BSG Urteil v. - B 4 RA 60/02 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB I § 57 Abs 2

Instanzenzug: LSG Niedersachsen-Bremen vom SG Osnabrück vom

Gründe

I

Die Klägerin wendet sich als Sonderrechtsnachfolgerin gegen die Verrechnung eines Teils eines Anspruchs auf Rentennachzahlung aus dem Recht ihres am verstorbenen Ehemannes H. B. S. (Versicherter) mit "Ansprüchen" der beigeladenen Bundesanstalt für Arbeit (BA).

Im Jahre 1994 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte zur Verrechnung "einer einziehbaren und nicht verjährten Gesamtforderung gegen den Versicherten in Höhe von 26.521,50 DM". Am zog die Beigeladene ihr Verrechnungsersuchen vom zurück. Am teilte sie der Beklagten mit, ihr Verrechnungsersuchen bleibe "bestehen". Zwischenzeitlich, im Dezember 1996, hatte die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) die Beklagte zur Verrechnung einer einziehbaren unverjährten Gesamtforderung von insgesamt 12.657,32 DM ermächtigt. Im März 1997 nahm die Innungskrankenkasse Niedersachsen (IKK) ein im Jahre 1996 gestelltes Verrechnungsersuchen über 4.740,30 DM zurück.

Mit Bescheid vom wurde der Klägerin, die die Erbschaft nach dem Versicherten ausgeschlagen hatte, als dessen Sonderrechtsnachfolgerin ein Anspruch auf eine Nachzahlung wegen des Rechts des Versicherten auf Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 16.768,40 DM für die Zeit vom bis zuerkannt; die Nachzahlung behielt die Beklagte wegen angemeldeter Verrechnungsersuchen vorläufig ein.

Im Mai 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Beigeladene, die IKK und die DAK hätten sie ermächtigt, "dort bestehende Forderungen mit dem Anspruch auf Versichertenrente zu verrechnen"; sie, die Beklagte, beabsichtige die Verrechnung mit der gesamten Versichertenrente vorzunehmen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Hinweis, dass sie zum damaligen Zeitpunkt den Lebensunterhalt für ihren Ehemann und ihre Kinder allein bestritten habe. Mit "Bescheid" vom erklärte die Beklagte, die Rentennachzahlung im Bescheid vom in Höhe von 16.768,40 DM werde in voller Höhe mit dem Anspruch des Landesarbeitsamtes Niedersachsen-Bremen verrechnet. Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom minderte die Beklagte den zu verrechnenden Betrag um 4.080,00 DM und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

Ein vor dem SG von der Beklagten abgegebenes und von der Klägerin angenommenes "Teilanerkenntnis" verringerte die zu verrechnende Forderung auf insgesamt 6.528,40 DM. Das SG hat die Klage (im Übrigen) abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ). Es hat ua ausgeführt: Die Verrechnung der Beklagten sei materiell-rechtlich rechtmäßig. Die Beklagte sei gemäß § 57 Abs 2 SGB I befugt gewesen, die Forderung der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin mit dem Anspruch der Beigeladenen zu verrechnen. Zutreffend sei die Beklagte auch davon ausgegangen, dass die Verrechnung gegenüber der Sonderrechtsnachfolgerin in unbeschränkter Höhe ohne die Aufrechnungs- bzw Verrechnungsfreigrenzen des § 51 Abs 2 iVm § 52 SGB I durchgeführt werden dürfe. Ein Sonderrechtsnachfolger sei weniger schutzbedürftig als ein Versicherter zu seinen Lebzeiten. Denn der Sonderrechtsnachfolger könne seinen Lebensunterhalt auf Grund eigener Rechte bestreiten, zu diesen trete der Nachzahlungsanspruch aus den Rechten des Versicherten noch hinzu. Da die Beklagte Ermessen zu Gunsten der Klägerin ausgeübt habe, könne dahinstehen, ob es für eine solche Ermessensentscheidung überhaupt eine gesetzliche Grundlage gebe. Eine Reduzierung um weitere von der Klägerin geltend gemachte Beträge habe die Beklagte jedenfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt. Der Beklagten seien im Verrechnungsverfahren zwar formale Unzulänglichkeiten unterlaufen. Diese seien jedoch für den Erfolg der Anfechtungsklage unerheblich.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine unzutreffende Auslegung von § 57 Abs 2 SGB I; sie ist der Ansicht, § 57 Abs 2 SGB I sei seinem Wortlaut entsprechend auszulegen. Danach solle der Sonderrechtsnachfolger die Sozialleistungen ungeschmälert erhalten, wenn eine Auf- bzw Verrechnung zu Lebzeiten des Versicherten nicht erfolgt sei. Der Gesetzgeber wolle den Sonderrechtsnachfolger, der mit dem Berechtigten in einem Haushalt gelebt habe und besonders schutzwürdig erscheine, vor dem Zugriff durch Sozialleistungsträger schützen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom und das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.337,92 Euro (entspricht: 6.528,40 DM) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Entscheidungen und trägt ergänzend vor: Sachlich zuständig iS von § 57 Abs 2 SGB I sei auch der nach dem Gesetz zu einem bestimmten Handeln, Dulden oder Unterlassen berechtigte Sozialleistungsträger. Sie, die Beklagte, habe mithin die Forderung der Beigeladenen gegenüber der Klägerin zur Verrechnung bringen dürfen, nachdem die Beigeladene bereits zu Lebzeiten des Versicherten sie zur Verrechnung ermächtigt habe.

Die Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

II

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das mit der kombinierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) und der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) verfolgte Begehren der Klägerin, den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben (A) und die Beklagte zur Zahlung des durch Teilabhilfebescheid sowie durch Teilanerkenntnis von 16.768,40 DM auf 6.528,40 DM (entspricht: 3.337,92 Euro) verringerten Betrages zu verurteilen (B). Dieses (sinngemäße) Begehren der Klägerin hat Erfolg. Denn der Klägerin steht als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs 1 SGB I) aus dem Recht ihres verstorbenen Ehemannes auf Erwerbsunfähigkeitsrente für die Zeit vom bis gemäß dem Bescheid vom ein Anspruch auf Auszahlung der in dem og Bescheid zuerkannten Rentennachzahlung auch in Höhe des noch streitigen Betrages von 3.337,92 Euro zu.

A. Der mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) angegriffene "Bescheid" vom , mit dem sich die Klägerin der Sache nach gegen die Verrechnungserklärung der Beklagten wendet, ist aufzuheben. Die Verrechnungserklärung selbst ist zwar kein Verwaltungsakt (1). Jedoch hat die Beklagte mit der gewählten Ausdrucksform den Anschein erweckt, sie regele verbindlich einen Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, ohne zu verlautbaren, welche Rechtswirkungen sich auf Grund der Verrechnungserklärung für das durch bindenden Verwaltungsakt festgestellte Recht der Klägerin auf Rentennachzahlung ergeben und dass sie dieses bindend festgesetzte Recht teilweise aufheben oder abändern will (2).

1. Durch die Erklärung vom , sie verrechne die Rentennachzahlung aus dem Rentenbescheid vom in voller Höhe mit der Forderung der Beigeladenen, hat die Beklagte keine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen (s zum Begriff der Regelung: § 31 SGB I). Denn durch diese Erklärung sind die in dem Bescheid vom festgestellten subjektiven Rechte des Versicherten - (ua) auf Erwerbsunfähigkeitsrente und auch die hieraus resultierenden monatlichen Einzelansprüche - sowie die sie regelnden Verwaltungsakte von der Beklagten erkennbar nicht aufgehoben oder abgeändert worden (vgl hierzu ua Urteil des erkennenden Senats vom - B 4 RA 50/01 R). Die insoweit in dem vorgenannten Bescheid enthaltenen Regelungen bestehen nach wie vor weiter und sind Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch der Klägerin (s unten).

Durch die Verrechnung hat die Beklagte lediglich den Nachzahlungsanspruch der Klägerin zum Erlöschen bringen wollen, nicht jedoch das in dem bindenden Verwaltungsakt festgestellte Recht auf die monatliche Rente aufgehoben oder abgeändert. Die Wirkungen der Verrechnung ebenso wie die der Aufrechnung beurteilen sich, soweit die §§ 51, 52, 57 Abs 2 SGB I nichts anderes vorgeben und soweit sie mit dem öffentlichen Sozialverwaltungsrecht vereinbar sind, nach den zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387 ff BGB. In diesem Rahmen und auf dieser Grundlage sind sie entsprechend (lückenfüllend) anwendbar (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 5 mwN, 15, 17; Nr 3 S 32 f; SozR 1200 § 51 Nr 5 S 9; Nr 8 S 17). Dies hat zur Folge, dass bei wirksamer Ausübung des öffentlich-rechtlichen Gestaltungsrechts (verwaltungsrechtliche Willenserklärung, vgl hierzu Staudinger/Gursky, BGB, <2000> Vorbem 98 zu §§ 387 ff) die Rechtsfolgen aus § 389 BGB direkt kraft Gesetzes eintreten. Diese setzen folglich gerade voraus, dass das Recht zu diesem Zeitpunkt noch erfüllbar bestanden hat. Nach Erfüllung bleibt es als Rechtsgrund der Leistung solange bestehen, bis der Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert wird oder sich auf andere Weise erledigt hat (§ 39 Abs 2 SGB X). Eine wirksame Verrechnung führt mithin allein zum Erlöschen von Ansprüchen, ohne dass das im Verwaltungsakt festgesetzte Recht - etwa im Wege des Selbstvollzuges - verändert oder sonst geregelt wird. Würde man dennoch der Aufrechnungs- bzw Verrechnungserklärung (auch) die Rechtswirkung entsprechend einer Regelung iS eines Verwaltungsaktes beimessen wollen, so fehlte es insoweit an der für die Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes erforderlichen (parlaments-)gesetzlichen Ermächtigung (vgl im Übrigen hierzu BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 5 mwN; BFHE 191, 5, 12 ff; BVerwGE 66, 218, 220; BVerwG DVBl 1986, 146; BSGE 75, 283, 288 = SozR 3-2400 § 28 Nr 2; Staudinger/Gursky, aaO, Vorbem 98 zu §§ 387 ff mwN; Weber, Die Rechtsqualität von Aufrechnung, Verrechnung, Abtretung (Übertragung), Abzweigung und Pfändung, SGb 1999, 225, 227 ff mwN; Aufrechnungs- bzw Verrechnungserklärung als Verwaltungsakt: Lilge in GesamtKomm, § 52 SGB I Anm 5; Grüner, SGB I, § 52 Anm V; Peters, SGB I, § 51 Anm 4; Benz, Die Verrechnung von Leistungen nach § 52 SGB I, WzS 1986, 289, 297, 331; BSGE 53, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr 6; BSGE 64, 17, 22 = SozR 1200 § 54 Nr 13; BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 3 S 32).

2. Der "Bescheid" vom ist jedoch aufzuheben, da die Klägerin durch ihn beschwert ist. Die Beklagte hat durch die gewählte Überschrift "Bescheid" sowie ihren Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, der Bescheid könne mit dem Widerspruch angefochten werden, den Anschein vermittelt, sie treffe auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts verbindlich eine Regelung. Damit hat sie sich zwar nicht dem Inhalt (s oben), jedoch der äußeren Form nach eines - formellen - Verwaltungsaktes bedient. Allein schon durch die Existenz eines solchen formellen Verwaltungsaktes ist die Klägerin mit dem Risiko behaftet, dass ihr in Zukunft uU ein insoweit "bestandskräftiger Verwaltungsakt" entgegengehalten werden könnte (vgl hierzu Urteil des Senats vom , aaO), der - unabhängig von der materiellen Rechtslage - das Erlöschen ihrer Forderung feststellte.

B. Die von der Klägerin ferner sinngemäß (§ 123 SGG) mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) begehrte Zahlung der restlichen 3.337,92 Euro (entspricht: 6.528,40 DM) hat ebenfalls Erfolg.

1. Die Klägerin kann ihr Begehren zwar nicht auf ein Verrechnungsverbot gemäß § 57 Abs 2 SGB I stützen. Insoweit unzutreffend ist ihre Auffassung, ihre Forderung gegen die Beklagte könne nicht mit einer Forderung der Beigeladenen gegen sie als Sonderrechtsnachfolgerin verrechnet werden, da diese nicht der "zuständige" Leistungsträger iS von § 57 Abs 2 Satz 1 SGB I sei. Die Klägerin verkennt, dass sie als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 57 Abs 1 Satz 1 SGB I grundsätzlich für Verbindlichkeiten des Versicherten nach dem SGB gegenüber dem für die Ansprüche zuständigen Leistungsträger haftet. Abs 2 Satz 1 aaO ist mithin lediglich eine Haftungsnorm, vergleichbar mit derjenigen des § 1967 BGB hinsichtlich des Erben. Sie ermöglicht den Sozialleistungsträgern des SGB, Ansprüche gegen den verstorbenen Versicherten gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger geltend zu machen. Bestätigt wird dies durch § 57 Abs 2 Satz 3 SGB I. Danach finden die Vorschriften der §§ 51, 52 SGB I auch im Verhältnis der Sozialleistungsträger zum Sonderrechtsnachfolger - unter Außerachtlassung der Pfändungsfreigrenzen - Anwendung. Mithin gehen Ansprüche des und gegen den verstorbenen Versicherten in dem Umfang und ggf mit den Mängeln behaftet, wie sie zum Zeitpunkt seines Todes bestanden haben, auf den Sonderrechtsnachfolger über. Bedenken hiergegen bestehen auch im Hinblick auf die funktionale Einheit der Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung nicht (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 16).

2. Die Klägerin hat dennoch einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Rentennachzahlung. Denn die gemäß dem Bescheid vom noch offene Forderung ist durch die Verrechnungserklärung der Beklagten nicht erloschen (§§ 52, 51, 56, 57 SGB I iVm §§ 387 ff BGB); die Verrechnungserklärung vom war unwirksam. Die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen war nicht hinreichend bestimmt bezeichnet. Nicht zu entnehmen ist der Erklärung nach den Feststellungen des LSG Art und Umfang der Forderung, mit der der Anspruch der Klägerin verrechnet werden soll. Weder ist danach erkennbar, in welcher Höhe eine Gegenforderung der Beigeladenen besteht noch ist der Rechtsgrund der Forderung(en) genannt; auch ist den Feststellungen nicht zu entnehmen, ob die Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt worden ist. Nach dem objektiven Erklärungswert der Verrechnungserklärung ist mithin nicht erkennbar, ob sich die Forderungen deckungsgleich gegenübergestanden haben und in welchem Umfang sie erloschen bzw getilgt worden sind.

Hierzu im Einzelnen:

a) Gemäß § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Die Vorschriften für die Aufrechnung gelten mithin entsprechend, sofern sich nicht etwas anderes aus § 52 SGB I ergibt (vgl BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 15, 17, Nr 3 S 32 f; SozR 1200 § 51 Nr 5 S 9, Nr 8 S 17 f). Die Verrechnung steht somit der Aufrechnung gleich; lediglich wird bei ihr auf die bei der Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit der beiden Forderungen verzichtet. Während bei der Aufrechnung der Leistungsträger Gläubiger der Geldforderung ist, mit der aufgerechnet wird (Gegenforderung) und zugleich Schuldner des Anspruchs auf die Geldleistung des Leistungsberechtigten gegen die aufgerechnet wird (Hauptforderung, vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 2 S 24; Peters, aaO, § 51 Anm 5, 8), besteht bei der Verrechnung keine Identität von Gläubiger und Schuldner. Der Ermächtigte ist zwar auch in diesem Falle Schuldner der Forderung des Leistungsberechtigten, Gläubiger der Forderung, mit der verrechnet wird, ist jedoch der ermächtigende Leistungsträger. Eine wirksame Verrechnung setzt mit Ausnahme des Erfordernisses der Gegenseitigkeit mithin den Tatbestand der Aufrechnung voraus (aa) sowie eine Ermächtigung für den ermächtigten Leistungsträger, die Verrechnung vorzunehmen (bb).

aa) Aufrechnung bzw Verrechnung erfordern sowohl das Vorliegen einer Aufrechnungs-/Verrechnungslage als auch einer wirksamen Aufrechungs-/Verrechnungserklärung (vgl hierzu Staudinger, aaO, Vorbem 10, 13 ff zu §§ 387 ff, § 389 RdNr 19, 28, 30; BGHZ 103, 362, 367; BGHZ 123, 49, 52 f; BFHE 160, 108, 113 f). Diese Aufrechnungs-/Verrechnungslage liegt gemäß § 387 BGB vor, wenn der Schuldner die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Forderung des auf- bzw verrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung) muss mithin entstanden und fällig sein, während die gleichartige Forderung, mit der auf- bzw verrechnet werden soll (Hauptforderung), zwar nicht fällig, aber bereits entstanden und erfüllbar sein muss (vgl hierzu BGHZ 103, 362, 367; 123, 49, 52 f; BFHE 191, 5, 10 ff; Staudinger, aaO, § 388 RdNr 11). Schuldtilgende Wirkung hat die Verrechnung jedoch erst mit Abgabe der Verrechnungserklärung; nicht ausreichend ist insoweit, dass sich die beiden Forderungen verrechnungsfähig gegenüberstehen. Erst mit der Verrechnungserklärung werden die beiden Forderungen getilgt; sie gelten als in dem Zeitpunkt, in dem sie sich zur Verrechnung geeignet gegenübergestanden haben, als erloschen (vgl § 389 BGB; vgl hierzu Staudinger, aaO, § 389 RdNr 2, 19).

bb) Der die Verrechnungserklärung abgebende - "schuldende" - Sozialleistungsträger muss ferner von dem forderungsberechtigten Leistungsträger wirksam ermächtigt worden sein. Die Ermächtigung selbst ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (vgl hierzu entsprechend Peters, aaO, § 52 Anm 4; Benz, aaO, S 293 f). Sie begründet für den ermächtigten Leistungsträger die Befugnis, im eigenen Namen über ein Recht des Ermächtigenden ("vertragsgemäß") zu verfügen, dh, dessen Forderung zu verrechnen. Durch die Ermächtigung wird die Rechtsposition des ermächtigenden Leistungsträgers nicht berührt; er bleibt nach wie vor Inhaber der Forderung gegen den Leistungsberechtigten. Die Frage, ob der ermächtigte Träger verpflichtet ist, die Verrechnung durchzuführen, und die Art und Weise, wie er sie vornimmt, betrifft jedoch allein das Verhältnis zwischen den Trägern. Insoweit besteht ein Verrechnungsvertrag, der keine den Bürger belastende Wirkung hat (vgl BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 2 f mwN).

cc) Es kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Ermächtigungserklärung der Beigeladenen von 1994, auf die sie sich nach Rücknahme ihres Ersuchens im April 1997 bei der erneuten Anmeldung im Mai 1997 bezogen hat, hinreichend substantiiert war, also Art und Umfang der Forderung so genau bezeichnet hat, dass die Beklagte als Empfänger dieser Willenserklärung ohne weiteres - korrespondierend zu der Ermächtigung - eine substantiierte Verrechnungserklärung hätte mit der Folge abgeben können, dass etwa sich gegenüberstehende Forderungen erloschen sind. Insoweit fehlen jegliche Feststellungen des LSG.

Nicht ausreichend ist die Behauptung der Beigeladenen, sie habe eine gegen den verstorbenen Versicherten einziehbare nicht verjährte Gesamtforderung. Rechtsgrund und Entstehungszeitpunkt sowie Fälligkeit des Anspruchs hat sie nicht genannt. Für eine substantiierte Bezeichnung hätte die Beigeladene jedoch Art und Höhe der Forderung bezeichnen müssen, mit der verrechnet werden soll (vgl hierzu Benz, aaO, S 298). Darüber hinaus hätte sie angeben müssen, dass diese Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt worden ist. Würde man auch mit einer nicht bestands- oder rechtskräftig festgestellten Forderung verrechnen können, wäre der Leistungsberechtigte gezwungen, sich erstmals in dem "Verrechnungsverfahren" mit einem (weiteren) Anspruch auseinander zu setzen, der noch nicht feststeht und in einem anderen Sozialleistungsverhältnis begründet ist. Dies widerspräche der Rechtsstellung des Leistungsberechtigten im Verhältnis zum Verrechnung anstrebenden Leistungsträger. Lässt man bei der Verrechnung unter Verzicht auf die Gegenseitigkeit den Zugriff auf die Forderung des Leistungsberechtigten durch einen anderen Sozialleistungsträger zu dessen Gunsten zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens zu (vgl hierzu BT-Drucks 7/868, S 32), so darf dessen materielle und verfahrensrechtliche Position gegenüber dem die Verrechnung anstrebenden Träger nicht verschlechtert werden. Dies wäre aber der Fall, wenn Forderungen in das "Verrechnungsverfahren" einbezogen würden, die noch nicht abschließend in dem jeweils hierfür vorgesehenen Verfahren bestands- bzw rechtskräftig festgestellt worden sind, sodass der Leistungsberechtigte erst nach erfolgter Verrechnung Einwände gegen die Forderung erstmals im Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen den sachlich unzuständigen verrechnenden Leistungsträger geltend machen könnte.

b) Es bedarf jedoch keiner Aufhebung des Urteils des LSG und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits wegen der Frage, ob die Ermächtigung der Beigeladenen die vorgenannten Kriterien erfüllt und mit hinreichender Deutlichkeit die Forderung bezeichnet hat. Denn die Verrechnungserklärung der Beklagten gegenüber der Klägerin war jedenfalls unwirksam. Für die Klägerin als Empfängerin der Willenserklärung war nach objektiven Auslegungskriterien (§ 133 BGB) nicht erkennbar, mit welcher Forderung der Beigeladenen ihre Forderung gegen die Beklagte verrechnet werden sollte. Dies hatte zur Folge, dass die (restliche) Forderung der Klägerin nicht erloschen und die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet ist. Eine ggf noch bestehende Schuld des verstorbenen Versicherten gegenüber der Beigeladenen, die auf die Klägerin gemäß § 57 Abs 2 SGB I übergegangen ist, ist damit ebenfalls nicht getilgt.

Es ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, welchen Inhalt eine wirksame Aufrechnungs- bzw Verrechnungserklärung haben muss. Da die zur Verrechnung gestellten Forderungen aber nur soweit erlöschen, als sie sich decken, müssen, damit das Erlöschen/Tilgen der jeweiligen Forderungen - auch im Hinblick auf die Rechtskraft (§ 141 Abs 2 SGG) - festgestellt werden kann, Art und Umfang der Forderungen in der Erklärung eindeutig bezeichnet werden (vgl hierzu entsprechend Staudinger, aaO, § 388 RdNr 12, § 389 RdNr 18). Der zur Herbeiführung der Rechtswirkung der Aufrechnung bzw der Verrechnung gerichtete Wille muss für einen objektiven Dritten klar erkennbar sein. Dies war hier nicht der Fall, sodass die beabsichtigten Rechtswirkungen nicht eingetreten sind.

Die Beklagte hat mit "Bescheid" vom erklärt: Beigeladene, IKK und DAK hätten sie, die Beklagte, zur Verrechnung der an die Klägerin zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen von insgesamt 53.900,00 DM - "ggf zuzüglich weiterer Zinsen, Säumniszuschläge" - ermächtigt; sie verrechne die Rentennachzahlung aus dem Rentenbescheid vom in Höhe von insgesamt 16.768,40 DM "in voller Höhe mit dem Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen". Damit hat die Beklagte die Forderung der Beigeladenen nicht ordnungsgemäß, bestimmt genug bezeichnet (vgl hierzu entsprechend BGH NJW 2000, 958 ff). Es fehlen Angaben über die Höhe, den Rechtsgrund, die Bezugszeiten und die Fälligkeit der Forderung; nicht angegeben ist auch, ob die Forderung bestands- bzw rechtskräftig festgestellt worden ist.

c) Die Unwirksamkeit der Verrechnung hatte zwar zur Folge, dass die jeweiligen Forderungen nicht erloschen bzw nicht getilgt worden sind. Die Beklagte kann grundsätzlich jedoch die Verrechnung wiederholen (vgl hierzu entsprechend Staudinger, aaO, § 388 RdNr 11) oder auf Grund einer (anderen) Ermächtigung erneut eine Verrechnungserklärung abgeben.

d) Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte als (nach außen) ermächtigter Leistungsträger gegenüber der Beigeladenen oder einem anderen ermächtigenden Leistungsträger (im Innenverhältnis) zur Verrechnung verpflichtet ist. Denn dieses Innenverhältnis berührt - worauf bereits hingewiesen - die Wirksamkeit einer Verrechnungserklärung eines hierzu wirksam ermächtigten Leistungsträgers nicht, sondern betrifft allein das Verhältnis der Leistungsträger zueinander, nicht jedoch dasjenige zwischen Leistungsträger und Leistungsberechtigten. Offen bleiben kann mithin, ob bei mehreren Verrechnungsersuchen der ermächtigte Leistungsträger verpflichtet ist, das jeweils zeitlich frühere, in der Reihenfolge des Eingangs zu berücksichtigen (vgl entsprechend zum Prioritätsgrundsatz: BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 1 S 13, Nr 2 S 27 f; BGH NJW 1968, 835; Benz, aaO, S 334). Dahinstehen kann auch, ob die Beklagte etwa auf Grund des Verrechnungsvertrages zutreffend Ermessen ausgeübt und den Rentennachzahlungsbetrag zu Gunsten der Klägerin und zu Lasten der Beigeladenen nur teilweise "verrechnet" hat; kraft Gesetzes steht ihr im Übrigen im Außenverhältnis zur Klägerin kein Ermessen, sondern - ohne jede Einschränkung - nur die Befugnis zur Verrechnung mit der Forderung des ermächtigenden Leistungsträgers zu. Bei der Verwendung des Begriffs "kann" in § 52 SGB I handelt es sich nicht um ein "Ermessens-Kann", sondern um ein sog "Kompetenz-Kann". Die Vorschrift begründet erst die Rechtsmacht des Leistungsträgers, eine Verrechnung vorzunehmen. Sie räumt nicht dem die Verrechnung erklärenden Leistungsträger das Recht ein, eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang die Verrechnung zu erklären ist (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 52 Nr 2 S 22 f mwN).

e) Bei einer erneuten Verrechnung wird die Beklagte zu beachten haben, dass die Auszahlungsansprüche zeitlich nicht unbegrenzt "vorläufig einbehalten" (dilatorische Einrede) werden dürfen. Sie ist zwar als Leistungsträger einerseits verpflichtet, das ihr gesetzlich eingeräumte Recht zur Verrechnung auszuüben (s oben zum "Kompetenz-Kann"). Andererseits ist sie jedoch gehalten, die Leistung dem Leistungsberechtigten in angemessener Zeit ("rechtzeitig", "zügig") zu erbringen (§§ 1 Abs 2, 17 Abs 1 Nr 1 SGB I). Gerade die Ansprüche aus dem Recht auf (ua) Erwerbsunfähigkeitsrente dienen der Bestreitung des Lebensunterhaltes und damit der Existenzsicherung. Sie sind grundsätzlich unverzüglich (ggf unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen, § 52 iVm § 51 SGB I) zu befriedigen. Beide og Interessen sind gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung ergibt, dass Sozialleistungen nicht beliebig und solange "einbehalten" werden dürfen, bis sämtliche möglichen Verrechnungsersuchen geprüft und ggf - auf Hinweis - noch vervollständigt worden sind. Vielmehr sind nur solche bei Abschluss eines "Rentenfeststellungsverfahrens" vorliegenden substantiierten Ersuchen zu berücksichtigen und auszuführen, in denen bestehende, fällige und bestands- bzw rechtskräftige Forderungen zu Lasten des Versicherten nachgewiesen sind.

f) Da eine wirksame Verrechnung nicht erfolgt ist, sind auf die Revision der Klägerin die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben und die Beklagte - auch unter Aufhebung der angefochtenen "Bescheide" - zur Auszahlung der restlichen Rentennachzahlung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Fundstelle(n):
SAAAC-13827