BSG Urteil v. - B 7 AL 34/02 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB III § 117 Abs 1; SGB III § 24 Abs 1

Instanzenzug:

Gründe

I

Im Streit ist die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab .

Die im Jahre 1950 geborene Klägerin war vom bis als Köchin und Bedienung in der Gaststätte ihres Ehemannes tätig, und zwar gegen einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 800,00 DM bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden. Die Klägerin meldete sich am zum arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe; sie habe erheblichen Einfluss auf den Betrieb gehabt, weil das Betriebsgrundstück beiden Ehegatten gehöre und somit Gesamtgut der Gütergemeinschaft sei (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

Während das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt hat, ab Alg zu zahlen, hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage auf die Berufung der Beklagten unter Aufhebung des Urteils des SG abgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 117 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) iVm § 124 Abs 1 SGB III (Anwartschaft). Sie habe bei ihrem Ehemann nicht gegen Entgelt in einem abhängigen, versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, weil das gezahlte Entgelt keine angemessene Gegenleistung für die geleistete Arbeit darstelle. Die Klägerin habe weit weniger als die Hälfte des tariflichen Entgelts erhalten. Sei dies der Fall, bedürfe es der ansonsten erforderlichen Gesamtschau zur Beurteilung der Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt vorliege, entgegen der Ansicht des ) nach einem Beschluss des 12. Senats vom (12 BK 49/96) nicht. Dies ergebe sich auch bereits aus einer Entscheidung des 12. Senats des , SozR 3-2500 § 5 Nr 17).

Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 117 Abs 1 SGB III iVm § 24 Abs 1 SGB III. Sie ist der Ansicht, die Anwartschaftszeit erfüllt zu haben. Ausweislich der Entscheidung des ) habe das Entgelt für die Frage des Vorliegens einer versicherungspflichtigen Beschäftigung lediglich eine Indizwirkung im Rahmen der erforderlichen Würdigung der Gesamtumstände.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, die für den Zeitraum vom (gemeint ist wohl ) bis zum gezahlten Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des LSG.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die Revision der Klägerin ist iS der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG); es fehlen für eine abschließende Entscheidung erforderliche tatsächliche Feststellungen zum Grund des Anspruchs - unter Einschluss evtl des Ruhenstatbestandes des § 144 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) - und zur Höhe des Anspruchs.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , gegen den sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage wendet (§ 54 Abs 1 und 4 SGG). Über den nur hilfsweise gestellten Antrag auf Erstattung der Beiträge (vgl aber § 168 SGG), ist nicht zu befinden, solange nicht feststeht, dass der Klägerin kein Alg zusteht.

Ob die Klägerin Anspruch auf Alg hat, richtet sich nach § 117 SGB III. Danach setzt der Anspruch auf Alg Arbeitslosigkeit, eine Arbeitslosmeldung und die Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus. Nach § 123 SGB III (hier idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom - BGBl I 2970) hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 124 SGB III (hier idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes) drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses (§ 24 SGB III idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung <AFRG> vom - BGBl I 594) sind insbesondere Zeiten, in denen die Klägerin gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war (§ 25 SGB III idF des AFRG).

Ob die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist in einem solchen Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Dies richtet sich nach den Grundsätzen, die Lehre und Rechtsprechung zum Begriff des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in der Sozialversicherung entwickelt haben ( SozR 3-4100 § 168 Nr 11; BSGE 3, 30, 39; 17, 1, 3 f = SozR Nr 31 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 165 Nr 90; BSGE 74, 275, 276 ff mwN = SozR 3-2500 § 5 Nr 17; -, USK 9635 = DBlR Nr 4475 zu § 168 AFG). Arbeitnehmer ist hiernach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 11 mwN; aaO). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht dabei grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 11 S 29 mwN). Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit auf Grund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f; 19, 1, 4 f = SozR Nr 31 zu § 165 RVO; BSGE 74, 275, 278 f = SozR 3-2500 § 5 Nr 17; BSG SozR 2200 § 165 Nr 90; SozR 3-4100 § 168 Nr 11 S 30; -, USK 9635 = DBlR Nr 4475 zu § 168 RVO).

Entgegen der Ansicht des LSG kommt dabei der Höhe des Entgelts, wie der Senat bereits entschieden hat, lediglich Indizwirkung zu ( -, USK 9635 = DBlR Nr 4475 zu § 168 AFG mwN). In dieser Entscheidung ist auch ausgeführt, dass nicht der Rechtssatz gilt, eine untertarifliche oder eine erheblich untertarifliche Bezahlung des Ehegatten schließe die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus, und dass sich ein solcher Rechtssatz weder im Gesetz noch in Entscheidungen des BSG finde. Im Urteil vom heißt es außerdem, der Senat sehe keine Veranlassung, einen solchen Rechtssatz unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zu bilden; Manipulationsmöglichkeiten könne in ausreichender Weise unter Rückgriff auf die bestehende Rechtsprechung begegnet werden.

Entgegen der Ansicht des LSG ergibt sich nichts anderes aus dem Beschluss des 12. Senats des , DBlR Nr 4476 zu § 168 AFG). Mit diesem Beschluss wurde die Nichtzulassungsbeschwerde eines Klägers als unbegründet zurückgewiesen, der eine Divergenz der Entscheidung des LSG zu der Entscheidung des 12. Senats vom (SozR 2200 § 165 Nr 90) gerügt hat; auf diese Entscheidung hat im Übrigen der erkennende Senat ua seine Entscheidung vom abgestellt. Gerügt war in dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, die Entscheidung des LSG beruhe auf dem Rechtssatz, dass es gegen die Annahme eines nach objektiven Kriterien zu beurteilenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses spreche, wenn im Rahmen einer Tätigkeit beim Ehegatten das Entgelt nur etwa 50 vH des Tariflohns erreiche. Zur Begründung seiner Entscheidung über die Unbegründetheit der Nichtzulassungsbeschwerde hat der 12. Senat - unter Hinweis auf seine Entscheidung vom (BSGE 74, 275 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 62), die ebenfalls der Entscheidung des erkennenden Senats vom zu Grunde lag - erläutert, warum das Urteil des LSG nicht von der Entscheidung vom (SozR 2200 § 165 Nr 90) zur Beurteilung der familienhaften Mithilfe abweiche. In der Entscheidung vom (SozR 2200 § 165 Nr 90) habe das BSG ausgeführt, für die Feststellung, ob die einem mitarbeitenden Verwandten gewährte Leistung Entgelt für die geleistete Arbeit darstelle, seien insbesondere die Höhe der gewährten Leistung sowie ihr Verhältnis zu Umfang und Art der im Betrieb verrichteten Tätigkeit von Bedeutung. Werde dem im Haushalt des Betriebsinhabers lebenden und im Betrieb tätigen Verwandten nur freier Unterhalt einschließlich eines geringfügigen Taschengeldes gewährt und stellten diese Bezüge keinen Gegenwert für die Arbeit dar, so werde man das Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses verneinen können. Dagegen sei die Zahlung nicht geringfügiger, laufender Bezüge, insbesondere in Höhe des ortsüblichen oder des tariflichen Lohnes, ein wesentliches Merkmal für das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. Mit dieser Aussage in seinem Beschluss vom bewegt sich der 12. Senat in vollem Umfang auf der Linie der Entscheidung des erkennenden Senats vom (7 RAr 120/95, USK 9635 = DBlR Nr 4475 zu § 168 AFG): Erforderlich ist immer eine Gesamtwürdigung der Umstände, um zum einen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses und zum anderen eine Entgeltlichkeit bejahen zu können.

Wenn darüber hinaus im Beschluss des 12. Senats vom (12 BK 49/96, DBlR Nr 4476 zu § 168 AFG) ausgeführt ist, dem könne nicht entnommen werden, dass bereits ein nicht geringfügiges Entgelt für sich allein ein wichtiges Merkmal für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis darstelle, so bestätigt dies die obigen Ausführungen. Dass der 12. Senat in seiner Entscheidung vom schließlich die Annahme des LSG, es sei angesichts des gezahlten nur halben Tariflohns kein angemessenes Entgelt gewährt worden und es liege kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor, nicht als Abweichung zu der bestehenden Rechtsprechung gewertet hat, steht dem nicht entgegen. Diese Entscheidung stellt keinen Rechtssatz auf, sondern gelangt nur zur Erkenntnis, dass sich das LSG bei der Würdigung der Beweise im Rahmen der vom BSG aufgestellten Rechtssätze bewegt hat. Ob das LSG andererseits die Beweise richtig bzw umfassend gewertet hat, war nicht Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Der Beschluss des 12. Senats vom lässt damit nicht erkennen, dass der Boden der gefestigten Rechtsprechung (Bewertung der Gesamtumstände) verlassen und neue Rechtssätze aufgestellt werden sollten.

Die fehlende Bewertung der Gesamtumstände wird das LSG nachzuholen haben. Das LSG wird außerdem über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Fundstelle(n):
WAAAC-14238