BGH Beschluss v. - IX ZB 104/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 793; ZPO § 766; ZPO § 850d Abs. 1 Satz 4; InsO-E § 100; InsO § 89; InsO § 89 Abs. 1; InsO § 89 Abs. 2; InsO § 89 Abs. 2 Satz 2; InsO § 89 Abs. 3 Satz 1

Instanzenzug: LG Landshut vom

Gründe

I.

Der Freistaat Bayern vollstreckt nach Überleitung rückständigen Kindesunterhalts für die Jahre 1997 bis 2001 gegen den Schuldner während des am gegen diesen eröffneten Insolvenzverfahrens. Auf seinen Antrag hat das Amtsgericht Erding am einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erlassen, in dem nicht die allgemein pfändbaren, jedoch die der erweiterten Pfändung nach § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO zugänglichen Lohnanteile gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurden. Auf Antrag des Schuldners und Anhörung des Gläubigers hierzu änderte das Amtsgericht Erding mit Beschluß vom den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom dahin, daß dem Schuldner nunmehr ein höherer pfändungsfreier Betrag von monatlich 1.039 € zu belassen sei. Der weitergehende Antrag des Schuldners wurde zurückgewiesen.

Der Insolvenzverwalter hat die vom Gläubiger als Insolvenzforderung angemeldeten Unterhaltsrückstände in Höhe von 7.439,73 € zur Tabelle anerkannt. Am legte er gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Erding Erinnerung ein. Nach Anhörung des Gläubigers hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Erding der Erinnerung nicht abgeholfen. Das Amtsgericht Landshut - Insolvenzgericht - hat die Erinnerung mit Beschluß vom zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hatte Erfolg. Das Landgericht ist der Auffassung, daß der Einzelzwangsvollstreckung § 89 Abs. 1 InsO entgegenstehe, weil die Ausnahme des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht für Insolvenzgläubiger gelte.

Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Gläubigers. Sie meint, die sofortige Beschwerde sei nicht statthaft, die Erinnerung des Insolvenzverwalters mangels Erinnerungsbefugnis unzulässig gewesen. § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO gelte auch für Insolvenzgläubiger, also für rückständige Forderungen des Unterhaltsgläubigers, die zur Tabelle angemeldet und festgestellt wurden.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil sie das Beschwerdegericht zugelassen hat (, ZIP 2004, 732; v. - IX ZB 306/03, ZInsO 2004, 441). Sie ist auch im übrigen zulässig.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die sofortige Beschwerde unzulässig war.

1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu prüfen; war die sofortige Beschwerde unzulässig, fehlt es an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht (, WM 2004, 198).

2. Die sofortige Beschwerde war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde statthaft. Der Rechtsmittelzug richtet sich nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, wenn das Insolvenzgericht kraft der besonderen Zuweisung des § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet ( aaO; v. aaO). Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Landshut vom war deshalb gemäß § 567 Abs. 1, § 793 ZPO die sofortige Beschwerde statthaft.

3. Die sofortige Beschwerde war jedoch unzulässig, weil der Schuldner durch die angegriffene Entscheidung nicht beschwert war. Sie enthält zum Nachteil des Schuldners keine Abweichung vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Erding vom und von dem Abänderungsbeschluß vom , der dem Schuldner am zugestellt worden war.

Gegen den Beschluß vom hatte sich der Schuldner nicht gewandt. Von der Möglichkeit der sofortigen Beschwerde hatte er keinen Gebrauch gemacht. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde lief für ihn am ab (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

In der Mobiliarvollstreckung ist gegen Vollstreckungsakte - auch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse - zwar grundsätzlich die Erinnerung gemäß § 766 ZPO gegeben. Hat die angegriffene Maßnahme jedoch Entscheidungscharakter, ist nur die sofortige Beschwerde statthaft (vgl. HK-InsO/Eickmann, 3. Aufl. § 89 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Breuer § 89 Rn. 40; Zöller/Stöber, ZPO 24. Aufl. § 766 Rn. 3 a.E.; Musielak/Lackmann, ZPO 3. Aufl. § 766 Rn. 11 f; MünchKomm-ZPO/Karsten Schmidt, 2. Aufl. § 766 Rn. 10 f, 14 f).

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - Erding hat vor seiner Entscheidung vom dem Gläubiger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dieser hat sich geäußert. Damit lag eine Entscheidung vor, die jedenfalls für Schuldner und Gläubiger nur mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar war.

Die Gesetzesbegründung zu § 100 InsO-E, der bereits wörtlich dem späteren § 89 InsO entsprach, führt zwar aus, daß die Einwendungen des § 89 Abs. 1 und 2 InsO nach allgemeinem Vollstreckungsrecht im Wege der Erinnerung geltend zu machen sind (BT-Drucks. 12/2443 S. 138, letzter Absatz zu § 100; ebenso App, NZI 1999, 138, 139). Die Erinnerung kann jedoch dann nicht stattfinden, wenn nach allgemeinem Vollstreckungsrecht die sofortige Beschwerde gegeben ist (OLG Jena, ZInsO 2002, 134; OLG Düsseldorf, NZI 2002, 388).

Der Insolvenzverwalter hat die von ihm am eingelegte Erinnerung nicht in wirksamer gewillkürter Prozeßstandschaft für den Schuldner eingelegt. Diese liegt schon deshalb nicht vor, weil sich der Insolvenzverwalter nicht, wie es erforderlich wäre, hierauf berufen hat und sie auch nicht erkennbar war (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer aaO vor § 50 Rn. 47). Die erforderliche Ermächtigung des Schuldners ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Die vom Schuldner eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluß vom könnte zwar als nachträgliche Genehmigung ausgelegt werden, würde jedoch nicht zurückwirken können (, NJW-RR 1993, 669, 670). Darüber hinaus ist nichts für das notwendige schutzwürdige eigene Interesse des Insolvenzverwalters an einer Prozeßstandschaft erkennbar oder dargetan (vgl. Zöller/Vollkommer aaO vor § 50 Rn. 44).

Jedenfalls wäre eine für den Schuldner eingelegte Erinnerung nicht statthaft gewesen, weil dem Schuldner nach Erlaß des Beschlusses vom nur die sofortige Beschwerde als Rechtsbehelf zur Verfügung stand. Die Erinnerung hätte zwar in eine sofortige Beschwerde des Schuldners umgedeutet werden können. Diese wäre jedoch verfristet gewesen.

4. Als Gegenstandswert für die Verfahren der Beschwerde ist der zu vollstreckende Betrag maßgeblich.

Fundstelle(n):
DAAAB-99570

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein