BFH Beschluss v. - V B 160/06, V B 161/06

Verletzung der Sachaufklärungspflicht bei Nichtvernehmung eines im Ausland ansässigen Zeugen

Gesetze: FGO § 76; FGO § 96; FGO § 115

Instanzenzug:

Gründe

I. In den Klageverfahren war streitig, ob der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, der Vorsteuerabzug aus Rechnungen des X über Schrottlieferungen aus den Jahren 1994 bis 1999 zustand. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—), hielt die Voraussetzungen deswegen nicht für gegeben, weil X zwar unter der Adresse einen Gewerbebetrieb angemeldet hatte, dieser aber durch die Stadt Z wegen vollständiger Aufgabe des gesamten Gewerbebetriebes am mit Wirkung vom abgemeldet worden war. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes war X nur bis zum unter der in den Rechnungen angegebenen Adresse gemeldet, danach unter einer Adresse in A, bis er sich im Mai 1994 mit einer Adresse in der Tschechischen Republik abgemeldet hat. Das FA ließ deshalb den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des X beginnend mit der Rechnung vom nicht zum Abzug zu.

Des Weiteren ließ das FA die in Rechnungen der F-AG mit Sitz in Liechtenstein ausgewiesene Umsatzsteuer nicht zum Abzug zu, weil es sich um eine Briefkastenfirma gehandelt habe und der Verantwortliche, der den Firmennamen benutzt habe, B, in seiner Vernehmung am zugegeben habe, dass es sich um Scheinrechnungen gehandelt habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom ).

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO— und wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

II. 1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO.

2. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.

a) Als Verfahrensfehler rügt die Klägerin, das FG hätte die Zeugen X, B, C, Frau X und D hören müssen. Ihr sei es unzumutbar gewesen, die im Ausland wohnenden Zeugen X und B in die Sitzung zu stellen, zumal diese erklärt hätten, sie würden nur auf eine gerichtliche Ladung vor Gericht erscheinen. Außerdem habe das FG die eidesstattliche Versicherung des B vom , auf die er in der mündlichen Verhandlung hingewiesen habe, nicht berücksichtigt.

aa) Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss in der Beschwerdeschrift u.a. der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags kann einen solchen Verfahrensmangel darstellen. Wird jedoch ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe.

Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom X B 124/94, BFH/NV 1995, 238, m.w.N., und vom I B 20/93, BFH/NV 1994, 605). Wird deshalb das Übergehen eines Beweisantrages gerügt, gehört zur ordnungsmäßigen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637; , BFH/NV 2004, 217). Entsprechende Ausführungen fehlen. Auch lässt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, in der die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten war und in der —andere— Zeugen vernommen und Niederschriften über die Vernehmung des B und des X sowie der Inhalt des Strafbefehls gegen X in das Verfahren eingeführt worden sind, nicht entnehmen, dass sie, die Klägerin, die unterlassene Einvernahme der von ihr benannten Zeugen gerügt hat. Vielmehr hat sie im Anschluss daran lediglich die Sachanträge im Verfahren wegen Umsatzsteuer 1994 bis 1996 sowie im Verfahren wegen Umsatzsteuer 1997 bis 1999 gestellt.

bb) Auch soweit die Klägerin auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung des B vom verweist, ist ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO durch eine unzureichende Berücksichtigung des Akteninhalts nicht gegeben. Das FG hat ausweislich der Entscheidungsgründe seines Urteils nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden, indem es auch diese als Beweismittel vollständig gewürdigt hat. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen nicht zu beanstanden, wenn sich das FG die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafverfahrens zu Eigen macht, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind und keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafurteils erhoben werden (, BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198; , BFH/NV 1993, 351, ständige Rechtsprechung). Letzteres war, wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG ergibt, nicht der Fall.

Die Beschwerdebegründung erschöpft sich in diesem Punkt im Grunde in Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Urteils. Einwände, die sich allein gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils wenden, wozu auch die Beweiswürdigung des FG gehört, bilden aber keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO (BFH-Beschlüsse vom III B 117/02, BFH/NV 2003, 810, und vom VIII B 11/04, BFH/NV 2005, 1810). Für einen schwerwiegenden Fehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. , BFH/NV 2002, 1474), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

b) Auch eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss der Kläger einen im Ausland ansässigen Zeugen in die Sitzung stellen, wenn es um den Nachweis eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts geht (BFH-Entscheidungen vom VI B 161/04, BFH/NV 2005, 1088; vom II B 30/05, BFH/NV 2006, 1056; vom II B 9/99, BFH/NV 2001, 933). Die Klägerin meint, grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob auch bei einem reinen Inlandssachverhalt ein ausländischer Zeuge in die Sitzung zu stellen sei. Diese Frage lässt sich anhand des Gesetzes, das auf einen im Ausland verwirklichten Sachverhalt abstellt, ohne weiteres beantworten. Entgegen der Behauptung der Klägerin ergibt sich Gegenteiliges auch nicht aus den von ihr bezeichneten BFH-Entscheidungen (Beschlüsse vom VIII B 141/99, BFH/NV 2001, 463; vom IV B 50/93, BFH/NV 1994, 449; , BFH/NV 1988, 12), die Auslandssachverhalte zum Gegenstand haben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 759 Nr. 4
VAAAC-38807