Zurückweisung einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft
Gesetze: StBerG § 3 Nr. 4; EG Art. 49; EG Art. 50
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine in England und Wales registrierte Steuerberatungsgesellschaft mit Niederlassungen in den Niederlanden und in Belgien. In Deutschland ist die Klägerin nicht als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt. Ihre Direktoren sind T und S. Beide wohnen laut Handelsregisterauszug jeweils unter einer Adresse in Deutschland, sind aber in Deutschland nicht als Steuerberater bestellt. T's Bestellung als Steuerberater wurde im Jahr 2000 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) widerrufen. Die hiergegen erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.
Im August 2005 trat die Klägerin in dem Besteuerungsverfahren einer in Deutschland ansässigen GmbH als Bevollmächtigte auf. Mit Bescheid vom wies der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Klägerin gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) als Bevollmächtigte der GmbH zurück. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1721 veröffentlichten Gründen ab.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung, der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Form der Divergenz sowie des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. , BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, wenn sie die Frage „nach dem Sinn und Inhalt” des § 3 Nr. 4 StBerG und der Dienstleistungsfreiheit stellt. Die weitere bezeichnete Rechtsfrage, wie der Begriff der „vorübergehenden Dienstleistung” zu definieren ist, ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig.
Die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, von deren Fehlen das FG im Streitfall ausgegangen ist, steht nach § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG) vom (BGBl I 2000, 874) auch Personen und Vereinigungen zu, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) erbringen. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 7. StBÄndG heißt es insoweit, dass mit der Beschränkung dieses Erlaubnistatbestands auf Erbringer von Dienstleistungen in Steuersachen im Anwendungsbereich des Art. 50 EG den Anforderungen des EG-Vertrages im Bereich der Dienstleistungsfreiheit bei grenzüberschreitender Hilfeleistung in Steuersachen Rechnung getragen werde (BTDrucks 14/2667, S. 27).
Der für § 3 Nr. 4 Satz 1 StBerG somit maßgebende Begriff der Dienstleistung i.S. des Art. 50 EG ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und —ihr folgend— des BFH geklärt. Vom Erlaubnistatbestand dieser Vorschrift werden nur grenzüberschreitende, vorübergehende Hilfeleistungen in Steuersachen erfasst. Denn zum einen sind nach Art. 49 EG nur solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige von Mitgliedstaaten verboten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Zum anderen sind Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Satz 3 EG: „vorübergehend”) in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801; vom Rs. C-55/94, EuGHE 1995, I-4165, 4195; vom Rs. C-215/01, EuGHE 2003, I-14847; Senatsbeschlüsse vom VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422, m.w.N.; vom VII B 99/03, BFH/NV 2004, 827; , BFH/NV 2004, 671).
Ebenso ist es nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile in EuGHE 1995, I-4165, 4195 f.; vom Rs. C-131/01, EuGHE 2003, I-1659, und in EuGHE 2003, I-14847) geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine grenzüberschreitende Dienstleistung einen nur vorübergehenden Charakter hat. Dieser ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen, und er schließt nicht die Möglichkeit für den Dienstleistungserbringer i.S. des Art. 50 EG aus, sich im Aufnahmemitgliedstaat mit einer bestimmten Infrastruktur (einschließlich eines Büros, einer Praxis oder einer Kanzlei) auszustatten, soweit diese Infrastruktur für die Erbringung der fraglichen Leistung erforderlich ist. Wer dagegen in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, fällt unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter die des Kapitels über die Dienstleistungen.
Hiervon ausgehend hat der BFH bereits entschieden, dass durch die Regelung in § 3 Nr. 4 StBerG die in Art. 43 ff. EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die in Art. 49 ff. EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit in keiner Weise unzulässig beeinträchtigt werden (Senatsbeschluss in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; ebenso BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 671).
Da somit die von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen als durch die Rechtsprechung geklärt anzusehen sind, hätte die Beschwerde zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des BFH zu den betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. , BFH/NV 2000, 985, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde jedoch nicht gerecht.
Indem die Beschwerde verschiedene theoretische Fälle beschreibt und in Frage stellt, ob diese jeweils unter die Dienstleistungs- oder die Niederlassungsfreiheit fallen, legt sie nicht schlüssig dar, weshalb dem Streitfall grundsätzliche Bedeutung zukommen soll.
Das FG ist im Streitfall von den vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätzen zutreffend ausgegangen und hat dementsprechend untersucht, ob die von der Klägerin in Deutschland erbrachten Dienstleistungen einen nur vorübergehenden Charakter haben, hat dies jedoch verneint. Hierzu hat das FG festgestellt, dass die Klägerin ihrem Direktor T die Möglichkeit verschaffen will, trotz des Widerrufs seiner Bestellung als Steuerberater in Deutschland seine steuerberatende Tätigkeit fortsetzen bzw. wieder aufnehmen zu können, und dass sie durch die Übernahme und Fortführung des Mandantenstamms des T auf einer Grundlage tätig ist, die es ihr erlaubt, in Deutschland in stabiler und kontinuierlicher Weise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und dass sie —wenn auch von einem anderen Mitgliedstaat aus— in Deutschland tätig wird wie ein hier niedergelassenes Unternehmen.
Soweit die Beschwerde diese Feststellungen und Tatsachenwürdigungen des FG für nicht zutreffend hält, wendet sie sich lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird. Grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich insoweit nicht. Nach dem EuGH-Urteil in EuGHE 2003, I-14847 enthält der EG-Vertrag keine Vorschrift, die eine abstrakte Bestimmung der Dauer oder Häufigkeit ermöglicht, ab der die Erbringung einer Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr als eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages angesehen werden kann. Die Entscheidung, ob lediglich grenzüberschreitende, vorübergehende Dienstleistungen erbracht werden, erfordert daher eine Tatsachenwürdigung im Einzelfall, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt. Anders als die Beschwerde meint, bestünde somit in einem Revisionsverfahren kein Anlass, ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts an den EuGH zu richten.
2. Die ordnungsgemäße Erhebung einer Divergenzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 33/01, BFH/NV 2002, 1482, und vom X B 103/02, BFH/NV 2004, 180). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht; es fehlt an einer Gegenüberstellung von Rechtssätzen aus anderen Urteilen mit solchen aus dem angefochtenen FG-Urteil. Die Beschwerde macht lediglich geltend, dass das FG falsch entschieden habe, indem es nicht berücksichtigt habe, dass nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesgerichtshofs (BGH) bei der Abgrenzung zwischen den Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit und denjenigen über die Niederlassungsfreiheit maßgeblich darauf abzustellen sei, ob ein Berufsdomizil im Inland unterhalten werde. Unabhängig davon, ob mit diesem Vorbringen ein Zulassungsgrund schlüssig dargelegt wird, trifft diese Ansicht auch nicht zu.
Der EuGH hat in den von der Beschwerde angeführten Entscheidungen in EuGHE 1995, I-4165 und in EuGHE 2003, I-14847 lediglich entschieden, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaates, der in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, indem er sich —wie in jenem Fall in EuGHE 1995, I-4165— von einem Berufsdomizil aus an die Angehörigen dieses Staates wendet, unter die Vorschriften über das Niederlassungsrecht fällt. Diesen Entscheidungen lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass das Vorhandensein eines Berufsdomizils in dem anderen Mitgliedstaat die maßgebende Voraussetzung für die Anwendung des Niederlassungsrechts ist oder dass —entsprechend umgekehrt— die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit immer dann Anwendung finden, wenn kein Berufsdomizil im anderen Mitgliedstaat unterhalten wird. Das Gleiche gilt für das von der Beschwerde angeführte (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 826) sowie für das (EuGHE 2006, I-2941).
Soweit das FG den vorübergehenden Charakter der im Inland erbrachten Dienstleistungen der Klägerin auch unter Umgehungs- und Missbrauchsgesichtspunkten verneint hat, handelt es sich zum einen um eine Erwägung, auf die es sich kumulativ zu der von ihm angenommenen stabilen und kontinuierlichen Erwerbstätigkeit der Klägerin im Inland gestützt hat. Zum anderen besteht auch insoweit die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz zu Entscheidungen des EuGH und des BGH nicht. Vielmehr hat der EuGH in seinem Urteil in EuGHE 2003, I-14847 Rz. 33 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem nationalen Gericht auch eine Überprüfung obliegt, ob sich der betreffende Dienstleister den in dem jeweiligen Mitgliedstaat geltenden gesetzlichen Verpflichtungen missbräuchlich entziehen will. Das (EuGHE 2003, I-10155), auf das die Beschwerde sich beruft, sowie das (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 1648) betreffen allein die Niederlassungsfreiheit. In dem Fall, der dem (NJW 2005, 3732) zugrunde lag, ging der BGH von einer lediglich vorübergehenden Dienstleistung aus, ohne dass der Gesichtspunkt des Missbrauchs eine Rolle spielte.
3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt.
Es kann offenbleiben, ob mit dem Vorbringen der Beschwerde, dass am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG nur Personen, die eine Ladung hätten vorweisen können, in das Gerichtsgebäude eingelassen worden seien, eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens schlüssig dargelegt ist. Jedenfalls fehlt es an dem weiter erforderlichen Vortrag, dass dieser den Direktoren der Klägerin bekannte Umstand von diesen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt worden ist oder warum (ggf.) eine solche Rüge nicht möglich war (vgl. , BFH/NV 1995, 893). Auch aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich nicht, dass von Seiten der Klägerin die angebliche Beschränkung des Zugangs zum Gerichtsgebäude beanstandet worden ist.
Eine Verletzung der dem FG nach § 76 Abs. 2 FGO obliegenden Hinweispflichten ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschränkt oder gar beseitigt wird. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen bzw. rechtlicher Fragen auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger sachkundig vertreten ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 200/96, BFH/NV 1997, 693, m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall, denn die Klägerin war im finanzgerichtlichen Verfahren sachkundig vertreten, und es lag auf der Hand, dass das FG die zu den maßgebenden Rechtsfragen ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen heranziehen würde. Die Klägerin hatte keinen Grund zu der Annahme, dass das FG diese Entscheidungen in derselben Weise, wie sie es für richtig hält, verstehen und auf den Streitfall anwenden würde.
Das Vorbringen der Beschwerde, dass das klageabweisende FG-Urteil nicht hätte ergehen können, wenn das FG den Beweis- und Vorlageanträgen der Klägerin gefolgt wäre, stellt keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge dar. Insoweit sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
JAAAC-37155