Leitsatz
Es ist mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar, Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis generell von der Gewährung von Erziehungsgeld auszuschließen. Der Gesetzgeber kann jedoch die Gewährung von Erziehungsgeld davon abhängig machen, dass der zur Betreuung eines Kindes bereite Elternteil an der Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit rechtlich nicht gehindert ist.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1
Instanzenzug: BSG 14 REg 1/95 vom
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Nichtgewährung von Erziehungsgeld an Ausländer, die lediglich über eine Aufenthaltsbefugnis verfügen.
I.
1. Das Erziehungsgeld wurde durch das Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) vom (BGBl I S. 2154) eingeführt. Es ist eine sozialrechtliche Leistung des Familienlastenausgleichs. Ihre nähere gesetzliche Ausgestaltung hat wiederholt Änderungen erfahren (vgl. BVerfGE 98, 70 <71 f.>). In dem hier maßgeblichen Zeitraum betrug es 600 DM pro Monat.
Den Aufwand für das Erziehungsgeld finanziert nach § 11 BErzGG der Bund aus allgemeinen Steuermitteln. Der Gesamtaufwand ist von 1,664 Mrd. DM 1986 auf 6,950 Mrd. DM im Jahre 1996 gestiegen. Seitdem hat er sich stabilisiert. 1999 gab es insgesamt 715.287 Bezieher, davon 611.037 Deutsche und 104.250 Ausländer (siehe Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 5. Auflage, 1999, § 11 BErzGG; Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2001, Tab. 19.1, S. 466 und Tab. 19.11, S. 479).
Der Gesetzgeber hat die Einführung des Erziehungsgeldes wie folgt begründet (BTDrucks 10/3792, S. 13):
Erziehungsgeld ermöglicht oder erleichtert es, dass im Anschluss an die Mutterschutzfrist von acht bzw. zwölf Wochen die Mutter oder der Vater ganz oder teilweise - Teilzeitarbeit bis unter 20 Stunden pro Woche ist möglich - auf eine Erwerbstätigkeit verzichten können. Dadurch kann die Mutter weiterhin vorrangig zu Hause bleiben, um sich neben der Betreuung des Kindes gesundheitlich zu regenerieren; gleichzeitig wird durch die Möglichkeit der Erziehungsleistung für den Vater die Wahlfreiheit der Eltern, wer das Kind betreuen soll, vom Gesetz anerkannt und gefördert.
Das Erziehungsgeld stellt insbesondere eine wichtige Hilfe für die junge Familie dar. Mit ihm wird die Erziehungsleistung der Familie anerkannt. Da das Erziehungsgeld ergänzend zu anderen Sozialleistungen gewährt und auf diese nicht angerechnet wird, erleichtert es ... schwangeren Frauen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen in einer Konfliktsituation befinden, die Entscheidung für das Kind.
Anlässlich der Verlängerung der Bezugsdauer des Erziehungsgeldes im Jahr 1989 ist in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 11/4509, S. 5) ausgeführt:
Mit Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub soll es Eltern ermöglicht oder erleichtert werden, ihre Kinder in der für die spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase selbst zu betreuen... [Durch die Verlängerung der Bezugsdauer des Erziehungsgeldes] werden die Leistungen für Familien weiter ausgebaut. Dieser Ausbau verbessert nicht nur die Einkommenssituation junger Familien weiter, sondern ist auch ein wichtiger Schritt zur Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familientätigkeit.
2. a) Das Erziehungsgeld wurde unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Antragstellers gewährt. Voraussetzung war allerdings, dass der Anspruchsteller seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Umstritten war, ob und unter welchen Umständen Ausländer, insbesondere Asylbewerber, einen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in diesem Sinne begründen konnten (vgl. BSG SozR 7833 § 1 Nr. 1; SozR 7833 § 1 Nr. 4). Zuletzt stellte das Bundessozialgericht im Rahmen der so genannten Prognoserechtsprechung darauf ab, ob bei vorausschauender Betrachtungsweise damit zu rechnen sei, dass der ausländische Anspruchsteller dauerhaft in Deutschland bleibe (BSG SozR 7833 § 1 Nr. 7). Zu den ungeschriebenen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erziehungsgeld rechnete das Bundessozialgericht, dass der Anspruchsteller in Deutschland arbeiten dürfe. Dies folge aus dem Zweck der Leistung, eine Alternative zur Erwerbstätigkeit zu bieten (vgl. BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 1).
b) Durch das Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom (BGBl I S. 1297) wurde § 1 Abs. 1 BErzGG der folgende Satz angefügt:
Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist.
Zur Begründung führte der Ausschuss für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (13. Ausschuss) des Deutschen Bundestages, auf den diese Regelung zurückgeht, aus (BTDrucks 11/4776, S. 2):
Der neue Satz 2 zieht zum einen die erforderlichen Konsequenzen aus der Rechtsprechung zu den Wohnsitzvoraussetzungen. Die Rechtsprechung hat bei Ausländern, die sich hier ohne Aufenthaltserlaubnis aufhalten, auch dann einen Wohnsitz angenommen, wenn nach der ausländerbehördlichen Praxis von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bis auf weiteres abgesehen wird. Die in den Richtlinien zur Durchführung des Gesetzes aufgeführte Voraussetzung, dass sich der Antragsteller in diesen Fällen mindestens ein Jahr im Geltungsbereich des Gesetzes aufgehalten haben muss, ist nicht anerkannt worden. Deshalb soll jetzt die Aufenthaltserlaubnis oder die Aufenthaltsberechtigung ausdrücklich als Voraussetzung für den Anspruch eines Ausländers auf Erziehungsgeld im Gesetz verankert werden. Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, weil Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis haben. Insoweit könnte der Zweck des Erziehungsgeldes, die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden.
Durch Art. 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom (BGBl I S. 1354 <1386>) wurde § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG an die geänderte Systematik der Aufenthaltstitel nach dem neuen Ausländergesetz angepasst. Die Vorschrift lautete danach:
Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist.
c) Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Fassung des Gesetzes, die ab dem galt, geht auf Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG) vom (BGBl I S. 944) zurück. Der Gesetzgeber schloss nunmehr die Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen vom Erziehungsgeldbezug aus. In § 1 BErzGG wurde folgender Absatz 1 a eingefügt (im Folgenden: BErzGG 1993):
Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Auch bei Besitz einer Aufenthaltserlaubnis haben ein Arbeitnehmer, der von seinem im Ausland ansässigen Arbeitgeber zur vorübergehenden Dienstleistung nach Deutschland entsandt ist und sein Ehepartner keinen Anspruch auf Erziehungsgeld.
In der Begründung zu dieser Vorschrift heißt es (BTDrucks 12/4401, S. 74):
Mit dieser Regelung wird der Anspruch auf die Ausländer begrenzt, von denen zu erwarten ist, dass sie auf die Dauer in Deutschland bleiben werden. Das ist allein bei denjenigen der Fall, die im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind. Doch auch auf diejenigen, die von ausländischen Arbeitgebern zur vor-übergehenden Dienstleistung nach Deutschland entsandt sind und statt einer Aufenthaltsbewilligung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, trifft diese Voraussetzung nicht zu. Dasselbe gilt für ihre Ehepartner. Die Regelung entspricht den Regelungen der meisten Länder, bei denen Entsandte im Sozialsystem des Heimatlandes verankert bleiben, so wie Deutsche, die von ihrem Arbeitgeber ins Ausland entsandt sind, und ihre Ehepartner den Anspruch auf Erziehungsgeld behalten.
d) § 1 Abs. 1 a BErzGG 1993 galt bis zum . Danach waren nach § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 BErzGG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom (BGBl I S. 1426) auch Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen anspruchsberechtigt, bei denen "das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes unanfechtbar festgestellt worden ist". Auf diese Weise wollte der Gesetzgeber die Anspruchsvoraussetzungen für Flüchtlinge klären (vgl. BTDrucks 14/3553, S. 12, 15). Durch Art. 10 Nr. 4 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom (BGBl I S. 1950 <2004>) wurde § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG der neuen ausländerrechtlichen Systematik angepasst. Nach wie vor soll Erziehungsgeld nur den Ausländern gewährt werden, die sich dauerhaft, insbesondere zu Erwerbszwecken, in Deutschland aufhalten (vgl. BTDrucks 15/420, S. 122).
II.
1. Die Beschwerdeführerin reiste als türkische Staatsbürgerin mit ihrem Ehemann nach Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigte. Auf der Grundlage einer so genannten Bleiberechtsregelung (Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom , Az.: 52.31-12231/1-1-1) erhielt sie eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Sie nahm deshalb ihren Asylantrag zurück. Nach der Änderung des Ausländerrechts mit Wirkung vom galt ihre Aufenthaltserlaubnis als Aufenthaltsbefugnis neuen Rechts fort (§ 94 Abs. 3 Nr. 3 AuslG in der Fassung vom , BGBl I S. 1354; im Folgenden: AuslG 1990). Auf Grund des Erlasses war bei Ausländern mit einem solchen Aufenthaltstitel "von der Durchsetzung der Ausreisepflicht" auf Dauer abzusehen. Am wurde der Sohn der Beschwerdeführerin geboren. Er wurde als Asylberechtigter anerkannt.
2. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Erziehungsgeld wurde abgelehnt.
a) Mit ihrer Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags hatte die Beschwerdeführerin vor dem Sozialgericht keinen Erfolg. Dagegen gab das Landessozialgericht ihrer Berufung statt. Es sah zwar in der Ungleichbehandlung von Ausländern mit verschiedenen Aufenthaltstiteln keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. In dem besonderen Fall der Beschwerdeführerin hielt es jedoch eine verfassungskonforme Auslegung für erforderlich. Der Sohn der Beschwerdeführerin sei nur wenige Tage nach der für sie nachteiligen Gesetzesänderung geboren; sie habe auf das während ihrer Schwangerschaft geltende Recht und damit auf das Bestehen eines Erziehungsgeldanspruchs vertrauen dürfen.
b) Das Bundessozialgericht hob durch das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil (SozR 3-7833 § 1 Nr. 16) das Urteil des Landessozialgerichts auf und wies die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Der Anspruch auf Erziehungsgeld entstehe erst am Tag der Geburt des Kindes. Diese Stichtagsregelung habe das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, SozR 7833 § 1 Nr. 3) gebilligt. Es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, gezeugte, aber noch nicht geborene Kinder von der Anwendung des neuen Rechts auszunehmen.
Die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Regelung des § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 sei nicht verfassungswidrig. Sie verletze nicht das Lebensrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; das im Rahmen des Lebensschutzes geltende Untermaßverbot schließe eine Beschränkung von Sozialleistungen auf bestimmte Berechtigtenkreise nicht aus. Auch der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Benachteiligung von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis sei durch das Ziel des Gesetzgebers gerechtfertigt, Erziehungsgeld nur solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland blieben. Der Gesetzgeber habe zur Erreichung dieses Ziels an den Aufenthaltstitel anknüpfen dürfen. Zwar könne eine Prognose der faktischen Aufenthaltserwartung im Einzelfall als zweckmäßiger und gerechter empfunden werden. Die Aufenthaltsbefugnis als zweckgebundener Aufenthaltstitel gewährleiste aber typischerweise kein Daueraufenthaltsrecht und sei auch keine Vorstufe hierfür.
3. Mit ihrer gegen dieses Urteil und die ihm zu Grunde liegende gesetzliche Regelung gerichteten Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin vor allem einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geltend. Sie ist der Auffassung, sie und ihr Kind würden von dem gesetzlichen Konzept des Lebensschutzes ausgegrenzt. Wegen ihres lebenslangen Bleiberechts seien sie und ihr Kind genauso schutzwürdig wie andere Eltern und Kinder. Weiter rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht Stellung genommen. Die übrigen Äußerungsberechtigten haben von einer Stellungnahme abgesehen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 war mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Das auf § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 beruhende Urteil des Bundessozialgerichts kann deshalb keinen Bestand haben.
I.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>). Für den Gesetzgeber ergeben sich allerdings aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE 106, 166 <176> m.w.N.). Der hierbei zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG enthält keine Beschränkung auf Deutsche (vgl. BVerfGE 31, 58 <67>; 51, 386 <396>; 62, 323 <329>). Ob eine mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Regelung dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entspricht, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestanden, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen konnten (vgl. BVerfGE 109, 96 <123>; stRspr).
2. Auf Grund der hier zu prüfenden Vorschrift des § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 erhielten Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis kein Erziehungsgeld, unabhängig davon, wie verfestigt ihr Aufenthalt in Deutschland im Einzelfall war. Vom Erziehungsgeld ausgeschlossen waren insbesondere die Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen, deren Befugnis - wie die der Beschwerdeführerin - gemäß § 94 Abs. 3 Nr. 3 AuslG 1990 fortgalt und die nach § 99 Abs. 1 AuslG 1990 - jedenfalls in Verbindung mit dem niedersächsischen Bleiberechtserlass vom - einen dauerhaften Aufenthaltsstatus innehatten. Da eine Übergangsregelung fehlte, erfasste § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 auch solche Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis, die schon in Deutschland wohnten, und auch solche, die schon ein Kind erwarteten, bevor die Vorschrift in Kraft trat. Lediglich für schon geborene Kinder blieb der einmal begründete Anspruch auf Erziehungsgeld nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte erhalten. Damit wurden die Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis schlechter gestellt als Deutsche und als Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis.
3. Diese Unterscheidung war nicht gerechtfertigt.
a) Soweit der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an die Art des Aufenthaltstitels des Antragstellers in § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 das Erziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen lassen wollte, von denen erwartet werden konnte, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben, ist dieses Ziel zwar legitim, das gewählte Differenzierungskriterium aber nicht geeignet, diesen Personenkreis adäquat zu erfassen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom (1 BvL 4/97; 1 BvL 5/97; 1 BvL 6/97) zu der entsprechenden Regelung im Kindergeldrecht entschieden. Danach eignet sich die formale Art des Aufenthaltstitels allein nicht als Grundlage einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts in Deutschland und damit nicht als Abgrenzungskriterium bei der Gewährung von Kindergeld (Umdruck, S. 22 f.). Nichts anderes kann für das Erziehungsgeld gelten. Auch hier werden, knüpft man allein an die Aufenthaltsbefugnis an, Ausländer wie die Beschwerdeführerin nicht sachgerecht behandelt, die zwar nur über einen solchen Aufenthaltstitel verfügen, aber gleichwohl einen verfestigten Aufenthaltsstatus innehaben.
b) Der im Vordergrund stehende Zweck des Erziehungsgeldes, Eltern die eigene Betreuung ihrer Kinder durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit oder durch deren Einschränkung zu ermöglichen, rechtfertigte ebenfalls nicht die in § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 erfolgte Anknüpfung an die Aufenthaltsbefugnis des Antragstellers. Zwar handelt der Gesetzgeber im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er die Ausländer vom Erziehungsgeldbezug ausschließt, die aus Rechtsgründen ohnehin einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will (vgl. auch BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, SozR 7833 § 3 Nr. 2), verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist. Die Regelung des § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 war jedoch nicht geeignet, dieses legitime Ziel zu erreichen, weil ein Ausländer, der lediglich über eine Aufenthaltsgenehmigung in der Gestalt einer Aufenthaltsbefugnis verfügte, nicht schon deshalb vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen war. Sie vermochte nicht eine Unterscheidung nach Ausländern mit und Ausländern ohne Berechtigung zur Erwerbstätigkeit zu bewirken.
aa) Es bestand kein ausländerrechtlicher Zusammenhang zwischen der Art des Aufenthaltstitels und der Befugnis zu arbeiten. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 bis 4 AuslG 1990 konnte jede Form der Aufenthaltsgenehmigung mit einer Auflage versehen werden, nach der eine Erwerbstätigkeit in Deutschland untersagt war, wenn dies nicht einer schon bestehenden Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung des Ausländers widersprach.
bb) Auch die Vorschriften des Arbeitserlaubnisrechts stellten einen Zusammenhang zur Art des Aufenthaltstitels nicht zwingend her. In dem für die vorliegende Verfassungsbeschwerde relevanten Zeitraum bedurften Ausländer nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), zuletzt geändert durch das Gesetz vom (BGBl I S. 2353; vgl. heute § 284 SGB III), zur Ausübung einer Beschäftigung einer Erlaubnis der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, soweit zwischenstaatliche Vereinbarungen nichts anderes bestimmten. Die Erlaubnis wurde gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 AFG nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erteilt. Die Einzelheiten der Arbeitserlaubniserteilung waren in der auf § 19 Abs. 4 AFG gestützten Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer (im Folgenden: AEVO) in der Fassung der Neunten und Zehnten Verordnung zur Änderung der Arbeitserlaubnisverordnung vom (BGBl I S. 3009) und vom (BGBl I S. 1527) geregelt. Nach § 5 AEVO setzte die Erteilung einer Arbeitserlaubnis - soweit keine Sonderregelung eingriff - eine Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des § 5 AuslG voraus. Damit waren Aufenthaltserlaubnis, -bewilligung, -berechtigung und -befugnis gleichermaßen erfasst. Die Erteilung der Arbeitserlaubnis war nach § 1 AEVO weiter von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie für bestimmte Personengruppen von einer gewissen Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts abhängig. Dieses Erfordernis einer Wartezeit betraf nur die Inhaber bestimmter befristeter Aufenthaltsgenehmigungen (jeder Art) und bestimmter Duldungen (§ 1 Abs. 2 AEVO). Zudem konnte die Erlaubnis auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit und einen bestimmten Betrieb beschränkt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AEVO).
Bestimmte Personengruppen hatten allerdings nach § 2 Abs. 1 AEVO einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis unabhängig von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und ohne die Beschränkungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AEVO. Dies waren unter anderem Ausländer, die nach § 33 AuslG übernommen worden waren und eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, und solche, die sich sechs Jahre ununterbrochen in Deutschland aufgehalten hatten und über eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis verfügten (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 AEVO). Weiter hatten Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis besaßen, vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist waren und hier zum Beispiel einen Schulabschluss erworben oder einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen hatten, einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis (§ 2 Abs. 3 AEVO). Schließlich war nach § 2 Abs. 4 AEVO einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis besaß, bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, wenn er sich in den letzten fünf Jahren ununterbrochen rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hatte. Zudem sah der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei vom (Amtl. Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, Nr. 1/1981 S. 4 ff.) für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen nach bestimmten Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung besondere Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates der Europäischen Union vor.
Insgesamt knüpfte das im fraglichen Zeitraum geltende Arbeitserlaubnisrecht nicht durchgehend formal an die Art des Aufenthaltstitels an. Auch die Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen konnten durch Erteilung einer Arbeitserlaubnis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt sein. Andererseits erhielten selbst Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis nicht ohne weiteres eine Arbeitserlaubnis. In dem für die Verfassungsbeschwerde relevanten Zeitraum hatten insoweit Ausländer mit einer bloßen Aufenthaltsbefugnis in nicht wenigen Fällen einen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis.
c) Die weiteren vom Gesetzgeber mit der Gewährung von Erziehungsgeld verfolgten Zwecke (vgl. oben unter A I 1) kommen bei Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis nicht weniger zur Geltung als bei Deutschen und bei Ausländern mit Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis. Dies gilt für das Anliegen des Gesetzgebers, durch das Erziehungsgeld eine Entscheidung für das Kind und gegen die Abtreibung zu erleichtern, aber auch, soweit die staatliche Gemeinschaft mit dem Erziehungsgeld die Erziehungsleistung anerkennen will oder das Erziehungsgeld der Regeneration der Mutter dienen soll. Auch soweit angenommen wird, das Erziehungsgeld solle dazu beitragen, dass Unternehmen Arbeitsuchende zur Vertretung von Eltern während der Kindererziehungszeit einstellen (vgl. Meisel/Sowka, a.a.O., Einl. zum BErzGG, Rn. 1), kann diese Erwägung die in Frage stehende Differenzierung nicht tragen.
d) Die durch § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 bewirkte Benachteiligung von Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis, insbesondere von so genannten Bleiberechtlern, war auch nicht als verfassungsrechtlich zulässige Typisierung gerechtfertigt.
Zwar liegt ein ausreichender Differenzierungsgrund für eine ansonsten nicht gerechtfertigte gesetzgeberische Benachteiligung in der Typisierung und Generalisierung von Sachverhalten, deren der Gesetzgeber anders nur schwer Herr werden kann (vgl. BVerfGE 103, 310 <319>). Dies gilt insbesondere für Massenerscheinungen im Sozialleistungsrecht (vgl. BVerfGE 51, 115 <122 f.>; vgl. aber auch BVerfGE 63, 119 <128>). Die mit einer Typisierung verbundene Belastung ist aber nur hinzunehmen, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. auch BVerfG, DVBl 2004, S. 1104 <1105 f.>).
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfung des Erziehungsgeldes an die Aufenthaltsbefugnis des Antragstellers wenigstens typischerweise jene Ausländer erfasste, die aus Rechtsgründen nicht hätten erwerbstätig sein können und daher auch nicht durch die Gewährung von Erziehungsgeld in ihrem Entschluss bestärkt werden mussten, zu Lasten einer (möglichen) Erwerbsarbeit ihr Kind selbst zu betreuen und zu erziehen. Jedenfalls hatte der mit einer Versagung des Erziehungsgeldes verbundene Nachteil durchaus Gewicht; insgesamt ging es um einen Geldbetrag von bis zu 14.400 DM pro Kind. Auf der anderen Seite entlastete die Regelung des § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 die Verwaltung nur in geringem Umfang. Bei einer Anknüpfung an die Arbeitserlaubnis hätten die für die Gewährung von Erziehungsgeld zuständigen Behörden feststellen müssen, ob der Antragsteller über eine solche Erlaubnis verfügt oder ihm durch eine ausländerrechtliche Auflage eine Erwerbstätigkeit untersagt war. Diese Feststellung hätte keinen wesentlich höheren Aufwand als die Prüfung der Art des Aufenthaltstitels verursacht.
II.
Verstieß § 1 Abs. 1 a Satz 1 BErzGG 1993 gegen Art. 3 Abs. 1 GG und war er deshalb verfassungswidrig, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob die Regelung darüber hinaus verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügte.
C.
I.
1. Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt im Regelfall zwar zu deren Nichtigkeit (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1, § 95 Abs. 3 BVerfGG). Da dem Gesetzgeber aber im vorliegenden Fall mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. Insbesondere kann er im Rahmen einer Neuregelung die Gewährung des Erziehungsgeldes an den Nachweis der Berechtigung zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit knüpfen.
2. Ersetzt der Gesetzgeber die verfassungswidrige Regelung nicht bis zum durch eine Neuregelung, ist auf noch nicht bestands- oder rechtskräftig abgeschlossene Verfahren das bis zum geltende Recht anzuwenden. § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 BErzGG in den Fassungen des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom und des Zuwanderungsgesetzes vom ist nicht in entsprechender Anwendung des § 78 Satz 2 BVerfGG in die Unvereinbarkeitserklärung einzubeziehen, weil diese Regelungen den Kreis der Berechtigten weiter gefasst haben als die angegriffene Vorschrift. Jedoch hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung auch die Nachfolgeregelungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen.
II.
Da das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil des Bundessozialgerichts auf der verfassungswidrigen Vorschrift beruht, ist es nach § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache wird an das Bundessozialgericht zurückverwiesen. Das Ausgangsverfahren ist auszusetzen, damit die Beschwerdeführerin die Möglichkeit erhält, aus der vom Gesetzgeber zu treffenden Neuregelung oder daraus Nutzen zu ziehen, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung nicht fristgemäß trifft (vgl. C I).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAB-85862