anteil (Bestätigung des BStBl I 2003, 292, 295; Abgrenzung von dem , BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171).
Gesetze: KStG 2002 § 8b Abs. 2EStG 2002 § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. jEStG 2002 § 17 Abs. 1 Satz 3EStG 2002 § 23
Instanzenzug: (EFG 2007, 214) (Verfahrensverlauf), ,
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), nunmehr eine Aktiengesellschaft, hatte im Streitjahr 2002 die Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG), deren Gesellschafter (Komplementär und Kommanditisten) ausschließlich Aktiengesellschaften waren. Sie hielt im Kalenderjahr 2002 in ihrem Anlagevermögen die Beteiligung an der G-AG. Bei dieser wurde im März 2002 eine Kapitalerhöhung beschlossen. Die Klägerin nahm an dieser Kapitalerhöhung nicht teil, sondern veräußerte die ausgegebenen Bezugsrechte. Den dabei erzielten Gewinn behandelte sie nach § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) als steuerfrei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) folgte dem unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2003, 292, 295) nicht und stellte die Besteuerungsgrundlagen hiernach einheitlich und gesondert fest.
Die anschließende Klage war erfolgreich. Das , das im Wesentlichen mit dem zu § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) ergangenen (BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171) begründet wurde, ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 214 abgedruckt.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Das FG hat die in Rede stehenden Bezugsrechte zu Unrecht als Anteile i.S. von § 8b Abs. 2 KStG 2002 angesehen.
1. Nach § 8b Abs. 2 KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung u.a. eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG 2002 führen, außer Ansatz. Die Vorschrift wurde in ihrer das Streitjahr betreffenden Fassung im Zuge der Umstellung des früheren körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens auf das nunmehrige sog. Halbeinkünfteverfahren durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Unternehmenssteuerreform (UntStFG) vom (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) in das Gesetz eingefügt.
2. Erfasst werden hiernach von der Steuerfreistellung (nur) Anteile an einer Körperschaft, Rechte zum Bezug entsprechender Anteile hingegen nicht (überwiegende Auffassung, vgl. z.B. Rödder/Schumacher, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2003, 909; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8b KStG Rz 43; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG Rz 25a; Gosch, KStG, § 8b Rz 162; Häuselmann/Wagner, Betriebs-Berater —BB— 2002, 2431, 2433; Kröner in Ernst & Young, KStG, § 8b Rz 84, 86; Herlinghaus, EFG 2005, 1754; Intemann, DStR 2006, 1447; Wagner, Der Konzern 2006, 668; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 23 Rz 25: „gesetzgeberische Fehlleistung"; anders z.B. Dinkelbach, Besteuerung des Anteilsbesitzes an Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren, 2006, S. 204 ff., und Der Betrieb —DB— 2006, 1642; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 8b KStG Rz 41c, und Die Information für Steuer und Wirtschaft 2003, 457; Mihm, BB 2005, 2780; Heuermann, DB 2005, 2708).
a) Das Gesetz gewährt die Steuerfreistellung in § 8b Abs. 2 KStG 2002 (nur) für „Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören"; Bezugsrechte an solchen Anteilen gehören bereits nach dem Regelungswortlaut nicht dazu.
b) Der Regelungssinn des § 8b Abs. 2 KStG 2002 gebietet nichts anderes. Denn die Rechtfertigung für die (uneingeschränkte und typisierende) Freistellung des Veräußerungsgewinns im sog. Halbeinkünftesystem liegt darin, dass der Gewinn im wirtschaftlichen Ergebnis gewissermaßen aufgesummt an die Stelle der anderweitig verdienten oder zukünftig „verdienbaren” Dividenden tritt (vgl. dazu Gosch, a.a.O., § 8b Rz 1, m.w.N.). Bei Bezugsrechten fehlt es daran aber, weil diese keine entsprechenden Einnahmen gemäß § 20 EStG beim Anteilseigner auszulösen vermögen. Zwar handelt es sich bei Bezugsrechten um Substanzabspaltungen der Altaktien. Sie repräsentieren folglich aus wirtschaftlicher Sicht anteilig in den Altaktien enthaltene offene und stille Reserven oder einen Geschäftswert und damit auch zukünftige Dividenden der Gesellschaft; Anteil einerseits und Bezugsrecht andererseits sind aus wirtschaftlicher Sicht somit teilweise identisch (vgl. , BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712, m.w.N.). Gleichwohl bleibt das konkrete Bezugsrecht ein originär entstandenes, selbständiges Wirtschaftsgut (s. auch BFH, ebenda) und hat der Gesetzgeber sich dafür entschieden, durch den Verkauf dieses Wirtschaftsgutes ausgelöste Gewinne zu besteuern. Diese Entscheidung mag nicht zwingend sein. Sie erscheint indes nicht zuletzt deswegen als gerechtfertigt, weil Bezugsrechte vor ihrer Wahrnehmung durch den Bezugsrechtsberechtigten lediglich die Anwartschaft auf jene wirtschaftliche Beteiligung verkörpern. Erst bei einer steuerlichen Erfassung der (kumulierten) Gewinne aus den Anteilen kann es auch zu jenen körperschaftsteuerlichen Doppel- und Mehrfachbelastungen (sog. Kaskadeneffekten) kommen, welche andernfalls bei Kapitalbeteiligungen von Körperschaften drohen und welche die systembedingte —und ausnahmsweise— Durchbrechung des steuerlichen Subjektprinzips tragen (vgl. dazu Gosch, ebenda, m.w.N.). Aus letztlich gleichem Grund unterblieb die Einbeziehung von Anteilsbezugsrechten in die Bemessungsgrundlagen in der Vergangenheit auch bei ähnlichen Schachtelprivilegierungen, wie beispielsweise für die Vermögensteuer in dem zwischenzeitlich abgeschafften § 102 der früheren Fassung des Bewertungsgesetzes oder für die Gewerbekapitalsteuer in dem ebenfalls abgeschafften § 12 Abs. 3 Nr. 4 und 5 der früheren Fassung des Gewerbesteuergesetzes und ebenso bei abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (vgl. zu Letzterem z.B. Grotherr in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 23A/23B OECD-MA Rz 296 ff.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 23A MA Rz 70 f.).
Schließlich erklärt sich die Beschränkung auf Kapitalanteile auch aus den (weiteren) Systemzusammenhängen, in die § 8b KStG 2002 gestellt ist. So gibt es beispielsweise nur „einbringungsgeborene” Anteile i.S. des § 21 des Umwandlungssteuergesetzes, jedoch keine entsprechenden Bezugsrechte, was es wiederum ausschließt, die Ausnahmen und Rückausnahmen des § 8b Abs. 4 KStG 2002 auf Bezugsrechte zu erstrecken. Dass junge Anteile, die auf solche Bezugsrechte zurückgehen, ihrerseits solche i.S. des § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 sind (vgl. , BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761; I R 160/90, BFHE 167, 429, BStBl II 1992, 753; I R 162/90, BFHE 167, 432, BStBl II 1992, 764), widerspricht dem nicht.
c) Die ausdrückliche Erfassung auch von Anwartschaften auf solche „Beteiligungen” und damit nach gängigem Verständnis auch von Bezugsrechten seit der Gesetzesergänzung durch das Steueränderungsgesetz 1965 vom (BGBl I 1965, 377, BStBl I 1965, 217) in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 für die dort geregelte Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bedingt nichts Abweichendes, und zwar unabhängig davon, ob diese Erfassung bezogen auf den Regelungsbereich des § 17 EStG und dessen Vorgängervorschrift in § 53 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1961 (und davor in § 30 EStG 1925) nur klarstellender Natur sein mag (vgl. dazu , BFHE 115, 223, BStBl II 1975, 505). Denn die dort bestimmte Regelung ist in erster Linie auf den spezifischen Normzusammenhang des § 17 EStG 2002 zu verengen. Soweit sie darüber hinaus zu verallgemeinern ist (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom I R 3/04, BFHE 211, 339), betrifft dies aus den genannten Erwägungen jedenfalls nicht das körperschaftsteuerrechtliche Halbeinkünfteverfahren. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 trägt vielmehr den Umkehrschluss, dass es einer entsprechenden ausdrücklichen Bestimmung bedarf, um Bezugsrechte Anteilen gleichbehandeln zu können (wie dies beispielsweise auch in § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Investmentsteuergesetzes —InvStG— i.d.F. bis zur Änderung durch Art. 8 Nr. 11 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 —UntStRefG— vom , BGBl I 2007, 1912, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b InvStG [vgl. auch § 18 Abs. 1 InvStG i.d.F. des UntStRefG, § 19 Abs. 1 Satz 1 InvStG] für Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren und Bezugsrechten auf Anteile an Kapitalgesellschaften geschehen ist). Für eine von der Klägerin erwogene Analogie bleibt sonach kein Raum.
3. Allerdings hat der IX. Senat des BFH im Hinblick auf die —in dem hier in Rede stehenden Punkt mit § 8b Abs. 2 KStG 2002 wortlautentsprechende— Regelung in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 anders entschieden. Nach dieser Vorschrift ist die Hälfte des Veräußerungspreises i.S. des § 23 Abs. 3 EStG 2002 bei der privaten Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 gehören, steuerfrei. Der IX. Senat hat dazu in seinem Urteil vom IX R 15/05 (BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171) die Rechtsauffassung vertreten, dass zu den Anteilen an Körperschaften in diesem Sinne auch die Veräußerung eines durch Kapitalerhöhung entstandenen Bezugsrechts gehöre. Er stützt sich dabei zum einen auf wirtschaftliche, auf dem beschriebenen Abspaltungsgedanken gründende Erwägungen, welche „folgerichtig” die „typisierte” hälftige Steuerbefreiung beim Anteilseigner im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens erfordere, und zum anderen auf § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002, der es gebiete, den auf § 23 EStG 2002 Bezug nehmenden § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 entsprechend auszulegen. Der IX. Senat hat auf Anfrage durch den erkennenden Senat (Beschluss vom ) mitgeteilt, dass er an dieser Rechtsprechung „jedenfalls für den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002” festhalte (Beschluss vom IX -ER- S 7/07).
Der erkennende Senat folgt dem für die körperschaftsteuerrechtliche Regelung des § 8b Abs. 2 KStG 2002 aus den dargestellten Gründen nicht, und zwar entgegen seiner ursprünglichen Annahme ohne von der Rechtsprechung des IX. Senats gemäß § 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweichen; einer Anrufung des Großen Senats des BFH bedarf es deshalb nicht:
Zwar handelt es sich bei § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 —nicht anders als bei § 8b Abs. 2 KStG 2002— um eine im Zuge der Umstellung des früheren körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens auf das nachfolgende sog. Halbeinkünfteverfahren durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Unternehmenssteuerreform geschaffene Neuregelung. Die Regelungslagen in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 einerseits und § 8b Abs. 2 KStG 2002 andererseits mögen auch ähnlich sein und auf einer vergleichbaren „Idee” und Systematik beruhen. Sie weisen indes grundlegende Unterschiede auf, welche eine unterschiedliche Beurteilung rechtfertigen. Denn anders als bei Veräußerungsgeschäften zwischen Körperschaften geht es bei den von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 erfassten privaten Veräußerungsgeschäften (nur) um die Vermeidung der „einfachen” wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne, nicht jedoch um die Vermeidung der (unter II.2.b) beschriebenen besonderen Kaskadeneffekte. Überdies knüpft § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG 2002 an § 23 EStG 2002 an, von dessen Regelungsbereich wegen § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 und einer daraus abgeleiteten „Einheitlichkeit des Anschaffungskostenbegriffs” „seit eh und je” (so IX -ER– S 7/07) auch Bezugsrechte an Kapitalanteilen erfasst sein sollen (vgl. , BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345; in BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712; vom IX R 36/01, BFHE 207, 543, BStBl II 2006, 12: kritisch z.B. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 23 Rz 145); für § 8b Abs. 2 KStG 2002 gilt das jedoch nicht und ist das ohne Bedeutung.
4. Da die Vorinstanz ihrer Entscheidung eine abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 719
BB 2008 S. 1103 Nr. 21
BB 2008 S. 975 Nr. 19
BFH/NV 2008 S. 1058 Nr. 6
BFH/PR 2008 S. 308 Nr. 7
BStBl II 2008 S. 719 Nr. 16
DB 2008 S. 1015 Nr. 19
DStR 2008 S. 862 Nr. 18
DStRE 2008 S. 655 Nr. 10
DStZ 2008 S. 387 Nr. 12
EStB 2008 S. 193 Nr. 6
EStB 2008 S. 205 Nr. 6
FR 2008 S. 969 Nr. 20
GmbH-StB 2008 S. 165 Nr. 6
GmbHR 2008 S. 610 Nr. 11
HFR 2008 S. 602 Nr. 6
KÖSDI 2008 S. 16009 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2008 S. 1626
SJ 2008 S. 6 Nr. 12
StB 2008 S. 191 Nr. 6
StBW 2008 S. 3 Nr. 10
StBp. 2008 S. 175 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2008 S. 360
WPg 2008 S. 518 Nr. 11
PAAAC-77618