BVerwG Urteil v. - 7 CN 1.04

Leitsatz

Ein Überschwemmungsgebiet nach § 32 WHG kann auch für Flächen festgesetzt werden, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen.

Gesetze: GG Art. 14 Abs. 1; WHG § 32 Abs. 1; BauGB § 7; BauGB § 29 Abs. 2; BauGB § 34; RhPfWG § 88 Abs. 1; RhPfWG § 89 Abs. 1; RhPfWG § 89 Abs. 2; RhPfWG § 4 Abs. 1; VwGO § 86 Abs. 1

Instanzenzug: OVG Koblenz OVG 1 C 10102/03 vom OVG Koblenz OVG 1 C 11657/02 vom OVG Koblenz OVG 1 C 10101/03 vom OVG Koblenz OVG 1 C 10100/03 vom OVG Koblenz OVG 1 C 11656/02 vom

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine Rechtsverordnung, durch welche die obere Wasserbehörde ein Überschwemmungsgebiet festgestellt hat.

Die obere Wasserbehörde beabsichtigte seit Anfang der neunziger Jahre, für den Wiesbach, ein Gewässer zweiter Ordnung, ein Überschwemmungsgebiet festzustellen. Dem lagen Untersuchungen eines Ingenieurbüros zugrunde. Sie umfassten ein hydrologisches Niederschlags-Abfluss-Modell. Auf dessen Grundlage wurde die Überschwemmungslinie eines 50-jährigen Hochwassers ermittelt. Sie sollte die Grenze des Überschwemmungsgebiets bilden.

Im Mai 1994 gab die obere Wasserbehörde den Verbandsgemeinden, durch welche der Wiesbach fließt, Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Feststellung eines Überschwemmungsgebiets zu äußern. Zu diesen Verbandsgemeinden gehörten die Antragstellerin zu 3 und die Verbandsgemeinde Wörrstadt. Diese beteiligten die ihnen angehörigen Ortsgemeinden. Deren Stellungnahmen reichten sie an die obere Wasserbehörde weiter. Der Antragstellerin zu 3 gehören als Ortsgemeinden die Antragstellerinnen zu 2, zu 4 und zu 7 an, der Verbandsgemeinde Wörrstadt die Antragstellerinnen zu 1 und zu 6. Von der Möglichkeit, sich zu äußern, machten unter anderem die Antragstellerinnen zu 2, zu 4 und zu 7 Gebrauch. Sie baten, bestimmte - insbesondere bebaute - Gebiete ihres jeweiligen Gemeindegebiets aus dem Überschwemmungsgebiet herauszunehmen, weil dort nach aller Erfahrung noch keine Überschwemmungen aufgetreten seien.

Nachdem sie das Verfahren zunächst nicht weiter betrieben hatte, erließ die obere Wasserbehörde unter dem die angegriffene Rechtsverordnung zur Feststellung des Überschwemmungsgebiets des Wiesbachs. Nach § 4 Abs. 1 der Rechtsverordnung ist es insbesondere verboten, im Überschwemmungsgebiet die Erdoberfläche zu erhöhen oder zu vertiefen, Anlagen herzustellen, zu verändern oder zu beseitigen oder Stoffe zu lagern oder abzulagern. Von diesen Verboten können nach § 4 Abs. 2 unter den erforderlichen Bedingungen und Auflagen Ausnahmen zugelassen werden, wenn und soweit dadurch der Wasserabfluss, die Höhe des Wasserstandes oder die Wasserrückhaltung nicht beeinflusst werden können.

Der Antragsteller zu 8 ist Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich der Verordnung. Das Grundstück liegt unmittelbar an dem Bachlauf. Nach seinem Vortrag beabsichtigt er, auf dem Grundstück ein Bienenhäuschen aufzustellen. Der Antragsteller zu 5 ist ebenfalls Eigentümer eines Grundstücks im Geltungsbereich der Verordnung. Das Grundstück ist Ende der neunziger Jahre mit einem Wohnhaus bebaut worden. Die Antragstellerin zu 3 ist Eigentümerin eines Grundstücks, das teilweise innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung liegt. Sie betreibt auf diesem Grundstück als Trägerin der Abwasserbeseitigung eine Kläranlage.

Mit ihren Normenkontrollanträgen gegen die Rechtsverordnung haben die Antragsteller beantragt, die Rechtsverordnung für nichtig zu erklären, die Antragsteller zu 3, zu 5 und zu 8, soweit die Rechtsverordnung ihre jeweiligen Grundstücke erfasst, die anderen Antragsteller, soweit die Rechtsverordnung ihr jeweiliges Gemeindegebiet erfasst. Sie haben geltend gemacht: Die obere Wasserbehörde habe die Eigentümer betroffener Grundstücke gar nicht und die betroffenen Gemeinden nicht ausreichend beteiligt. Der oberen Wasserbehörde sei eine Abwägung der berührten öffentlichen und privaten Belange nicht möglich gewesen. Sie habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Sie habe die örtlichen Verhältnisse aus dem Jahr 1994 oder sogar früher zugrunde gelegt. Sie habe weder die Entwicklung der Bebauung seither noch die inzwischen verwirklichten Maßnahmen des Hochwasserschutzes berücksichtigt.

Die Antragsteller haben in der mündlichen Verhandlung beantragt, das Gutachten eines Sachverständigen zu der Frage einzuholen, ob sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsverordnung das Überschwemmungsgebiet verkleinert. Das Oberverwaltungsgericht hat den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, das Vorbringen der Antragsteller habe die hydrologischen und hydraulischen Bemessungsgrundlagen nicht erschüttert.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Normenkontrollanträge durch die angefochtenen Urteile abgelehnt: Das Landeswassergesetz sehe für die Feststellung eines Überschwemmungsgebiets eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der betroffenen Bürger nicht vor. Abgesehen davon habe die obere Wasserbehörde die betroffenen Gemeinden beteiligt. Deren Anhörung habe durch den Zeitablauf bis zum Erlass der Rechtsverordnung ihren Wert nicht verloren. Zwar gebiete es die grundrechtlich abgesicherte Rechtsstellung derjenigen, die durch eine Planung möglicherweise in ihren Rechten betroffen seien, diese in ein Planungsverfahren einzubeziehen, damit ihre Rechtsposition bei der planerischen Abwägung berücksichtigt werden könne. Die Feststellung eines Überschwemmungsgebiets sei aber eine rechtlich gebundene Entscheidung ohne planerische Gestaltungsfreiheit. Die obere Wasserbehörde habe die Grenzen des Überschwemmungsgebiets nach einem 50-jährigen Hochwasser bemessen dürfen. Die Wasserspiegellinie eines solchen Hochwassers sei in der Rechtsverordnung zutreffend festgelegt. Seit ihrer Eintragung in die maßgeblichen Karten seien zwar Veränderungen im Gelände und im Baubestand eingetreten. Sie hätten aber nicht das Gewicht, um die räumliche Ausdehnung des Überschwemmungsgebiets nennenswert zu beeinflussen. Auch die Maßnahmen an dem Gewässer selbst hätten keinen erheblichen Einfluss auf den Ausdehnungsbereich des 50-jährigen Bemessungshochwassers. Die angegriffene Rechtsverordnung sei ferner nicht deshalb unwirksam, weil sich das festgestellte Überschwemmungsgebiet auf bebaute Ortslagen erstrecke. Sie seien bauplanungsrechtlich überwiegend nach § 34 BauGB zu beurteilen. Bauplangebiete fielen nur in geringem Umfang in das festgestellte Überschwemmungsgebiet. Nach § 29 Abs. 2 BauGB könnten über die §§ 30 bis 37 BauGB hinaus andere öffentlich-rechtliche Vorschriften die Zulässigkeit von Vorhaben weiter einschränken. § 7 Satz 1 BauGB hindere jedenfalls im konkreten Fall nicht, die betroffenen Bauplangebiete in das Überschwemmungsgebiet einzubeziehen. Es sei nämlich nicht ersichtlich, dass die obere Wasserbehörde während des Zeitraums, als sie die Feststellung des Überschwemmungsgebiets beabsichtigt habe und infolgedessen entsprechende Einwände habe erheben können, an einer Flächennutzungsplanung der Verbandsgemeinden beteiligt worden wäre. Die Feststellung des Überschwemmungsgebiets sei nicht deshalb rechtswidrig, weil infolge ihrer Regelungen möglicherweise Ansprüche auf Bebauung verloren gingen. In der Einschränkung der Bebaubarkeit von Grundstücken liege eine Ausformung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, hingegen keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG. Die Rechtsverordnung verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie diene mit dem Hochwasserschutz einem legitimen und hochrangigen Anliegen. Sie sei geeignet und erforderlich, um die mit ihr verfolgten Zwecke zu erreichen. Mit ihren Verboten wirke sie den Gefahren eines Hochwassers, insbesondere dessen weiterem Ansteigen, entgegen und helfe, den Verlust von Ausdehnungsmöglichkeiten für das Hochwasser zu stoppen. Ein anderes, gleich wirksames, das Eigentum weniger beeinträchtigendes Mittel sei nicht erkennbar. Im Übrigen werde es in der Regel möglich sein, einem Baugesuch im Wege einer Ausnahme unter Nebenbestimmungen stattzugeben. Sollten die Belange des Hochwasserschutzes im Einzelfall den vollständigen Verlust eines Bebauungsanspruchs bewirken, so bliebe dies Ausdruck der Situationsgebundenheit des betroffenen Grundstücks und wäre für den jeweiligen Eigentümer nicht unzumutbar. In diesem Fall müsse keine kompensatorische Entschädigung gewährt werden. Die Rechtsverordnung schränke die gemeindliche Planungshoheit nicht übermäßig ein. Den Gemeinden verblieben hinreichende Möglichkeiten der Bebauungsplanung außerhalb des festgestellten Überschwemmungsgebiets. Dass die gemeindlichen Planungsmöglichkeiten innerhalb eines Überschwemmungsgebiets eingeschränkt seien, entspreche der Natur der Sache.

Mit ihren vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen und vom Senat verbundenen Revisionen verfolgen die Antragsteller ihre erstinstanzlichen Begehren weiter: Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei die angegriffene Rechtsverordnung formell rechtswidrig, weil eine Beteiligung der betroffenen Selbstverwaltungskörperschaften und der privaten Eigentümer unterblieben sei. Der Grundsatz des Grundrechtsschutzes durch Verfahren mache bei grundrechtsrelevanten Eingriffen die frühzeitige Beteiligung der Betroffenen zwingend erforderlich. Das gelte unabhängig davon, ob das Überschwemmungsgebiet aufgrund einer planerischen Abwägung festgesetzt werde. Sowohl die Interessen der privaten Eigentümer als auch die Planungshoheit der betroffenen Gemeinden hätten berücksichtigt werden müssen. Ob das Überschwemmungsgebiet erforderlich sei, müsse für jedes einzelne Grundstück festgestellt werden, um das Übermaßverbot im konkreten Einzelfall zu wahren. Zudem müsse überprüft werden, wann und in welchem Fall die Rechtsverordnung zu einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werde. An der dafür erforderlichen Sachaufklärung fehle es. Die Veränderungen in den letzten acht Jahren vor Erlass der Verordnung seien gutachterlich nicht überprüft worden. Auch geringfügige Maßnahmen könnten erhebliche Auswirkungen haben. Sie könnten über die Einbeziehung eines einzelnen Grundstücks entscheiden. Schon deshalb könne ihnen nicht jede Relevanz abgesprochen werden. Das Oberverwaltungsgericht habe den Beweisantrag nicht ablehnen dürfen. Sowohl im qualifiziert beplanten als auch im unbeplanten Innenbereich scheide die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets grundsätzlich aus. Sie bewirke wegen des Bauverbots den Verlust eines zuvor bestehenden Baurechts. Ausnahmen seien nur möglich, wenn ein entsprechender Ausgleich geschaffen werde und die Baumaßnahme dem Wohl der Allgemeinheit diene. Erweiterungen im Bestand seien nicht mehr möglich. Mit der Situationsgebundenheit des Eigentums lasse sich dies nicht rechtfertigen. Für den Fall einer besonderen Härte im Einzelfall fehlten Entschädigungsregelungen. Soweit das Überschwemmungsgebiet auch dicht bebaute Ortskerne mit allenfalls kleinen Baulücken erfasse, könne keiner der Zwecke nachhaltig gefördert werden, zu deren Erreichung ein Überschwemmungsgebiet allein festgesetzt werden dürfe. Erfasse das Überschwemmungsgebiet dicht bebaute Ortskerne, werde die Planungshoheit der Gemeinden erheblich eingeschränkt. Entscheidend für deren Weiterentwicklung seien die Flächen im unmittelbaren Anschluss an die bereits entwickelten Bereiche.

Der Antragsgegner verteidigt die angefochtenen Urteile.

II.

Die Revisionen der Antragsteller zu 5 und zu 8 sind unbegründet. Die Revisionen der anderen Antragsteller sind hingegen begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO). Es hätte der Frage nachgehen müssen, ob die 1991 ermittelte Grenze des Bemessungshochwassers sich durch spätere Änderungen im Baubestand, im Gelände und am Gewässer selbst verändert hat und deshalb einzelne Flächen nicht mehr in das Überschwemmungsgebiet hätten einbezogen werden dürfen. Die Antragsteller zu 5 und zu 8 haben aber entgegen § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO den Verfahrensmangel nicht ausreichend dargelegt. Weil die angefochtenen Urteile im Übrigen mit Bundesrecht vereinbar sind, sind ihre Revisionen zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Auf die Revisionen der anderen Antragsteller ist die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, die angegriffene Rechtsverordnung sei formell rechtmäßig ergangen.

Aus Bundesrecht ergibt sich keine Notwendigkeit, vor Erlass der Rechtsverordnung die Eigentümer von Grundstücken im geplanten Überschwemmungsgebiet zu beteiligen. Zwar ist Grundrechtsschutz weitgehend auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken. Die Grundrechte beeinflussen nicht nur das gesamte materielle Recht, sondern auch das Verfahrensrecht, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung ist ( - BVerfGE 53, 30 <65 f.>). Dies gilt namentlich für die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums. Aus ihr folgt unmittelbar die Pflicht der Gerichte, bei Eingriffen in dieses Grundrecht einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren ( - BVerfGE 51, 150 <156>).

Dass Grundrechtsschutz auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken ist, ist in erster Linie bei der Auslegung und Anwendung bestehender verfahrensrechtlicher Vorschriften des einfachen Rechts zu berücksichtigen. Sie sind im Sinne eines effektiven Schutzes des Eigentums auszulegen und anzuwenden. Hat der Staat in Erfüllung seiner Pflicht zum Schutz des Eigentums verfahrensrechtliche Vorschriften erlassen, kann deren Verletzung zugleich das Eigentumsgrundrecht verletzen.

Aus der Eigentumsgarantie kann aber nicht hergeleitet werden, dass untergesetzliche Rechtsnormen, die im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen, nur unter Beteiligung der künftigen Normadressaten erlassen werden dürften. Die Notwendigkeit einer solchen Beteiligung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn nach Erlass der Rechtsnorm effektiver Rechtsschutz für den Eigentümer im behördlichen oder gerichtlichen Verfahren nicht mehr zu erlangen ist. Das wäre etwa dann zu erwägen, wenn die Eigenart der in Rede stehenden Rechtsnorm deren spätere - unmittelbare oder inzidente - inhaltliche Überprüfung weitgehend ausschließt und diese fehlende inhaltliche Überprüfbarkeit durch eine Beteiligung am Verfahren ausgeglichen werden muss. Das trifft auf die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets nicht zu.

Ob die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden ein Anhörungsrecht einräumt, wenn durch eine untergesetzliche Rechtsnorm ihre Planungshoheit eingeschränkt werden könnte, braucht nicht entschieden zu werden (vgl. hierzu: 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 - BVerfGE 56, 298 <319 ff.>). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die obere Wasserbehörde die Gemeinden vor Erlass der angegriffenen Rechtsverordnung tatsächlich angehört hat; dabei ist unerheblich, dass sie die Verbandsgemeinden angeschrieben hat, nicht aber die ihnen angehörigen Ortsgemeinden, welche Träger der örtlichen Bauleitplanung sind; die Verbandsgemeinden haben ihrerseits die Ortsgemeinden beteiligt und deren Stellungnahmen weitergeleitet; unerheblich ist ebenfalls, dass zwischen dieser Anhörung und dem Erlass der Rechtsverordnung acht Jahre vergangen sind. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Anhörung ihren Wert im Zeitpunkt des Erlasses noch nicht verloren hatte. Diese tatsächliche Feststellung haben die Antragsteller nicht angegriffen.

Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, die angegriffene Rechtsverordnung sei materiell durch die Ermächtigungsgrundlage in § 88 Abs. 1 Satz 1 Wassergesetz für das Land Rheinland-Pfalz (Landeswassergesetz - LWG) in der hier noch anzuwendenden Fassung vom (GVBl 1991 S. 11) gedeckt. Soweit erforderlich stellt nach dieser Vorschrift die zuständige Wasserbehörde das Überschwemmungsgebiet fest, das für den schadlosen Abfluss des Hochwassers und die dafür erforderliche Wasserrückhaltung freizuhalten ist. Diese landesrechtliche Bestimmung entspricht der bundesrechtlichen Rahmenvorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 WHG. Danach setzen die Länder die Überschwemmungsgebiete fest, soweit es zum Erhalt oder zur Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflächen oder zur Regelung des Hochwasserabflusses erforderlich ist.

In Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, in ein Überschwemmungsgebiet dürften bebaute Ortslagen einbezogen werden, die sich baurechtlich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile im Sinne des § 34 BauGB darstellen.

Die gesetzliche Begriffsbestimmung des § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG erfasst alle Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen werden. Bebaute Ortslagen sind von diesem Schicksal nicht ausgenommen. Ihre Einbeziehung in das Überschwemmungsgebiet ist regelmäßig im Sinne der rahmenrechtlichen Vorgabe in § 32 Abs. 1 Satz 2 WHG erforderlich. Sie können noch einen Beitrag dazu leisten, dass die Zwecke eines Überschwemmungsgebiets erreicht werden. Insbesondere wenn bebaute Ortslagen noch Baulücken oder eine erst wenig verdichtete Bebauung aufweisen, fördert es die Zwecke des Hochwasserschutzes, insoweit eine weitere Verdichtung der Bebauung und damit eine Verringerung der Flächen zu verhindern, die für den schadlosen Abfluss des Hochwassers und die dafür erforderliche Wasserrückhaltung benötigt werden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist es nicht ausgeschlossen, dass hier die Einbeziehung der bebauten Ortslagen in das Überschwemmungsgebiet in diesem Sinne die Ziele des Hochwasserschutzes fördert, die mit der Rechtsverordnung angestrebt werden. Dem widerspricht nicht die Erwartung des Oberverwaltungsgerichts, für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile könnten regelmäßig Ausnahmen von dem Bauverbot erteilt werden. Die Einbeziehung in das Überschwemmungsgebiet ermöglicht es nämlich, durch Auflagen für den Hochwasserschutz notwendige Maßnahmen und Schutzvorkehrungen, auch einen Ausgleich an anderer Stelle, zu verlangen.

Das bundesrechtliche Bebauungsrecht, namentlich § 34 BauGB, verbietet nicht im Zusammenhang bebaute Ortsteile in ein Überschwemmungsgebiet und das damit einhergehende grundsätzliche Bauverbot einzubeziehen. Nach § 29 Abs. 2 BauGB können durch öffentlich-rechtliche Vorschriften außerhalb des Baugesetzbuchs aus anderen als städtebaulichen Gesichtspunkten Anforderungen an die Zulässigkeit von Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB gestellt werden. Dadurch können Vorhaben, die nach § 34 BauGB bebauungsrechtlich zulässig sind, aus anderen als bebauungsrechtlichen Gründen unzulässig sein, etwa aufgrund des Bauverbots in einem festgestellten Überschwemmungsgebiet.

Es verstößt auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, in ein Überschwemmungsgebiet solche Grundstücke einzubeziehen, die nach § 34 BauGB bebaubar sind. Die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets bestimmt Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, stellt aber keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG dar. Sie ist nicht darauf gerichtet, konkrete Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vollständig oder teilweise zu entziehen, sondern beschränkt nur generell und abstrakt die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks. Diese Beschränkung genügt dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; sie ist insbesondere dem Eigentümer zumutbar. Es bedarf nicht erst eines finanziellen Ausgleichs, um im Einzelfall diese Zumutbarkeit zu wahren. Dass weder das Wasserhaushaltsgesetz noch das Landeswassergesetz einen finanziellen Ausgleich vorsehen, führt deshalb nicht zur Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage oder der angegriffenen Rechtsverordnung (vgl. hierzu - BVerfGE 100, 226 <240 f.>).

Der Hochwasserschutz ist eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang. Sie rechtfertigt einschränkende Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Das grundsätzliche Bauverbot im Überschwemmungsgebiet ist geeignet und erforderlich, den Zweck der § 32 Abs. 1 Satz 2 WHG, § 88 Abs. 1 LWG zu erfüllen, die natürlichen Rückhalteflächen zu erhalten und dadurch den schadlosen Abfluss des Hochwassers sicherzustellen. Das Bauverbot belastet den Eigentümer nicht übermäßig. § 89 Abs. 2 LWG und § 4 Abs. 2 der angegriffenen Rechtsverordnung lassen Ausnahmen von ihm zu. Eine Ausnahme kann freilich nicht genehmigt werden, wenn und soweit durch die Verwirklichung des Vorhabens der Wasserabfluss, die Höhe des Wasserstandes oder die Wasserrückhaltung beeinflusst werden können. Muss das Grundstück aus Gründen des Hochwasserschutzes von der beabsichtigten Nutzung freigehalten und deshalb eine Ausnahme versagt werden, wird damit nur aus Gründen der Gefahrenvorsorge eine Gefahr erhöhende Nutzung unterbunden. Ein Überschwemmungsgebiet kann nur für solche Grundstücke festgesetzt werden, die tatsächlich bei Hochwasser überschwemmt werden. Eine Änderung ihrer Nutzung, insbesondere ihre Bebauung, verringert bisher vorhandene natürliche Rückhalteflächen. Sie erhöht dadurch die Gefahr, dass sich das Hochwasser auf bisher nicht betroffene Bereiche ausweitet. Zugleich setzt sich eine Bebauung des Grundstücks der Gefahr aus, selbst durch Hochwasser beeinträchtigt zu werden. Das Bauverbot knüpft an die natürliche Lage des Grundstücks an einem Gewässer und in dessen natürlichem Überschwemmungsgebiet an. Unabhängig von der rechtlichen Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets legt diese Lage Beschränkungen in der Nutzung des Grundstücks nicht nur vernünftigerweise nahe, sondern gebietet sie auch. Bauliche Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils sind nur zulässig, wenn die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben (§ 34 Abs. 1 BauGB). Soll ein Bauvorhaben im natürlichen Überschwemmungsgebiet eines Gewässers verwirklicht werden, wird seine Genehmigung auch ohne ein rechtlich festgesetztes Überschwemmungsgebiet mit Bauverbot regelmäßig an dieser Voraussetzung scheitern. Die förmliche Festsetzung des Überschwemmungsgebiets verschiebt die Verfahrenslast. Die Baugenehmigungsbehörde kann sich zunächst auf die Festsetzung des Überschwemmungsgebiets berufen und steht nicht von vornherein vor der Notwendigkeit nachzuweisen, dass Gründe des Hochwasserschutzes einer Bebauung des Grundstücks entgegenstehen. Vielmehr ist es Aufgabe des Eigentümers, darzutun, dass eine Bebauung des Grundstücks mit den Belangen des Hochwasserschutzes vereinbar ist.

Werden bebaute Ortsteile in ein Überschwemmungsgebiet einbezogen, wird damit auch die gemeindliche Planungshoheit nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Kommunale Planungsentscheidungen und Vorstellungen der Gemeinde über die künftige Entwicklung ihres Gemeindegebiets sind nicht losgelöst von den natürlichen Gegebenheiten möglich, sondern haben ihnen zu folgen. Auch ohne rechtliche Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets muss die Gemeinde bei der Überplanung des natürlichen Überschwemmungsgebiets eines Gewässers in ihre Abwägung die Notwendigkeit einbeziehen, Gebiete aus Gründen des Hochwasserschutzes von Nutzungen frei zu halten, welche den schadlosen Hochwasserabfluss oder die dafür erforderliche Wasserrückhaltung behindern (§ 1 Abs. 6 und Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB).

Aus denselben Erwägungen sind die angefochtenen Urteile mit Bundesrecht insoweit vereinbar, als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, in ein Überschwemmungsgebiet dürften Flächen einbezogen werden, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen. § 7 BauGB stand dem hier schon aus tatsächlichen Gründen nicht entgegen. Sind öffentliche Planungsträger an der Aufstellung eines Flächennutzungsplans nach § 4 oder § 13 BauGB beteiligt worden, haben sie ihre eigenen Planungen dem Flächennutzungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem Plan nicht widersprochen haben (§ 7 Satz 1 BauGB). Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die hier betroffenen Bebauungspläne nicht aus Flächennutzungsplänen entwickelt sind, an deren Aufstellung die obere Wasserbehörde mit der Möglichkeit zum Widerspruch im Sinne des § 7 BauGB beteiligt war. Verfahrensrügen haben die Antragsteller insoweit nicht erhoben. Deshalb kann dahinstehen, ob die obere Wasserbehörde, soweit zu ihren Aufgaben die Feststellung von Überschwemmungsgebieten gehört, ein öffentlicher Planungsträger im Sinne des § 7 BauGB ist.

Das Oberverwaltungsgericht hat allerdings keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets für alle Grundstücke erforderlich war, die vom räumlichen Geltungsbereich der Rechtsverordnung erfasst werden. Das Überschwemmungsgebiet ist in § 32 Abs. 1 Satz 1 WHG mit Verbindlichkeit auch für die Länder gesetzlich definiert. Von der hier nicht interessierenden ersten Alternative der Vorschrift abgesehen, sind danach Überschwemmungsgebiete die Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt oder durchflossen oder für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden.

Die obere Wasserbehörde hat als Bemessungsgrundlage für die Ausdehnung des festzustellenden Überschwemmungsgebiets ein Hochwasser herangezogen, wie es statistisch im Laufe von 50 Jahren einmal auftritt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zwar ohne Verstoß gegen den rahmenrechtlichen Begriff der Erforderlichkeit in § 32 Abs. 1 WHG gebilligt. Jedoch sind die Grenzen des Überschwemmungsgebiets im Juni 2002 auf der Grundlage von Untersuchungen festgestellt worden, die bereits im Mai 1991 abgeschlossen waren. Dazwischen sind der Baubestand und das Gelände teilweise verändert worden. An dem Gewässer sind Maßnahmen des Hochwasserschutzes verwirklicht worden. Das Oberverwaltungsgericht geht selbst davon aus, nur ein Teil dieser Änderungen sei schon bei der Ermittlung der Grenzen des Überschwemmungsgebiets berücksichtigt worden.

Das Überschwemmungsgebiet wird parzellenscharf festgesetzt. Erheblich ist eine Änderung, wenn in ihrer Folge ein Grundstück von einem 50-jährigen Hochwasser nicht mehr erfasst wird und deshalb nicht in das Überschwemmungsgebiet hätte einbezogen werden dürfen. Es kommt nicht darauf an, ob die Feststellung eines Überschwemmungsgebiets in Gänze oder zumindest für das gesamte Gebiet einer Ortsgemeinde entbehrlich geworden ist. Erstreckt die Rechtsverordnung sich auf ein Grundstück, das bei ihrem Erlass infolge zuvor eingetretener Veränderungen von einem 50-jährigen Hochwasser nicht mehr erfasst wurde, ist die Rechtsverordnung in diesem Umfang unwirksam.

Das Oberverwaltungsgericht hätte den Beweisantrag der Antragsteller nicht ablehnen dürfen, das Gutachten eines Sachverständigen zu der Frage einzuholen, ob sich die räumlichen Grenzen des Überschwemmungsgebiets infolge der eingetretenen Veränderungen im Baubestand, im Gelände und am Gewässer verkleinern. Der Ablehnung des Beweisantrags liegt offenbar die irrige Rechtsauffassung zugrunde, die mit der Verletzung ihrer Planungshoheit begründeten Anträge der Ortsgemeinden könnten nur dann Erfolg haben, wenn aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen tatsächlichen Veränderungen die jeweiligen Gemarkungen vollständig aus dem Überschwemmungsgebiet herauszunehmen wären.

Die Antragsteller zu 5 und zu 8 haben nicht ausreichend dargelegt, dass die angefochtenen Urteile auch zu ihren Lasten auf dem gerügten Verfahrensfehler beruhen können (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie hätten hierfür plausibel machen müssen, dass bei einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts die angegriffene Rechtsverordnung bezogen auch auf ihre Grundstücke für unwirksam erklärt werden könnte. Dazu wären zumindest Angaben zur Lage der Grundstücke erforderlich gewesen, die es möglich erscheinen lassen, dass die Grundstücke infolge der eingetretenen Veränderungen bei einem 50-jährigen Hochwasser nicht mehr überschwemmt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Fundstelle(n):
DAAAC-13336