BFH Urteil v. - VII R 68/05 BStBl 2007 II S. 291

Unterbrechung der Zahlungsverjährung bei fehlender Handlungsfähigkeit

Leitsatz

Eine Pfändungsverfügung des Finanzamts gegen einen Dritten unterbricht die Zahlungsverjährung auch dann, wenn der Vollstreckungsschuldner in dem betreffenden Zeitpunkt keine passive Handlungsfähigkeit besitzt.

Gesetze: AO 1977AO 1977 § 218 Abs. 2AO 1977 § 228AO 1977 § 231 Abs. 1 Satz 1AO 1977 § 367 Abs. 2 Satz 1FGO § 96 Abs. 1FGO § 123 Abs. 1 Satz 1

Instanzenzug: (EFG 2005, 1012) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Es besteht Streit über die Abrechnung der Körperschaftsteuer 1987.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) befindet sich in Liquidation. Ein Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens über ihr Vermögen war 1977 mangels Masse abgelehnt worden. Ende 1989 wurde die Klägerin im Handelsregister gelöscht.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) hatte die Klägerin mit Bescheid vom auf Körperschaftsteuer 1987 in Höhe von ... DM in Anspruch genommen. Der Bescheid ist bestandskräftig, die Steuer jedoch nicht bezahlt worden.

1994 wurde der Bescheid geändert und die Steuer auf ... DM heraufgesetzt. Der Änderungsbescheid ist dem früheren Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin als Liquidator (im Folgenden: X) namens der Klägerin als GmbH in Liquidation bekannt gegeben worden. Er ist nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten wegen Handlungsunfähigkeit der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nicht wirksam geworden. Der wegen dieses Bescheides anhängig gewesene Rechtsstreit ist insoweit von den Beteiligten inzwischen übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt worden.

Dass der Änderungsbescheid mangels Handlungsfähigkeit der Klägerin nichtig sei, hatte der vermeintliche Liquidator X durch Einspruch gegen den vorgenannten Änderungsbescheid geltend gemacht. Das FA hat aufgrund dieses Einspruchs im August 1995 eine Einspruchsentscheidung erlassen, in der es die Körperschaftsteuer 1987 auf nunmehr ... DM festsetzte. Die Einspruchsentscheidung wurde X bekannt gegeben, der inzwischen zum Nachtragsliquidator bestellt worden war.

Soweit die Klägerin im Rahmen vorgenannter Klage (Az. des Finanzgerichts —) geltend gemacht hatte, die Einspruchsentscheidung sei nichtig, hat das FG die Klage abgewiesen, auf den Hilfsantrag der Klägerin jedoch die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig (, BFH/NV 2006, 1049).

Den Betrag von 506 178 DM hat das FA im August 1989 bei der Klägerin angemahnt; die weiteren rückständigen 92 305 DM sind im Mai 1994 angemahnt worden. Im September 1994 wurden auf Ersuchen des FA vom FA Y Wertpapiere mit einem Nominalwert von 50 000 holländischen Gulden (hfL) gepfändet und zum Preis von ... DM nebst Zinsscheinen (Erlös ... DM) veräußert. Ferner hat das FA 1996 gegen einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin in Höhe von ... DM aufgerechnet.

Der Klägerin ist vom FA unter dem der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid erteilt worden, in dem die vorgenannten Zahlungsansprüche, nämlich ... DM, fällig am , ... DM, fällig am , und ... DM, fällig am , festgestellt wurden. Der dagegen erhobene Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA seinen Zahlungsanspruch um den Erlös aus der Veräußerung der gepfändeten Wertpapiere und um den Aufrechnungsbetrag minderte und mithin einen Zahlungsanspruch von nur noch 751 461,53 DM feststellte.

Die daraufhin erhobene Klage hatte mit dem Ergebnis Erfolg, dass das FG den Zahlungsanspruch aus Körperschaftsteuer 1987 auf ... DM feststellte, weil hinsichtlich des ursprünglich 1989 festgesetzten Betrages von ... DM Zahlungsverjährung eingetreten sei.

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 1012 veröffentlicht. Gegen das Urteil haben sowohl das FA als auch die Klägerin die vom FG zugelassene Revision eingelegt.

Das FA begründet seine Revision damit, dass die Vollstreckung in die vorgenannten Wertpapiere als Realakt ungeachtet der Handlungsunfähigkeit der Klägerin die Unterbrechung der Zahlungsverjährung bewirkt habe (Hinweis auf die , BFH/NV 1996, 865, und vom VII R 77/88, BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44).

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin führt zur Begründung ihrer Revision im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Einspruchsentscheidung, aus der sich nach Meinung des FG der dem FA zugesprochene Zahlungsanspruch ergebe, sei aus mehreren Gründen nichtig und daher das vom FG angeführte (BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49), nach dem der in der fehlerhaften Bekanntgabe eines Steuerbescheides liegende Mangel durch fehlerfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geheilt werde, auf den Streitfall nicht anwendbar.

Ferner sei gegen den Bescheid vom nur hilfsweise Einspruch eingelegt worden. Zwar sei zunächst von dem jetzigen Prozessvertreter der Klägerin im April 1994 Einspruch eingelegt worden; dieser Einspruch sei jedoch nicht wirksam gewesen, weil damals ein Liquidator nicht bestellt gewesen sei und deshalb keine wirksame Vollmacht bestanden habe. Die Klägerin habe damals nicht einmal Steuerrechtsfähigkeit besessen. Der später bestellte Nachtragsliquidator habe die Einspruchseinlegung entgegen der Ansicht des FG nicht genehmigt, ganz abgesehen davon, dass der Einspruch mangels Steuerrechtsfähigkeit der Klägerin gar nicht hätte genehmigt werden können. Der Nachtragsliquidator habe vielmehr das FA ausdrücklich aufgefordert, die Nichtigkeit des Änderungsbescheides festzustellen. Diese Aufforderung habe das FA nicht zum Anlass nehmen dürfen, eine verbösernde Sachentscheidung zu treffen. Auch in dem Klageverfahren sei eine Nichtigkeitsfeststellung und nur hilfsweise die Aufhebung des Bescheides beantragt worden. Im Übrigen sei das in diesem Zusammenhang relevante Schreiben der Klägerin vom vom FG auf Seite 13 des Urteils falsch zitiert worden, was ebenfalls eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darstelle. Hätte das FG das Schreiben richtig zitiert, hätte es erkannt, dass eine Einspruchsentscheidung nur hilfsweise für den Fall begehrt worden sei, dass der angegriffene Änderungsbescheid nicht nichtig ist.

Schließlich habe der in der Einspruchsentscheidung festgesetzte Verböserungsbetrag keine Anknüpfung an den im Ausgangsbescheid festgesetzten Betrag, weil der vorgenannte Änderungsbescheid unwirksam sei und auch nicht wirksam in der Einspruchsentscheidung enthalten sei.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass die Einspruchsentscheidung nur dann, wie das FG entschieden habe, als wirksamer Änderungsbescheid zu der Körperschaftsteuerfestsetzung über ... DM angesehen werden könnte, wenn die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgelegen hätten und die Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung noch nicht abgelaufen gewesen wäre. Beides sei aber nicht der Fall.

Für den Fall, dass der Bescheid vom wirksam sein sollte, vertritt die Klägerin die Auffassung, dass der Abrechnungsbescheid gleichwohl unrichtig sei. Denn der erstgenannte Bescheid sei vom aufgehoben worden, und dieses Urteil wirke zurück, weil ein aufgehobener Bescheid als von Anfang an nicht ergangen zu behandeln sei. Die Aufhebung der Steuerfestsetzung von 1995 sei also in dem Abrechnungsbescheid auf den zu berücksichtigen gewesen (Hinweis auf den Beschluss des Senats vom VII S 6/98, BFH/NV 1999, 198).

Die Klägerin hält schließlich die Annahme des FG für unrichtig, dass die angebliche Körperschaftsteuerschuld durch die Einlösung der gepfändeten Wertpapiere getilgt bzw. infolge Aufrechnung mit einem Kostenerstattungsanspruch erloschen sei.

Sie beantragt deshalb, das Urteil des FG aufzuheben und festzustellen, dass am ein Zahlungsanspruch auf Körperschaftsteuer 1987 in Höhe von 0 DM bestand und die verrechneten Beträge in Höhe von ... DM und ... DM als Erstattungsbeträge (Guthaben) aufzuführen sind.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, die des FA begründet.

A. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie sich dagegen richtet, dass die Klägerin dem FA im Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Abrechnungsbescheides aufgrund der in der Einspruchentscheidung von 1995 enthaltenen, allerdings teilweise durch Vollstreckung und Aufrechnung erledigten Steuerfestsetzung Körperschaftsteuer schuldete.

Abrechnungsbescheide entscheiden nach § 218 Abs. 2 AO 1977 über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen; sie entscheiden insbesondere darüber, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist (§ 47 AO 1977), d.h. ob wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, ob Verjährung eingetreten, die Schuld bereits vor der Begründung der Zahlungspflicht erloschen oder der Forderungsausgleich durch Vollstreckungsmaßnahmen erreicht worden ist. Das bedarf angesichts der diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Senats keiner weiteren Wiederholung und näheren Begründung (vgl. u.a. Urteil des erkennenden Senats vom VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46). Abrechnungsbescheide bilden —bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt— das zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt bestehende Steuerschuldverhältnis gleichsam ab, wie es der Senat in seinem Urteil vom VII R 77/04 (BFHE 212, 29, BStBl II 2006, 578) ausgedrückt hat. Deshalb gehört, wie das FG zutreffend sinngemäß ausgeführt hat, zu ihrem Regelungsgegenstand die vorgenannten Erlöschenstatbeständen rechtslogisch vorrangige Frage, ob überhaupt und welche Zahlungsverpflichtungen (wirksam) begründet worden sind, ohne deren Ermittlung sich nicht sinnvoll prüfen lässt, ob bestimmte Zahlungsvorgänge Schulden getilgt haben, welchen Forderungen des FA sie zuzuordnen sind und dergleichen mehr.

Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) maßgebend (Beschluss des Senats vom VII R 74/68, BFHE 102, 7, BStBl II 1971, 498; Urteil des Senats vom VII R 82/92, BFH/NV 1994, 285). Der hier zu treffenden Entscheidung ist folglich die Steuerfestsetzung des FA zugrunde zu legen, die in der Einspruchsentscheidung von 1995 enthalten ist. Denn es steht aufgrund des hierzu ergangenen Urteils des FG 6 K 385/95 zwischen den Beteiligten rechtskräftig fest, dass diese Entscheidung nicht nichtig ist.

Damit erledigt sich der Einwand der Klägerin, sie habe keinen Einspruch eingelegt. Abgesehen davon, dass dies den tatrichterlichen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO; siehe z.B. Urteilsabdruck Blatt 13 erster Absatz) widerspricht, welche davon ausgehen, dass der zunächst von einem vollmachtlosen Vertreter der Klägerin —nämlich ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten— eingelegte Einspruch von dem Nachtragsliquidator genehmigt worden ist, steht aufgrund des fest, dass die Körperschaftsteuerfestsetzung gegen die Klägerin in der Einspruchentscheidung wirksam geändert worden ist. Es ist deshalb für die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung belanglos, ob dies rechtmäßig geschehen durfte oder ob dem entgegenstand, dass die Klägerin gegen den Körperschaftsteuerbescheid von 1994 keinen Einspruch eingelegt hat, dass bei Ergehen der Einspruchsentscheidung die Festsetzungsfrist abgelaufen war und dass es an den —mangels Einspruchs der Klägerin— für eine Änderung der Steuerfestsetzung in der (vermeintlichen) Einspruchsentscheidung erforderlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 fehlte; denn all dies würde die Steuerfestsetzung allenfalls rechtswidrig, den Bescheid jedoch —selbst wenn dies nicht rechtskräftig feststünde— nicht nichtig machen.

Es kann folglich unerörtert bleiben, ob die Einspruchsentscheidung, wie die Klägerin anscheinend meint, nichtig wäre, wenn der Einspruch nur „hilfsweise” eingelegt worden wäre, und ob nicht auch in diesem Fall vielmehr ungeachtet der seinerzeitigen sachlich-rechtlichen Einwendungen der Klägerin bzw. des ihnen von dieser zugedachten Stufenverhältnisses entscheidend wäre, dass die Klägerin den Steuerfestsetzungsbescheid von 1994 nicht gegen sich hat gelten lassen wollen, und dies gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 zur Folge haben musste, dass das Verwaltungsverfahren fortzusetzen, die Sache also uneingeschränkt neu zu prüfen und die Steuer ggf. ungeachtet der Bindungen des § 173 Abs. 1 AO 1977 in gesetzlicher Höhe festzusetzen war.

Die spätere Aufhebung der Einspruchsentscheidung durch das FG hat im vorliegenden Abrechnungsverfahren außer Betracht zu bleiben; sie könnte nur in einem neu zu erteilenden Abrechnungsbescheid berücksichtigt werden. Dies folgt, wie der Senat in dem Urteil in BFH/NV 1994, 285 ausgeführt hat, daraus, dass der Abrechnungsbescheid eine Entscheidung im Erhebungsverfahren ist, mit der über das Bestehen einer Zahlungsverpflichtung, nicht aber über das Bestehen eines Steueranspruchs zu befinden ist, wobei sich diese Entscheidung nur auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen kann und die in diesem Zeitpunkt gegebene Sachlage auch bei der Überprüfung der Entscheidung im Rahmen einer Anfechtungsklage maßgeblich ist.

Aus dem Beschluss des Senats in BFH/NV 1999, 198 folgt nichts anderes.

Die gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor; ob die diesbezüglichen Rügen überhaupt den gesetzlichen Anforderungen entsprechend erhoben sind, mag daher unerörtert bleiben. Dass das FG das Schreiben der Klägerin vom falsch zitiert haben soll, verletzt jedenfalls nicht § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern stellt allenfalls einen sachlich-rechtlichen Mangel seiner Entscheidung dar, die freilich, wie erwähnt, rechtskräftig ist. Deshalb ist auch bedeutungslos, was die Klägerin gegen den Bescheid vom eingewandt haben mag und dass sie ihn für eine Willkürmaßnahme hält und ob das FG bei der Entscheidung über die Nichtigkeitsfeststellungsklage die richtigen Folgerungen aus der angeblichen Nichtigkeit des Steuerbescheides von 1994 und der dazu von den Beteiligten angeblich getroffenen tatsächlichen Verständigung gezogen hat.

Die Revision der Klägerin erweist sich nach alledem als unbegründet.

Der im Revisionsverfahren gestellte Antrag, einen Erstattungsanspruch zu Gunsten der Klägerin festzustellen, stellt eine nach § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO unzulässige Klageänderung dar und ist überdies unzulässig, weil die Sache anderweit rechtshängig gewesen ist (Az. des ).

B. Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat den angefochtenen Bescheid zu Unrecht zulasten des FA insofern geändert, als dieses einen Anspruch auf Zahlung der ursprünglich festgesetzten Körperschaftsteuer zu haben behauptet, und dadurch Bundesrecht verletzt (§ 118 Abs. 1 FGO).

Festgesetzte Steueransprüche verjähren gemäß § 228 AO 1977 nach fünf Jahren, wenn diese Frist nicht nach Maßgabe des § 231 AO 1977 unterbrochen wird. Es ist nicht strittig und bedarf keiner weiteren Ausführung, dass hier als Unterbrechungstatbestand allein in Betracht kommt, dass das FA 1994 Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat (§ 231 Abs. 1 Satz 1 AO 1977); denn seine vorangegangenen Maßnahmen haben die Verjährung nicht unterbrechen können, weil sie passive Handlungsfähigkeit der Klägerin verlangten (vgl. Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 231 Rz. 3), welche diese damals nicht besaß. Zu entscheiden ist also allein, ob die zur Vollstreckung der Steuerfestsetzung verfügte Pfändung und Verwertung der Wertpapiere, die für die Tochter des X bei einer Bank aufbewahrt und im Rahmen des Strafverfahrens gegen X dort beschlagnahmt worden waren, die Zahlungsverjährung unterbrochen haben, obwohl die Klägerin damals nicht handlungsfähig war.

Der Ansicht des FG, welches diese Frage verneint hat, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Sie wird weder durch den Wortlaut noch durch den Sinn des § 231 AO 1977 gestützt.

Vollstreckungsmaßnahmen können ihre die Unterbrechung der Verjährung herbeiführende Wirkung auch ohne Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner entfalten (vgl. Senatsurteil in BFHE 158, 310, 316, BStBl II 1990, 44), sofern sie in anderer Weise Außenwirkung haben. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie ihrer Zielrichtung nach ein Tätigwerden gegenüber Dritten erfordern, wie z.B. eine Anfrage nach dem Wohnsitz oder dem Aufenthaltsort des Zahlungspflichtigen, aber auch Vollstreckungsmaßnahmen in bei Dritten befindliches Schuldnervermögen (Senatsurteil vom VII R 31/96, BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8). Dass insbesondere die Wohnsitzanfrage nach dem Gesetz verjährungsunterbrechende Wirkung hat, obgleich bei ihr eine Benachrichtigung des Steuerschuldners naturgemäß ausgeschlossen ist, zeigt klar und deutlich, dass jene Wirkung durch ein bestimmtes, nach außen tretendes Handeln des FA ausgelöst werden kann und nicht etwa ihrem Wesen nach zwingend auch eine (passive) Handlung des Steuerschuldners verlangt. Es trifft —wie gerade die Wohnsitzanfrage zeigt— auch nicht zu, dass Maßnahmen nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung haben, wenn sie gegenüber dem Steuerpflichtigen vorgenommen werden (so aber Frotscher in Schwarz, AO, § 231 Rz. 4 unter irrtümlicher Berufung auf das Urteil des Senats vom VII R 37/90, BFHE 164, 392, BStBl II 1991, 742).

Es ist dann aber nicht einsichtig, warum gleichwohl der Wirkungseintritt stets oder jedenfalls bei der hier fraglichen Pfändungsmaßnahme, welche zu diesen nicht gegenüber dem Steuerpflichtigen vorzunehmenden Maßnahmen gehört (§ 312 AO 1977), passive Handlungsfähigkeit des Steuerschuldners erfordern sollte, mag diese auch bei verjährungsunterbrechenden Handlungen, die ihrer Natur nach gegenüber dem Steuerschuldner vorgenommen werden müssen, wie z.B. Zahlungsaufforderung und Vollstreckungsaufschub (dazu das Urteil in BFHE 164, 392, BStBl II 1991, 742), erforderlich sein.

Zwar ist allen Unterbrechungstatbeständen gemeinsam, dass es sich um nach außen wirkende Maßnahmen handelt, welches Erfordernis der Senat aus der Rechtssicherheit hergeleitet hat; denn bei nur innerdienstlichen Maßnahmen des FA sei für den Betroffenen nicht mit der erforderlichen Klarheit feststellbar, ob der Zahlungsanspruch durch Verjährung erloschen ist oder ob er wegen Unterbrechung der Verjährung weiterhin zur Leistung verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 164, 392, BStBl II 1991, 742, und in BFHE 181, 259, BStBl II 1997, 8). Daraus kann indes nicht, wie es offenbar dem FG vorschwebte, gefolgert werden, bei fehlender passiver Handlungsfähigkeit des Steuerschuldners könne die Verjährungsfrist vom FA nicht unterbrochen werden, was mitunter auch zu im Ergebnis wenig befriedigenden Rechtsfolgen führen würde. Anders als das FG offenbar meint, fehlt es an der „Feststellbarkeit” der Tatsache und des genauen Zeitpunkts der Verjährungsunterbrechung bei Erlass einer Pfändungsverfügung und damit —anders als unter Umständen bei rein innerdienstlichen Vorgängen— an der genauen Bestimmbarkeit des Verjährungseintritts nicht deshalb, weil die Klägerin und Vollstreckungsschuldnerin mangels Handlungsfähigkeit im Zeitpunkt der Vollstreckung nicht in der Lage gewesen sein mag, diese Feststellung tatsächlich zu treffen.

Zu Gunsten der Rechtsansicht des FG lässt sich auch nichts daraus herleiten, dass auch Realakte nur Rechtsfolgen zeitigen mögen, wenn sie gegenüber einem Handlungsfähigen vorgenommen werden (so etwa Kögel in Beermann/Gosch, AO § 231 Rz. 7). Denn die hier strittige Pfändung war nicht gegenüber der Klägerin, sondern gegenüber einem Dritten vorzunehmen (§ 312 AO 1977), dessen Handlungsfähigkeit nicht zweifelhaft ist. Die allenfalls hinzugetretene —vom FG nicht festgestellte— Benachrichtigung der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 286 Abs. 3 AO 1977 (dazu Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 312 Rz. 2) ist kein Erfordernis einer wirksamen Wertpapierpfändung; mangelnde Handlungsfähigkeit der Klägerin bei ihrer Entgegennahme hätte deshalb die Unterbrechungswirkung nicht berührt.

C. Das Urteil des FG ist nach alledem zu ändern, insoweit dieses den angefochtenen Bescheid geändert hat; die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.

Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 291
AO-StB 2007 S. 64 Nr. 3
BB 2007 S. 202 Nr. 4
BFH/NV 2007 S. 300 Nr. 2
BStBl II 2007 S. 291 Nr. 7
DB 2007 S. 205 Nr. 4
DStRE 2007 S. 321 Nr. 5
DStZ 2007 S. 126 Nr. 5
HFR 2007 S. 313 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2007 S. 159
StBW 2007 S. 7 Nr. 2
StuB-Bilanzreport Nr. 6/2007 S. 241
TAAAC-34405