Voraussetzungen und Grenzen für Auskunftsbegehren an Dritte; Fernwirkung von Verwertungsverboten; Feststellungen zu Verhältnissen anderer anlässlich einer Außenprüfung
Gesetze: AO § 93; AO § 194; AO § 30
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die steuerlich beratene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Tanzkapelle in der Rechtsform einer GbR mit zwei bzw. drei Mitgliedern. Auf Aufforderung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt —FA—) reichte die Klägerin neben ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1995 bis 1998 jeweils auch Aufstellungen über die getätigten Auftritte ein bzw. nach. Wegen Zweifeln an der Vollständigkeit der erklärten Betriebseinnahmen forderte das FA mit Gewinnfeststellungsbescheid für 1996 vom die Klägerin auf, ihre Angaben nochmals zu überprüfen.
Im Zeitraum von November 1997 bis Oktober 1998 wurden etliche Saalbetriebe ohne Bezug auf die Klägerin für eine Außenprüfung gemeldet. Im Rahmen der anschließenden Außenprüfungen stellten die Prüfer fest, dass Auftraggeber der Tanzkapellen nicht die Gastwirte, sondern die jeweiligen Saalmieter sind. In den Jahren 1998 und 1999 richtete das FA an die von den Prüfern mit Namen und Anschrift erfassten Saalmieter auf § 93 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Auskunftsbegehren hinsichtlich der aufgetretenen Musikkapelle sowie des geleisteten Entgelts.
Das FA stellte außerdem klar, dass die Auskünfte nicht für die eigene Besteuerung der Adressaten benötigt würden.
Nach Auswertung waren 40 Auskunftsbegehren der Klägerin zuzuordnen. Die Auskünfte wurden teilweise schriftlich, überwiegend aber telefonisch erteilt und sodann handschriftlich, oftmals ohne Datum und Namenszeichen, festgehalten. Danach hat die Klägerin Auftritte entweder gar nicht oder mit geringeren Beträgen erfasst.
Daraufhin ordnete das FA eine Außenprüfung bei der Klägerin für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 u.a. bezüglich der Umsatzsteuer an.
Außerdem leitete das FA vor Beginn der Außenprüfung ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder der Klägerin ein (lt. Aktenvermerk vom ). Mangels Mitwirkung der Klägerin war eine zutreffende Ermittlung des Sachverhalts nicht möglich. In einer Besprechung beim Steuerberater der Klägerin erklärte dieser, die Klägerin bzw. ihre Gesellschafter wollten zur Höhe der bislang nicht erklärten Einnahmen keine Aussagen machen, weil sie sich an weitere Auftritte nicht erinnern könnten (vgl. Schreiben der Betriebsprüfung vom ). Mit Schreiben vom teilte der Steuerberater mit, nach Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seien die Gesellschafter gemäß § 393 Abs. 1 AO 1977 nicht zur Mitwirkung verpflichtet. Da das FA rechtliche Folgerungen gezogen habe, werde auch eine Schlussbesprechung keine neuen Erkenntnisse bringen, weshalb hierauf verzichtet werde.
Der Prüfer ging trotz des umfangreichen Kontrollmaterials davon aus, dass weitere Einnahmen von der Klägerin nicht erklärt worden seien (zu den Gründen vgl. Aktenvermerk vom ). Er nahm deshalb Hinzuschätzungen vor und setzte zusätzlich Unsicherheitszuschläge in folgender Höhe fest:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
in DM | nicht erfasst | Hinzuschätzung | Summe (nach Rundung) | |
1995 | 10 100 | 13 000 | 24 000 | (brutto) |
1996 | 17 500 | 14 000 | 31 000 | (brutto) |
1997 | 10 995 | 15 000 | 28 000 | (brutto) |
1998 | 5 250 | 3 600 | 8 000 | (brutto) |
Das FA erhöhte mit nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten endgültigen Umsatzsteuerbescheiden dementsprechend die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin (vgl. Umsatzsteueränderungsbescheide vom für 1995 bis 1998 und erneute Änderungsbescheide vom für 1996 und 1997).
Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Die Begründung entspricht der in dem zu den Gewinnfeststellungsbescheiden für 1995 bis 1998 in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1419 veröffentlichten Urteil.
Mit der —vom FG zugelassenen— Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Die Hinzuschätzungen und Unsicherheitszuschläge beruhen auf der Grundlage der an die Saalmieter gerichteten Auskunftsbegehren und deren Beantwortung. Die Auskunftsbegehren nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 sind rechtlich —was das FG offen gelassen hat— nicht zu beanstanden. Ihre Rechtmäßigkeit wird auch nicht durch die nach Ansicht des FG unzulässige, rasterfahndungsähnliche Erhebung der Namen und Anschriften der Saalmieter im Rahmen von Außenprüfungen bei Gastwirten und die darauf beruhenden Kontrollmitteilungen in Frage gestellt.
Der Senat kann zwar anhand der knappen Feststellungen des FG nicht abschließend prüfen, ob die Schlussfolgerung des FG, die Prüfungen bei den Gastwirten seien von vornherein auch mit dem Ziel angeordnet worden, die steuerlichen Verhältnisse der Tanzkapellen zu erforschen, möglich ist.
Abgesehen davon, dass im Rahmen von Vorbehaltsfestsetzungen ein lediglich verfahrensrechtliches Verwertungsverbot nicht anzuerkennen ist, kommt im Streitfall ein Verwertungsverbot im Wege einer sog. Fernwirkung einer möglicherweise im Rahmen des § 194 Abs. 3 AO 1977 rechtswidrigen Anfertigung von Kontrollmitteilungen jedenfalls nicht in Betracht.
Der Senat kann allerdings in der Sache nicht abschließend entscheiden, da das FG —von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht— keine Feststellungen zu den vom FA für die vorgenommenen Hinzuschätzungen (vgl. dazu , BFH/NV 1995, 373) zugrunde gelegten, auf den von den Saalmietern erteilten Auskünften beruhenden tatsächlichen Schätzungsgrundlagen getroffen hat (vgl. dazu , BFH/NV 1999, 741). Ebenso wenig hat das FG Feststellungen zu den die Höhe der Schätzungen und die Festsetzung von Unsicherheitszuschlägen beeinflussenden Gesamtumständen, wie sie u.a. dem Aktenvermerk des Betriebsprüfers vom zu entnehmen sind, getroffen.
Fehlende ausreichende Feststellungen stellen einen materiellen Mangel des Urteils dar, der auch ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670).
1. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob die Erhebung der Namen und Anschriften der Saalmieter durch die Regelungen in § 194 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AO 1977 gedeckt war; denn auch bei Annahme eines insoweit rechtswidrigen Vorgehens der verschiedenen Prüfer führt dieses weder zur Rechtswidrigkeit der späteren Auskunftsbegehren noch zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der wesentlich auf der Grundlage der Auskünfte der Saalmieter beruhenden Hinzuschätzungen bei der Klägerin.
a) Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 dient die Außenprüfung grundsätzlich der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen. Werden anlässlich einer Außenprüfung Verhältnisse anderer als der in Abs. 1 genannten Personen festgestellt, so ist die Auswertung dieser Feststellungen insoweit zulässig, als ihre Kenntnis für die Besteuerung (vgl. § 199 Abs. 1 AO 1977) dieser anderen Personen von Bedeutung ist (§ 194 Abs. 3 1. Halbsatz AO 1977).
Das Merkmal „anlässlich” verlangt neben einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter auch einen sachlichen Zusammenhang in der Art, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftaucht, der den Prüfer veranlasst, solche Feststellungen zu treffen.
Hierzu muss es sich nicht um einen besonderen Anlass handeln. Vielmehr genügt es, wenn die vom Prüfer einzusehenden Geschäftsunterlagen des Steuerpflichtigen Hinweise auf die Verhältnisse dritter Personen zu geben vermögen, die bei objektiver Betrachtung für deren Besteuerung von Bedeutung sein können (, BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665, 667).
Als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips darf der Prüfer die Geschäftsunterlagen der Steuerpflichtigen nicht gezielt einerseits unter Anlegung eines vorgegebenen Rasters und andererseits nicht „ins Blaue hinein”, d.h. als beliebige Stichprobe, nach steuererheblichen Verhältnissen Dritter durchforsten. Unzulässig ist eine Prüfungstätigkeit, die losgelöst von der konkret angeordneten Außenprüfung unmittelbar und ausschließlich auf die Feststellung der steuerlichen Verhältnisse Dritter und die Fertigung von Kontrollmitteilungen gerichtet ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 196, 4, BStBl II 2001, 665; vom VII B 305/04, BFH/NV 2005, 1226; vom VII B 198/03, BFH/NV 2004, 1216).
Dementsprechend verlässt auch ein an den Steuerpflichtigen zu diesem Zweck gerichtetes Mitwirkungsverlangen den Rahmen des § 200 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 und ist deshalb rechtswidrig. Ein solches Mitwirkungsverlangen liegt außerhalb der durch einen Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse des Prüfers (, juris).
Wie die Außenprüfung hängen auch die aufgrund beliebiger Stichproben gemachten Kontrollmitteilungen nicht von der Steuerpflicht des von der Mitteilung Betroffenen ab (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 194 AO Tz. 31; Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler —HHSp—, § 194 AO Rz. 228; Gosch in Beermann/Gosch, AO, § 194 Rz. 221; Frotscher in Schwarz, AO, § 194 Rz. 48; Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl., § 194 Rz. 30); denn sie dienen gerade Kontrollzwecken und der Sicherstellung einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung. Ihnen kommt deshalb die Funktion als Mittel des Verifikationsprinzips zu (Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 224).
§ 194 Abs. 3 AO 1977 setzt auch keinen Zusammenhang zwischen den Steuerfaktoren bei dem geprüften Steuerpflichtigen und dem Dritten voraus (vgl. Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 194 AO Tz. 32). § 194 Abs. 3 AO 1977 kommt keine abschließende und im Übrigen nur eine klarstellende Bedeutung zu; seine einzige Schranke besteht in § 30 AO 1977 (vgl. Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 194 Rz. 46).
Erstrecken sich indes die Prüfungshandlungen in erster Linie auf die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, so ist der Prüfer im Rahmen dieser konkreten Prüfungstätigkeit befugt, Einsicht in sämtliche relevanten Erlöskonten zu nehmen, um so den steuererheblichen Sachverhalt hinsichtlich des Steuerpflichtigen vollständig und umfassend festzustellen (vgl. auch Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 224 a.E.).
Kann aus den Umständen des Einzelfalles nicht geschlossen werden, dass die Vorlage eines Erlöskontos hauptsächlich darauf abgezielt hat, aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen Kontrollmitteilungen zu erstellen, so stellt sich die Offenlegung steuerlicher Verhältnisse Dritter lediglich als Reflexwirkung einer rechtmäßigen Prüfungstätigkeit bzw. eines rechtmäßigen Vorlageverlangens dar und hält sich innerhalb der dem Prüfer durch den Prüfungsauftrag verliehenen Befugnisse nach § 194 Abs. 1 und 3 AO 1977.
Allerdings hat der Prüfer, sofern er rechtmäßig tatsächliche Erkenntnisse über steuerrelevante Daten Dritter gewinnt, weiterhin zu prüfen, ob er diese Erkenntnisse mittels Kontrollmitteilungen verwerten darf (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1226).
b) Ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils des FG waren die Saalbetriebe aus bestimmten Gründen als prüfungswürdig gemeldet worden, u.a. —wie das FA es nochmals in der Revisionsbegründung verdeutlicht— aufgrund von Kontrollmaterial, von hohen Nachzahlungen, hohen Privatentnahmen, schwankenden Gewinnen und zu niedrigen Aufschlagsätzen.
Im Rahmen dieser Außenprüfungen stellten die Prüfer indes fest, dass die Gastwirte in keinen unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu den Tanzkapellen standen.
Erst danach schrieben die Prüfer Namen und Anschrift der Saalmieter aus den ihnen zu Prüfungszwecken bezüglich der Saalbetriebe vorliegenden Geschäftsunterlagen heraus.
Nach den Feststellungen des FG besteht kein Anlass für die Annahme, die Prüfungen seien lediglich zum Schein durchgeführt worden, um eigentlich Feststellungen (nur) hinsichtlich der Tanzkapellen zu treffen (vgl. dazu auch Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 194 AO Tz. 30).
Ebenso wenig bieten die Feststellungen des FG eine Grundlage dafür, dass die Prüfer sich die Geschäftsunterlagen der tatsächlich geprüften Saalwirte ausschließlich zu dem Zweck hätten vorlegen lassen, um die Saalmieter herauszuschreiben. Vielmehr entspricht es den sachlichen Gegebenheiten einer Außenprüfung, die Erlöskonten für den Prüfungszeitraum zu überprüfen.
Wenn im Zusammenhang mit diesen eindeutig im Rahmen des Prüfungsauftrages liegenden Prüfungshandlungen auch Namen und Anschriften von Saalmietern herausgeschrieben wurden, so liegt jedenfalls die Vermutung nicht ohne weiteres nahe, die Prüfungen hätten eigentlich und primär darauf abgezielt. Im Übrigen bestehen insoweit Zweifel, dass bereits das Festhalten dieser reinen Personendaten Feststellungen bezüglich steuerrelevanter Verhältnisse Dritter darstellen (s.a. Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 212).
c) Das FG hat trotz dieser Aspekte aus im Einzelnen nicht dargestellten Gesamtumständen gefolgert, die Prüfungshandlungen hätten von vornherein auch auf die Erforschung der steuerlichen Verhältnisse der Tanzkapellen abgezielt.
Es mag durchaus sein, dass die Prüfer im Rahmen von Außenprüfungen bei Gastwirten auch ein Augenmerk auf die steuerlichen Verhältnisse der Tanzkapellen richten sollten. Vom Zufallsprinzip gedeckt ist es zudem, bestimmte Geschäftsbeziehungen zu Dritten systematisch aufzuarbeiten. Es besteht keine Beschränkung der Prüfungs- und Kontrollmitteilungsdichte (vgl. Gosch in Beermann/Gosch, a.a.O., § 194 Rz. 239; ausführlich Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 221 und 222, der sich gegen eine zu enge Auslegung des § 194 Abs. 3 AO 1977 ausspricht).
Indes hätte es für die weiterreichende Schlussfolgerung des FG deutlicherer und konkreterer Feststellungen bedurft. So fehlen bereits Angaben zu der Zahl der geprüften Gastwirte, vor allem gemessen an der Gesamtzahl derartiger Betriebe im Einzugsbereich der Betriebsprüfung. Für eine Prüfung aller Gastwirte in einem bestimmten Gebiet („flächendeckende” Überprüfung) gibt es keine Anhaltspunkte. Ausführungen zu dem genauen Ablauf der Prüfungen und möglichen Kriterien, anhand derer etwa bestimmte Mieter erfasst worden sind, enthält das Urteil nicht.
Soweit das FG in diesem Zusammenhang ausführt, das FA habe kurz vor Beginn der Außenprüfungen bei den Saalbetrieben Zweifel an der Vollständigkeit der von der Klägerin erklärten Umsätze geäußert, wird damit nicht belegt, dass die Außenprüfungen bei den Gastwirten nicht der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse dieser Personen dienen sollten.
Selbst wenn mit dem FG von einer rasterfahndungsähnlichen flächendeckenden Prüfung von Gastwirten ohne konkreten Anlass („ins Blaue hinein”) auszugehen wäre, so leitet das FG hieraus aber zu Unrecht ein zu Gunsten des Dritten, der Klägerin, wirkendes absolutes Verwertungsverbot ab, dazu im Einzelnen unter II. 4. der Gründe dieses Urteils.
d) § 194 Abs. 3 AO 1977 stellt im Übrigen eine zu Gunsten des geprüften Steuerpflichtigen bestehende Schutzvorschrift dar (Urteil des FG Baden–Württemberg vom 3 K 240/98, EFG 2003, 1140; Eckhoff in HHSp, § 194 AO Rz. 222).
Der Schutzbereich erfasst somit nicht Geschäftspartner des Steuerpflichtigen; § 194 Abs. 3 AO 1977 soll lediglich verhindern, dass ein Steuerpflichtiger im Verlauf einer wegen seiner Besteuerung durchgeführten Prüfung auch noch unbeschränkt als Auskunftsperson über die Geschäfte weiterer Steuerpflichtiger herhalten soll.
Der Steuerpflichtige kann schließlich ein Mitwirkungsverlangen anfechten und sich gegen das Erstellen von Kontrollmitteilungen mit einer Unterlassungsklage wehren (Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 194 Rz. 49).
Selbst wenn das Erstellen von Kontrollmitteilungen gegen gesetzliche Verpflichtungen verstoßen hätte, so könnten sie jedenfalls dann ausgewertet werden, wenn sich der eigentlich betroffene Steuerpflichtige nicht gegen diese Maßnahmen gewehrt hat (vgl. Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 194 Rz. 49; a.A. Klein/Rüsken, a.a.O., § 194 Rz. 33, wonach eine Verwertung rechtswidriger Kontrollmitteilungen entgegen der Rechtsprechung und herrschenden Meinung im Schrifttum im Interesse der Folgenbeseitigung im Besteuerungsverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen soll; ferner Schwaben, Der Betrieb —DB— 2002, 1908).
2. a) Nach § 93 Abs. 1 AO 1977 haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Im Rahmen ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt zur Durchsetzung materiell-rechtlich begründeter Steueransprüche aufzuklären (§§ 85, 88 AO 1977), darf sich die Finanzbehörde derjenigen Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält (§ 92 Satz 1 AO 1977). Zu diesen Beweismitteln zählen auch Auskünfte anderer Personen als der Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 92 Satz 2 Nr. 1 AO 1977). Die rechtliche Befugnis zu solchen Auskunftsverlangen ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AO 1977. Die Inanspruchnahme dieser Befugnisse verstößt grundsätzlich nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze (, BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.; dazu Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom 1 BvR 1213/00, BStBl II 2002, 142).
Die Auskunftspflicht anderer Personen ist —wie die allgemeine Zeugenpflicht— eine allgemeine Staatsbürgerpflicht und verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
b) Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 soll die Finanzbehörde zunächst versuchen, die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Auskünfte von dem Steuerpflichtigen selbst zu erlangen, ehe andere Personen zur Auskunft angehalten werden. Ein Auskunftsersuchen an Dritte, d.h. an dem Besteuerungsverfahren nicht beteiligte Personen, soll erst ergehen, wenn die Sachverhaltsaufklärung nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Für ihr Tätigwerden bedürfen die Finanzbehörden eines hinreichenden Anlasses. Ermittlungen „ins Blaue hinein” sind unzulässig (, BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277; vom VIII R 33/95, BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; Nichtannahmebeschluss des , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1989, 440 zum , BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist zwischen der weiter gehenden Aufgabenzuweisung für die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AO 1977, im Rahmen von Prüfungen unbekannte Steuerquellen aufzudecken (vgl. , BFH/NV 1992, 791; , BFHE 192, 260, BStBl II 2000, 648, m.w.N.) und den zur Erfüllung dieser Aufgaben verliehenen Befugnissen andererseits (§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) zu unterscheiden (, BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495).
In steuerverfahrensrechtlicher Hinsicht stehen der Steuerfahndung grundsätzlich diejenigen Ermittlungsbefugnisse zu, die die Finanzämter im Besteuerungsverfahren auch haben (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977). Deshalb kann auch insoweit auf die Rechtsprechung des BFH zu Auskunftsersuchen der Steuerfahndung nach § 93 Abs. 1 AO 1977 zurückgegriffen werden. Umgekehrt lässt die Aufgabenzuweisung an die Fahndungsstellen die Aufgaben und Befugnisse der Finanzämter unberührt (vgl. § 208 Abs. 3 AO 1977). Die Finanzämter sind nicht gehindert, in derselben Sache wie die Fahndung tätig zu werden oder sich sogar bestimmte Ermittlungen vorzubehalten. Sie können z.B. eine Außenprüfung anordnen oder selbst Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 AO 1977 durchführen (zur Abgrenzung vgl. , BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.). Die Finanzbehörden dürfen das nach ihrer Auffassung zweckmäßigste Mittel für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, und zwar auch im Hinblick auf eine mögliche Steuerstraftat, auswählen. Dies gilt gleichermaßen, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Steuerpflichtige den steuerlich erheblichen Sachverhalt offenlegt. Auch in einem solchen Fall besteht regelmäßig kein zwingender Anlass, die Verwaltung von vornherein ausschließlich auf den Einsatz der Steuerfahndung zu verweisen (vgl. , BFHE 186, 506, BStBl II 1999, 7, m.w.N.; , BFH/NV 2003, 1034, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 208 AO Tz. 129 und 130, m.w.N.; Kock in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 208 AO Rz. 73 ff.).
Ein hinreichender Anlass liegt nicht erst vor, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Umstände oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist (BFH-Beschluss in BFHE 198, 42, BStBl II 2002, 495; BFH-Urteile in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom VII R 106/89, BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010; in BFH/NV 1992, 791; ferner bereits der Beschluss des Großen Senats des , BFHE 91, 351, BStBl II 1968, 365, 369).
Danach dürfen Auskünfte von anderen Personen schon dann eingeholt werden, wenn die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Tätigkeit —sei es aufgrund konkreter Momente, sei es aufgrund allgemeiner Erfahrung— zu dem Ergebnis gelangt ist, die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen (ferner , BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56, unter C. III. 3. ee der Gründe).
Das Schrifttum stimmt dieser Rechtsprechung ganz überwiegend zu (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz. 11 und die nachgewiesene Rechtsprechung in Fn. 4).
Zu den steuerlich erheblichen Tatsachen zählt alles, was die finanzbehördlichen Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren beeinflussen kann (vgl. Schuster in HHSp, § 93 AO Rz. 10).
Die in diesem Sinne erheblichen, mitzuteilenden „Tatsachen” müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung möglich sein (BFH–Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359, ständige Rechtsprechung). Die Finanzbehörde hat hierüber im Wege einer vorweggenommenen Beweiswürdigung zu befinden (BFH–Urteile in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499; vom VII R 89/88, BFHE 156, 88, BStBl II 1989, 537, ständige Rechtsprechung). Im Interesse der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung und zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen Verifikationsprinzips sind die Anforderungen an diese Prognoseentscheidung nicht zu hoch anzusetzen (vgl. BFH–Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277). Insbesondere darf noch unklar sein, ob der Vorgang steuerbar ist und ob er im Ergebnis zu einer Steuerpflicht führt. § 93 Abs. 1 AO 1977 ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass möglicherweise eine Steuerschuld entstanden oder die Steuer verkürzt worden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277).
Nur dann, wenn klar und eindeutig jeglicher Anhaltspunkt für die Steuererheblichkeit fehlt, ist das Auskunftsverlangen rechtswidrig (BFH-Urteil in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277).
Für die notwendige Prognoseentscheidung darf auch auf eine branchenspezifische Erfahrung zurückgegriffen werden (, BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198, m.w.N.; in BFHE 161, 423, BStBl II 1990, 1010; in BFH/NV 1992, 791; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 93 AO Tz. 5; Schuster in HHSp, § 93 AO Rz. 3; ausführlich Söhn in HHSp, § 86 AO Rz. 45, wonach für die Veranlassung zu Ermittlungsmaßnahmen abstrakte Anhaltspunkte ausreichen). Der I. Senat des BFH lässt im Urteil vom I R 101/87 (BFHE 159, 98, BStBl II 1990, 280) sogar Sammelauskunftsersuchen nach § 93 AO 1977 zu, verlangt allerdings, dass für die Prognoseentscheidung entweder ein Erfahrungssatz festgestellt oder zumindest offenkundig sein müsse. Die bloße Tatsache, dass Gesetze allgemein und Steuergesetze im Besonderen nicht immer beachtet werden, reiche nicht aus.
Auch das BVerfG hat die Rechtsprechung verfassungsrechtlich als unbedenklich gebilligt (Beschluss des BVerfG in HFR 1989, 440).
Ist die Identität des Beteiligten nicht bekannt, sondern soll sie durch das Auskunftsersuchen erst festgestellt werden, sind Aufklärungsmaßnahmen unter Zuhilfenahme des Beteiligten nicht durchführbar. Die Auskunft soll gerade dazu dienen, den Beteiligten festzustellen. Eine wortgetreue Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 könnte nicht zu dem angestrebten Ziel führen und wäre folglich sinnwidrig (, BFHE 131, 187, BStBl II 1980, 699; vom VII R 2/80, BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141). Als „Soll-Vorschrift” bringt § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zum Ausdruck, dass die Behörde zwar in der Regel nach ihr verfahren muss, jedoch in atypischen Fällen von ihr abweichen darf. Ob ein atypischer Fall vorliegt, ist am Zweck der Regelung zu messen. Ein für § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 atypischer Fall ist gegeben, wenn der Beteiligte unbekannt ist und deshalb schon eine Auskunft über seine Person erforderlich wird. Die Behörde muss bei der Ermittlung der Person des Beteiligten nicht solange auf die Inanspruchnahme einer anderen Person verzichten, bis sie alle Möglichkeiten, den Beteiligten selbst zur Auskunft über seine Person zu veranlassen, ausgeschöpft hat (BFH-Urteil in BFHE 134, 231, BStBl II 1982, 141).
Für das Auskunftsersuchen reicht die allgemeine Erfahrung der Verwaltung, dass der Bereich der privaten Musikkapellen für steuerliche Unregelmäßigkeiten besonders anfällig ist (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 158, 502, BStBl II 1990, 198).
Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass die Steuerverwaltung über die notwendige allgemeine, insbesondere aber eine branchenspezifische Erfahrung verfügt und bei welchen Betrieben steuerunehrliches Verhalten gehäuft in Erscheinung tritt (vgl. z.B. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1992, 791, wonach es allgemeiner Erfahrung entspreche, der Bereich „Yachten” sei für steuerliche Unregelmäßigkeiten besonders anfällig).
c) Das Auskunftsrecht unterliegt den allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen. Die verlangte Auskunft muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und die Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein (BFH-Urteile in BFHE 162, 539, BStBl II 1991, 277; in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366). Die Inanspruchnahme Dritter zur Auskunftserteilung bedarf darüber hinaus einer Interessenabwägung zwischen den besonderen Belastungen, denen ein Auskunftspflichtiger ausgesetzt ist und den Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst gleichmäßigen Festsetzung und Verwirklichung der Steueransprüche (, BFHE 203, 257, BStBl II 2004, 36).
d) Gemäß § 92 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 AO 1977 steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde (§ 5 AO 1977), ob sie den Dritten und ggf. von mehreren welchen sie zur Auskunftserteilung in Anspruch nimmt. Die Ermessensentscheidung ist zu begründen (§ 93 Abs. 2, § 121 Abs. 1 AO 1977). Der BFH (Urteil in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366) hat es allerdings offen gelassen, ob im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestandes in § 93 Abs. 1 AO 1977 und aufgrund der Beachtung der rechtsstaatlichen Erfordernisse durch die Behörde die Ermessensausübung durch die getroffene Rechtsentscheidung bereits in der Weise vorgeprägt ist, dass auf eine weitere Begründung im Auskunftsersuchen verzichtet werden kann. Jedenfalls reicht es bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Sätze 1 und 3 AO 1977 aus, dass die Begründungsanforderungen aus § 93 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 3 AO 1977 beachtet werden. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ist in dem Auskunftsersuchen anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder einer anderen Person angefordert wird (BFH-Urteil in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366).
3. Nach diesen Maßstäben sind die Auskunftsersuchen an die Saalmieter rechtlich nicht zu beanstanden.
Das beklagte FA hatte jeweils für die Streitjahre 1995 bis 1997 Aufstellungen von der Klägerin über die Zahl der Auftritte und die dabei vereinnahmten Entgelte angefordert. Die Klägerin hat sowohl für diese drei Jahre als auch für das weitere Streitjahr 1998 Aufstellungen ein- bzw. nachgereicht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, ob und ggf. in welcher Höhe die Klägerin zusätzliche, bislang noch nicht erklärte Einnahmen aus weiteren Auftritten erzielt hatte, bestanden für das beklagte FA nicht. Das FA hatte allerdings allgemein die Erkenntnis gewonnen, dass privat auftretende Musikgruppen ihren Erklärungspflichten nicht, zumindest aber nicht in vollem Umfang nachkommen. Für das FA stellte sich im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens auch nicht die Alternative, erneut an die Klägerin wegen zusätzlicher Auskünfte heranzutreten. Vielmehr musste es sich an die Saalmieter als die potentiellen Auftraggeber von Musikkapellen wenden, um überhaupt die Beteiligten feststellen zu können. Die verlangten Auskünfte waren geeignet, mögliche, bislang nicht erklärte Einnahmen von Musikkapellen aufzudecken.
Die Auskunftsersuchen waren notwendig, weil eine weitere Aufklärung durch die Klägerin bzw. andere Musikkapellen über bislang verschwiegene Einnahmen nicht zu erwarten war. Die Erwägung des FG, das FA hätte stattdessen eine Außenprüfung bei der Klägerin durchführen und dabei konkrete Feststellungen treffen können, erscheint angesichts der Vorgehensweise der Klägerin, nämlich die Honorare ohne Quittungen bar zu vereinnahmen und den Auftritt nicht buchmäßig zu erfassen, kaum erfolgversprechend. Ebenso wenig vermag der Hinweis des FG weiterzuführen, bei den Gaststätten im Wege von Einzelermittlungen gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 anhand der aufgezeichneten Auftritte und deren Anzahl Nachforschungen anzustellen, ob diese Angaben zutreffend seien. Wie das FG festgestellt hat, bestanden keine Rechtsbeziehungen zwischen den Saalwirten und der Klägerin bzw. anderen Musikgruppen. Ein anderes Aufklärungsmittel als die Auskunftsersuchen an die Saalmieter stand dem FA nicht zur Verfügung; nur die Mieter konnten als Auftraggeber der Musikgruppen überhaupt Auskünfte erteilen.
Die Anfragen an die einzelnen Mieter waren auch nicht unverhältnismäßig. Die Auskünfte verursachten allenfalls bei den ersuchten Mietern einen geringen Aufwand und führten keinesfalls zu einer für diese unangemessenen Belastung. Insbesondere konnten den Mietern keine steuerlichen Nachteile aus etwaigen Auskünften erwachsen.
Die Auskunftserteilung war den Mietern auch zumutbar. Außerordentliche Umstände in der Person der Auskunftspflichtigen oder aufgrund der Art der begehrten Auskunft, die ausnahmsweise ein Verschweigen hätten rechtfertigen können, wie z.B. ein Eindringen in die durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte persönliche Intimsphäre der Auskunftsverpflichteten oder auch einer anderen Person sind nicht festgestellt worden und auch nicht erkennbar.
Die Auskunftsersuchen entbehren auch nicht deshalb einer Rechtsgrundlage, weil sie im Rahmen sog. Rasterfahndungen oder ähnlicher Ermittlungen „ins Blaue hinein” gestellt worden wären (vgl. dazu Urteil des Senats in BFHE 183, 45, BStBl II 1997, 499, m.w.N.). Unbeschadet der fehlenden genauen Feststellungen, ob sämtliche bei den geprüften Gastwirten erfassten Saalmieter auch um Auskunft ersucht worden sind, war jedenfalls der Kreis der als Auskunftspflichtige in Anspruch zu nehmenden Personen insoweit zwangsläufig begrenzt. Die Auskunftsersuchen betrafen eine homogene Gruppe, nämlich Tanzkapellen (vgl. auch Urteil des , EFG 2006, 232, Revision VII R 63/05).
Das FA hat sein Ermessen bei der Inanspruchnahme fehlerfrei ausgeübt und seine Ermessensentscheidung auch ausreichend begründet. Aus den Auskunftsersuchen ist für die Adressaten eindeutig erkennbar, worüber eine Auskunft begehrt wurde und dass die erteilten Auskünfte nicht für die Besteuerung der Auskunftspflichtigen bedeutsam seien.
Der Senat braucht danach nicht auf die weitere Rechtsfrage einzugehen, ob sich die Klägerin schon deshalb nicht auf eine vermeintliche Rechtswidrigkeit der Auskunftsersuchen berufen darf, weil sie mangels Anfechtung durch die Adressaten selbst bestandskräftig geworden sind.
Der BFH hat im Übrigen mehrfach die Berufung eines Dritten auf ein Verwertungsverbot verneint, wenn der unmittelbar Betroffene die Maßnahme selbst nicht angefochten hat (vgl. , BFHE 142, 402, BStBl II 1985, 191; vom IV R 154/82, BFHE 140, 505, BStBl II 1984, 512).
4. Das FA war auch nicht an der Verwertung der erteilten Auskünfte im Rahmen der bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung und der darauf beruhenden Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 1995 bis 1998 gehindert.
a) Ungeachtet der gegen die Gesellschafter der Klägerin eingeleiteten Ermittlungsverfahren (vgl. Einleitungsverfügungen vom ) bleiben die beschuldigten Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren entsprechend der in der AO 1977 enthaltenen gesetzlichen Regelung zur Mitwirkung, insbesondere bei der Aufklärung des Sachverhalts, verpflichtet (BFH-Beschlüsse vom XI B 6/01, BFHE 196, 200, BStBl II 2002, 4, m.w.N.; vom X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594; , BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328).
Nach § 393 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind im Besteuerungs- und im Strafverfahren die für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften anzuwenden. Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren stehen grundsätzlich unabhängig und gleichrangig nebeneinander. Die Gesellschafter der Klägerin sind im Rahmen der Einleitungsverfügungen vom betreffend die steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über ihre Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren gemäß § 393 Abs. 1 AO 1977 ordnungsgemäß belehrt worden. Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, ist sie gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege zu ermitteln. Die Betriebsprüfung des beklagten FA hatte den steuerlichen Beratern der Klägerin wunschgemäß mit Schreiben vom eine Aufstellung der Schätzungsbeträge übermittelt. Diese haben mit Schriftsatz vom dem FA mitgeteilt, die Gesellschafter seien nach § 393 Abs. 1 AO 1977 nicht zur Mitwirkung verpflichtet und verzichteten auf eine Schlussbesprechung. Der Klägerin bzw. ihren Gesellschaftern ist damit hinreichend Gelegenheit gegeben worden, zu den Ergebnissen der Auskunftsersuchen und den Schlussfolgerungen des Prüfers vor Abschluss der Außenprüfung und insbesondere vor Erlass der auf den Prüfungsfeststellungen beruhenden Änderungsbescheide ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wahrzunehmen.
b) Entgegen der Rechtsauffassung des FG liegen keine derart schwerwiegenden Gründe vor, dass ausnahmsweise, sofern die erstellten Kontrollmitteilungen —isoliert betrachtet— rechtswidrig wären und einem Verwertungsverbot unterlägen, auch die aufgrund der anschließenden rechtmäßigen Auskunftsersuchen gewonnenen Erkenntnisse infiziert wurden und damit gleichfalls einem Verwertungsverbot unterlägen.
aa) Für die Frage, ob rechtswidrig ermittelte Tatsachen einem Verwertungsverbot unterliegen, ist nach der Rechtsprechung zwischen einem materiell-rechtlichen und einem formellen Verwertungsverbot zu unterscheiden.
Der Senat hat in seinem Grundsatzurteil vom VIII R 4/94 (BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461) sowohl diese differenzierende Rechtsauffassung ausführlich begründet als auch die Unterscheidung zwischen einfachen verfahrensrechtlichen Mängeln, die nicht zu einem endgültigen Verwertungsverbot führen, und qualifizierten materiell-rechtlichen Verwertungsverboten herausgearbeitet. Den dort entwickelten Grundsätzen haben sich weitere Senate des BFH uneingeschränkt angeschlossen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328, wonach das Steuerrecht kein generelles Verwertungsverbot kennt; vom IX R 24/94, BFH/NV 1998, 1192, wonach bei Vorbehaltsbescheiden generell kein Verwertungsverbot zum Zuge kommt; BFH-Beschlüsse vom II B 13/02, BFH/NV 2005, 58; vom V B 74/01, BFH/NV 2002, 1279, wonach ein Verwertungsverbot trotz Durchsuchung von Geschäftsräumen ohne Vorliegen eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses zu verneinen sei; vom VII B 265/00, BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464).
Ein qualifiziertes materielles Verwertungsverbot liegt vor, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzen. Die so ermittelten Tatsachen sind schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar. Der Verstoß kann auch nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden (Söhn in HHSp, § 88 AO Rz. 309, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 196 Rz. 17a).
Handelt es sich hingegen nur um formelle Verstöße gegen Verfahrensvorschriften —wie sich dies im Regelfall im Steuerrecht darstellen wird—, so kann es lediglich zu einem „einfachen” Verwertungsverbot kommen, sofern die Prüfungsmaßnahmen erfolgreich angefochten oder nach Beendigung der Prüfung zumindest ihre Rechtswidrigkeit gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO festgestellt worden ist. Fehlt es an einer Prüfungsanordnung oder stellen die beanstandeten Prüfungsmaßnahmen keine Verwaltungsakte dar, so ist die Rechtmäßigkeit inzident im Rahmen der Anfechtung der Steuerbescheide mitzuprüfen (BFH-Urteile in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461; in BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328).
Mitwirkungsverlangen im Rahmen von Außenprüfungen sind in aller Regel als selbständig anfechtbare Verwaltungsakte zu qualifizieren (vgl. , BFHE 187, 386, BStBl II 1999, 199, m.w.N., sofern es sich nicht ausnahmsweise um nicht erzwingbare Auskünfte über steuermindernde Sachverhalte handelt).
bb) Darüber hinaus hat der Senat mit Urteil in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Erstbescheid (vgl. , BFHE 164, 495, BStBl II 1991, 825; vom XI R 43-45/89, BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232), auch für nach § 164 Abs. 2 AO 1977 ergehende Änderungsbescheide grundsätzlich ein Verwertungsverbot verneint (vgl. , BFH/NV 2002, 748, m.w.N.), auch wenn die zur Änderung führenden Tatsachen im Rahmen einer Außenprüfung verfahrensfehlerhaft ermittelt worden sein sollten.
Diese Einschränkung des allgemeinen verfahrensrechtlichen Verwertungsverbots beruht auf der Überlegung, dass das FA zur Ermittlung des Sachverhalts für eine erstmalige Steuerfestsetzung keiner förmlichen Prüfungsanordnung bedarf. Vielmehr ist es zur Erforschung des steuerrechtlich erheblichen Sachverhalts nach den §§ 85, 88 f. AO 1977 von Amts wegen verpflichtet und darf den Steuerpflichtigen dazu gemäß § 90 Abs. 1 AO 1977 heranziehen. Die Berechtigung zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts für die erstmalige Steuerfestsetzung wird auch nicht durch eine eventuelle fehlerhafte Begründung für die Sachverhaltsermittlung beeinträchtigt. Verfahrensrechtliche Verstöße bei der Aufklärung des Sachverhalts, selbst wenn sie ein Verwertungsverbot zur Folge hätten, könnten im Rahmen der nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 gebotenen vollständigen neuen Sach- und Rechtsprüfung im Einspruchsverfahren —wiederum unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen (§ 365 Abs. 1, § 90 Abs. 1 AO 1977)— geheilt werden.
In gleicher Weise bleibt die Pflicht zur unbeschränkten Aufklärung des Sachverhalts bei einer Anfechtung der erstmaligen Steuerfestsetzung für das FG bestehen (§ 76 Abs. 1 FGO; BFH-Urteil in BFHE 179, 353, BStBl II 1996, 232, 236).
Nicht anders ist die verfahrensrechtliche Situation bei Vorbehaltsbescheiden (, BFH/NV 1995, 572; in BFH/NV 1998, 1192; BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 1279; vom V B 88/01, BFH/NV 2002, 748).
Der Senat hat unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 127 AO 1977 angenommen, dass das Interesse an einer gesetz- und gleichmäßigen Steuerfestsetzung dasjenige der Steuerpflichtigen an einem formal rechtmäßigen Verfahren überwiegt. Zusätzlich sieht er sich durch den weiteren Gesichtspunkt in seiner Rechtsauffassung bestärkt, dass gerade in Fällen, in denen der Verwaltung lediglich formelle Mängel unterlaufen sind, die Rechtsprechung grundsätzlich eine Wiederholungsprüfung als zulässig erachtet. Der formelle Rechtsfehler führt mithin regelmäßig zu keinem endgültigen materiell-rechtlichen Verwertungsverbot (BFH-Urteil in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
Die Rechtsprechung verneint nicht nur in Besteuerungsverfahren ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind, sondern ebenso ein allgemeines steuerrechtliches Verwertungsverbot aufgrund einer Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der Informationsgewinnung (vgl. auch , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 3205, wonach sogar im Strafverfahren kein generelles Verwertungsverbot bei fehlerhafter Beweiserhebung besteht).
Zu Recht hat das FA darauf hingewiesen, dass im Streitfall keine schwerwiegenden sonstigen Verstöße vorliegen, wie z.B. grundgesetzwidrige Aufklärungsmethoden, die —ausnahmsweise— die Ermittlungsergebnisse einem materiell-rechtlichen (endgültigen) Beweisverwertungsverbot unterwerfen würden (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461, m.w.N.).
cc) Danach braucht der Senat bereits aus diesem Grunde, da sämtliche angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, nicht abschließend zu entscheiden, ob die Kontrollmitteilungen auf Feststellungen beruhen, die unter Verstoß gegen die in der Rechtsprechung zur Auslegung und Anwendung des § 194 Abs. 3 AO 1977 entwickelten Maßstäbe getroffen worden sind.
Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für ein qualifiziertes materielles Verwertungsverbot auch nicht vor.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung soll den Bürger davor schützen, nicht mehr zu wissen, wer was wann und bei welchen Gelegenheiten über ihn erfährt. Darum geht es indes bei Kontrollmitteilungen und Auskunftsverlangen der Finanzbehörden gerade nicht; denn diese Daten dürfen ausschließlich für das Besteuerungsverfahren verwendet werden und die Finanzbehörde ist insoweit an das Steuergeheimnis nach § 30 AO 1977 gebunden (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359). Unter diesen Umständen besteht gerade keine Gefahr dafür, die sonst insbesondere mit modernen Technologien der Informationsverarbeitung verbunden sind. Vor allem aber geht es nicht um Auskünfte, die die Intimsphäre oder eine zumindest erhöhte schutzwürdige Privatsphäre betreffen (s. auch BFH-Urteil in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366). Vielmehr betätigen sich die Musikkapellen typischerweise erwerbswirtschaftlich und damit marktoffen (vgl. , BVerfGE 84, 239, 268, BStBl II 1991, 654, 664; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, § 27 Rz. 2.222; Kirchhof in Vogelgesang, Perspektiven der Finanzverwaltung, S. 1, 15; Breuer in Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von J. Isensee und P. Kirchhof, Bd. VI, § 148 Rz. 26 und 27).
Insbesondere ist dem Anspruch auf Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen das verfassungsrechtliche Gebot einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung aller Steuerpflichtigen gegenüberzustellen. Die gleichmäßige Besteuerung beginnt indes zu allererst mit der besseren Erfassung und Ermittlung der Verhältnisse der Steuerpflichtigen (vgl. Tipke, a.a.O., § 27 Rz. 2.3).
dd) Nach den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angefochtenen Feststellungen des FG soll das FA (auch) zielgerichtet die Außenprüfung bei den Gastwirten zur Überprüfung der Tanzkapellen durchgeführt haben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese anhand der Gesamtumstände vorgenommene tatsächliche Würdigung des FG zumindest vertretbar ist und deshalb den Senat bindet (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. dazu , BFHE 209, 211, BStBl II 2005, 488, m.w.N.). Denn die möglicherweise rechtswidrig erstellten Kontrollmitteilungen entfalten jedenfalls keine Fernwirkung in dem Sinne, dass die darauf beruhenden Auskunftsbegehren nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 an die Saalmieter und die darauf beruhenden weiteren Feststellungen des FA ebenfalls allein deshalb als rechtswidrig zu beurteilen wären und ggf. einem Verwertungsverbot unterliegen könnten.
In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage derartiger sog. Fernwirkungen für das Besteuerungsverfahren bislang noch nicht geklärt worden.
Im Strafprozess wird eine Fernwirkung sog. Beweisverwertungsverbote vom Bundesgerichtshof —BGH— (Urteile vom 5 StR 666/86, BGHSt 34, 362; vom 3 StR 136/83, BGHSt 32, 68, 71: Generell keine Fernwirkung; krit. dazu Anm. von Wolter in Neue Zeitschrift für Strafrecht —NStZ— 1984, 276; ferner , BGHSt 29, 244, das aufgrund einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung einerseits und dem Maß zulässiger Beschränkung der betroffenen Grundrechte entscheiden will) im Regelfall abgelehnt und bislang nur für Beweisverwertungsverbote bei Verstößen gegen das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG angenommen (vgl. auch BFH–Beschluss in BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464). Teilweise wird auch geprüft, ob das Beweismittel auf rechtmäßige Weise hätte erlangt werden können —sog. hypothetischer Ersatzeingriff— (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 48. Aufl., Einleitung Rz. 57 und 57a, m.w.N.; § 136a Rz. 31). Im strafprozessualen Schrifttum wird überwiegend eine Abwägung zwischen den bei der Ermittlung begangenen Rechtsverletzungen und der Bedeutung des Tatvorwurfs befürwortet (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 136a Rz. 31; Reinecke, Die Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten, 1990, S. 14 ff.).
Im steuerrechtlichen Schrifttum werden unterschiedliche Ansichten vertreten (vgl. Schenk, Beweisverwertungsverbote im Abgabenrecht, 2006, S. 47 ff., mit Nachw. zum deutschen Schrifttum; Bruder, Beweisverwertungsverbote im Steuerrecht und Steuerstrafrecht, 2000, S. 35 f. und 63 f.). Teilweise wird generell eine Fernwirkung verlangt und dabei auf die nordamerikanische Doktrin „fruit of the poisonous tree-doctrine” zurückgegriffen, nach der auch mittelbare Beweisergebnisse stets einem Verwertungsverbot unterliegen. Auch spätere, isoliert betrachtet, rechtmäßige Ermittlungsmaßnahmen bzw. Wiederholungsprüfungen sollen an dem Verwertungsverbot nichts ändern können (Gosch in Beermann/Gosch, a.a.O., § 196 Rz. 131; Schröder/Muuss, Handbuch der steuerlichen Betriebsprüfung, Praxis des Verwertungsverbotes, Fach 6055 C IV: Aus präventiven Gründen; Streck, Die Außenprüfung, 2. Aufl., Rz. 154 und 778; Hellmann in HHSp, § 393 AO Rz. 124 ff. und 127, tritt für das Besteuerungsverfahren —anders als für den Strafprozess— für eine generelle Nichtverwertbarkeit rechtswidrig gewonnener Erkenntnisse ein, weil der Sicherstellung des staatlichen Steueraufkommens ein geringeres Gewicht zukomme als dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse).
Überwiegend wird eine differenzierte Auffassung in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH vertreten (vgl. Söhn in HHSp, § 88 AO Rz. 334, m.w.N.; Eckhoff in HHSp, Vor §§ 193 bis 203 AO Rz. 608, m.w.N.; Wenzig, Deutsche Steuer-Zeitung —DStZ— 1984, 172). Was unter Verletzung eines Ermittlungsverbots ermittelt worden sei, soll nicht verwertet werden dürfen. D.h. unmittelbar auf rechtswidrige Weise verschaffte Tatsachenerkenntnisse oder Beweismittel dürfen nicht verwertet werden. Bei qualifizierten Grundrechtsverstößen oder für in strafbarer Weise von der Finanzbehörde erlangte Erkenntnismittel wird eine Fernwirkung auch bezüglich bloß mittelbar —isoliert betrachtet rechtmäßig— erlangter Beweismittel bejaht, weil anderenfalls die zur Wahrung verfassungsrechtlich geschützter Positionen notwendigen Verwertungsverbote ausgehöhlt werden könnten (vgl. Söhn in HHSp, § 88 AO Rz. 308, 309 und 334; Wenzig, DStZ 1984, 172).
Hingegen sollen Ermittlungsergebnisse, die gleichzeitig oder im Nachhinein aufgrund einer als solcher rechtmäßig durchgeführten Aufklärungsmaßnahme und in Form eines selbständigen Erkenntnismittels gewonnen oder bestätigt worden sind, verwertbar bleiben. Insoweit wird eine Fernwirkung von Verwertungsverboten abgelehnt (vgl. Söhn in HHSp, § 88 AO Rz. 335, m.w.N.; im Ergebnis ebenso Eckhoff in HHSp, Vor §§ 193 bis 203 AO Rz. 610; Wenzig, DStZ 1984, 172, 175; Hildebrandt, Deutsches Steuerrecht —DStR— 1982, 20, 24; , EFG 1977, 191, 192).
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass eine Fernwirkung von Verwertungsverboten allenfalls bei qualifizierten, grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen in Betracht kommt.
Fehlt es an einem derart schwerwiegenden Verfahrensmangel, insbesondere an einem grundrechtsrelevanten Verstoß, einer unmittelbaren Ermittlungsmaßnahme, so ist es bei der gebotenen Abwägung zwischen den Individualinteressen von Steuerpflichtigen, nicht auf Grund verfahrensfehlerhafter Ermittlungsmaßnahmen mit einer materiell-rechtlich an sich zutreffenden Steuer belastet zu werden, und der Pflicht des Staates, eine gesetzmäßige und gleichmäßige Steuerfestsetzung zu gewährleisten (vgl. dazu auch BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 271, BStBl II 1991, 654, 665, unter C. I. 1. c der Gründe; Tormöhlen, DStZ 2001, 850, 855; ferner Wilcke, Steuerliche Vierteljahresschrift —StVj— 1990, 341, 357), gerechtfertigt, eine Fernwirkung eventueller Verwertungsverbote auch auf spätere, rechtmäßig erlangte Ermittlungsergebnisse zu verneinen. Die nordamerikanische „fruit of the poisonous tree-doctrine” verfolgt einen anderen Zweck; sie soll nämlich vornehmlich der Disziplinierung der Polizei dienen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einleitung Rz. 57, m.w.N.).
Im Ergebnis haben die Kontrollmitteilungen zwar zu den Musikkapellen hingeführt. Da diese im Zeitpunkt der Erstellung der Kontrollmitteilungen indessen noch unbekannt waren, kann darin noch keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Klägerin selbst gesehen werden. Die bloße Benennung durch die Auskunftsverpflichteten enthält ebenfalls keinen nachhaltigen inkriminierenden Vorwurf. Ansonsten müssen die gesetzlichen Meldepflichten etwa von Verlagen bezüglich von Honoraren an die Finanzämter sämtlich verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen, weil sie den stillschweigenden Vorwurf enthielten, die Empfänger könnten diese Beträge eventuell nicht erklären und versteuern. Ebenso wäre der millionenfache Lohnsteuerabzug inkriminierend.
Soweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ins Feld geführt wird, ist die Musikkapelle gerade nicht privat aus Gefälligkeit aufgetreten, sondern wurde nachhaltig erwerbswirtschaftlich am Markt tätig. Wer öffentlich seinem Gelderwerb nachgeht und sich entsprechend anbietet, ist nicht in besonderer Weise schutzbedürftig, wenn es um die Feststellung dieses Tatbestandes geht.
Art. 3 Abs. 1 GG verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Zu diesem Zweck werden von Verfassungs wegen erhebliche Anforderungen an die Steuerehrlichkeit der Steuerpflichtigen gestellt. Diesen Grundsätzen würde es aber eklatant widersprechen, Auskünfte von Steuerehrlichen uneingeschränkt der Besteuerung zugrunde zu legen, Auskünfte hingegen z.B. eines einer Straftat Verdächtigen, der nach § 393 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 lediglich nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, unberücksichtigt zu lassen (dazu BFH-Urteil in BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328; ferner Urteil des FG Baden–Württemberg in EFG 2003, 1140).
Ist ein Steuerpflichtiger unbekannt, so kann bei ihm unbestreitbar nicht ermittelt werden. Ist ein Steuerpflichtiger zwar bekannt, gibt aber unzutreffende Erklärungen und auf Anforderung der Finanzbehörde weiterhin —so nicht erkennbare— unvollständige Aufstellungen ab, so besteht allenfalls auf Grund von Zufallserkenntnissen ein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Vor allem aber können selbst durch Einzelermittlungen buchmäßig nicht erfasste Bargeschäfte kaum festgestellt werden. Indes muss nach der Rechtsprechung die Finanzbehörde auf die Inanspruchnahme eines Dritten als Auskunftsverpflichteten nicht etwa so lange verzichten, bis alle nur denkbaren Möglichkeiten ausgeschlossen sind, den Beteiligten selbst zu einer vollständigen Auskunft über seine Verhältnisse zu veranlassen (vgl. BFH–Urteil in BFHE 191, 211, BStBl II 2000, 366, m.w.N.).
5. Das angefochtene Urteil des FG war gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das beklagte FA war nicht auf Grund eines Verwertungsverbotes gehindert, die im Zuge der Außenprüfung bei der Klägerin verwerteten Ergebnisse aus dem rechtmäßigen Auskunftsersuchen an die Saalmieter seinen Schätzungen der gewerblichen Einkünfte der Klägerin zugrunde zu legen.
Das FG wird nunmehr im zweiten Rechtsgang die Schätzungsgrundlagen festzustellen und die Schätzung auch der Höhe nach zu überprüfen haben (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 190 Nr. 2
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2008 S. 3676
StBp. 2013 S. 172 Nr. 6
StBp. 2013 S. 173 Nr. 6
WPg 2007 S. 55 Nr. 2
RAAAC-33451