BSG Urteil v. - B 4 RS 2/06 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: AAÜG § 1; AAÜG § 5; AAÜG § 8; VO-AVItech § 1; 2. DB § 1 Abs 1; 2. DB § 1 Abs 2; SGG § 103

Instanzenzug: LSG Berlin-Brandenburg, L 17 R 216/05 vom SG Berlin, S 1 RA 1605/04 vom

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beschäftigungszeiten des Klägers in der DDR als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen.

Der Kläger, dem am der Titel eines Ingenieurs zuerkannt wurde, arbeitete in der DDR zuletzt ab als Sektorenleiter in der Kombinatsleitung des VEB Kombinat M. , später M. AG. Er war in der DDR in kein Versorgungssystem iS des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) einbezogen worden.

Den Antrag des Klägers, die Zeit vom bis als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech und die dabei erzielten Arbeitsverdienste festzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ). Das Sozialgericht Berlin hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil des Berichterstatters als Einzelrichter vom zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der VEB Kombinat M. sei als Vertrieb von Benzin und Heizöl weder ein Produktionsbetrieb iS des § 1 Abs 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) vom (GBl Nr 62 S 487) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom (GBl Nr 93 S 844) noch als Versorgungsbetrieb ein gleichgestellter Betrieb iS des § 1 Abs 2 der 2. DB gewesen. Energieträger wie Benzin und Heizöl seien nicht durch Versorgungs-, sondern durch Handelsbetriebe zum Endverbraucher gebracht worden.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 1, 5 und 8 AAÜG iVm § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 und 2 der 2. DB sowie des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der VEB Kombinat M. sei ein Versorgungsbetrieb iS des § 1 Abs 2 der 2. DB. Dieser habe als wirtschaftlichen Hauptzweck die stabile Versorgung der Bevölkerung und der Volkswirtschaft mit Kraft- und Schmierstoffen, Heizöl, Flüssiggas und kraftstoffspezifischen Hilfsstoffen verfolgt und dabei Energieumwandlungen selbst vorgenommen, was nach dem Sprachgebrauch am Ende der DDR zur Energieversorgung gehört habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom sowie die Ablehnung im Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeiten vom bis zum als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG und die daraus erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Verhandlung und Entscheidung durch den 17. Senat dieses Gerichts begründet. Das Bundessozialgericht (BSG) konnte mangels bindender Tatsachenfeststellungen (§ 163 SGG) nicht erkennen, ob dem Kläger wegen einer fiktiven Einbeziehung in den Anwendungsbereich des AAÜG im Sinne der Rechtsprechung des BSG (zuletzt - SozR 4-8570 § 1 Nr 11) auf Grund seiner Beschäftigung am als Sektorenleiter bei der Kombinatsleitung des VEB Kombinat M. ein Anspruch auf Datenfeststellungen nach den §§ 5 bis 8 AAÜG zustand.

Das LSG hat Bundesrecht (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz <GG>, § 155 Abs 3, 4 SGG) dadurch verletzt, dass der Berichterstatter den Berufungsrechtsstreit als Einzelrichter (§ 155 Abs 4 SGG) entschieden hat, obwohl die Voraussetzungen dafür offensichtlich nicht vorlagen. Es gab kein wirksames Einverständnis der Beteiligten, weil die Erklärung der Beklagten im Gegensatz zu der des Klägers nicht ausdrückte, allein der Berichterstatter des LSG-Senats solle als Einzelrichter entscheiden.

A. Die Revision ist statthaft und wurde zulässig eingelegt.

Insbesondere ist die Zulassung der Revision nicht unwirksam. Das SGG bestimmt nicht, dass ein Einzelrichter die Revision nicht zulassen kann; das BSG ist an die Zulassung gebunden, § 160 Abs 3 SGG (so zu § 161 Abs 2 Satz 2 SGG: -SozR 4-1500 § 105 Nr 1 RdNr 11; zur Rechtsbeschwerde der Zivilprozessordnung <ZPO>: ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs <BGH>, seit - BGHZ 154, 200, 203 f).

B. Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des Berichterstatters des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dessen 17. Senat begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das BSG darf die vom Berichterstatter des LSG festgestellten Tatsachen seiner Sachentscheidung nicht zu Grunde legen. Denn sie waren von einem anderen als dem gesetzlichen Richter mittels eines vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen das grundrechtsgleiche Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) festgestellt worden. Würde das BSG diese grundrechtswidrig von einem dazu nicht befugten Richter festgestellten Tatsachen seiner Sachentscheidung zu Grunde legen, würde der Grundrechtsverstoß intensiviert und verfahrensentscheidend fortwirken. Das wäre mit der Pflicht des BSG, Grundrechtsverletzungen auszuräumen, unvereinbar. Dazu näher im Folgenden:

1. Nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG darf in jedem Einzelfall kein anderer als der Richter tätig werden, der in den allgemeinen Normen der Gesetze und der Geschäftsverteilungspläne der Gerichte dafür vorgesehen ist (Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom - 2 BvR 952/75 - BVerfGE 48, 246, 254; - BVerfGE 21, 139, 145). Das SGG bestimmt für Entscheidungen über das Rechtsmittel der Berufung den jeweils nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Fachsenat zum gesetzlichen Richter, der bei Urteilen sowie bei Beschlüssen auf Grund mündlicher Verhandlung mit einem Vorsitzenden, zwei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt ist (§§ 33, 29, 30, 31 Abs 1, 153 Abs 3 Satz 1 SGG). Nur unter den im Gesetz selbst bestimmten Voraussetzungen des § 155 Abs 3 und 4 SGG kann statt dieses Spruchkörpers der Vorsitzende oder der Berichterstatter als gesetzlicher Richter zur Entscheidung über die Berufung eingesetzt sein. Diese Voraussetzungen waren bei dem hier angefochtenen Urteil des Berichterstatters nicht erfüllt, weil offensichtlich kein "Einverständnis der Beteiligten" vorlag.

2. Gemäß § 155 Abs 3 SGG kann der Vorsitzende im Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats entscheiden. Nach Abs 4 aaO gilt: "Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser an Stelle des Vorsitzenden".

Grundvoraussetzungen für eine Entscheidung eines Einzelrichters (des Vorsitzenden oder des Berichterstatters) an Stelle des Senats sind nach § 155 Abs 3, 4 SGG, dass der Vorsitzende und ggf der Berichterstatter (nach dem Gesetz und dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan) als gesetzliche Richter zur Mitwirkung an der Entscheidung über die Berufung bestellt sind und dass die Beteiligten übereinstimmend erklärt haben, dass sie mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden oder aber durch den Berichterstatter einverstanden sind.

2.1. Der Vorsitzende ist kraft Gesetzes immer zur Mitentscheidung im Senat bestellt. Wer iS des § 155 Abs 4 SGG bestellter Berichterstatter ist, ergibt sich grundsätzlich durch die Bestimmung in dem vom Senat beschlossenen senatsinternen Geschäftsverteilungsplan nach § 6 SGG iVm § 21g Abs 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Dort ist geregelt, welcher der für die Streitsache abstrakt und im Voraus zur Mitentscheidung im Senat berufenen Richter die Sache (vorbehaltlich der dem Vorsitzenden kraft Gesetzes zugewiesenen Kompetenzen) bis zur Entscheidungsreife vorzubereiten, dem Senat ein Votum vorzulegen, den Sachstand in der mündlichen Verhandlung vorzutragen und dem Senat in der Beratung einen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten hat. Soweit dort kein anderer Richter als Berichterstatter benannt ist, hat der Vorsitzende diese Aufgaben wahrzunehmen, der aber auch ausdrücklich zum Berichterstatter ernannt werden kann. Ob es darüber hinaus noch andere Arten einer wirksamen Bestellung zum Berichterstatter gibt, kann offen bleiben. Denn der Einzelrichter, dessen Urteil hier angefochten ist, war der im Geschäftsverteilungsplan des LSG-Senats für diesen Fall bestellte Berichterstatter.

2.2. Das Einverständnis setzt zwei inhaltlich übereinstimmende Prozesserklärungen der Beteiligten voraus. Sie müssen eindeutig darauf gerichtet sein, statt des Senats solle (nur) einer der beiden im Gesetz genannten Richter, der Vorsitzende oder aber der Berichterstatter, über ihren Rechtsstreit entscheiden. Auch ein Berichterstatter darf - trotz des Wortlauts des Abs 4 aaO - nur entscheiden, wenn die Beteiligten gerade darin übereinstimmen, er und kein anderer solle zur Entscheidung berufen werden. Denn das Verfahrensgrundrecht des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG lässt nicht zu, dass den Beteiligten an Stelle des von ihnen "konsentierten" Vorsitzenden der "nicht konsentierte" Berichterstatter als Einzelrichter (auch an Stelle des Senats) aufgezwungen wird.

Einziger Erlaubnisgrund dafür, dass an Stelle des vom Gesetz grundsätzlich zur Entscheidung berufenen Senats ein Einzelrichter (Vorsitzender oder Berichterstatter) über den Berufungsrechtsstreit entscheiden darf, ist nach § 155 Abs 3, 4 SGG das Einverständnis der Beteiligten. Dieses muss sich daher auf einen konkreten Richter beziehen und ist an diesen gebunden. Die Einverständniserklärungen müssen dabei so konkret, klar und eindeutig sein (Bernsdorff in: Hennig, SGG, § 155 Rz 56), dass sich alleine auf ihrer Grundlage eindeutig bestimmen lässt, welcher Richter von den Beteiligten zum konsentierten und damit zum gesetzlichen Richter gewählt ist und welche der anderen zur Verfügung stehenden Spruchkörper von der Entscheidung ausgeschlossen sind. Andernfalls wäre die Vorschrift des § 155 Abs 3 und 4 SGG im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG zu unbestimmt (dazu unter 5.).

2.3. Eine eindeutige und konkrete Einverständniserklärung der Beklagten zur Entscheidung gerade durch den Berichterstatter als konsentierten Einzelrichter iS des § 155 Abs 4 iVm Abs 3 SGG lag nicht vor. Die Beklagte hatte gegenüber dem LSG erklärt: "Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) bzw. durch Beschluss (§ 153 Abs. 4 SGG) oder durch den Vorsitzenden (§ 155 Abs. 3 und 4) sind wir einverstanden."

2.3.1. Diese Erklärung lässt völlig offen, wer entscheiden soll, der Senat in voller Besetzung, nur die Berufsrichter des Senats ("§ 153 Abs 4 SGG"), der Vorsitzende oder der noch nicht einmal genannte Berichterstatter, der nur indirekt durch die Erwähnung des § 155 Abs 4 SGG in Bezug genommen ist. Nicht deutlich wird, dass die Beklagte ihr Wahlrecht gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG ausgeübt hat und den schon ernannten Berichterstatter an Stelle des Senats zur Entscheidung bestimmen wollte. Sie hat es vielmehr dem Gericht überlassen zu wählen, welcher der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Spruchkörper zur Entscheidung berufen sein soll. Die Beklagte hat damit keine eindeutige und klare Wahlentscheidung verlautbart und deshalb keine wirksame Einverständniserklärung iS des § 155 Abs 3 und 4 SGG abgegeben.

2.3.2. Auch eine Auslegung der Prozesserklärung der Beklagten anhand der Fragestellung des Gerichts (Anfrage durch den Berichterstatter) und der Erklärung des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Erklärung der Beklagten lässt sich allenfalls dahin verstehen, dass "auch" der in ihrer Erklärung nicht genannte Berichterstatter zur Entscheidung berufen sein solle, dass aber auch der Senat oder der Vorsitzende entscheiden könne. Erforderlich wäre aber eine Erklärung gewesen, dass nur der Berichterstatter zur Entscheidung berufen sein sollte.

2.3.3. Die Beklagte durfte dem Gericht die Entscheidung darüber, welcher Spruchkörper den Berufungsrechtsstreit entscheiden solle, nicht überlassen.

Eine Ersetzung dieses Einverständnisses durch den Einzelrichter selbst ist gemäß Art 101 Abs 1 Satz 2 GG untersagt. Denn danach ist der im Einzelfall zur Mitwirkung berufene Richter durch vorher gefasste, abstrakt-generelle Rechtssätze so genau wie möglich zu bestimmen (seit - BVerfGE 18, 344, 349; - BVerfGE 18, 65, 69; , 83/63 und 89/63 - BVerfGE 17, 294, 298 f). Dies bedeutet, dass überall dort, wo dies nach dem vom Gesetz gewählten Regelungskonzept ohne Beeinträchtigung der Effektivität der Rechtsprechungstätigkeit möglich ist, die Bestimmung des entscheidenden Richters anhand von Kriterien zu erfolgen hat, die subjektive Wertungen weitgehend ausschließen (BVerfG <Plenumsbeschluss> vom - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322, 330). Raum für derartige vermeidbare subjektive Wertungen würde aber eröffnet, wenn es in die Entscheidung eines Richters (hier: des Berichterstatters) gestellt würde, ob er ohne Einverständnis der Beteiligten selbst an Stelle eines anderen Richters oder des Senats über den Rechtsstreit entscheiden darf. § 155 Abs 3 und 4 SGG stellt gerade für diese Frage, wer im Konfliktfall darüber entscheidet, wer von den drei gesetzlich zur Entscheidung bereit gestellten Spruchkörpern zur Entscheidung im Einzelfall berufen ist, kein Regelungskonzept (zB Übertragungsvorschriften) zur Verfügung. Die Vorschrift wäre insoweit grundrechtswidrig lückenhaft. Die Lücke wird allein durch die in einem wirksamen Einverständnis liegende übereinstimmende Wahlentscheidung der Beteiligten geschlossen.

2.3.4. Die Beklagte hat eindeutig nicht erklärt, dass nur der Berichterstatter als gesetzlicher Richter über den Berufungsrechtsstreit zu entscheiden habe. Ihre Erklärung ist damit nicht geeignet, ein wirksames Einverständnis iS des § 155 Abs 3 und 4 SGG herbeizuführen. Die Erklärung der Beklagten ist unwirksam. Daher liegt kein Einverständnis beider Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter vor. Dieser war somit nicht zum gesetzlichen Richter bestellt und durfte den Rechtsstreit nicht nach § 155 Abs 4 iVm Abs 3 SGG an Stelle des Vorsitzenden und des Senats entscheiden.

3. Diese Bundesrechtsverletzung ist vom BSG von Amts wegen zu beachten. Denn der Berichterstatter hat zugleich das grundrechtsgleiche Recht des Klägers auf den gesetzlichen Richter iS des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verletzt.

3.1. Da die Voraussetzungen des § 155 Abs 3 und 4 SGG (dazu oben) nicht vorlagen, war nicht der Berichterstatter zum gesetzlichen Richter bestimmt, sondern der Senat des LSG. Der Berichterstatter hat sich somit an die Stelle des nach den allgemeinen Regelungen (§§ 29, 30, 31 Abs 1, 153 Abs 3 Satz 1 SGG iVm dem jeweils maßgeblichen Geschäfts- und Mitwirkungsplan) zur Entscheidung berufenen Senats gesetzt und den Beteiligten den gesetzlichen Richter entzogen (so zu § 524 ZPO aF auch IVb ZR 10/88 - BGHZ 105, 270, 276).

3.1.1. Der Berichterstatter hat damit auch spezifisch Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verletzt. Die Entscheidung eines Gerichts verstößt gegen das in Art 101 Abs 1 Satz 2 GG enthaltene Gebot des gesetzlichen Richters, wenn sie von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist. Dies ist stets jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm ist dies der Fall, wenn die Entscheidung des Gerichts sich nach einem objektiven, vom Willen und Verschulden des jeweiligen Gerichts unabhängigen Maßstab ( - NJW 2005, 1931 ff) so weit von dem sie beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist und unter verständiger Würdigung der das GG bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint ( - NVwZ 2007, 942 ff; - juris; - NVwZ 2005, 1304 ff; , 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410 ff; - BVerfGE 29, 45, 48 f mwN).

Objektiv hat der Einzelrichter mit seiner Entscheidung an Stelle des Senats den Beteiligten den gesetzlich zuständigen Richter entzogen. Es liegt auch eine objektive Willkür vor, weil die Grundvoraussetzung des § 155 Abs 3 und 4 SGG, das Einverständnis der Beteiligten mit der Entscheidung durch einen bestimmten Einzelrichter, wegen der auf der Hand liegenden Mängel der Erklärung der Beklagten nicht erfüllt waren. Der Berichterstatter hat sich damit so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass nur der vorherbestimmte Richter als gesetzlicher Richter einen Rechtsstreit entscheiden darf, entfernt, dass dies nicht zu rechtfertigen ist. Bei jeder Entscheidung durch einen augenfällig nicht gesetzlich vorher bestimmten Richter werden nämlich Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, die nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG, der sich auch gegen die rechtsprechende Gewalt richtet, gerade zu vermeiden sind.

3.2. Diesen Grundrechtsverstoß hatte das BSG von Amts wegen zu prüfen.

3.2.1. Während rechtsirrtümliche, aber nicht objektiv willkürliche Fehlanwendungen einfachrechtlicher Vorschriften über den gesetzlichen Richter, soweit sie nicht spezialgesetzlich für unbeachtlich erklärt sind, vom Revisionsgericht nur auf Rüge der Beteiligten zu prüfen sind, muss dieses Verstöße gegen Grundrechte und das grundrechtsgleiche Recht des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG auf den gesetzlichen Richter (bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte) von Amts wegen prüfen und ggf beseitigen. Der Grundrechtsschutz und die Beseitigung von Grundrechtsverletzungen ist originäre Aufgabe der Fachgerichte ( - BVerfGE 63, 77, 79; - BVerfGE 49, 252, 258). Das Revisionsgericht ist also von Verfassungs wegen verpflichtet, die Verletzung eines Grundrechts zu beseitigen und die Perpetuierung eines Grundrechtsverstoßes zu verhindern (vgl zB , 2 BvR 638/01 <3. Kammer> - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; <3. Kammer> - NVwZ 2005, 1304, 1309; <3. Kammer> - juris und SozR 4-1720 § 21e Nr 1, RdNr 5, 19; zu Art 101 Abs 1 Satz 2 GG siehe: , 2 BvR 638/01 <3. Kammer> - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; <3. Kammer> - NVwZ 2005, 1304, 1309).

3.2.2. Das Rechtsmittelgericht muss nicht nur das eigene Verfahren an den Maßgaben des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG prüfen, sondern auch einen entsprechenden überprüfenden Grundrechtsschutz im Hinblick auf die Entscheidung der Vorinstanz gewährleisten. Grundrechtsrelevante Verletzungen des Rechts auf den gesetzlichen Richter iS des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG sind vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu beachten (vAw geprüft aber dennoch 'offengelassen': - BAGE 11, 276 = NJW 1962, 318; so zur Besetzung des LG in FGG-Verfahren: - BGHZ 130, 304, 307; so zur sachlichen Zuständigkeit gemäß § 6 StPO: - StV 1995, 620 - 621; - BGHSt 40, 120 - 124; - BGHSt 38, 212 - 213; - NStZ 1992, 397; - BGHSt 38, 172 - 177; anders zur "zweistufigen" Prüfungsregel des § 328 Abs 2 StPO: - BGHSt 42, 205 - 214; so zur fehlerhaften Entscheidung durch den Einzelrichter gemäß § 568 Satz 2 ZPO: ständige Rechtsprechung seit - BGHZ 154, 200 - 205; IXa ZB 55/03 - DGVZ 2003, 90; - BB 2003, 1200 = BGH Report 2003, 9001 = MDR 2003, 949; - WuM 2003, 637; - NJW 2003, 3712; - juris; - FamRZ 2004, 363; - NJW 2004, 448 f; - NJW-RR 2004, 1714 f; - NJW-RR 2004, 1717; -NJW-RR 2006, 286-287; so zur amtswegigen Prüfung der Merkmale des § 96 SGG und der Frage, ob das LSG damit als gesetzlicher Richter zur Sachentscheidung über den Folgebescheid befugt ist: B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 15; - juris; so auch die herrschende Rechtsprechung zur Rechtswegzuständigkeit bis zur Einführung des § 17a GVG: zB - SozR 1500 § 141 Nr 13; früher schon - BSGE 29, 44 - insoweit nur in juris veröffentlicht <RdNr 16>).

3.2.3. Darüber hinaus sind auch nach der Rechtsprechung des BSG in der Berufungsinstanz begangene Verfahrensfehler vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten, wenn sie im Revisionsverfahren derart fortwirken, dass sie bei ihrer Nichtbeachtung auch das Verfahren des Revisionsgerichts fehlerhaft machen würden (seit - BSGE 14, 298 f; May, Die Revision, 2. Aufl 1997, Teil VI RdNr 95). So führt die Nichtbeachtung und das Unterbleiben der Beseitigung einer Grundrechtsverletzung des Vordergerichts iS des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG durch das Rechtsmittelgericht nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG dazu, dass auch die Rechtsmittelentscheidung gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verstößt ( <stattgebender Kammerbeschluss> - 2 BvR 497/03 - NVwZ 2005, 1304, 1309; <stattgebender Kammerbeschluss> - 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 - NJW 2005, 3410, 3414 = BVerfGK 5, 269, 288; <stattgebender Kammerbeschluss> - 2 BvR 581/03 - SozR 4-1720 § 21e Nr 1, RdNr 5, 19; , 2 BvR 247/61 - BVerfGE 14, 156, 162) und damit fehlerhaft ist.

Der Sinn von Verfahrensvorschriften, wozu auch die Vorschriften über den Umfang der amtswegigen Prüfung durch das Revisionsgericht gehören, kann nicht sein, eine andernfalls nur im Wege der Verfassungsbeschwerde mögliche Überprüfung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter iS des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG durch das Rechtsmittelgericht auszuschließen (so zum ausdrücklichen Rechtsmittelausschluss gemäß § 568 Satz 3 ZPO: - NJW-RR 2004, 1714 f). Dies würde auch die Subsidiarität des Grundrechtsschutzes durch das BVerfG beeinträchtigen.

3.2.4. Die Prüfungs- und Beseitigungspflicht des Revisionsgerichts hängt nicht von einer Rüge der spezifischen Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter durch den Verletzten ab. Denn der Betroffene hat nicht die Rechtsmacht, durch sein prozessuales Verhalten die Unbeachtlichkeit dieses Grundrechtsverstoßes für das Gericht herbeizuführen.

Schon die Verletzung jener einfachgesetzlichen Verfahrensvorschriften, deren Befolgung nach § 295 Abs 2 ZPO unverzichtbar sind, bedarf im Revisionsverfahren nicht der Rüge (May, aaO, RdNr 97; vgl zur Unverzichtbarkeit der Rechte aus solchen einfachgesetzlichen Verstößen in Verfahren, in denen die vorschriftswidrige Besetzung allerdings gerügt worden war, - NJW 1993, 600, 601; - BVerwGE 102, 7, 10 f; - Buchholz 310 § 138 Ziff 1 VwGO Nr 20; - juris). Das gilt erst recht für das aus einer spezifischen Verletzung des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG resultierende verfassungsrechtliche Beseitigungsrecht des Bürgers, das schon wegen des Vorrangs der Verfassung durch einfachgesetzliche Regelungen nicht eingeschränkt werden kann. Denn der Grundsatz des gesetzlichen Richters dient der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit im gerichtlichen Verfahren schlechthin; er enthält objektives Verfassungsrecht ( - BVerfGE 40, 356, 361), das nicht zur Disposition Privater steht.

3.2.5. Diese Pflicht des Revisionsgerichts, bei Vorliegen von Anhaltspunkten Verstöße gegen das grundrechtsgleiche Verfahrensrecht des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG von Amts wegen zu prüfen und zu beseitigen, findet ihr Spiegelbild darin, dass auch das BVerfG bei Verfassungsbeschwerden im Einzelfall eine Verletzung des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG ohne Rüge von Amts wegen prüft ( <stattgebender Kammerbeschluss> - 2 BvR 2248/03 - BVerfGK 3, 355, 359 = NVwZ 2004, 1224, 1225; <stattgebender Kammerbeschluss> - 2 BvR 1380/90 - NJW 1991, 2893; - BVerfGE 42, 237, 240).

4. Um den dargelegten Grundrechtsverstoß zu beseitigen, ist das Urteil des Berichterstatters mit seinen Tatsachenfeststellungen aufzuheben und der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an den 17. Senat des LSG zurückzuverweisen, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG.

Im Übrigen wären Tatsachenfeststellungen eines Richters, welche dieser unter Verletzung gerade des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter getroffen hat, für das Revisionsgericht nicht bindend; es darf sie nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Andernfalls würde es die Grundrechtsverletzung verfestigen und dadurch selbst Art 101 Abs 1 Satz 2 GG verletzen.

5. Die Zurückverweisung erfolgt an den 17. Senat des LSG selbst. Da derzeit kein wirksames Einverständnis der Beteiligten mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter vorliegt, ist der Senat des LSG gesetzlicher Richter. Für das weitere Verfahren wird er Folgendes zu berücksichtigen haben:

Das Gesetz stellt abstrakt für die Entscheidung über einen Berufungsrechtsstreit beim LSG drei Spruchkörper zur Verfügung, den grundsätzlich zuständigen Senat (nach §§ 29, 30, 31 Abs 1 SGG), an dessen Stelle mit Einverständnis der Beteiligten den Vorsitzenden (nach § 155 Abs 3 SGG) oder an dessen Stelle mit Einverständnis der Beteiligten den Berichterstatter (nach § 155 Abs 4 iVm Abs 3 SGG). Dabei regelt es weder den Konfliktfall der Annahme oder der Ablehnung der Entscheidungskompetenz durch einen oder mehrere dieser Spruchkörper noch eine Übertragung der Zuständigkeit noch, nach welchen Maßgaben der Richter iS des § 155 Abs 3 und 4 SGG den Rechtsstreit selbst zu entscheiden hat oder einen anderen dieser Spruchkörper mit der Entscheidung befassen darf oder sogar muss. Das Regelungskonzept des § 155 Abs 3 und 4 SGG ist insoweit lückenhaft.

5.1. Nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG ist eine Beeinflussung der Entscheidung durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter unzulässig, gleichgültig, von welcher Seite eine solche Manipulation ausgeht ( <Plenumsbeschluss> aaO, 327). Art 101 Abs 1 Satz 2 GG enthält deshalb das Erfordernis nach einem Bestand von Rechtssätzen, der für jeden Streitfall den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist (BVerfG <Plenumsbeschluss> aaO, 328; sowie: - BVerfGE 19, 52, 60; - BVerfGE 2, 307, 319 f). Die bis auf die letzte Regelungsstufe (Person des konkreten Richters) hin vorzunehmende abstrakt-generelle Vorausbestimmung, welcher Richter in einem bestimmten Verfahren mitwirkt, muss möglichst eindeutig sein (BVerfG <Plenumsbeschluss> aaO, 329; - BVerfGE 17, 294, 298; - BVerfGE 9, 223, 226). Gesetz, Geschäftsverteilungs- und Mitwirkungspläne eines Gerichts dürfen keinen vermeidbaren Spielraum bei der Heranziehung der einzelnen Richter zur Entscheidung und damit keine unnötige Unbestimmtheit hinsichtlich des gesetzlichen Richters lassen (BVerfG <Plenumsbeschluss> aaO, 329; - BVerfGE 17, 294, 299 f). Das bedeutet, dass überall dort, wo dies nach dem vom Gesetz gewählten Regelungskonzept ohne Beeinträchtigung der Effektivität der Rechtsprechungstätigkeit möglich ist, die Bestimmung des gesetzlichen und damit des allein zur Entscheidung berufenen Richters anhand von Kriterien zu erfolgen hat, die subjektive Wertungen weitgehend ausschließen (BVerfG <Plenumsbeschluss> aaO, 330). Damit muss auch die Entscheidung, ob ein Richter den Rechtsstreit selbst entscheidet oder die Entscheidung einem anderen Richter überträgt bzw welcher von mehreren Spruchkörpern im Einzelfall zur Entscheidung berufen ist, anhand gesetzlich vorher bestimmter Merkmale erfolgen.

5.2. Solche Regelungen über die Ausgestaltung des Verhältnisses der drei vom Gesetz zur Verfügung gestellten Spruchkörper iS des § 155 SGG (Senat, Vorsitzender, Berichterstatter) untereinander fehlen. Jedoch verstößt diese Gesetzeslage noch nicht gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG, denn das Regelungskonzept des SGG lässt sich noch verfassungskonform auslegen. Dabei braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden, welcher der beiden Möglichkeiten einer verfassungsgemäßen Reduktion des § 155 Abs 3 und 4 SGG zu folgen ist, denn hier liegen schon die Voraussetzungen für eine Entscheidung des sog "konsentierten Einzelrichters" an Stelle des grundsätzlich zum gesetzlichen Richter berufenen Senats nicht vor.

5.2.1 Im Einklang mit den Vorgaben des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG stünde es, dem nach § 155 Abs 3 und 4 SGG konsentierten Einzelrichter die Pflicht zur Entscheidung des Rechtsstreits aufzuerlegen. Dies wäre mit dem Wortlaut des § 155 Abs 3 SGG vereinbar. Mittels des Wortes "kann" in § 155 Abs 3 SGG, das auch für dessen Abs 4 gilt, bestimmte das Gesetz die alleinige Kompetenz des Einzelrichters zur Entscheidung ("Kompetenz-Kann"), wenn die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben. Diese ausschließliche und pflichtig wahrzunehmende Kompetenz schlösse die anderen Spruchkörper von einer Entscheidung aus. Der 2. Zivilsenat des BGH scheint dieser Ansicht zu folgen ( - BGHZ 168, 201 - insoweit in juris veröffentlicht <RdNr 8> und in BGH Report 2007, 115; dazu Anmerkung von Gehrlein, BGH Report 2007, 118 - 119). Ein Einverständnis der Beteiligten lag und liegt hier aber nicht vor.

5.2.2. Folgt man dagegen der "herrschenden Ansicht", die in sich sonst wenig übereinstimmt, dass das "kann" dem konsentierten Richter eine Entscheidungsbefugnis verleiht (vgl - NJW 1999, 274 f; - BB 1998, 1292 f = DStZ 1998, 722 f mit Anmerkung von Rößler <723 f>; - BVerfGE 98, 145, 153; zur Literatur vgl: Behn in: PSW, SGG, § 155 RdNr 36; Bernsdorff, aaO, RdNr 63 ff; Lüdtke in: HK-SGG/Lüdtke, 2. Aufl, § 155 RdNr 12; Meyer-Ladewig in: ders/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, § 155 RdNr 13), kann es sich verfassungsgemäß nicht um ein "freies Ermessen" hinsichtlich der Übertragung des Rechtsstreits auf den Senat handeln. Andernfalls schaffte das Gesetz ein freies, nicht strukturiertes richterliches Ermessen darüber, wer gesetzlicher Richter sein solle. Es träten leicht vermeidbare, nach Art 101 Abs 1 Satz 2 GG unzulässige Manipulationsmöglichkeiten auf und das Verbot vermeidbarer Unbestimmtheit des Gesetzes (hier als Ausprägung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) wäre verletzt.

Anders als bei dem nur teilweise vergleichbaren § 105 SGG, der inhaltliche Vorgaben für die Entscheidung darüber festlegt, ob der Vorsitzende einer Kammer des SG sich als Einzelrichter zum gesetzlichen Richter bestellen darf oder ob gesetzlicher Richter die auch mit ehrenamtlichen Richtern besetzte Kammer bleibt, enthält das SGG bei der Berufung keine inhaltlichen Maßgaben für die vom konsentierten Einzelrichter des LSG stets pflichtig auszuübende Entscheidungsbefugnis über den gesetzlichen Richter. Andere Verfahrensordnungen kennen in § 527 Abs 4 ZPO, § 87a Abs 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), § 79a Abs 3 und 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu § 155 Abs 3 und 4 SGG vergleichbare Vorschriften. Diese beinhalten wie § 155 Abs 3 und 4 SGG selbst zwar auch keine näheren inhaltlichen Maßgaben für die Entscheidung über den gesetzlichen Richter. Doch bestehen inhaltlich strukturierte Maßgaben, die anhand verfassungskonformer Übertragung der in anderen Vorschriften dieser Verfahrensordnungen gefassten Rechtsgedanken (dazu §§ 348a Abs 1 und 2, 526 Abs 1 und 2, 568 Satz 2 ZPO, § 6 Abs 1 bis 3 VwGO, § 6 Abs 1 bis 3 FGO) gewonnen wurden und bei der stets pflichtig auszuübenden Entscheidungsbefugnis über den gesetzlichen Richter zu beachten sind (so - NJW 1999, 274 f; - BB 1998, 1292 f = DStZ 1998, 722 f mit Anmerkung von Rößler <723 f>).

Vergleichbare Wertungen, dass Rechtsstreite mit besonderen Schwierigkeiten nicht vom Einzelrichter entschieden werden sollen, enthält auch das SGG. Denn § 105 SGG weist die Entscheidungszuständigkeit für Rechtsstreite mit besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht dem Einzelrichter, sondern der mit mehreren Richtern besetzten Kammer zu. Da das SGG also auch diese in den anderen Verfahrensordnungen vorherrschenden Rechtsgedanken kennt, lassen sich deren Wertungen und materielle Kriterien über § 202 SGG - trotz der Entstehungsgeschichte des § 155 Abs 3 und 4 SGG (vgl dazu die Materialien zum Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege <RPflEntlG> vom , BGBl I S 50, das zwar in der VwGO § 6 Abs 1 bis 3 einfügte aber eine vergleichbare Vorschrift nicht in das SGG aufnahm) - in das SGG verfassungskonform übertragen.

Mittels einer verfassungskonformen, die Überzeugung der Verfassungswidrigkeit iS des Art 100 Abs 1 GG vermeidenden Auslegung des § 155 Abs 3 und 4 SGG wäre daher bei der von der herrschenden Auffassung vertretenen Rechtsansicht in Rechtsanalogie zu den in den anderen Prozessordnungen ausgeprägten Prinzipien (vgl dazu §§ 348a Abs 1 und 2, 526 Abs 1 und 2, 568 Satz 2 ZPO, § 6 Abs 1 bis 3 VwGO, § 6 Abs 1 bis 3 FGO) als Grenze der Entscheidungsbefugnis vorgegeben, dass der konsentierte Einzelrichter eine Übertragung auf den Senat stets vorzunehmen hat, dies aber auch nur dann darf, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, sie insbesondere grundsätzliche Bedeutung hat.

6. Bei seiner Entscheidung wird das LSG ua in der Sache zu prüfen haben,

- ob der Kläger, der möglicherweise nach dem vor dem BSG vorgelegten Arbeitsvertrag zuletzt im Preisbildungsbereich eingesetzt war, die sachliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech erfüllt hatte.

- ob der Kläger bei der seit dem in Aufbau befindlichen M. Vor-AG oder beim VEB Kombinat M. (und dort bei welchem Kombinatsbetrieb) beschäftigt war (betriebliche Voraussetzung).

- welche Aufgabe dabei dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers in der Zeit bis zum das Gepräge gegeben hatte. Dabei ist auf die Tätigkeit des kombinatsleitenden VEB abzustellen, nicht auf das Kombinat als Ganzes und auch nicht auf andere zum Kombinat gehörende VEB, wenn der Kläger beim kombinatsleitenden VEB beschäftigt war.

- wie der Sprachgebrauch am Ende der DDR, an den der bundesdeutsche Gesetzgeber an geknüpft hat, den Begriff "Versorgungsbetrieb (Gas, Wasser, Energie)" iS des § 1 Abs 2 der 2. DB verstanden hatte. Indizien zum Sprachgebrauch der Energieversorgung könnten sich aus den hierzu ergangenen Rechtsvorschriften der DDR (VO über die Neuordnung der Energiewirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone <Energiewirtschaftsverordnung> vom <ZVOBl I Nr 54 S 472>; VO über die Leitung der Energiewirtschaft - Energiewirtschaftsverordnung - vom <GBl II Nr 46 S 318>; VO über die Planung und Leitung der Energiewirtschaft sowie die rationelle Energieanwendung und -umwandlung - Energieverordnung - <EVO> vom <GBl II Nr 81 S 495> iVm 1. DB zur EVO vom <GBl II Nr 81 S 505>; VO über die Energiewirtschaft in der DDR <Energieverordnung> vom <GBl I Nr 38 S 441> iVm der 1. DB zur Energieverordnung vom <GBl I Nr 38 S 449>; Anordnung über die Lieferung von Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie an die Wirtschaft <ELW> vom <GBl I Nr 50 S 555>; Anordnung über die Lieferung von Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie an die Bevölkerung <ELB> vom <GBl I Nr 51 S 571>; Energieverordnung vom <GBl I Nr 33 S 321> iVm der 1. DB zur Energieverordnung - Leitung/Planung/Plandurchführung - vom <GBl I Nr 33 S 330>; Energieverordnung und Anlage zur Energieverordnung <EnVO> vom <GBl I Nr 10 S 89, 105>; § 161 des Zivilgesetzbuchs der DDR <ZGB> vom <GBl I Nr 27 S 465) ergeben.

- ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers im Sinne des vom LSG zu ermittelnden Sprachgebrauchs und des zu ermittelnden Gepräges (Schwerpunkt der Tätigkeit) als Versorgungsbetrieb (Gas) bzw als Versorgungsbetrieb (Energie) ein gemäß § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellter Betrieb war.

7. Das LSG wird bei seiner Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Fundstelle(n):
OAAAC-71986