Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 100 Abs. 2; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2; VwGO § 138 Nr. 1
Instanzenzug: BVerwG - BVerwG 8 B 104.00 vom VG Berlin VG 7 A 9.95 vom
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft im Wesentlichen die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer allgemeinen Regel des Völkerrechts zur vermögensrechtlichen Rückübertragung eines enteigneten Grundstücks im Zentrum Berlins an die Beschwerdeführerin verpflichtet ist.
I.
1. Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin erwarb 1929 das Eigentum an mehreren Grundstücken in Berlin-Mitte. Auf den Grundstücken befand sich ein Gebäude mit der Geschäftszentrale des Unternehmens, dessen Geschäftsanteile bereits zu jener Zeit zu 100% von einer Aktiengesellschaft niederländischen Rechts gehalten wurden.
Im Zuge der Pläne für den Umbau Berlins zur "Reichshauptstadt Germania" sollte das betreffende Grundstück für eine Straßenverbreiterung und einen Neubau der Industrie- und Handelskammer (IHK) verwendet werden. Aus diesem Grund wurde 1938 auf der Grundlage preußischen Landesrechts ein Enteignungsverfahren mit dem Ziel eingeleitet, das Grundstück der Stadt Berlin und der IHK zur Verfügung zu stellen. Nach dem Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses im Mai 1938 wurde durch die anschließende Besitzeinweisung im Ergebnis die Bauerlaubnis für die Bauvorhaben erteilt. Die daraufhin begonnenen Abriss- und Bauarbeiten wurden kriegsbedingt nicht beendet.
Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin erhielt in den Jahren 1939/40 eine Vorabentschädigung in Höhe von insgesamt 2,5 Mio. Reichsmark. Die Gesamtsumme wurde vorbehaltlich einer späteren Verrechnung nach einer exakten Vermessung der Grundstücke gezahlt. Das Enteignungsverfahren wurde nicht abgeschlossen, insbesondere erfolgte keine Umschreibung des Grundbuchs.
Im Zuge der Errichtung eines Devisenhotels der DDR auf dem Grundstücksareal führte der Rat des Stadtbezirks Mitte von Berlin im April 1987 auf der Grundlage des Baulandgesetzes der DDR die Einziehung des Grundstückseigentums zu Gunsten von Volkseigentum durch. Das Hotel wurde als Rechtsträger des Gesamtgrundstücks in das Grundbuch eingetragen. Die Grundstücksbewertungsstelle des Magistrats bewertete die Grundstücke mit einem Zeitwert von insgesamt 597.000,- Mark. Die Summe wurde der Beschwerdeführerin jedoch nicht ausgezahlt, sondern mit der Vorabentschädigung aus den Jahren 1939/40 in Höhe von 2,5 Mio. Reichsmark verrechnet.
Nach der Wiedervereinigung wurde die Anlage von der Deutschen Interhotel GmbH und einer Schwestergesellschaft übernommen. Das Objekt wurde im März 1994 an eine Kapitalgesellschaft verkauft. Im Oktober 1994 erließ die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen des Landes Berlin einen Investitionsvorrangbescheid, in dem auch die Rückübertragung der Grundstücke an die Beschwerdeführerin ausgeschlossen wurde.
2. Die Beschwerdeführerin beantragte auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen die Rückübertragung der betreffenden Grundstücke. Die Anträge wurden durch das Landesamt für die Regelung offener Vermögensfragen Berlin im Dezember 1994 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht und die Nichtzulassungsbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hatten keinen Erfolg.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 25 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 100 Abs. 2 GG sowie von Art. 3 Abs. 1 GG geltend. Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Fachgerichte eine allgemeine Regel des Völkerrechts nicht angewendet hätten, wonach bei abgeschlossenen, völkerrechtswidrigen Enteignungen von Ausländern ein Anspruch auf Rückabwicklung der Enteignung bestehe, der auch vom geschädigten Alteigentümer geltend gemacht werden könne und nicht nur den schädigenden Staat, sondern im Fall der Staatennachfolge auch den ihm nachfolgenden Staat verpflichte.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist. Sie genügt nicht dem im Verfassungsbeschwerde-Verfahren geltenden Subsidiaritätsgrundsatz (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG).
Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde soll vor allem sichern, dass durch die umfassende fachgerichtliche Vorprüfung der Beschwerdepunkte dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere auch der obersten Bundesgerichte, vermittelt werden. Zugleich entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren (BVerfGE 47, 144 <145>; 68, 376 <380>; 72, 39 <43>; 77, 381 <401>).
Dies bedeutet zunächst, dass der Instanzenzug - wie im vorliegenden Fall - grundsätzlich erschöpft sein muss (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Daneben fordert der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, dass ein Beschwerdeführer - über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus - die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>; 77, 381 <401>; 81, 97 <102>). Dazu gehört auch, dass er verfassungsrechtliche Einwände bereits im Ausgangsverfahren vorträgt.
Die Beschwerdeführerin hat sich im fachgerichtlichen Verfahren ausführlich mit den einfachrechtlichen Fragen des Vermögensrechts auseinandergesetzt. Nach dem mit der Verfassungsbeschwerde vorgelegten Unterlagen hat sie hingegen zur Anwendung des Völkerrechts nur ansatzweise vorgetragen. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit der Völkerrechtslage, insbesondere mit der Frage, ob sie sich auf die angedeutete allgemeine Regel des Völkerrechts überhaupt berufen kann, oder ob der möglicherweise bestehende Rechtssatz lediglich staatsgerichtet ist, lässt sich weder dem erstinstanzlichen Vorbringen noch der Grundsatzrüge zum Bundesverwaltungsgericht entnehmen.
Ferner hätte die Beschwerdeführerin die Nichtvorlage durch das Verwaltungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG als einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügen müssen (§ 138 Nr. 1 VwGO). Eine entsprechende Verfahrensrüge ist in der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht enthalten. Damit hat die Beschwerdeführerin nicht die ihr zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel ergriffen, um den behaupteten Grundrechtsverstoß im fachgerichtlichen Verfahren abzuwenden.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAB-86614