BGH Beschluss v. - II ZB 21/05

Leitsatz

[1] Bei der Kostenfestsetzung nach § 126 Abs. 1 ZPO kann der beigeordnete Rechtsanwalt von der unterlegenen Partei nicht die Erstattung von Mehrwertsteuer auf die Honorarforderung fordern. Für die arme, zum Abzug der Vorsteuer berechtigte Partei ist der ihr von dem Prozessbevollmächtigten in Rechnung zu stellende Mehrwertsteuerbetrag ein durchlaufender Posten.

Gesetze: ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 126 Abs. 1; UStG § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; UStG § 14 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: LG Zwickau 2 O 1286/04 vom OLG Dresden 3 W 974/05 vom

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH S. (Schuldnerin). In dieser Eigenschaft hat er den Beklagten als vormaligen Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Schuldnerin erstinstanzlich auf Zahlung in Anspruch genommen. Für die Klage wurde ihm antragsgemäß Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsbeschwerdeführers bewilligt. Das Landgericht hat durch Urteil vom der Klage im Wesentlichen stattgegeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Bereits zuvor war dem Rechtsbeschwerdeführer auf dessen Antrag gemäß §§ 47, 55 RVG durch die Staatskasse ein Vorschuss von 1.208,14 €, einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 166,64 €, gewährt worden. Nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils hat der Rechtsbeschwerdeführer für den - vorsteuerabzugsberechtigten - Kläger Kostenfestsetzung hinsichtlich der Differenz zwischen den Prozesskostenhilfe- und den Wahlanwaltsgebühren in Höhe von netto 1.321,50 € und gleichzeitig im eigenen Namen nach § 126 ZPO die Festsetzung der auf diesen Differenzbetrag entfallenden Umsatzsteuer von 211,44 € gegenüber dem Beklagten beantragt.

Das Landgericht hat die Festsetzung der Umsatzsteuer abgelehnt, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Rechtsbeschwerdeführer könne nach § 126 Abs. 1 ZPO nur solche Beträge geltend machen, die der Beklagte dem Kläger erstatten müsse. Hierzu zähle die Umsatzsteuer wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers nicht. Davon abgesehen stehe § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einer Inanspruchnahme des Klägers durch den Rechtsbeschwerdeführer für die im Verfahren angefallene Honorarforderung und die darauf entfallende Umsatzsteuer entgegen.

III. Die dagegen gerichteten Angriffe der gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässigen Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Beschwerdegericht einen Anspruch des Rechtsbeschwerdeführers nach § 126 Abs. 1 ZPO auf Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Beklagten verneint.

1. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass der Rechtsbeschwerdeführer hier Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht hat, die - auch in Form des Differenzbetrages zur Wahlanwaltsvergütung - der Umsatzsteuer unterliegen, und dass er deswegen nach § 13 a Abs. 1 Nr. 1 UStG als Steuerschuldner zur Abführung der auf die gesamte Honorarforderung entfallenden Umsatzsteuer verpflichtet ist. Nur im Ergebnis zutreffend ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass der Rechtsbeschwerdeführer den auf den Differenzbetrag entfallenden, abzuführenden Umsatzsteueranteil nicht gegenüber dem Beklagten geltend machen kann. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers steht nicht nur dem Ansatz der Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren zwischen dem Kläger und dem Beklagten (§ 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO), sondern auch in dem von dem Rechtsbeschwerdeführer nach § 126 Abs. 1 ZPO betriebenen Verfahren entgegen. Wie bei einer nicht bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei ist der Rechtsbeschwerdeführer darauf verwiesen, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen und darf nicht die Gegenseite damit belasten, wie dies der Rechtsbeschwerdeführer für sachgerecht hält.

2. Dem steht § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen (a.A. OLG Koblenz JurBüro 1997, 588; OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 29 f.). Zwar darf ein Rechtsanwalt nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegenüber seiner Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, Ansprüche auf Vergütung nicht geltend machen. Diese Vergütung umfasst nach § 1 Abs. 1 RVG neben Gebühren auch die Auslagen des Rechtsanwalts, zu denen nach Nr. 7008 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG auch die Umsatzsteuer auf die Vergütung gehört. Soweit die bedürftige Partei - ausnahmsweise - zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist, ist der Schutzzweck des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedoch nicht berührt; die Vorschrift mit ihrem zu weit gehenden Wortlaut ist systemkonform mit den Regelungen des Umsatzsteuergesetzes teleologisch zu reduzieren.

a) Der vom Gesetzgeber mit der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO intendierte Schutz der bedürftigen Partei hindert die Geltendmachung der Umsatzsteuer durch den Prozessbevollmächtigten ihr gegenüber nicht. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass kein Bürger an der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte deshalb gehindert wird, weil er nicht zur Aufbringung der Prozesskosten in der Lage ist (BT-Drucks. 8/3068, S. 17). Die bedürftige Partei schuldet danach zwar dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt die (Wahlanwalts-)Vergütung. Der Anspruch des Rechtsanwalts unterliegt jedoch bis zur Aufhebung der Bewilligung nach § 124 ZPO einer Forderungssperre (Bork in: Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 121 Rdn. 30; § 126 Rdn. 12; Zöller/Philippi, ZPO 25. Aufl. § 122 Rdn. 11 f. jew. m.w.Nachw.). Die bedürftige Partei soll nicht mit Kosten belastet werden, zu deren Aufbringung sie nicht in der Lage ist.

Diese Gefahr besteht bei einem bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer hinsichtlich der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nicht. Auf Basis der Rechnung des Rechtsanwalts kann eine solche Partei vom Finanzamt Erstattung der an den Rechtsanwalt zu zahlenden Umsatzsteuer verlangen, so dass der Betrag - als durchlaufender Posten - wirtschaftlich nicht von der bedürftigen Partei getragen werden muss, sie deshalb nicht belastet und an einer Prozessführung nicht hindert. Keiner Entscheidung bedarf hier die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigte Partei für die ihr seitens des Anwalts in Rechnung gestellte Umsatzsteuer - ausnahmsweise - keine Vorsteuererstattung erhält.

b) Zudem gebietet auch der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, dass die Geltendmachung der Umsatzsteuer gegenüber der bedürftigen vorsteuerabzugsberechtigten Partei von der Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht erfasst wird. Die in der Rechtsprechung der Instanzgerichte (OLG Koblenz aaO; OLG Düsseldorf aaO) vertretene Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, auf die sich der Rechtsbeschwerdeführer beruft, setzt sich darüber hinweg, dass der Rechtsbeschwerdeführer schon aus steuerrechtlichen Gründen - unter Drohung, wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden (§ 26 a Abs. 1 Nr. 1 UStG) - verpflichtet ist, auch der bedürftigen Partei eine Rechnung zu stellen. Die Rechnung hat der Unternehmer gegenüber dem Leistungsempfänger (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 UStG), also demjenigen zu erteilen, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (, DStR 2001, 212, 213 m.w.Nachw.). Das ist der Kläger, nicht aber der Beklagte oder die Staatskasse.

c) Diese Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht darüber hinaus in Einklang mit der Überlegung, dass es ersichtlich nicht gerechtfertigt ist, den unterlegenen Gegner allein deshalb mit höheren Kosten zu belasten, weil die vorsteuerabzugsberechtigte obsiegende Partei bedürftig im Sinne der Prozesskostenhilfevorschriften ist.

Fundstelle(n):
BB 2006 S. 2103 Nr. 39
BFH/NV-Beilage 2007 S. 129 Nr. 1
DStR 2006 S. 1761 Nr. 39
NJW 2007 S. 772 Nr. 11
NJW-RR 2007 S. 285 Nr. 4
UR 2007 S. 223 Nr. 6
IAAAC-15942

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja