BFH Beschluss v. - IX B 26/05

Instanzenzug:

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet; die Voraussetzungen für eine ausschließlich begehrte Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Verfahrensmängeln liegen nicht vor.

Ob ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Vorschrift nur gegeben sein kann, wenn die angefochtene Entscheidung auf einem verfahrensrechtlichen Irrtum des Finanzgerichts (FG) bei der Urteilsfindung (sog. error in procedendo), nicht aber auf einer rechtlich falschen Beurteilung von Verfahrensvorschriften beruht, die —wie im Streitfall— den Inhalt der angefochtenen Entscheidung selbst bildet (sog. error in iudicando), ist streitig (dafür Bundesfinanzhof —BFH—, Beschluss vom IV B 6/85, BFHE 146, 204, BStBl II 1986, 492; zu den erheblichen Bedenken gegen diese Auffassung s. , BFH/NV 1995, 896, jew. m.w.N.; ablehnend auch Beermann in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 115 FGO Rz. 135; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 78; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 221; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 88).

Diese Streitfrage kann hier offen bleiben, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nämlich selbst dann fehlen, wenn die streitige Anwendung der Wiedereinsetzungsvorschriften und die darauf beruhende Abweisung der Klage durch Prozessurteil statt durch Sachurteil als Verfahrensmangel angesehen wird (vgl. , BFHE 145, 299, BStBl II, 1986, 268; a.A. , BFHE 99, 6, BStBl II 1970, 545). Denn das Begehren des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), ihm 11 Monate nach Ablauf der Klagefrist Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu gewähren, hat das FG im Ergebnis ohne Rechtsfehler abgelehnt.

a) Die Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist —wie hier die Klagefrist— setzt nach § 56 Abs. 1 FGO voraus, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.

Ein solches Verschulden ist, jedenfalls wenn es sich wie hier um die Fristversäumnis eines Steuerberaters handelt, nur zu verneinen, wenn die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet worden ist (vgl. , BFH/NV 1994, 384, 385).

Dies hat der Kläger, der sich das Verschulden seiner Bevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der ZivilprozessordnungZPO—; , BFH/NV 1993, 427; , BFH/NV 2003, 198), gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO glaubhaft zu machen. Wird der Wiedereinsetzungsantrag wie hier mit der fristgerechten Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist deshalb im Einzelnen darzulegen, wann und von wem und in welcher Weise es zur Post aufgegeben wurde. Der Vortrag ist durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616; vom VIII R 53/93, BFH/NV 1994, 644; vom IX R 43/90, BFH/NV 1994, 813, jeweils m.w.N.).

Eine eidesstattliche Versicherung allein reicht für die Glaubhaftmachung selbst dann nicht aus, wenn der Bevollmächtigte wie hier darlegt, er selbst habe das fristwahrende Schriftstück zur Post gegeben (vgl. dazu , BVerfGE 41, 332 ff., 339, 340; BFH-Beschlüsse vom X B 81/99, BFH/NV 2000, 546; vom VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002).

Zu den insoweit vorzulegenden objektiven Beweismitteln gehört insbesondere ein Postausgangsbuch (vgl. , BFHE 155, 275, BStBl II 1989, 266; vom X R 112/92, BFH/NV 1994, 328). Dieses muss zum Nachweis der behaupteten Absendung zumindest das nicht zugegangene Schriftstück einschließlich beigefügter Unterlagen, den Empfänger und das Datum der Absendung hinreichend sicher ausweisen (vgl. , BFH/NV 1997, 253; , BFH/NV 2002, 533). Diesen Anforderungen genügt ein Postausgangsbuch nicht, das als Empfänger des Schriftsatzes einen anderen (hier den Kläger persönlich) als den behaupteten Adressaten (hier das FG) bezeichnet (, BFH/NV 1997, 120).

b) Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 1 FGO nicht vor, weil der Kläger die Umstände für ein fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis nicht glaubhaft gemacht hat. Neben der allein nicht ausreichenden eidesstattlichen Versicherung seines Prozessbevollmächtigten über eine tatsächliche Absendung der Klageschrift fehlt es an insoweit erforderlichen objektiven Beweismitteln wie entsprechender Eintragungen im Postausgangsbuch. Dass das nach dem Postausgangsbuch an den Kläger persönlich übersandte Schreiben zur Einkommensteuer 1997 bis 1999 die an das FG abgesandte Klageschrift war und die Eintragung lediglich auf einem Versehen durch einen Angestellten des Bevollmächtigten beruht, ist weder dem Inhalt des Postausgangsbuchs zu entnehmen noch in anderer Weise durch sonstige objektive Beweismittel glaubhaft gemacht.

c) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Wiedereinsetzungsantrag schon aus verfahrensrechtlichen Gründen wegen Versäumnis der Wiedereinsetzungsfrist nach § 56 Abs. 2 FGO abzulehnen war, weil der den Fristlauf auslösende Wegfall des Hindernisses i.S. des § 56 Abs. 1 FGO bereits mit der am übermittelten und ein Aktenzeichen aus 2004 ausweisenden (Klage-)Eingangsbestätigung —so das FG— anzunehmen ist und damit der erst am gestellte Wiedereinsetzungsantrag verspätet wäre.

Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass sich der Bevollmächtigte des Klägers in diesem Zusammenhang nicht auf mangelnde Erfahrung mit der Abwicklung der Klage- und Wiedereinsetzungsverfahren berufen kann. Denn von Angehörigen der steuerberatenden Berufe muss erwartet werden, dass sie die Voraussetzungen und die Anforderungen für die jeweils einzulegenden Rechtsmittel kennen oder sich zumindest davon Kenntnis verschaffen (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 156/01, BFH/NV 2002, 1461; vom IX R 31/03, nicht veröffentlicht, m.w.N.).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 307 Nr. 2
BAAAB-73518