Kein Vorsteuerabzug bei Leistungen im "Umsatzsteuerkarussell"; Erhebung einer Untätigkeitsklage; Zulässigkeit einer Klagehäufung
Leitsatz
1. Wird nach erfolglosem Untätigkeitseinspruch eine Untätigkeitsklage erhoben und ergeht daraufhin ein Steuerbescheid, der dem Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise nicht entspricht, kann die Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage fortgeführt werden.
2. Ein Unternehmer, der alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug —sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug— einbezogen sind, kann auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, sein Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.
3. Der Umstand, dass eine Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war, steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen.
4. Ob ein Steuerpflichtiger wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ist im Wesentlichen tatsächliche Würdigung, die dem FG obliegt. Nach den maßgebenden Beweisregeln trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen. Das gilt grundsätzlich auch für das Wissen oder Wissenkönnen vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten.
Gesetze: AO § 347 Abs. 1 Satz 2FGO § 40 Abs. 1 Satz 1FGO § 44 Abs. 1FGO § 46UStG 1999 § 14 Abs. 4UStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: (EFG 2004, 1558) (Verfahrensverlauf)
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der P OHG, die am durch die Gesellschafter Z und G gegründet und am in die P GmbH, die Klägerin, umgewandelt wurde. Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Mobiltelefonen. Das Unternehmen wurde von einem kleinen, mit Telefon und Faxgerät ausgestatteten Büro im Keller eines dem Gesellschafter-Geschäftsführer G gehörenden Hotels betrieben, in welchem der Mitgesellschafter der Klägerin, Z, ein Restaurant unterhielt.
Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zu Recht mit der Begründung, die Klägerin sei Beteiligte eines „Umsatzsteuerkarussells”, von den Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Klägerin für die Voranmeldungszeiträume Februar bis Mai und Juli bis November 1999 abgewichen ist und statt der vorangemeldeten Umsatzsteuerüberschüsse in Höhe von insgesamt 2 219 091,43 € Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 3 081 974,90 € festgesetzt hat.
Das FA stimmte den Umsatzsteuer-Voranmeldungen der Klägerin für Februar bis Mai und Juli 1999 zunächst zu und zahlte die Erstattungsbeträge aus.
Nachdem die Klägerin auch in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 1999 erhebliche Überschussbeträge angemeldet hatte, ordnete das FA am eine Umsatzsteuersonderprüfung an.
Am wurden im Rahmen einer bundesweit abgestimmten Steuerfahndungsprüfung ca. 30 Durchsuchungen, u.a. auch bei der Klägerin, durchgeführt.
Mit Bescheid vom änderte das FA den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für Juli 1999 und mit Bescheid vom den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für November 1999. Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch.
Weil das FA den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August bis Oktober 1999 weder, wie nach § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) erforderlich, zugestimmt noch abweichende Vorauszahlungsbescheide erlassen hatte, legte die Klägerin deswegen am gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 AO Einsprüche wegen Untätigkeit ein. Das FA wies die Einsprüche mit Bescheid vom zurück mit der Begründung, eine Entscheidung über die Umsatzsteuer-Voranmeldungen sei noch nicht möglich, weil der Verdacht der Beteiligung der Klägerin an Umsatzsteuerkarussellen bestehe. Wegen Personalmangels seien in Kürze noch keine Ermittlungsergebnisse zu erwarten. Die Aufarbeitung der beschlagnahmten Unterlagen sei wegen der Überprüfung der Liefer- und Zahlungswege und der erforderlichen Sorgfalt angesichts der erheblichen steuerlichen Auswirkungen sehr zeitintensiv und die geschilderte Lage der Klägerin bekannt.
Hiergegen erhob die Klägerin Untätigkeitsverpflichtungsklage. Während des Klageverfahrens, am , erging der Abschlussbericht der Steuerfahndung. Das FA ging im Anschluss an die Ergebnisse der Steuerfahndung davon aus, dass die Klägerin ein Glied einer gesamtplanmäßig auf Umsatzsteuerbetrug angelegten Lieferkette („Umsatzsteuerkarussell”) gewesen sei. Für die Einbeziehung der Klägerin in den auf Umsatzsteuerhinterziehung gerichteten Gesamtplan sprächen folgende Feststellungen: Die Klägerin habe ihre Waren hauptsächlich von Firmen bezogen, die die Stellung eines „missing trader” oder „buffer” in einer Lieferkette gehabt hätten. Z.T. seien Lieferanten und Kunden im Voraus festgelegt gewesen. Einer der inländischen Vorlieferanten der Klägerin habe auf seinem Laptop Rechnungsvordrucke und Unterschrift eines nachfolgenden Lieferanten vorgehalten. Z.T. habe der in der Rechnung angegebene Sitz des angeblichen Lieferanten nicht existiert. U.a. habe ein Vorlieferant Mobiltelefone zwischen 32 DM bis 65 DM unter dem Einkaufspreis erworben und an die Klägerin mit einem „vorgegebenen” Aufschlag von 5 DM bis 8 DM weiterverkauft. Alle Lieferungen seien ursprünglich aus verschiedenen Ländern der Europäischen Gemeinschaft (EG) gekommen und später wieder dorthin zurückgeliefert worden. Lediglich bei einem Abnehmer der Klägerin habe der mehrfache Durchlauf der Waren nachgewiesen werden können, weil nur dieser die sog. IMEI (International Mobile Equipment Identity)-Nummer der Mobiltelefone aufgezeichnet habe.
Für die Einbeziehung der Klägerin in die gemeinsame Tatabsprache spreche, dass bei ihr weder Werbemaßnahmen noch Preiskalkulationen erkennbar seien, dass sie keine Rabatte oder Skonti gewährt habe, dass trotz des Umfanges der Lieferungen keinerlei Reklamationen angefallen seien, dass weiter die Waren aus dem EU-Ausland kämen und über eine Kette von Händlern wieder ins Ausland fakturiert worden seien, dass keine Veräußerungen an Endverbraucher stattgefunden hätten, die Gerätenummern nicht aufgezeichnet worden seien, sowie keine chronologischen Rechnungsnummern vorlägen. Für die gesamtplanmäßige Einbeziehung der Klägerin in eine Lieferkette spreche auch, dass in der Kette Weisungen über Abnehmer und Preise durch Hintermänner nachgewiesen seien und die Klägerin zumindest mittelbar durch Zeugenaussagen belastet werde.
Das FA vertrat deshalb die Auffassung, die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge der Firmen I-GmbH, N-GmbH und D-GmbH seien nicht abziehbar, weil keine Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999) vorlägen. Zudem schulde die Klägerin die in den Rechnungen für die entsprechenden „Ausgangsumsätze” ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 UStG 1999. Die Erstellung der „paperworks” für die übrigen Mitglieder des „Umsatzsteuerkarussells”, für die sie die „Gewinnaufschläge” als Entgelt erhalten habe, sei als sonstige Leistung zu erfassen. Die selbsterklärten Umsätze der Klägerin seien entsprechend zu kürzen.
Aufgrund dieser Feststellungen änderte das FA mit Bescheiden vom die Vorauszahlungsbescheide für Februar bis Mai, Juli und November 1999 und erließ erstmals Vorauszahlungsbescheide für August bis Oktober 1999. Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch.
Am beantragte die Klägerin Erweiterung der Klage auf die Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträume Februar bis Mai, Juli und November 1999, weil das FA über die gegen die Bescheide vom betreffend Februar bis Mai, Juli und November 1999 erhobenen Einsprüche seit zwei Jahren nicht entschieden habe.
Das Finanzgericht (FG) gab dem FA nach § 46 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, die Einspruchsentscheidungen binnen sechs Wochen nachzuholen.
Das FA vertrat dazu die Auffassung, eine Einspruchentscheidung sei bezüglich der Vorauszahlungsbescheide für August bis Oktober 1999 unzulässig, weil diese —worauf der Berichterstatter des FG hingewiesen habe— nach Auffassung des FG gemäß § 68 Satz 2 FGO Gegenstand des Klageverfahrens seien. Die Einspruchsverfahren bezüglich der geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar bis Mai, Juli und November 1999 setzte das FA bis zur Entscheidung des FG über die Voranmeldungszeiträume August bis Oktober 1999 am aus.
Ergänzend trug das FA vor, die Klägerin habe im Übrigen auch die formellen Voraussetzungen für die beanspruchte Steuerbefreiung nicht erfüllt, z.T. weil der Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen fehle, z.T., weil die Klägerin nicht die zutreffende Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr.) des Abnehmers aufgezeichnet habe.
Das FG wies die Klage im Wesentlichen ab. Das Urteil ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 2004, 1558 abgedruckt.
Es führte aus: Die Klage sei als Anfechtungsklage (August bis Oktober 1999) bzw. als Untätigkeitsklage (Februar bis Mai, Juli und November 1999) gemäß § 46 FGO zulässig. Das Klageverfahren betreffend Umsatzsteuervorauszahlungen August bis Oktober 1999 sei nicht durch die inzwischen erlassenen Vorauszahlungsbescheide erledigt. Die Erweiterung um die Untätigkeitsklagen gegen die geänderten, mit dem Einspruch angefochtenen Vorauszahlungsbescheide (Februar bis Mai, Juli und November 1999) sei sachdienlich und deshalb nach § 67 FGO zulässig.
Die Klage sei zum überwiegenden Teil unbegründet, weil unter Würdigung der gesamten Umstände des Sachvortrags der Steuerfahndung einerseits sowie der Klägerin andererseits erhebliche Anhaltspunkte für die Einbeziehung der Klägerin in ein Umsatzsteuerkarussell sprächen, auch wenn eine Beteiligung letztlich nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden könne. Dies führe zu dem Ergebnis, dass entsprechend der Verteilung der Feststellungslast der Vorsteuerabzug der Klägerin zu versagen sei.
Bei den Lieferungen von der N-GmbH sei zwar von tatsächlichen Warenlieferungen auszugehen; Zweifel an der Verschaffung der Verfügungsmacht seien aber nicht auszuschließen. Die Indizien, die für eine wissentliche Einbindung der Klägerin in den Gesamtplan sprächen, genügten für die Versagung des Vorsteuerabzuges. Vergleichbares gelte für die Lieferungen der I-GmbH. Bei den Lieferungen der D-GmbH stehe dem Vorsteuerabzug schon entgegen, dass der in der Rechnung angegebene Sitz nur der Verschleierung von Person und Ort der tatsächlichen Geschäftstätigkeit gedient habe.
Die Nichterweislichkeit der Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell führe nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu dem Ergebnis, dass zu Gunsten der Klägerin eine sonstige Leistung durch Erstellung von „paperworks” für die Gemeinschaft der Tatbeteiligten nicht zu besteuern sei.
Da jedoch nicht feststellbar sei, ob die Klägerin entweder die Handylieferungen —wie erklärt— tatsächlich erbracht habe (dann steuerbar nach § 1 UStG 1999) oder ob es sich um Scheinlieferungen handele mit der Folge, dass die Klägerin die zu Unrecht in Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1999 schulde, sei zu Gunsten der Klägerin von den niedrigeren Umsätzen nach § 1 UStG 1999 auszugehen. Eine Festsetzung der Umsatzsteuer auf 0 DM komme nicht in Betracht, da feststehe, dass die Klägerin entweder tatsächliche Lieferungen erbracht oder über Scheinlieferungen mit offenem Umsatzsteuerausweis abgerechnet habe. Soweit in einzelnen Voranmeldungszeiträumen (Mai und Oktober) die Umsatzsteuer aus tatsächlichen Lieferungen höher wäre als die nach § 14 Abs. 3 UStG 1999 geschuldete Umsatzsteuer, verbleibe es wegen des Verböserungsverbotes im gerichtlichen Verfahren bei dem niedrigeren Ansatz.
Entgegen der Auffassung des FA stehe der Minderung der vom FA festgesetzten Umsatzsteuer nicht entgegen, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei. Das Fehlen des ausdrücklichen Hinweises auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen in den Rechnungen (entgegen § 14a UStG 1999) hindere deren Berücksichtigung nicht. Denn die Vorschriften in § 6a UStG 1999 i.V.m. § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1999 seien nur als Sollvorschriften zu verstehen. Der Einwand des FA, es handele sich bei den englischen Firmen um Scheinfirmen, sei deswegen unerheblich, weil auch ein Strohmann der „richtige” Abnehmer sein könne. Für den maßgeblichen Zeitraum habe das Bundesamt für Finanzen (BfF) die USt-IdNr. auch für die betreffenden Unternehmen als gültig anerkannt.
Mit der Revision wendet sich die Klägerin gegen die Versagung des Vorsteuerabzuges. Sie trägt im Wesentlichen vor, der Vorsteuerabzug sei selbst bei Einbindung in ein festes Zuliefer- und Abnehmersystem zuzulassen. Die Pflichtverletzungen von Vorlieferanten dürften ebenso wie die unwissentliche Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell nicht zu einer Versagung des Vorsteuerabzuges führen. Das FG sei lediglich von der Möglichkeit der wissentlichen Einbindung der Klägerin ausgegangen. Die Indizien, die das FG hierzu heranziehe, könnten ebenso gut für eine unwissentliche Einbeziehung der Klägerin sprechen. Insbesondere spreche auch der Umstand, dass bei einem Unternehmer der mehrfache Durchlauf von Waren habe festgestellt werden können, nicht für die Einbeziehung der Klägerin; denn ob es sich dabei um Waren der Klägerin gehandelt habe, sei nicht nachgewiesen. Das FG habe Beweislastgrundsätze fehlerhaft angewendet.
Bei der Lieferung von Warenmengen müsse —wie sich aus § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG n.F. ergebe— nicht jedes einzelne Stück in der Rechnung individualisiert werden. Der sog. IMEI-Nummer dürfe keine Bedeutung beigemessen werden. Die Forderung, die Gerätenummern in der Rechnung aufzuzeichnen, würde den Handel mit Mobiltelefonen unverhältnismäßig erschweren. Die gelieferten Mobiltelefone seien mit Artikelbezeichnung des Herstellers und der Artikelnummer in den Rechnungen „handelsüblich” bezeichnet gewesen. Zur Handelsüblichkeit fehlten jedenfalls Feststellungen des FG. Bisher sei weder bei steuerlichen Prüfungen noch sonst die Forderung nach Aufzeichnung der IMEI-Nummer gestellt worden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG abzuändern und
1. unter Aufhebung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide vom für August bis Oktober 1999 die Umsatzsteuervorauszahlungen für August 1999 auf ./. 721 462 €, für September 1999 auf ./. 245 279 € und für Oktober 1999 auf ./. 145 910 € festzusetzen, und
2. die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide vom für Februar bis Mai sowie Juli und November 1999 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet; sie führt wegen materiell-rechtlicher Entscheidungshindernisse zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
A. Einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) steht nicht entgegen, dass —wie das FA mit Schriftsatz vom mitgeteilt hat— der Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mangels Masse abgelehnt worden ist; denn die Klägerin ist durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, dem sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Vollmacht erteilt hatte (§ 155 FGO i.V.m. §§ 86, 241, 246 der Zivilprozessordnung —ZPO—; , BFHE 209, 416, BStBl II 2005, 623, m.w.N.). Im Übrigen hat das Amtsgericht (AG) am mitgeteilt, über die Löschung der Klägerin im Handelsregister werde erst nach Ausgang des vorliegenden Verfahrens entschieden.
B. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die Untätigkeitsverpflichtungsklage wegen Umsatzsteuervorauszahlung für August bis Oktober 1999 nach Erlass der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide am als Anfechtungsklage fortzusetzen war.
Der BFH hat als Revisionsgericht das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen im finanzgerichtlichen Verfahren in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (z.B. , BFH/NV 2004, 1655, m.w.N.).
1. Die Sachurteilsvoraussetzungen für die Untätigkeitsverpflichtungsklage mit dem Inhalt, das FA zur Zustimmung zu den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August bis Oktober 1999 und damit zum Erlass entsprechender Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide zu verpflichten, lagen bei deren Erhebung vor.
a) Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage —vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO— nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Das gilt in gleicher Weise für die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Halbsatz 1 FGO) wie für die auf Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts gerichtete Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 Halbsatz 2 FGO). Hat das FA über den Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts nicht entschieden, ist der sog. Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO das Vorverfahren i.S. des § 44 Abs. 1 FGO für die Verpflichtungsklage auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes (, BFH/NV 2006, 19, unter 2. b bb; in BFH/NV 2004, 1655).
b) Im Streitfall war die Untätigkeitsverpflichtungsklage betreffend Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August bis Oktober 1999 bei deren Erhebung zulässig, denn die Klägerin hat die Klage mit dem Ziel, das FA zu der nach § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung zu ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für diese Zeiträume zu verpflichten, erst erhoben, nachdem das FA am die Untätigkeitseinsprüche beschieden und eine Entscheidung über diese Steueranmeldungen der Klägerin abgelehnt hatte.
c) Offenbleiben kann, ob das FG zu Recht die vom FA mitgeteilten Gründe für die Verzögerung als unzureichend beurteilt hatte; denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei den in § 46 Abs. 1 FGO angeführten Tatbestandsvoraussetzungen um Sachentscheidungsvoraussetzungen, die erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt sein müssen mit der Folge, dass eine verfrüht erhobene Untätigkeitsklage —ggf. nach Aussetzung des Verfahrens durch das FG— in die Zulässigkeit hineinwachsen kann (vgl. z.B. , BFHE 211, 433, BStBl II 2006, 430, m.w.N.; hierzu von Beckerath in Beermann/Gosch, FGO, § 46 Rz 152 f., 167, m.w.N.; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 46 FGO Rz 210 ff., 251, m.w.N.). Im Streitfall war die Klage deshalb spätestens im Zeitpunkt des Erlasses der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August bis Oktober 1999 vom am zulässig.
d) Die statthafte Untätigkeitsklage hat sich durch den Erlass der von den Erklärungen der Klägerin abweichenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August bis Oktober 1999 vom nicht erledigt.
aa) Macht der Kläger mit der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO geltend, das FA habe über seinen Einspruch ohne zureichenden Grund nicht entschieden, erledigt sich das Klageverfahren nach ständiger Rechtsprechung nicht, wenn das FA dem Einspruch ganz oder teilweise nicht stattgibt; denn dadurch hat das FA nicht, wie § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO voraussetzt, den „beantragten” Verwaltungsakt erlassen (vgl. , BFH/NV 2004, 925; BFH-Beschlüsse vom III B 184/86, BFHE 155, 12, BStBl II 1989, 107; vom I B 27/74, BFHE 113, 345, BStBl II 1975, 38).
bb) Nichts anderes kann gelten, wenn das FA im Rahmen der im Anschluss an einen erfolglosen Untätigkeitseinspruch erhobenen —zulässigen— Untätigkeitsklage zwar den ausstehenden Verwaltungsakt erlässt, dieser aber dem Begehren des Klägers ganz oder teilweise nicht entspricht (vgl. , BFH/NV 2006, 2207; a.A. Dumke in Schwarz, FGO, § 46 Rz 7a). § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO geht ersichtlich von der Wertung aus, dass der Kläger nicht durch den Erlass eines Verwaltungsaktes, der seinem Antrag ganz oder teilweise nicht stattgibt, aus einem zulässigen Verfahren gedrängt und auf ein neues Einspruchsverfahren verwiesen werden soll.
Dieser Rechtsgedanke liegt auch § 68 FGO zugrunde, wie das FG zutreffend ausführt: Danach wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Allerdings setzt diese Vorschrift einen „angefochtenen” Verwaltungsakt voraus, der während des Verfahrens ersetzt wird, während § 46 FGO den Fall der Untätigkeit des FA betrifft.
Im Streitfall kann offenbleiben, ob der Steuerpflichtige ein Wahlrecht hat, das Verfahren gegen den zwischenzeitlich erlassenen Verwaltungsakt fortzusetzen oder gegen den Verwaltungsakt Einspruch einzulegen und das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären (z.B. Steinhauff in HHSp, a.a.O., § 46 FGO Rz 349; von Beckerath in Beermann/Gosch, FGO, § 46 Rz 188), oder ob das FG das Verfahren zur Herbeiführung einer Rechtsbehelfsentscheidung aussetzen muss (vgl. dazu IV C 2.71, BVerwGE 42, 108; vom 5 C 114.81, BVerwGE 66, 342).
Denn zum einen hat die Klägerin die Fortsetzung des Klageverfahrens gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für August bis Oktober 1999 beantragt, und zum anderen hat das FG dem FA erfolglos Gelegenheit gegeben, innerhalb der von ihm gesetzten Frist über die Einsprüche der Klägerin gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide vom zu entscheiden. Das FG hat deshalb zu Recht die Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage gegen diese Bescheide fortgeführt.
2. Die Erweiterung der Untätigkeitsklage bezüglich der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar bis Mai, Juli und November 1999 vom war zulässig.
a) Nach § 67 Abs. 1 FGO ist eine Klageänderung u.a. zulässig, wenn das Gericht sie —wie hier— für sachdienlich hält. Zu den Fällen der Klageänderung gehören auch die Fälle, in denen im Wege der Klagehäufung ein weiterer Klagegegenstand in das Verfahren eingeführt wird (, BFH/NV 1992, 267; vom II R 145/86, BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 67 FGO Rz 2, m.w.N.). Zulässig ist eine Klageänderung in Form der Klagehäufung allerdings nur, wenn sowohl das ursprüngliche Klagebegehren als auch das geänderte (neue) Klagebegehren die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 1992, 267; in BFHE 158, 11, BStBl II 1989, 981; , BFH/NV 1998, 282, m.w.N.). Diese Voraussetzungen hat das FG zutreffend bejaht, weil das FA über die Einsprüche der Klägerin gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar bis Mai, Juli und November 1999 bis zum Antrag der Klägerin auf Klageerweiterung am ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes nicht entschieden hatte.
b) An der Zulässigkeit dieser Untätigkeitsklage vermochte auch die am vom FA verfügte Aussetzung der Einspruchsverfahren nach § 363 AO nichts mehr zu ändern. Zwar kann die Aussetzung des Verfahrens nach § 363 Abs. 1 AO ein zureichender Grund für die Verzögerung der Einspruchentscheidung sein (z.B. , BFH/NV 2003, 197; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 46 Rz 20; Steinhauff in HHSp, a.a.O., § 46 FGO Rz 152, jeweils m.w.N.). Die erst nach Anhängigkeit der Klage durch den Antrag auf Klageerweiterung verfügte Aussetzung der Einspruchsverfahren durch das FA vermag die Zulässigkeit der Klageänderung jedoch nicht mehr zu beseitigen.
C. Die materiell-rechtliche Frage des Streitfalls kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Die Feststellungen des FG zur Einbindung der Klägerin in ein sog. Umsatzsteuerkarussell beruhen auf einem unvollständigen rechtlichen Ausgangspunkt und müssen dementsprechend nachgeholt werden. Die Sache war daher zurückzuweisen.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Der Vorsteuerabzug der Klägerin hängt danach davon ab, ob in den Rechnungen, über tatsächlich ausgeführte Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 UStG 1999 abgerechnet worden ist, und weiter, ob dem danach grundsätzlich bestehenden Recht auf Vorsteuerabzug eine Einbindung der Klägerin in einen Umsatzsteuerbetrug entgegensteht.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das FG entschieden, dass dem Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D-GmbH bereits entgegenstand, dass es sich bei dem in der Rechnung angegebenen Sitz nur um einen Briefkastensitz handelte.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist der Abzug der in der Rechnung einer GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuer nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat. Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt hierfür die Feststellungslast (z.B. , BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620). Nach den Umständen des Einzelfalls kann zwar auch ein „Briefkasten-Sitz” mit postalischer Erreichbarkeit der Gesellschaft ausreichen; es bedarf deshalb besonderer, detaillierter Feststellungen, um die Annahme eines „Scheinsitzes” zu rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620; , BFH/NV 2003, 670).
b) Das FG geht insoweit davon aus, dass die D-GmbH an dem in der Rechnung angegebenen Sitz in Deutschland keine eigenen Büroräume hatte, die Post zur Verschleierung von Person und Ort der tatsächlichen Geschäftstätigkeit über zwei Büroserviceunternehmen nach X geleitet und dort durch eine Person mit falschem Namen abgeholt worden sei. Das genügt. Soweit die Klägerin insoweit als Verfahrensfehler rügt, das FG hätte dazu den gegenüber der Klägerin tatsächlich handelnden Geschäftsführer B vernehmen müssen, ist die Rüge nicht schlüssig erhoben worden. Denn die Klägerin hat weder vorgetragen, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen, noch substantiiert, welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Beweisaufnahme ergeben hätten (zu den Anforderungen vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70, mit Rechtsprechungsnachweisen).
2. Was die Rechnungen der N-GmbH und der I-GmbH betrifft, ist nach den Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Vor-Vorlieferanten der Klägerin zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet worden sind und auch die unmittelbaren Vorlieferanten der Klägerin, N-GmbH und I-GmbH, in den Plan eingebunden waren. Konnte die Klägerin von der Einbeziehung der Lieferungen in einen Umsatzsteuerbetrug wissen, steht dies dem Recht auf Vorsteuerabzug entgegen.
a) Zu vergleichbaren Sachverhalten —zu Umsätzen in einer Lieferkette, bei denen ein oder mehrere vorausgehende oder nachfolgende Umsätze mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind— hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in den Urteilen vom Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen u.a. (Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144) und vom Rs. C-439/04 und 440/04, Axel Kittel u.a. (BFH/NV Beilage 2006, 454, Umsatzsteuer- Rundschau —UR— 2006, 594) wie folgt entschieden:
Umsätze, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, sind Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wenn sie die objektiven Kriterien erfüllen, auf denen diese Begriffe beruhen, ohne dass es auf die Absicht eines von dem betroffenen Steuerpflichtigen verschiedenen, an derselben Lieferkette beteiligten Händlers und/oder den möglicherweise betrügerischen Zweck —den dieser Steuerpflichtiger weder kannte noch kennen konnte— eines anderen Umsatzes ankommt, der Teil dieser Kette ist und der dem Umsatz, den der betreffende Steuerpflichtige getätigt hat, vorausgeht oder nachfolgt (EuGH-Urteil Optigen u.a. in Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144 Rz 51). Die objektiven Kriterien, auf denen der Begriff der Lieferung von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen, sind dagegen nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht (EuGH-Urteil Axel Knittel u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 454, UR 2006, 594 Rz 53).
Allein der Umstand, „dass eine Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war”, steht dem Vorsteuerabzug jedoch nicht entgegen (EuGH-Urteile Axel Kittel u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 454, UR 2006, 594 Rz 52; Optigen u.a. in Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144 Rz 55).
Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug —sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug— einbezogen sind, können auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (EuGH-Urteile Axel Kittel u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 454, UR 2006, 595 Rz 52; Optigen u.a. in Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144 Rz 55; vgl. auch , Federation of Technological Industries, Slg. 2006, I-4191, Rz 33; , BFH/NV 2005, 255).
Selbst wenn der Umsatz den objektiven Kriterien einer Lieferung genügt (Verschaffung der Verfügungsmacht an den betreffenden Gegenständen, vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, § 3 Abs. 1 UStG 1999) und die Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen wäre, ist der Vorsteuerabzug jedoch zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (EuGH-Urteile Optigen u.a. in Slg. 2006, I-483, BFH/NV Beilage 2006, 144 Rz 52 und 55; Axel Kittel u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 454, UR 2006, 594 Rz 60 und 61).
Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Missbrauchs des Rechts auf Vorsteuerabzug ist nach Maßgabe der Beweisregeln des nationalen Rechts festzustellen (, Halifax u.a., BFH/NV Beilage 2006, 260, UR 2006, 232, Rz 76).
b) Das FG ist insoweit von anderen Grundsätzen ausgegangen; sein Urteil war daher aufzuheben. Das FG hat zwar geprüft, ob die Klägerin von der Einbindung in einen Betrug wusste (das hat es verneint), nicht aber, ob die Klägerin dies „wissen konnte”.
Das FG geht hinsichtlich der Rechnungen der N-GmbH und —soweit ersichtlich— wohl auch der I-GmbH davon aus, dass tatsächlich Warenbewegungen ausgeführt worden sind. Hierfür spreche insbesondere, dass die Klägerin „Ausgaben in Höhe von 610 238 DM für Warenzählungen und stichprobenweise Überprüfung an die Spedition gezahlt” habe. Vom Vorhandensein der Ware gehe auch der Bericht der Steuerfahndung aus.
Ob es sich dabei um die jeweils in den streitigen Rechnungen abgerechneten Handy-Lieferungen gehandelt hat, ergibt sich daraus jedenfalls nicht ohne weiteres.
Im Übrigen hat das FG ausgeführt, eine Beteiligung der Klägerin an dem auf Steuerbetrug angelegten Tatplan könne nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, es sprächen aber erhebliche Anhaltspunkte für eine wissentliche Einbindung der Klägerin in die gemeinsame Tatabsprache. Ob das FG hiernach davon ausging, dass die Klägerin die Einbeziehung in einen Tatplan mit dem Ziel der Umsatzsteuerhinterziehung wissen konnte, ergibt sich daraus nicht. Ob die Klägerin wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass sie sich mit ihrem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, ist im Wesentlichen tatsächliche Würdigung, die allein dem FG obliegt. Auch wenn die vom FG beispielhaft aus dem in Bezug genommenen umfangreichen Bericht der Steuerfahndung genannten Anhaltspunkte dafür sprechen könnten, dass die Klägerin den hinter der Lieferung stehenden Tatplan kennen konnte, kann der BFH die dem FG obliegende tatsächliche Würdigung nicht ersetzen. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen.
3. Zur Förderung des Verfahrens mit Rücksicht auf die vom AG bis zum Abschluss des Verfahrens ausgesetzte Löschung der Klägerin im Handelsregister erscheint es zweckmäßig, noch auf Folgendes hinzuweisen:
a) Bei der Klärung der Frage, ob die Klägerin in den Tatplan eingeweiht war oder den auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Zweck der Lieferkette kannte oder hätte kennen können, wird das FG bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigen müssen, ob die Klägerin Maßnahmen unterlassen hat, die sie vernünftigerweise treffen musste, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug —sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug— einbezogen sind; in diesem Zusammenhang kann die Aufzeichnung der IMEI–Nummer von Bedeutung sein, selbst wenn diese nicht bereits zu den handelsüblichen Angaben auf der Rechnung oder zu den die Rechnung und den Lieferschein ergänzenden Unterlagen i.S. des § 14 UStG 1999 gehört. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht spricht wegen der Bedeutung der IMEI-Nummer einiges dafür, dass die Aufzeichnung der IMEI-Nummer jedenfalls zu den die Rechnung ergänzenden Unterlagen gehört (vgl. z.B. Jorcyk/Rüht, Der Umsatzsteuer-Berater, 2007, 103; Birkenfeld, Umsatzsteuer- Handbuch, § 163 Rz 78; Leitmeier/Zühlke, Die steuerliche Betriebsprüfung 2003, 290).
b) Wie bereits oben (unter 2. a) ausgeführt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen eines Missbrauchs des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Maßgabe der Beweisregeln des nationalen Rechts festzustellen. Danach ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH in tatsächlicher Hinsicht der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 erfüllt sind (z.B. , BFH/NV 2004, 149; vom V R 67/00, BFH/NV 2002, 223; BFH-Beschlüsse vom V B 81/00, BFH/NV 2002, 553; vom V B 25/02, BFHE 199, 85, UR 2002, 522). Demzufolge ist es seine Sache, entscheidungserhebliche Tatsachen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht, bei der auch die Beweisnähe zu berücksichtigen ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 255; , BFH/NV 2005, 81; vom VIII R 36/99, BFH/NV 2001, 789; vom X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462, unter 3. der Gründe), glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO). Das gilt —entgegen der Auffassung der Klägerin— auch, soweit es um die Frage geht, ob die Klägerin vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten wusste oder diesen zumindest kennen konnte. Die Schwierigkeit eines Negativbeweises ändert die Verteilung der Beweislast grundsätzlich nicht (z.B. , BFH/NV 1994, 180, m.w.N.; 3 C 34.05, BVerwGE 126, 365, Neue Juristische Wochenschrift, 2007, 789, m.w.N.). Denn denjenigen, der sich auf das Nichtvorliegen von Tatsachen oder Umständen beruft, kann die Feststellungslast ohnehin nur treffen, wenn der Gegner —hier das FA— substantiiert Tatsachen oder Umstände vorgetragen hat, die für das Vorliegen des Positivums sprechen.
c) Käme das FG gleichwohl zum Ergebnis, dass die Klägerin gutgläubig war, wäre zu prüfen, ob dem streitigen Vorsteuerabzug entgegensteht, dass die Rechnungsangaben nicht ausreichend sind. Dazu wäre u.a. zu ermitteln, ob im Streitjahr bei Lieferungen von Mobiltelefonen die Angabe der IMEI-Nummern in den Rechnungen oder in diese ergänzenden Geschäftsunterlagen „handelsüblich” (vgl. § 14 Abs. 1 UStG 1999) war.
4. Eine Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 DM käme selbst dann nicht in Betracht, wenn —entgegen der Auffassung der Klägerin— davon auszugehen wäre, dass die Klägerin wissentlich in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden war.
Zu den Folgen einer missbräuchlichen Praxis hat der EuGH zwar entschieden, dass —wenn der Steuerpflichtige diese Praxis kannte oder kennen konnte— die Umsätze ohne Berücksichtigung dieser eine missbräuchliche Praxis darstellenden „Umsätze” neu zu definieren sind (EuGH-Urteil Halifax u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 260, UR 2006, 232 Rz 93, 98); im Falle einer zum Ziel des Mehrwertsteuerbetruges von mehreren Unternehmern planmäßig hintereinandergeschalteten Lieferkette hätte dies zwar zur Folge, dass dem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug aus den „Eingangslieferungen” nicht zusteht, dementsprechend aber auch die Steuern für die entsprechenden „Ausgangsumsätze” nicht zu erfassen sind (vgl. EuGH-Urteil Halifax u.a. in BFH/NV Beilage 2006, 260, UR 2006, 232 Rz 96).
Hat der Steuerpflichtige allerdings —wie hier die Klägerin— über diese „Umsätze” Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer ausgestellt, schuldet er die ausgewiesene Umsatzsteuer bis zur Berichtigung der Rechnungen nach § 14 Abs. 3 UStG 1999. Danach käme jedenfalls für das Streitjahr eine weitere Herabsetzung der Umsatzsteuer selbst dann nicht in Betracht, wenn die Klägerin —entgegen ihrem eigenen Vortrag— wissentlich in die Lieferkette eingebunden gewesen wäre.
5. Eine Anrufung des EuGH nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob eine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Gerätenummern als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, bedarf es schon deshalb nicht, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Im Übrigen ist die Prüfung der Frage, ob unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und der Rechtsprechung des EuGH die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen, grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte (vgl. z.B. , Card Protection Plan Ltd., Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1999, 157 Rz 30).
6. Die nach der mündlichen Verhandlung von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze ergeben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 315
BB 2007 S. 1941 Nr. 36
BFH/NV 2007 S. 2035 Nr. 10
BStBl II 2009 S. 315 Nr. 9
DB 2007 S. 2125 Nr. 39
DStR 2007 S. 1524 Nr. 35
DStRE 2007 S. 1214 Nr. 18
DStZ 2007 S. 642 Nr. 20
GStB 2007 S. 42 Nr. 11
HFR 2007 S. 1234 Nr. 12
KÖSDI 2007 S. 15736 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2007 S. 3014
StB 2007 S. 365 Nr. 10
StBW 2007 S. 7 Nr. 18
StBW 2007 S. 8 Nr. 18
StC 2007 S. 14 Nr. 10
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2007 S. 675
UR 2007 S. 693 Nr. 18
UStB 2007 S. 276 Nr. 10
UVR 2007 S. 290 Nr. 10
WPg 2007 S. 759 Nr. 17
XAAAC-53197