Investitionszulage für eine Verkaufseinrichtung eines Betriebs des Fischereisektors und Aquakultursektors
Leitsatz
1. Eine Verkaufseinrichtung, die in einem fischverarbeitenden Betrieb sowohl dem Verkauf im Betrieb verarbeiteter Produkte als auch nicht wesentlich veränderter Handelsware an private Haushalte dient, ist investitionszulagenbegünstigt, wenn der Einsatz für den Verkauf der verarbeiteten Produkte überwiegt.
2. Von der Investitionszulage ausgeschlossener Einzelhandel im Fischerei- und Aquakultursektor ist die Beschaffung von Gütern durch Marktteilnehmer und deren Veräußerung ohne wesentliche Veränderung an private Haushalte.
Gesetze: InvZulG 1999 § 2 Abs. 2 Satz 2Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei und Aquakultursektor (ABlEG Nr. C 100/12 vom 27. März 1997) Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei und Aquakultursektor (ABlEG Nr. C 100/12 vom 27. März 1997)
Instanzenzug: FG des Landes Brandenburg vom 5 K 2094/02 (EFG 2005, 808) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellte für das Streitjahr 2000 einen Antrag auf Investitionszulage für die Anschaffung eines Verkaufsmobils zum Preis von 85 838 DM. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Verarbeitung und der Handel mit Fisch. Nach ihren Angaben beträgt der Warenanteil der zur Weiterverarbeitung bestimmten Produkte 67,94 v.H. der gesamten bezogenen Ware. Sie gab ferner an, sie stelle Räucherfische, Bratfische, Rollmöpse, Fischsalate, Graved Lachs, Trockenfisch, Fischfilets, Fischbouletten und Fischplatten her. Einige Fischsorten würden lebend angeliefert, anschließend geschlachtet, gewaschen, filetiert und portioniert. Vor dem Räuchern würden die Fische gesalzen und mit anderen Gewürzen versehen. Der überwiegende Teil der Ware werde auf Eis bzw. gefrostet angeliefert. Nach entsprechender Vor- und Zubereitung werde ein Großteil gesalzen und geräuchert. Das Verkaufsmobil diene dem Vertrieb der Fischereierzeugnisse, die zum überwiegenden Teil in der vorgenannten Weise von ihr, der Klägerin, verarbeitet worden seien.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) setzte die Investitionszulage mit der Begründung auf Null DM fest, es handele sich um eine Investition in einem sensiblen Sektor i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 i.V.m. Nr. 6 der Anlage 1 zu dieser Vorschrift.
Der Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 808 veröffentlicht ist, führte im Wesentlichen aus: Der Betrieb der Klägerin sei zwar dem verarbeitenden Gewerbe i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999 zuzuordnen. Die Anschaffung des Verkaufsmobils sei jedoch nach § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 i.V.m. der Anlage 1 dazu sowie i.V.m. den Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. C 100/12 vom , BStBl I 2000, 1003) und Anhang III Nr. 2.4. Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 3699/93 (VO Nr. 3699/93) vom (ABlEG Nr. L 346/1 vom ) als Investition für den Einzelhandel nicht begünstigt. Denn von der Förderbarkeit seien nicht Einzelhandelsunternehmen ausgeschlossen, sondern Investitionen für die Einzelhandelstätigkeit. Die letzte Stufe der Vermarktung, die Abgabe an den Endverbraucher, sei aus dem Kreis der begünstigten Tätigkeiten ausgenommen.
Mit der Revision trägt die Klägerin insbesondere vor: Entgegen der Auffassung des FG sei von der Förderung nur der reine Einzelhandelsbetrieb, nicht aber der verarbeitende Betrieb, der —wie sie, die Klägerin— Direktvermarktung betreibe, ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Entgegen der Auffassung des FG sind bei einem fischverarbeitenden Betrieb, der neben selbst verarbeiteten Fischereiprodukten auch nicht wesentlich veränderte Fischereiprodukte an private Haushalte veräußert, nur diejenigen Wirtschaftsgüter von der Investitionszulagenförderung ausgeschlossen, die überwiegend der Veräußerung nicht wesentlich veränderter Produkte an Privathaushalte dienen.
1. Nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 wird u.a. die Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter gefördert, die mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes verbleiben. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 ist eine Investition jedoch nur begünstigt, soweit die Förderbarkeit in den sensiblen Sektoren, die in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 aufgeführt sind, nicht ausgeschlossen ist.
Nach Nr. 6 der Anlage 1 rechnen zu den sensiblen Sektoren der Fischerei- und Aquakultursektor im Sinne der Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor. Nach Nr. 2.3. Satz 1 Buchst. a dieser Leitlinien können Investitionsbeihilfen für die Bearbeitung, Verarbeitung und Vermarktung von Fischereierzeugnissen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, wenn die Bedingungen für die Beihilfegewährung mit denen der VO Nr. 3699/93 vergleichbar und mindestens ebenso streng sind. Nach Art. 11 Abs. 1 dieser Verordnung können unter den in Anhang III der Verordnung genannten Bedingungen Maßnahmen getroffen werden, um Sachinvestitionen u.a. im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung von Erzeugnissen der Fischerei und der Aquakultur zu fördern.
Gemäß Nr. 2.4. Buchst. a 2. Spiegelstrich des Anhangs III ist u.a. der Erwerb neuer, für die Verarbeitung und Vermarktung von Erzeugnissen der Fischerei und der Aquakultur von der Anlandung bis zum Stadium des Endprodukts erforderlichen Ausrüstungen und Anlagen zuschussfähig. Nicht zuschussfähig sind Investitionen für den Einzelhandel (Nr. 2.4. Buchst. b 2. Spiegelstrich).
2. Die Beteiligten gehen mit dem FG übereinstimmend davon aus, dass der Betrieb der Klägerin dem verarbeitenden Gewerbe angehört, da die Wertschöpfung aus der Fischverarbeitung die aus der Handelstätigkeit übersteigt. Ferner besteht kein Streit darüber, dass das von der Klägerin angeschaffte Verkaufsfahrzeug grundsätzlich die Fördervoraussetzungen nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 erfüllt.
a) Da die Klägerin, die in ihrem Betrieb überwiegend Fischereierzeugnisse verarbeitet, mit dem angeschafften Verkaufsfahrzeug Erzeugnisse der Fischerei vertreibt, hängt die Zulagenbegünstigung davon ab, ob es sich um eine begünstigte Investition für die Verarbeitung und Vermarktung von Fischereierzeugnissen i.S. von Nr. 2.4. Buchst. a 2. Spiegelstrich handelt oder ob eine von der Begünstigung ausgeschlossene Investition für den Einzelhandel i.S. von Nr. 2.4. Buchst. b 2. Spiegelstrich des Anhangs III vorliegt, die die Begünstigung unter dem Gesichtspunkt der Vermarktung ausschließt.
b) Nach den Angaben der Klägerin im Klageverfahren dient das Verkaufsmobil dem Vertrieb von ihr erworbener Fischereierzeugnisse. Sie hat ausgeführt, die verkaufte Ware werde zum überwiegenden Teil vorher von ihr zu Räucherfischen usw. verarbeitet.
aa) Das FG geht davon aus, von der Förderbarkeit ausgeschlossener Einzelhandel liege auch vor, soweit die Klägerin die von ihr bezogene Ware vor der Veräußerung verarbeite. Diese Auslegung widerspricht dem Begriff des Einzelhandels i.S. des Anhangs III Nr. 2.4. Buchst. b 2. Spiegelstrich zu der VO Nr. 3699/93. Im Allgemeinen wird unter Einzelhandel die Beschaffung von Gütern durch Marktteilnehmer, die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten, und deren Weiterveräußerung an private Haushalte verstanden (Brockhaus, Enzyklopädie, 27. Aufl., 2006 „Einzelhandel”). Dies deckt sich mit der Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (WZ 93). Nach 3.5 der Vorbemerkungen der WZ 93 unter Abschnitt G liegt Handel vor, wenn die Waren nicht wesentlich verändert, sondern lediglich der im Handel üblichen Behandlung (handelsübliche Manipulation) unterzogen werden. Zur handelsüblichen Manipulation, die die wesentliche Beschaffenheit der Ware nicht beeinträchtigt, zählen z.B. Sortieren, Trennen, Zusammenstellen und Verpacken. Einzelhandel besteht darin, Waren im eigenen Namen auf eigene oder fremde Rechnung vorwiegend an private Haushalte zu verkaufen (ähnlich WZ 2003, Vorbemerkungen unter G).
Dem FG ist zuzugeben, dass die Regelung in Anhang III Nr. 2.4. zu der VO Nr. 3699/93 nicht nach der Zugehörigkeit zu einem begünstigten Wirtschaftszweig unterscheidet, sondern nach der Art der Tätigkeit, für die die Investition vorgenommen wird. Denn die als zuschussfähig bzw. nicht zuschussfähig aufgeführten Bereiche entsprechen nicht den Kategorien, die nach dem InvZulG 1999 i.V.m. der WZ 93 für die Zuordnung zu den begünstigten Wirtschaftszweigen maßgebend sind (Urteil des Senats vom III R 29/01, BFHE 201, 571, BStBl II 2003, 529). Von der Förderung ausgeschlossen ist damit aber lediglich die Einzelhandelstätigkeit im oben dargelegten Sinne. Einem im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung von Fischereierzeugnissen tätigen Steuerpflichtigen, der neben Verarbeitung auch Handel betreibt und der wegen des überwiegenden Anteils an der Wertschöpfung in der Verarbeitung dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist, steht daher für Investitionen in Wirtschaftsgüter, die nicht überwiegend dem Bereich der Verarbeitung bzw. anderen nicht von der Förderung ausgeschlossener Bereiche wie z.B. auch dem Großhandel dienen, sondern überwiegend in dem Bereich des nicht begünstigten Einzelhandels eingesetzt werden, keine Investitionszulage zu.
Ein schädlicher Einsatz eines Wirtschaftsguts im Bereich des von der Zulagenförderung ausgeschlossenen Einzelhandels liegt nur vor, wenn der Einsatz im von der Förderung umfassten Bereich nicht überwiegt, d.h. 50 v.H. nicht übersteigt. Ein ausschließlicher oder nahezu ausschließlicher Einsatz im begünstigten Bereich ist nicht erforderlich. Denn der Förderzweck wird bereits dann hinreichend verwirklicht, wenn das betreffende Wirtschaftsgut überwiegend den begünstigten Zwecken dient.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, wegen des Abstellens auf die unternehmerische Tätigkeit sei nicht begünstigter Einzelhandel auch anzunehmen, soweit der Steuerpflichtige von ihm be- oder verarbeitete Waren an Endabnehmer veräußert. Für eine ausweitende Auslegung des Begriffs des Einzelhandels in diesem Sinne ist kein Grund ersichtlich. Es widerspräche dem Zweck der Förderung des verarbeitenden Gewerbes, Betriebe, die ihre selbst verarbeiteten Produkte an den Endverbraucher statt z.B. an den Großhandel absetzen, mit Investitionen im Bereich des Verkaufs von der Förderung auszuschließen.
bb) Hiervon ausgehend kommt für das von der Klägerin angeschaffte Verkaufsmobil eine Investitionszulage in Betracht, sofern dieses während des Verbleibenszeitraums überwiegend, d.h. zu mehr als 50 v.H., dem begünstigten Bereich i.S. von 2.4. Buchst. a des Anhangs III zu der VO Nr. 3699/93 gedient hat. Dazu dürfte im Streitfall in erster Linie die Veräußerung von Ware, die die Klägerin selbst be- oder verarbeitet hat, rechnen. Hat die Klägerin dagegen das Fahrzeug überwiegend, d.h. zu mehr als 50 v.H., für den Verkauf von Fischereierzeugnissen, die sie nicht oder nicht wesentlich verändert bzw. lediglich der im Handel üblichen Manipulation unterzogen hat, an Endverbraucher eingesetzt, scheidet die Zulagenbegünstigung aus.
cc) Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob die Fördervoraussetzungen im Streitfall gegeben sind. Nach den Angaben der Klägerin im Klageverfahren werden mit dem Verkaufsmobil nicht nur von ihr verarbeitete Fischprodukte vertrieben, sondern auch zugekaufte Handelsware, die lediglich gewaschen, filetiert oder portioniert wird. Das FG hat indes nicht festgestellt, welchen Umfang der dem Einzelhandel im dargelegten Sinne zuzurechnende Vertrieb nicht von der Klägerin bearbeiteter Handelsware hat. Bei den von der Klägerin angegebenen Bearbeitungen (Herstellung von Räucherfischen, Bratheringen usw.) dürfte es sich um Maßnahmen handeln, die über handelsübliche Manipulationen hinausgehen. Gleichwohl könnten auch in diesem Bereich zu einem gewissen Teil lediglich unwesentliche Veränderungen vorliegen, die möglicherweise dem Bereich des Einzelhandels zuzuordnen sind.
c) Das FG wird im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob das Verkaufsmobil —gemessen an der Wertschöpfung— von der Klägerin zu mehr als 50 v.H. im Bereich des zulagenschädlichen Einzelhandels im oben dargestellten Sinne eingesetzt worden ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 329
BB 2007 S. 314 Nr. 6
BFH/NV 2007 S. 611 Nr. 3
DStRE 2007 S. 754 Nr. 12
EStB 2007 S. 93 Nr. 3
FR 2007 S. 402 Nr. 8
HFR 2007 S. 364 Nr. 4
INF 2007 S. 208 Nr. 6
KÖSDI 2007 S. 15421 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15465 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2008 S. 2042
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2007 S. 330
StB 2007 S. 83 Nr. 3
StBW 2007 S. 7 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2007 S. 197
RAAAC-35674