Leitsatz
1. Wenn über den Antrag auf Genehmigung des Flächennutzungsplans wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Komplexität der durch den Plan aufgeworfenen Fragen nicht innerhalb der Regelfrist von drei Monaten entschieden werden kann, liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 6 Abs. 4 Satz 2 BauGB für eine Fristverlängerung vor.
2. Die höhere Verwaltungsbehörde darf einen Flächennutzungsplan, der einem während des Genehmigungs- oder des sich anschließenden gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretenen Ziel der Raumordnung widerspricht, nicht genehmigen. Daher darf sie hierzu auch nicht verpflichtet werden.
3. Gehen die städtebaulichen Auswirkungen von Hersteller-Direktverkaufszentren insbesondere wegen der Größe dieser Betriebe, der Zentrenrelevanz ihres Kernsortiments und der Reichweite ihres Einzugsbereichs über die Auswirkungen der üblichen Formen des großflächigen Einzelhandels hinaus, kann es gerechtfertigt sein, sie landesplanerisch einer im Vergleich zum sonstigen großflächigen Einzelhandel strengeren Sonderregelung zu unterwerfen und nur in Oberzentren an städtebaulich integrierten Standorten zuzulassen.
Gesetze: BauGB § 1 Abs. 4; BauGB § 6 Abs. 2; BauGB § 6 Abs. 4 Satz 2; BauGB § 214 Abs. 3; BauGB § 233 Abs. 1; ROG § 7 Abs. 7 Satz 3; ROG § 23 Abs. 1
Instanzenzug: VG Lüneburg VG 2 A 18/01 vom OVG Lüneburg OVG 1 LC 107/05 vom
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und - im Fall der Beigeladenen zu 1 - auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützten Beschwerden bleiben ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerdeführerinnen beimessen. Das angegriffene Urteil weicht auch nicht - wie die Beigeladene zu 1 meint - von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtfertigung von Eingriffen in die kommunale Planungshoheit ab.
1. Beide Beschwerdeführerinnen möchten in dem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, wie das Tatbestandsmerkmal "aus wichtigen Gründen" in § 6 Abs. 4 Satz 2 BauGB auszulegen ist, insbesondere ob die Verlängerung der Genehmigungsfrist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig und ob ein strenger Maßstab anzulegen ist.
Diese Frage kann, soweit sie entscheidungserheblich wäre und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist, auf der Grundlage des Gesetzes beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Über die Genehmigung des Flächennutzungsplans ist binnen drei Monaten zu entscheiden (§ 6 Abs. 4 Satz 1 BauGB). Aus wichtigen Gründen kann die Frist auf Antrag der Genehmigungsbehörde von der zuständigen übergeordneten Behörde verlängert werden, in der Regel jedoch nur bis zu drei Monaten (§ 6 Abs. 4 Satz 2 BauGB). Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Anschluss an die Begründung des Verlängerungsantrags der Bezirksregierung L. bejaht, weil im Zeitpunkt der Fristverlängerung absehbar war, dass die Prüfung des Genehmigungsantrags wegen der Komplexität und des Umfangs der mit der 26. Änderung des Flächennutzungsplans verbundenen Fragen nicht innerhalb der Frist von drei Monaten würde abgeschlossen werden können (vgl. UA S. 33 f.). Dass ein wichtiger Grund für eine Fristverlängerung gegeben ist, wenn über den Genehmigungsantrag wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Komplexität der durch den Flächennutzungsplan aufgeworfenen Fragen nicht innerhalb der Regelfrist von drei Monaten entschieden werden kann, liegt auf der Hand (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 6 Rn. 47 - Stand April 2005; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 6 Rn. 22 - Stand August 2002; Schrödter, BauGB, 6. Auflage 1998, § 6 Rn. 10). Ob die Fragen, die ein Flächennutzungsplan aufwirft, so umfangreich und komplex sind, dass eine Verlängerung der Regelfrist gerechtfertigt ist, hängt von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls ab.
Die Klägerin möchte darüber hinaus rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
- ob die von der Genehmigungsbehörde geltend gemachten "wichtigen Gründe" wirklich vorliegen müssen oder ob es ausreicht, dass sie im Verlängerungsantrag ins Feld geführt werden und nach der Struktur des Einzelfalls theoretisch vorliegen können (Frage I.2.a),
- ob ein Antrag auf Fristverlängerung noch durch "wichtige Gründe" getragen sein kann, wenn die Genehmigungsbehörde in pflichtgemäßer Ausübung der originär ihr zustehenden Prüfungs- und Entscheidungskompetenz zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Änderung des Flächennutzungsplans "ordnungsgemäß zustande gekommen ist" im Sinne von § 6 Abs. 2 BauGB und deshalb ein Anspruch auf Genehmigung besteht (Frage I.2.b) und
- ob "wichtige Gründe" im Sinne von § 6 Abs. 4 Satz 2 BauGB im Zusammenhang mit der Möglichkeit stehen müssen, dass die von der Gemeinde beantragte Genehmigung für die Änderung ihres Flächennutzungsplans abgelehnt werden kann (Frage I.3).
Auch diese Fragen bedürfen nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Die zuerst genannte Frage würde sich in dem Revisionsverfahren nicht stellen, denn das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein wichtiger Grund für die Verlängerung der Frist von der Genehmigungsbehörde nicht nur geltend gemacht wurde, sondern auch vorlag. Auch die zweite Frage geht von einem Sachverhalt aus, den das Oberverwaltungsgericht so nicht festgestellt hat. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts unterlag die Genehmigungsbehörde bei der Entscheidung über die Genehmigung der Fachaufsicht zunächst durch das Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, später durch das Niedersächsische Innenministerium (vgl. UA S. 10 f.). Dass die Genehmigungsbehörde nach Landesrecht über die Erteilung der Genehmigung hätte entscheiden dürfen, ohne die Fachaufsichtsbehörde zu beteiligen, oder dass die Genehmigungsbehörde nach Ausübung der Fachaufsicht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass ein Anspruch auf Genehmigung bestehe, macht die Beschwerde selbst nicht geltend.
Die zuletzt genannte Frage würde sich in dem Revisionsverfahren nicht stellen, weil ein Zusammenhang zwischen der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Komplexität und dem Umfang der durch die Flächennutzungsplanänderung aufgeworfenen Fragen und der Versagung der Genehmigung besteht. Als Ergebnis der weiteren Prüfung des Genehmigungsantrags hat die Bezirksregierung L. die Genehmigung des Flächennutzungsplans versagt.
2. Die Beigeladene zu 1 bezeichnet als rechtsgrundsätzlich die Frage, ob das Wort "Gesetzesänderung" in § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB jede planungsrechtlich relevante Gesetzesänderung (hier: Änderungen des Landesplanungsrechts) erfasst oder ob damit nur Änderungen des BauGB gemeint sind.
Auf die Klärung dieser Frage sind sinngemäß auch die von der Klägerin unter II.1.3 und 1.4 ihrer Beschwerdebegründung bezeichneten Fragen gerichtet.
Die Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der entstandenen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten. Gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB werden Verfahren nach diesem Gesetz, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG) vom (BGBl I S. 2081) in das Baugesetzbuch eingefügt. Zuvor enthielt das Baugesetzbuch für jede seiner Änderungen gesonderte Überleitungsvorschriften. Da diese Überleitungsvorschriften unübersichtlich, teilweise auch durch Zeitablauf überflüssig geworden waren, sollten sie durch eine offen formulierte Generalklausel in § 233 BauGB abgelöst werden (vgl. BTDrucks 13/6392, S. 74). § 233 Abs. 1 BauGB sollte - anders als die bisherigen Überleitungsvorschriften des BauGB und als z.B. die Überleitungsvorschrift in § 23 Abs. 1 ROG - die Anwendbarkeit nicht nur des BauROG, sondern auch der künftigen Änderungsgesetze zum Baugesetzbuch auf vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung förmlich eingeleitete Verfahren regeln (vgl. Bielenberg/Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 233 Rn. 1 - Stand August 2002; Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 233 Rn. 1 - Stand August 2003; Löhr, in: Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Auflage 2005, § 233 Rn. 1). Aus diesem Grund trifft § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine Übergangsregelung für Verfahren nach dem Baugesetzbuch, die vor dem Inkrafttreten "einer" und nicht nur einer bestimmten Änderung des Baugesetzbuchs förmlich eingeleitet worden sind. Die Auswirkungen einer Änderung des Landesplanungsrechts auf laufende Verfahren nach dem Baugesetzbuch regelt § 233 Abs. 1 BauGB nicht.
3. Die Beigeladene zu 1 bezeichnet weiter als rechtsgrundsätzlich die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung eines auf Genehmigung eines Bauleitplans gerichteten Klageantrags abzustellen ist, wenn nach der Beschlussfassung über den Bauleitplan und der Einreichung des Genehmigungsgesuchs Änderungen des Landesplanungsrechts in Kraft getreten sind und der zur Genehmigung gestellte Bauleitplan zwar mit der ursprünglichen, nicht aber mit der geänderten Fassung des Landesplanungsrechts im Einklang steht.
Auch die von der Klägerin unter II.1.1 und 1.2, II.2.1 bis 2.3 sowie II.3.1 und 3.2 aufgeworfenen Rechtsfragen beschäftigen sich mit dem maßgebenden Zeitpunkt für die Genehmigungsfähigkeit eines Flächennutzungsplans und für die Erfüllung des Anpassungsgebots des § 1 Abs. 4 BauGB. Die genannten Fragen lassen sich, soweit sie in dem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wären, auf der Grundlage des Gesetzes und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres beantworten.
Gemäß § 6 Abs. 2 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn der Flächennutzungsplan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder diesem Gesetzbuch, den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht. Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne - also auch der Flächennutzungsplan (vgl. § 1 Abs. 2 BauGB) - den Zielen der Raumordnung anzupassen. Ein Flächennutzungsplan, der entgegen § 1 Abs. 4 BauGB nicht den Zielen der Raumordnung angepasst ist, widerspricht dem Baugesetzbuch; er ist nicht genehmigungsfähig. Die Pflicht zur Anpassung, die § 1 Abs. 4 BauGB statuiert, endet nicht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung. Bauleitpläne sind den gültigen Zielen der Raumordnung anzupassen, unabhängig davon, wann diese in Kraft getreten sind. Nach der Rechtsprechung des Senats ( BVerwG 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <39 f.>) liegt der Regelungszweck des § 1 Abs. 4 BauGB in der "Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz" zwischen der übergeordneten Landesplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung. Die Pflicht zur Anpassung zielt nicht auf "punktuelle Kooperation", sondern auf dauerhafte Übereinstimmung der beiden Planungsebenen. Die Gemeinde ist - unter dem Vorbehalt der materiellrechtlichen und zeitlichen Erforderlichkeit im Einzelfall - zur Anpassung an die Ziele der Raumordnung nicht nur verpflichtet, wenn sie Bauleitpläne aus eigenem Entschluss und allein aus städtebaulichen Gründen aufstellt oder ändert; sie muss auch dann planerisch aktiv werden, wenn allein geänderte oder neue Ziele der Raumordnung eine Anpassung der Bauleitpläne erfordern ( a.a.O.). Unbeschadet der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Anpassung eines genehmigten und durch Bekanntmachung der Genehmigungserteilung wirksam gewordenen (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB) Flächennutzungsplans an ein neues Ziel der Raumordnung erforderlich ist, darf die höhere Verwaltungsbehörde einen Flächennutzungsplan, der einem während des Genehmigungs- oder des sich anschließenden gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretenen Ziel der Raumordnung widerspricht, nicht genehmigen und hierzu auch nicht verpflichtet werden (vgl. Runkel, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 69 - Stand September 2005; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl. 2005, § 1 Rn. 42). Etwas anderes ergibt sich auch nicht - wie die Klägerin meint (Frage II.1.2) - aus § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Für die Anpassung an die Ziele der Raumordnung nach § 1 Abs. 4 BauGB gilt § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB weder unmittelbar noch entsprechend. Das ergibt sich ebenfalls ohne weiteres aus der Rechtsprechung des Senats. Der Standort, den der Gesetzgeber den Zielen der Raumordnung und Landesplanung in der Bauleitplanung zuweist, ist nicht im Abwägungsprogramm zu suchen; er ist diesem vielmehr, wie bereits durch die Stellung des § 1 Abs. 4 BauGB im Gesamtregelungszusammenhang dokumentiert wird, rechtlich vorgelagert (vgl. BVerwG 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 <332>; BVerwG 4 CN 14.01 - BVerwGE 117, 351 <356>). Ein Flächennutzungsplan, der zunächst mit den Zielen der Raumordnung übereinstimmt, einem später geänderten landesplanerischen Ziel jedoch widerspricht, würde im Übrigen einem Bebauungsplan, der aus den Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt worden ist, gegenüber der geänderten Landesplanung keinen bauleitplanerischen "Bestandsschutz" verleihen (vgl. BVerwGE 117, 351 <356>). Die landesplanerische Zielfestlegung setzt sich als Bestandteil der übergeordneten Planung gegenüber einem zielwidrig gewordenen Flächennutzungsplan durch. Die Frage, ob auch die Gemeinde über den Bauleitplan vor der Schlussbekanntmachung neu entscheiden müsste (Frage II.3.2 der Klägerin), würde sich in dem Revisionsverfahren nicht stellen.
4. Die Beigeladene zu 1 möchte in dem Revisionsverfahren weiter rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob es mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG in Gestalt der kommunalen Planungshoheit vereinbar ist, wenn Regelungen des Landesplanungsrechts es allen Gemeinden unterhalb der Zentralitätsstufe eines Oberzentrums ausnahmslos untersagen, bestimmte Handelseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) auf ihrem Gemeindegebiet anzusiedeln.
Die Klägerin thematisiert mit ihrer Frage III.2.1 ebenfalls, welche Anforderungen an strikte, ausnahmslose landesplanerische Zielvorgaben zur Wahrung der Selbstverwaltungsgarantie zu stellen sind.
Die Frage, ob es den Gemeinden unterhalb der Zentralitätsstufe eines Oberzentrums ausnahmslos untersagt werden darf, Hersteller-Direktverkaufszentren anzusiedeln, würde sich in dem Revisionsverfahren so nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Landesplanungsrecht des Landes Niedersachsen dahin ausgelegt, dass der Plansatz C Satz 11 LROP 2002 zwar eine strikte Bindung für Hersteller-Direktverkaufszentren vorsieht, das Zielabweichungsverfahren (§ 11 Abs. 1 NROG) aber davon abweichende Lösungsmöglichkeiten eröffnet (vgl. UA S. 59).
Dass es, jedenfalls wenn die Möglichkeit der Zielabweichung besteht, mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar sein kann, Gemeinden unterhalb der Zentralitätsstufe eines Oberzentrums durch eine landesplanerische Zielfestlegung zu untersagen, die Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren im Wege der Bauleitplanung zu ermöglichen, ist nicht zweifelhaft. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwGE 90, 329 <335>; BVerwG 4 CN 9.01 - BVerwGE 118, 181 <185>; BVerwG 4 BN 1.05 - NVwZ 2005, 584), von der entgegen der Auffassung der Klägerin (Frage III.3.1) auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist (vgl. UA S. 47 f.), steht Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Bindung der gemeindlichen Bauleitplanung an Ziele der Raumordnung und Landesplanung nicht prinzipiell entgegen. Das Grundgesetz gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung nur im Rahmen der Gesetze. Die Gemeinde ist landesplanerischen Zielvorgaben jedoch nicht einschränkungslos ausgesetzt. Sie ist, soweit für sie Anpassungspflichten begründet werden, in den überörtlichen Planungsprozess einzubeziehen. Auch materiellrechtlich setzt die kommunale Planungshoheit der Landesplanung Grenzen. Schränkt die Landes- oder Regionalplanung die Planungshoheit einzelner Gemeinden ein, so müssen überörtliche Interessen von höherem Gewicht den Eingriff rechtfertigen; der Eingriff in die Planungshoheit muss gerade angesichts der Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung verhältnismäßig sein (vgl. BVerwGE 118, 181 <185>). Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwGE 119, 25 <41>) ein überörtliches Interesse, das eine Beschränkung der Planungshoheit rechtfertigen kann. Die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe ist nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt; sie kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen und - in unterschiedlicher Gestalt - mit der zentralörtlichen Gliederung verbunden werden. Gehen die städtebaulichen Auswirkungen von Hersteller-Direktverkaufszentren insbesondere wegen der Größe dieser Betriebe, der Zentrenrelevanz ihres Kernsortiments und der Reichweite ihres Einzugsbereichs über die Auswirkungen der üblichen Formen des großflächigen Einzelhandels hinaus, kann es gerechtfertigt sein, sie einer im Vergleich zum sonstigen großflächigen Einzelhandel strengeren Sonderregelung zu unterwerfen und planerisch nur in Oberzentren an städtebaulich integrierten Standorten zuzulassen. Eine solche Zielfestlegung schließt es zwar für das gesamte Gebiet einer Gemeinde, die nicht Oberzentrum ist, aus, die Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren planerisch zuzulassen; da die Zielfestlegung lediglich eine eng umgrenzte Nutzungsart ausschließt, verbleibt der Gemeinde jedoch substanzieller Raum für eine anderweitige Bauleitplanung. Im vorliegenden Fall sind der Plangeber und ihr folgend das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Hersteller-Direktverkaufszentren besondere raumstrukturelle, die zentralörtliche Gliederung gefährdende Auswirkungen haben (vgl. UA S. 43 f., 51). An diese tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in dem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Ausgehend hiervon zeigen die Beschwerdeführerinnen nicht auf, dass die dargelegten, in der Senatsrechtsprechung bereits geklärten Anforderungen an Beschränkungen der kommunalen Planungshoheit durch Ziele der Raumordnung in dem Revisionsverfahren in verallgemeinerungsfähiger Weise präzisiert oder fortentwickelt werden könnten.
Das angefochtene Urteil weicht auch nicht - wie die Beigeladene zu 1 geltend macht - von der Entscheidung des BVerwG 4 CN 9.01 - (BVerwGE 118, 181) ab. In dieser Entscheidung hat der Senat den Rechtssatz aufgestellt, dass die dem Träger der Regionalplanung durch Landesgesetz auferlegte Verpflichtung, in einem Regionalplan regional bedeutsame Infrastrukturvorhaben gebietsscharf auszuweisen, mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) vereinbar ist, wenn diese Ausweisung durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht gerechtfertigt ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Einen hiervon abweichenden Rechtssatz hat das Oberverwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Es ist nicht - wie die Beigeladene zu 1 meint - davon ausgegangen, dass ein Eingriff des Plangebers in die kommunale Planungshoheit "schon dann gerechtfertigt ist, wenn er den Eingriff aus politischen Erwägungen für zweckmäßig hält, ohne dass die materielle Erforderlichkeit der Einschränkung der Planungshoheit geprüft werden muss". Das Oberverwaltungsgericht hatte keinen Zweifel daran, dass die in Plansatz C Satz 11 LROP 2002 getroffene Regelung erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit von Innenstädten, Stadtteilzentren und Ortskernen zu schützen. Dass ein entsprechendes Ziel mit Ausnahmevorbehalt in gleicher Weise wie ein striktes Ziel geeignet gewesen wäre, die zentralörtliche Gliederung zu schützen, macht die Beschwerde selbst nicht geltend. Einen Spielraum für politische Zweckmäßigkeitserwägungen hat das Oberverwaltungsgericht dem Verordnungsgeber lediglich bei der landesplanerischen Abwägung eingeräumt.
5. Die von der Beigeladenen zu 1 aufgeworfene Frage, ob der Gesetzgeber bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Ansiedlung privater Versorgungseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) durch das in § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG formulierte Abwägungsgebot verpflichtet ist, bereits verfestigte Planungen einer Gemeinde und die daraus resultierenden Rechtspositionen eines privaten Vorhabenträgers in seine Abwägung einzubeziehen, lässt sich, soweit sie sich in dem Verfahren stellen würde, beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Gleiches gilt für die von der Klägerin unter III.1.1 bis 1.3, 2.2, 2.3, 3.2 und 3.3 bezeichneten Fragen, die ebenfalls die Folgen einer weitgehend geförderten gemeindlichen Bauleitplanung für die raumplanerische Abwägung thematisieren.
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. UA S. 48 f.) ist bei der Aufstellung des Ziels C Satz 11 des LROP II 2002 das landesrechtlich geregelte Beteiligungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Klägerin hat in diesem Verfahren zu der vorgesehenen Zielfestlegung Stellung genommen; die Stellungnahme ist mit ihr erörtert worden. Der Verordnungsgeber hat die vorgetragenen Bedenken - auch die der Klägerin - gegen die Sonderregelung für Hersteller-Direktverkaufszentren bewertet und abgewogen; dabei war ihm die planungsrechtliche Situation der Klägerin bekannt (vgl. UA S. 49). Die Beschwerdeführerinnen meinen, der Verordnungsgeber habe nicht nur die generellen Einwendungen gegen die Sonderregelung für Hersteller-Direktverkaufszentren, sondern auch die von der Klägerin bereits beschlossenen Bauleitpläne zur Ansiedlung des von der Beigeladenen zu 1 geplanten Designer-Outlet-Centers in der Abwägung berücksichtigen müssen. Insoweit zeigen sie einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf jedoch nicht auf. Nach der Rechtsprechung des Senats kann und muss der Planer bei der Abwägung nicht "alles" berücksichtigen; unbeachtet bleiben können u.a. betroffene Interessen, die - sei es überhaupt, sei es im gegebenen Zusammenhang - nicht schutzwürdig sind, z.B. weil sich deren Träger vernünftigerweise darauf einstellen müssen, dass "so etwas geschieht" (vgl. BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <102 f.>, BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <219>; BVerwG 4 BN 46.05 - juris). Hiervon ist der Sache nach auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen - falls seine Ausführungen nicht ohnehin so zu verstehen sind, dass es annimmt, der Verordnungsgeber habe die ihm bekannte "besondere planungsrechtliche Situation" (UA S. 49) bei der Klägerin durchaus gesehen und gewürdigt und lediglich nicht ausdrücklich in seine Begründung einbezogen. Es hat bezogen auf die Planungen der Klägerin für Vertrauensschutz keinen Raum gesehen (vgl. UA S. 59), weil die Klägerin von den Änderungen des LROP 2002 nicht unvorbereitet getroffen worden sei. Die Fortschreibung und Präzisierung der entsprechenden Planaussage des LROP 1994, deren Zielqualität bei Aufstellung der Bauleitpläne streitig gewesen sei (vgl. UA S. 12, 16), durch Satz 11 des LROP 2002 sei das Ergebnis einer langjährigen und durch politische Beschlüsse vorbereiteten verordnungsrechtlichen Entscheidung (vgl. UA S. 59 f.). An diese Feststellungen und deren tatrichterliche Würdigung wäre der Senat in dem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Warum es bei einer solchen Ausgangslage abwägungsfehlerhaft sein sollte, in der Zielfestlegung von einer Ausnahme für während der Zielaufstellung weitgehend geförderte Planungen einer Gemeinde abzusehen, legen die Beschwerdeführerinnen nicht dar. Sie zeigen auch nicht auf, warum die Beigeladene zu 1 auf den Bestand der Planungen der Klägerin hätte vertrauen dürfen. Der Beigeladenen zu 1 waren die maßgebend durch ihr Vorhaben veranlassten (vgl. UA S. 12) Pläne zur Änderung des LROP 1994 ebenfalls bekannt.
6. Die von der Beigeladenen zu 1 schließlich als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage, ob der Gesetzgeber bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Ansiedlung privater Versorgungseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) im Rahmen der Abwägung die typischen Standortanforderungen und die konzeptionelle Ausprägung derartiger Einrichtungen als "private Belange" nach § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG berücksichtigen muss, wäre in dem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Verordnungsgeber die typischen Standortanforderungen und die konzeptionelle Ausrichtung von Hersteller-Direktverkaufszentren im Rahmen der Abwägung berücksichtigt. Er ist davon ausgegangen, dass die Ansiedlungsersuchen sich vorrangig auf Standorte auf der "grünen Wiese" in der Nähe von Autobahnanschlüssen oder -raststätten, in der Nähe touristischer Zentren sowie in Zwischenlagen von großen Verdichtungsräumen richten. Dorthin sollten Käuferschichten aus einem Einzugsbereich von bis zu 200 km oder bis zu zwei Autostunden angezogen werden. Zur Attraktivitätssteigerung würden die Zentren durch Gastgewerbe, Freizeiteinrichtungen und traditionellen Einzelhandel abgerundet (vgl. UA S. 43). Der Verordnungsgeber hat mithin nicht verkannt, dass die Betreiber von Hersteller-Direktverkaufszentren typischerweise versuchen, ihr Vorhaben außerhalb von Oberzentren zu verwirklichen. Er hat jedoch - vom Oberverwaltungsgericht unbeanstandet - dem öffentlichen Interesse am Schutz der zentralörtlichen Gliederung gegenüber dem privaten Interesse der Betreiber von Hersteller-Direktverkaufszentren, derartige Einzelhandelsbetriebe an für diese spezielle Verkaufsform besonders geeigneten Standorten zu errichten, den Vorrang gegeben. Inwiefern diese Abwägung in rechtsgrundsätzlicher Weise fehlerhaft sein sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
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RAAAC-12624