BVerwG Beschluss v. - 4 BN 32.07

Leitsatz

Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan als Satzung beschlossen und ihn gemäß § 10 Abs. 3 BauGB bekannt gemacht, ist das Verfahren im Sinne des § 244 Abs. 1 BauGB abgeschlossen, auch wenn der Plan zur Behebung eines Ausfertigungsmangels zu einem späteren Zeitpunkt durch ein ergänzendes Verfahren mit unverändertem Inhalt erneut bekannt gemacht wird.

Gesetze: BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. f; BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 20; BauGB § 29; BauGB § 244 Abs. 1

Instanzenzug: OVG Münster OVG 7 D 18/06 .NE vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

1. Die Antragsgegnerin hat den streitgegenständlichen Bebauungsplan am als Satzung beschlossen und am erstmals bekannt gemacht. Nach Hinweis des Oberverwaltungsgerichts, dass die Ausfertigung erst am erfolgt sei, hat die Antragsgegnerin den Bebauungsplan am erneut bekannt gemacht (UA S. 8). Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts musste sie vor der erneuten Bekanntmachung nicht die nach dem Europarechtsanpassungsgesetz vom (BGBl I S. 1359) - EAG Bau - ab geltenden Vorgaben, insbesondere das Erfordernis einer Umweltprüfung einschließlich der Erstellung eines Umweltberichts, berücksichtigen (UA S. 17). § 244 Abs. 1 BauGB bestimme, dass Verfahren, die nach dem abgeschlossen würden, nach den "Vorschriften dieses Gesetzes", also nach den neuen Vorschriften, zu Ende zu führen seien. Das bedeute, dass die noch ausstehenden Verfahrensschritte nach dem neuen Recht abgewickelt werden müssen. Hier habe die Antragsgegnerin zur Behebung des Ausfertigungsmangels das Verfahren im Stadium "nach Satzungsbeschluss und Ausfertigung" aufgreifen und durch eine erneute Bekanntmachung zu Ende führen können. Für diesen Schritt sehe das BauGB n.F. keine Umweltprüfung mit Umweltbericht vor (UA S. 17). Im Ergebnis nichts anderes gelte, wenn man für den "Abschluss des Verfahrens" gemäß § 244 Abs. 1 BauGB eine Bekanntmachung spätestens am fordere. Eine derartige Bekanntmachung habe hier vorgelegen; fehlerhaft sei nur die Ausfertigung gewesen. Entscheidend sei, dass die Öffentlichkeit die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Bebauungsplan hatte (UA S. 18).

Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils für sich selbständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Im vorliegenden Fall greift die auf den "Abschluss des Verfahrens", also die Verneinung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 BauGB zielende Rüge nicht durch. Schon aus diesem Grund kann die zur Rechtsfolge der Vorschrift erhobene Grundsatzrüge der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob unter Abschluss des Verfahrens im Sinne des § 244 Abs. 1 BauGB bereits die erste Bekanntmachung oder erst die erneute Bekanntmachung nach Behebung des Ausfertigungsmangels zu verstehen ist. Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation ohne weiteres beantworten. Nach § 233 Abs. 1 BauGB werden Verfahren, die vor dem Inkrafttreten des EAG Bau, also bis zum , förmlich eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen. Abweichend hiervon werden Verfahren für Bauleitpläne, die nach dem abgeschlossen werden, nach den Vorschriften dieses Gesetzes, d.h. des Baugesetzbuchs in der Fassung des EAG Bau, zu Ende geführt (§ 244 Abs. 1 BauGB). § 244 Abs. 1 BauGB dient der Umsetzung der von Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl EG Nr. L 197 S. 30) vorgegebenen Umsetzungsfrist für die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie (vgl. BTDrucks 15/2250 S. 66). Nach Art. 13 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie unterliegen Pläne und Programme, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt vor dem liegt und die mehr als 24 Monate danach angenommen oder in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden, der Verpflichtung nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, d.h. der Umweltprüfung, es sei denn, die Mitgliedstaaten entscheiden im Einzelfall, dass dies nicht durchführbar ist, und unterrichten die Öffentlichkeit über ihre Entscheidung. Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan als Satzung beschlossen und ihn gemäß § 10 Abs. 3 BauGB bekannt gemacht, so ist dieser Plan angenommen und das Verfahren im Sinne des § 244 Abs. 1 BauGB abgeschlossen, auch wenn der Plan zur Behebung eines Ausfertigungsmangels zu einem späteren Zeitpunkt durch ein ergänzendes Verfahren mit unverändertem Inhalt erneut bekannt gemacht wird. Wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat (UA S. 18), besteht kein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber eine Wiederholung des Abwägungsvorgangs und einen erneuten Satzungsbeschluss wollte, wenn lediglich ein nach dem Satzungsbeschluss aufgetretener Ausfertigungsmangel zu beseitigen war (vgl. BVerwG 4 NB 40.96 - BRS 59 Nr. 31 <S. 116>).

Die Frage, ob auch das ergänzende Verfahren (§ 214 Abs. 4 BauGB) ein Verfahren im Sinne des § 244 Abs. 1 BauGB ist, das nach den Vorschriften des BauGB in der Fassung des EAG Bau in dem Sinne zu Ende zu führen ist, dass nunmehr auch solche Bebauungspläne umweltprüfungspflichtig werden, ist, soweit entscheidungserheblich, ohne weiteres zu verneinen. Dass die zur Behebung eines Ausfertigungsmangels erforderliche erneute Bekanntmachung eines Bebauungsplans kein rechtlich eigenständiges Verfahren ist, sondern das ursprüngliche Bauleitplanverfahren an der Stelle, an der der Fehler unterlaufen ist, fortsetzt, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt (vgl. Beschluss vom a.a.O. <S. 117>).

2. Die Frage, ob die Abwägung im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB zeitlich gestaffelt erfolgen kann, indem der Rat die etwa während der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 BauGB eingehenden Äußerungen abwägt und die Offenlage des Bebauungsplans beschließt und beim Satzungsbeschluss lediglich über die noch nicht behandelten, während der Offenlage eingegangenen Stellungnahmen beraten muss oder ob er beim Satzungsbeschluss alle Äußerungen und Stellungnahmen in Gänze abwägen muss, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin eine Abwägung der unterschiedlichen Interessen vorgenommen; sie hat die abwägungserheblichen Belange zutreffend ermittelt und bewertet (UA S. 25). Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin Einwendungen, die im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung und der ersten Offenlage des Planentwurfs vom 30. Juni bis erhoben wurden und sich nicht durch Änderung des Planentwurfs erledigt hatten, im maßgebenden Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) nicht abgewogen haben könnte, sind dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen. Welche abwägungserheblichen Belange die Antragsgegnerin bei der Beschlussfassung über die Satzung nicht berücksichtigt haben sollte, zeigt auch die Beschwerde nicht auf.

3. Die Frage, ob die Festsetzung einer Fläche zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) auch solche sonstigen Nutzungen ausschließt, die nicht von § 29 Abs. 1 BauGB erfasst sind, bedarf, soweit sie entscheidungserheblich wäre, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Ausweisung einer solchen Fläche lediglich eine Belastung mit einem Recht der Gemeinde, jedoch noch keinen Entzug des Eigentums bedeute. Wenn die Gemeinde diese Flächen in Anspruch nehmen wolle, müsse sie sich mit den Landwirten einigen oder entsprechende gesetzlich vorgesehene Verfahren wie das Umlegungsverfahren einleiten, in denen die Rechte der Grundstückseigentümer auch gewahrt würden. Bis dahin sei der Landwirt in der bisherigen Nutzung durch die Festsetzung nicht beeinträchtigt (UA S. 27). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsauffassung bestehen nicht. Der Senat hat im Anschluss an das Urteil vom (BVerwG 4 C 36.65 - BVerwGE 25, 243), dessen Bestand nach Inkrafttreten des Baugesetzbuchs die Beschwerde geklärt haben möchte, bereits klargestellt, dass eine Pflicht der privaten Grundstückseigentümer zur Verwirklichung der im Plan festgesetzten Nutzung nicht besteht ( BVerwG 4 C 40.71 - BVerwGE 42, 30 <34>). Daraus ergibt sich, dass unter Umständen auch auf längere Dauer andere als die festgesetzten Nutzungsarten hingenommen werden müssen (Urteil vom a.a.O. S. 36, 38). Etwas anderes könnte - die Anwendbarkeit des Bebauungsplans auf Nutzungen, die kein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB sind, unterstellt - allenfalls dann gelten, wenn die sonstige Nutzung die künftige Verwirklichung des Plans verhindert oder wesentlich erschwert oder dem Gebietscharakter widerspricht (Urteil vom a.a.O.). Inwiefern die Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nutzung die künftige Verwirklichung von Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen auf den dafür vorgesehenen Flächen erschweren oder dem Gebietscharakter widersprechen sollte, ist nicht ersichtlich.

4. Die Frage, ob die Sicherung von Rohstoffvorkommen auch dadurch betrieben werden kann, dass die Rohstoffgewinnung durch eine (unbefristete) Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft ausgeschlossen wird, eine spätere Gewinnung - die Änderung des Planungsrechts vorausgesetzt - aber möglich bleibt, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts dient der Bebauungsplan nicht der Sicherung von Rohstoffvorkommen (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. f BauGB), sondern der Vernetzung der im Raum südlich Buschhoven vorhandenen Freiraumstrukturen im Sinne von Biotopvernetzungen (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB), der Verbesserung des Landschaftsbildes (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB), der Sicherung der Erholungsfunktion (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB) und dem Erhalt landwirtschaftlicher Nutzflächen (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. b BauGB - UA S. 20). In Bezug auf die Sicherung von Rohstoffvorkommen ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin diesen Belang fehlerfrei abgewogen habe (UA S. 29). Soweit die Beschwerde auf die Frage zielt, ob dem Belang das ihm zukommende Gewicht beigemessen wird, wenn der Bebauungsplan eine andere Nutzung der für den Rohstoffabbau in Betracht kommenden Fläche festsetzt, diese Nutzung aber eine spätere Gewinnung der Rohstoffe nicht verhindert oder erschwert, hängt deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls ab; sie ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
VAAAC-53591