BGH Beschluss v. - IX ZB 369/02

Leitsatz

[1] a) Das Rechtsbeschwerdegericht prüft von Amts wegen, ob die sofortige Beschwerde zulässig war.

b) Die Beschwerdeschrift muß bei großzügiger Auslegung den Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung und das Anliegen der Überprüfung derselben durch die höhere Instanz erkennen lassen. Eine zur Vorbereitung einer Entscheidung eingereichte Stellungnahme kann nicht in eine sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung umgedeutet werden.

Gesetze: ZPO § 577 Abs. 2 Satz 3; ZPO § 557 Abs. 3 Satz 2; ZPO § 569 Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: LG Stade vom AG Tostedt

Gründe

I.

Am beantragte die A. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner wegen einer Forderung von 8.198,43 DM. Der vom Gericht bestellte vorläufige Insolvenzverwalter legte am ein Gutachten vor. Mit Beschluß vom eröffnete das Amtsgericht Tostedt das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Beschluß wurde dem Schuldner am zugestellt. Am ging ein Schreiben des Schuldners vom beim Amtsgericht ein, mit dem der Schuldner verschiedene Unterlagen vorlegte und bemängelte, daß das Insolvenzverfahren nur aus Schätzungen bestehe. Mit Schreiben vom 15. April, 26. April, 7. Mai, 14. Mai und erinnerte der Schuldner an die Erledigung seines Schreibens vom . Mit Beschluß vom legte die 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade das Schreiben des Schuldners vom als sofortige Beschwerde aus und wies diese kostenpflichtig zurück. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Schuldners, mit der geltend gemacht wird, die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten nicht vorgelegen.

II.

Die nach § 7 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 2 ZPO.

Auf die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen kommt es nicht an, weil die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluß des Amtsgerichts unzulässig war.

Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Bei der Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen gemäß § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO, ob die Berufung zulässig war, weil es andernfalls an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Revisionsgericht fehlt (st. Rspr., vgl. BGHZ 102, 37/38; , ZIP 2000, 2222). Entsprechendes gilt bei der Rechtsbeschwerde gemäß der insoweit gleichlautenden Bestimmung des § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO hinsichtlich der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde (Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. § 557 Rn. 8; § 577 Rn. 2; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO 25. Aufl. § 557 Rn. 5; § 577 Rn. 1, 2; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 557 Rn. 15; § 577 Rn. 3). Andernfalls fehlt es an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht.

Soweit eine Beschwerdeeinlegung in den Schreiben des Schuldners vom 15. April, 26. April, 7. Mai, 14. Mai und gesehen werden könnte, wäre die sofortige Beschwerde nicht fristgerecht eingelegt. Der war dem Schuldner am zugestellt worden. Die Notfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde, die gemäß § 4 InsO, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwei Wochen ab Zustellung betrug, war demgemäß am abgelaufen.

In dem Schreiben des Schuldners vom ist entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht die Einlegung einer sofortigen Beschwerde zu sehen. Gemäß § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 4 InsO muß die Beschwerdeschrift die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, daß Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werde. Wegen der geringen Formstrenge reicht es dabei aus, wenn die Schrift bei großzügiger Auslegung den Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung und das Anliegen der Überprüfung derselben durch die höhere Instanz hinreichend klar erkennen läßt (, NJW 1992, 243; Musielak/Ball, aaO § 569 Rn. 7; Zöller/Gummer, aaO § 569 ZPO Rn. 7, 7a). Ist jedoch der Anfechtungswille auch bei großzügiger Auslegung nicht erkennbar, kann eine Eingabe an das Gericht nicht nachträglich dadurch zu einer Beschwerde gemacht werden, daß die Partei erklärt, ihre Eingabe möge als Beschwerde gewertet werden (vgl. Zöller/Gummer, aaO Rn. 7a). Eine ausreichende Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung enthielt das Schreiben des Schuldners vom nicht. Der Beschluß des Amtsgerichts wird nicht erwähnt. Es ist aus dem Schreiben auch nicht ansatzweise erkennbar, daß der Schuldner Kenntnis von dem Eröffnungsbeschluß hatte und sich gegen diesen zur Wehr setzen wollte. Im Schreiben vom hat der Schuldner erklärt, daß er vor dem von dem Eröffnungsbeschluß gewußt habe. Bereits im Schreiben vom hatte der Schuldner dargelegt, er habe vor Bekanntgabe des Beschlusses vom vorläufigen Insolvenzverwalter am alles erfahren. Damit steht fest, daß dem Schuldner bei Abfassung seines Schreibens vom der Eröffnungsbeschluß unbekannt war ebenso wie bei der Einreichung des Schreibens am .

Es fehlt sonach an dem erkennbaren Willen, gegen den Eröffnungsbeschluß Beschwerde einzulegen. Der Schuldner hatte vielmehr das Ziel, daß seine Ausführungen bei der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berücksichtigt werden. Damit kam der Schuldner zu spät. Eine derartige Stellungnahme kann nicht in eine Beschwerde umgedeutet werden.

Fundstelle(n):
FAAAB-99915

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein