Nacherhebung von Einfuhrabgaben
Gesetze: ZK Art. 220
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete in den Jahren 1997 und 1998 beim Hauptzollamt B insgesamt 22 PKW der Baujahre 1955 bis 1966 (sog. Oldtimer) als Sammlungsstücke von geschichtlichem Wert der Pos. 9705 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zur Abfertigung zum freien Verkehr an. Bis auf zwei Fahrzeuge wurden die PKW antragsgemäß, also zollfrei und zum ermäßigten Einfuhrumsatzsteuersatz abgefertigt. Nach einer Überprüfung der Einfuhren durch das Hauptzollamt S, dessen Zuständigkeit auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) übergegangen ist, und aufgrund eines Einreihungsgutachtens der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt wurden die eingeführten PKW in die Pos. 8703 KN eingereiht und die Einfuhrabgaben mit Steueränderungsbescheid nacherhoben; der Einspruch blieb im Wesentlichen ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und urteilte, dass die PKW wegen ihres niedrigen Preises, der hohen Stückzahl der Zulassungen sowie des Umstandes, dass sie nach ihrer Aufarbeitung nicht an Museen oder Sammlungen, sondern an private Abnehmer weiterverkauft würden, nicht als Sammlungsstücke von geschichtlichem Wert angesehen werden könnten. Die Einfuhrabgaben seien auch zu Recht nacherhoben worden, denn die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex —ZK—) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) lägen nicht vor. Die Erhebung des gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrags sei nicht aufgrund eines sog. „aktiven” Irrtums der Zollbehörde unterblieben, weil die mit der Zollanmeldung gemachten Angaben der Klägerin für eine zutreffende Tarifierung der Fahrzeuge nicht ausgereicht hätten. Weder der Seltenheitswert noch der technik-geschichtliche Wert der Fahrzeuge könne allein aufgrund einer Beschau festgestellt werden noch könne geprüft werden, ob die Fahrzeuge einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften oder einen Abschnitt dieser Entwicklung dokumentierten. In einem solchen Fall müsse der Anmelder alle sonstigen zweckdienlichen Angaben machen, welche zur richtigen Tarifierung notwendig seien. Dies habe die Klägerin jedoch unterlassen, was sie auch habe erkennen können. Lägen aber der unzutreffenden Abgabenfestsetzung falsche oder —wie im Streitfall— unzureichende Angaben der Zollanmeldung zugrunde, die von der Zollbehörde übernommen worden seien, trage allein der Zollschuldner das Risiko der Erklärung und könne sich bei ihrer Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit nicht auf einen Irrtum der Zollbehörde berufen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung —FGO—) stützt.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ungeachtet der Mängel bei der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen liegt der geltend gemachte Zulassungsgrund jedenfalls nicht vor.
Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfasst zunächst die Fälle der sog. Divergenzrevision und erfordert darüber hinaus auch dann eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann. Hierzu ist der schlüssige Vortrag erforderlich, dass die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig ist, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die betreffende Rechtsfrage zu verhindern (vgl. , BFH/NV 2002, 1479, m.w.N.). Zur Darlegung dieser Voraussetzungen ist es mindestens erforderlich, dass das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch angewandt oder ausgelegt hat, bezeichnet werden (, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
An solchen Darlegungen fehlt es im Streitfall. Die Beschwerde macht insoweit geltend, dass nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats (Senatsurteil vom VII R 55/98, BFHE 189, 238) der Irrtum der Zollbehörde für den Beteiligten nicht erkennbar ist, wenn dieser den angewandten Zollsatz nur möglicherweise („unter bestimmten Voraussetzungen”) als den richtigen erkennen kann, eine weitere Vergewisserung über diese Voraussetzungen ihm aber nicht möglich ist. Hingegen legt die Beschwerde nicht dar, dass sich das FG im Streitfall auf einen hiervon abweichenden Rechtssatz gestützt hat. Sie vertritt und begründet lediglich ihre Ansicht, dass der Geschäftsführer der Klägerin den Irrtum der Zollbehörde bezüglich der Abfertigung der Fahrzeuge als Sammlungsstücke nicht mit hinreichender Sicherheit habe erkennen können und wendet sich damit gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).
Die Beschwerde verkennt überdies, dass nur ein solcher Irrtum, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist (sog. „aktiver Irrtum”) und der vom Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte, einen Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben begründet (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-348/89, EuGHE 1991, I-3277), und dass das FG im Streitfall bereits einen solchen „aktiven Irrtum” der Zollbehörde verneint hat, es somit nach Auffassung des FG auf die Frage der Erkennbarkeit des Irrtums gar nicht ankam. Soweit das FG in den Urteilsgründen auf Erfahrungen des Geschäftsführers der Klägerin im Importgeschäft mit Fahrzeugen älterer Baujahre abgestellt hat, hat es damit lediglich seine Ansicht begründet, dass die Klägerin habe erkennen können, dass ihre Angaben in der Zollanmeldung für eine zutreffende Tarifierung der eingeführten Fahrzeuge nicht ausreichend waren, die zuständige Zollbehörde somit eine tarifliche Einreihung der Fahrzeuge nicht selbst vorgenommen und deshalb keinen „aktiven Irrtum” begangen hatte.
Ob und inwieweit das FG mit seiner Ansicht, dass die unzutreffende Abgabenerhebung nicht auf einen „aktiven Irrtum” der Zollbehörde zurückzuführen sei, von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen ist, ist weder von der Beschwerde dargelegt noch sonst ersichtlich.
Der neu gefasste Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfordert zwar neben den Fällen der Divergenz auch dann eine Entscheidung des BFH, wenn die einheitliche Beantwortung einer Rechtsfrage nur durch eine Entscheidung des BFH gesichert werden kann, weil beispielsweise dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen sind, dass sie, würden sie nicht von einem Rechtsmittelgericht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (Senatsbeschluss vom VII B 141/01, BFH/NV 2002, 798). Hierzu fehlt im Streitfall aber jegliches Beschwerdevorbringen.
Offen bleiben kann, ob die Beschwerde sich auch auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) stützen will, soweit sie die vom FG vorgenommene tarifliche Einreihung der eingeführten Fahrzeuge anzweifelt. Jedenfalls fehlt es —insbesondere in Anbetracht des 200/84 (EuGHE 1985, 3363)— an schlüssigen Darlegungen der Beschwerde, weshalb diese Tarifierungsfrage klärungsbedürftig ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 848 Nr. 4
RAAAB-77616