BGH Beschluss v. - IV ZB 38/06

Leitsatz

[1] Für ein Ablehnungsgesuch, das sich im Tatbestandsberichtigungsverfahren gegen sämtliche Richter des Spruchkörpers richtet, besteht kein Rechtsschutzinteresse.

Gesetze: ZPO § 42

Instanzenzug: OLG München 8 U 1670/06 vom

Gründe

1. Der Kläger nimmt den Beklagten im Rahmen erbrechtlicher Streitigkeiten wegen Verletzung einer Verfügungsunterlassungsverpflichtung auf Schadensersatz in Anspruch.

Nach Zustellung des seine Berufung zurückweisenden Urteils am beantragte er mit Schriftsatz vom Tatbestandsberichtigung und lehnte mit Schriftsatz vom die drei erkennenden Richter des Berufungssenats wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Durch Beschluss vom hat das Berufungsgericht in der Besetzung mit drei weiteren Senatsmitgliedern das Ablehnungsgesuch ohne Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen. Es fehle trotz des noch anhängigen Tatbestandsberichtigungsverfahrens am Rechtsschutzbedürfnis. Bei Begründetheit des Ablehnungsgesuchs käme die begehrte Tatbestandsberichtigung nicht mehr in Betracht, da bei der Entscheidung darüber gemäß § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO nur die Richter mitwirken könnten, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Für ein Ablehnungsgesuch, das darauf abziele, die künftige Verfahrenstätigkeit aller dieser Richter zu unterbinden, sei daher das Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr gegeben. Auf die mit Schriftsatz vom erhobene Gegenvorstellung hat das Berufungsgericht mit Ergänzungsbeschluss vom die Rechtsbeschwerde zugelassen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist insbesondere auf die rechtzeitig erhobene Gegenvorstellung im Ergänzungsbeschluss wirksam zugelassen worden (vgl. BGHZ 150, 133, 136 f.; IXa ZB 182/03 - juris Tz. 7-9 = NJW 2004, 2529 unter III 3). In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Nach vollständigem Abschluss einer Instanz ist ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich nicht mehr zulässig, weil damit die beteiligten Richter ihre richterliche Tätigkeit im konkreten Verfahren beendet haben; die getroffene Entscheidung kann von dem Gericht, dem die im Anschluss daran abgelehnten Richter angehören, nicht mehr geändert werden (allgemeine Meinung, vgl. nur - NJW 2001, 1502 unter I 4, 5; BFHE 157, 494, 495 f. = BB 1990, 271 = juris Tz. 10 ff.; BVerwG MDR 1970, 442; Musielak/Heinrich, ZPO 5. Aufl. § 44 Rdn. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 65. Aufl. § 42 Rdn. 6, jeweils m.w.N.).

Das ist hier der Fall. Das Ablehnungsgesuch ist erst nach der Urteilsverkündung gestellt worden.

Zwar ist die beantragte Tatbestandsberichtigung noch nicht beschieden worden. Die Vorschriften der §§ 42 ff. ZPO gelten grundsätzlich für alle Verfahrensabschnitte, in denen eine Ausübung des Richteramtes in Betracht kommt, mithin auch für das Tatbestandsberichtigungsverfahren ( - NJW 1963, 46 unter I; Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. § 44 Rdn. 11 m.w.N.). Das vermittelt dem Kläger aber hier für seinen Ablehnungsantrag nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Entscheidung über seinen Antrag auf Ablehnung aller Richter hätte im Streitfall bei begründeter Ablehnung zur Folge, dass die von ihm angestrebte Tatbestandsberichtigung überhaupt nicht mehr möglich wäre. Ist aber bei Begründetheit des Ablehnungsgesuchs eine weitere richterliche Tätigkeit im Tatbestandsberichtigungsverfahren ausgeschlossen, besteht an der Entscheidung darüber auch kein Rechtsschutzinteresse (BFH aaO; vgl. ferner BFH, Beschlüsse vom - II B 150/90 - BFH/NV 1992, 518 = juris Tz. 5 und vom - IV B 41/98 - BFH/NV 1999, 962 f. = juris Tz. 12 zur Unzulässigkeit bei noch ausstehender Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung; OLGR Frankfurt 1997, 154 zur Unzulässigkeit bei noch anhängiger Gegenvorstellung; OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 55 = juris Tz. 3 zur Unzulässigkeit bei noch vorzunehmender Abgabe des Rechtsstreits).

Ohne Erfolg hält die Beschwerde dem entgegen, dass noch nicht feststehe, ob das Ablehnungsgesuch insgesamt Erfolg haben werde; bei nur teilweisem Erfolg bliebe die Tatbestandsberichtigung noch möglich.

Abzustellen ist dagegen auf das Ablehnungsgesuch, das auf den Ausschluss aller beteiligten Berufungsrichter abzielt. Über dieses kann denkgesetzlich auch nur einheitlich entschieden werden, weil jeder der drei Richter in demselben Maß für den Inhalt des Urteils verantwortlich ist, zumal der Kläger hier allen Richtern gleichermaßen vorhält und sie deswegen auch für befangen hält, wesentliches Vorbringen - wie etwa die Berufungsgründe - insgesamt nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Unterschiedliche Entscheidungen hinsichtlich der einzelnen abgelehnten Richter sind daher ausgeschlossen (vgl. OLG Frankfurt MDR 1979, 940). Richterliche Hinweise gemäß § 139 ZPO durch das Berufungsgericht oder durch den Senat waren nicht veranlasst.

Ebenso wenig lässt sich - entgegen der Auffassung der Beschwerde - ein Rechtsschutzbedürfnis daraus ableiten, dass das Berufungsgericht bislang den Streitwert noch nicht abschließend festgesetzt hat. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Nebenentscheidung - vor allem auch angesichts des hier bestehenden Zusammenhangs des Ablehnungsgesuchs mit der vom Kläger angestrebten Tatbestandsberichtigung - überhaupt geeignet sein kann, ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zu begründen. Der Senat hat mit seiner Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vom heutigen Tage auch den Streitwert für die Tatsacheninstanzen festgesetzt.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 1653 Nr. 23
OAAAC-53605

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja