BFH Urteil v. - I R 128, 129/04

Instanzenzug: , 17 K 3420/98 F

Gründe

I. Die Beteiligten streiten in der Sache darüber, ob die von dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), einem freien Börsenmakler, in den Streitjahren 1989 und 1990 getätigten Wertpapierstichtagsgeschäfte —mit der Zielsetzung des sog. Dividendenstrippings— steuerlich anzuerkennen sind.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) verneinte das. Er sah in den Geschäften einen Gestaltungsmissbrauch, weshalb er die Aktienerwerbe, deren Veräußerung und den Dividendenzufluss nicht berücksichtigte und die Anrechnung von Kapitalertragsteuer sowie Körperschaftsteuer ablehnte. Dementsprechend verminderte er die erklärten Gewinne und stellte diese unter Änderung der ursprünglichen Bescheide gesondert fest. Zugleich stellte er die anzurechnende Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer ebenfalls abweichend von den ursprünglichen Bescheiden jeweils auf 0 fest.

Das Finanzgericht (FG) gab den dagegen gerichteten Klagen statt, und zwar in der eigentlichen Streitfrage unter Hinweis auf das Senatsurteil vom I R 29/97 (BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527); die Klagen seien insoweit auch zulässig. Bezogen auf die anzurechnenden Kapitalertragsteuern und Körperschaftsteuern fehlt nach Auffassung des FG in den Streitjahren eine Rechtsgrundlage für entsprechende gesonderte Feststellungen. – Die sowie 17 K 3420/98 F sind in Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2002, 826 abgedruckt.

Das FA begründet seine Revisionen mit Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die FG-Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger ist dem entgegengetreten. Er beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

II. Die gemäß § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen sind bezogen auf die Gewinnfeststellungen begründet. Die Klagen sind insoweit unzulässig (1.). Bezogen auf die Feststellungen der anzurechnenden Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer sind die Revisionen unbegründet (2.).

1. Soweit die Klagen darauf gerichtet sind, die gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung (AO 1977) festgestellten Gewinne um die in Rede stehenden Dividendenerträge sowie die Steueranrechnungsbeträge zu erhöhen, sind sie unzulässig. Ihnen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

a) Denn eigentliches Rechtsschutzziel des Klägers ist die Anrechnung der Kapitalertragsteuer- sowie Körperschaftsteuerbeträge. Dieses Ziel lässt sich mit der Klage gegen die Feststellungsbescheide grundsätzlich nicht erreichen. Die Anrechnung ist Teil des Steuererhebungsverfahrens und wird durch einen selbständigen Verwaltungsakt —durch Anrechnungsverfügung oder Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO 1977)— herbeigeführt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 168, 300, BStBl II 1992, 956, unter II.1.c der Gründe; vom VII R 41/91, BFH/NV 1992, 716; vom I R 100/92, BFHE 171, 397, BStBl II 1993, 836; vom VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362). Unzulässig ist ein Klageantrag grundsätzlich auch mit dem Begehren, höhere Gewinne festzusetzen oder festzustellen. Nach § 40 Abs. 2 FGO kann ein Verwaltungsakt nur angefochten werden, wenn der Kläger geltend macht, durch ihn in seinen Rechten verletzt zu sein. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige behauptet, dass eine Steuer zu niedrig festgesetzt sei (vgl. z.B. , BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286, und , BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91).

b) Diese Grundsätze können zwar zurücktreten, wenn andernfalls die Anrechnung von Kapitalertragsteuer sowie von Körperschaftsteuer nicht möglich wäre. Es erweist sich dann als notwendig, die entsprechenden Einnahmen bei der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung zu erfassen, also die Einkünfte aus Kapitalvermögen —oder wie hier über § 20 Abs. 3 EStG die Einkünfte aus Gewerbebetrieb— entsprechend zu erhöhen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 Satz 4 Buchst. f des EinkommensteuergesetzesEStG 1990—; vgl. auch , BFHE 180, 332, BStBl II 1996, 473; vom I R 110/97, BFH/NV 1998, 581; BFH-Urteil in BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362). Einzubeziehen sind hiernach die Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 sowie Nr. 3 EStG 1990, Letzteres aber erst vom Veranlagungszeitraum 1996 an (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 i.V.m. § 52 Abs. 1 EStG 1990 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom , BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438). Für die Veranlagungs- und Feststellungszeiträume zuvor —und damit auch in den Streitjahren— galt dies noch nicht. Wie der erkennende Senat in mittlerweile ständiger Rechtsprechung entschieden hat, war die Körperschaftsteuer seinerzeit auch dann gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990 anzurechnen, wenn sie ihrerseits nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990 als Einnahme erfasst war (vgl. z.B. , BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191, und zuletzt vom I R 114/03, BFH/NV 2005, 1988, in einem mit den Streitfällen vergleichbaren Verfahren, jeweils m.w.N.). Daran ist festzuhalten. Im Einzelnen nimmt der Senat deswegen, um Wiederholungen zu vermeiden, auf jene Urteile Bezug.

Der VIII. Senat des BFH hat diese Frage allerdings abweichend beurteilt (zuletzt Urteil vom VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925, m.w.N.). Eine Anfrage gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO ist in den Streitfällen dennoch nicht erforderlich, weil der Geschäftsverteilungsplan des BFH für Streitfragen der erwähnten Art die Alleinzuständigkeit des I. Senats vorsieht (vgl. bezogen auf 2005 in BStBl II 2005, 112, dort unter A. I. Senat Nr. 2. und A. Ergänzende Regelungen unter I. Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 und unter II.1.; Senatsurteil in BFH/NV 2005, 1988). Das betrifft nach dem Präsidiumsbeschluss des auch die Streitfälle.

c) Ließ sich die erstrebte Anrechnung von Körperschaftsteuer damit bis zum Veranlagungszeitraum 1996 aber erreichen, ohne dass diese zuvor bei den Kapitaleinkünften erfasst wird, fehlt einer auf ihre Erfassung gerichteten Anfechtungsklage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Anrechnung müsste dann im Anfechtungsverfahren gegen den hiernach zu erlassenden Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 verfolgt werden, der vorliegend indes nicht streitgegenständlich ist.

d) Für die Streitfälle hat diese Rechtslage die Unzulässigkeit der Klagen zur Folge, soweit sich diese auf die Erhöhung der festzustellenden Gewinne richten. Denn die nach Auffassung des Klägers einzubeziehenden Körperschaftsteuerbeträge übersteigen jedenfalls die Unterschiedsbeträge zwischen den vom FA ursprünglich und den vom FA in den angegriffenen Bescheiden für die Streitjahre festgestellten Gewinnen.

2. Für die gesonderte Feststellung der Steuerabzugs- und Steueranrechnungsbeträge fehlte in den Streitjahren ebenfalls die Rechtsgrundlage. Das FG hat den Klagen deswegen zu Recht entsprochen.

Steuerabzugsbeträge und anzurechnende Kapitalertragsteuern können nach § 180 Abs. 5 AO 1977 gesondert festgestellt werden. § 180 Abs. 5 AO 1977 findet jedoch erst für Feststellungszeiträume ab 1995 an Anwendung (vgl. Art. 97 § 10b des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts vom , BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) und damit nicht in den Streitjahren. Auch insoweit verweist der Senat auf sein Urteil in BFH/NV 2005, 1988, das er allerdings insofern richtig stellt, als es dort im letzten Satz unter II.2. der Entscheidungsgründe statt „§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977” richtig „§ 180 Abs. 5 Nr. 2 AO 1977” heißen muss.

3. Die Vorinstanz hat zu der Frage der Zulässigkeit eines auf höhere Gewinnfeststellung gerichteten Rechtsschutzbegehrens eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Deswegen waren insoweit ihre Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 1261 Nr. 7
GStB 2006 S. 5 Nr. 2
HFR 2006 S. 779 Nr. 8
CAAAB-82714