BFH Beschluss v. - VII B 240/04

Instanzenzug:

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des SteuerberatungsgesetzesStBerG—) durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) vom als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids der Kläger aufgrund einer von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen und außerdem das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet gewesen sei und der Kläger die daraus folgende gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Das Insolvenzgutachten, wonach unter Berücksichtigung aller aktiven und passiven Vermögenswerte des Klägers eine Überschuldung von rd. 1,7 Mio. DM vorliege, habe zudem die Vermutung des Vermögensverfalls bestätigt. Im Übrigen habe der Kläger selbst eingeräumt, dass er zur Begleichung seiner Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei.

Des Weiteren habe sich nicht feststellen lassen, dass eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall des Klägers ausgeschlossen sei. Insoweit sei zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er vom Amtsgericht (AG) Hannover wegen Untreue rechtskräftig verurteilt worden sei. Die Verurteilung sei im Zusammenhang mit einer treuhänderischen Verwaltung fremden Vermögens durch den Kläger erfolgt und habe daher eine berufstypische Tätigkeit eines Steuerberaters betroffen.

Schließlich komme eine Aufhebung des Widerrufsbescheids nicht aufgrund einer bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht. Hinsichtlich des Vermögensverfalls habe sich die Sachlage nicht geändert; die Überschuldung bestehe nach wie vor fort und das Insolvenzverfahren sei noch nicht beendet. Es seien weder Umstände erkennbar noch habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung belegen können, dass trotz des Vermögensverfalls die Interessen der Auftraggeber nicht mehr gefährdet seien. Der Kläger habe nur auf sein bestehendes Angestelltenverhältnis verwiesen, welches keinen Zugriff auf Mandantengelder zulasse.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit welcher er unter Hinweis auf die Beschlüsse des (Anwaltsblatt —AnwBl— 2004, 525) und des AnwZ (B) 40/04 (Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2005, 1271) die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht und Verfahrensmängel rügt, auf denen die Entscheidung beruhen soll.

Die Steuerberaterkammer ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe zum Teil nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

1. a) Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage, ob im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens bei gleichzeitig gestelltem Antrag auf Restschuldbefreiung und damit verbunden der Möglichkeit, einen Erlass sämtlicher Verbindlichkeiten zu erhalten, eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber vorliegt, ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie durch die Rechtsprechung des Senats geklärt ist.

An den Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung (dazu Senatsurteil vom VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203), dass durch die weitere Berufsausübung eines in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters Interessen der Auftraggeber gefährdet sind, hat sich durch die Insolvenzordnung (InsO) nichts Grundsätzliches geändert. Wesentliche Voraussetzung für eine Bestellung als Steuerberater ist nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG nach wie vor, dass der Betreffende in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt (Senatsbeschlüsse vom VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90; vom VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91; vom VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016; Senatsurteil vom VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426).

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die bloße Möglichkeit, die durch eine Eintragung nach § 915 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu Tage getretene schlechte wirtschaftliche Situation des Steuerberaters durch Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, hat noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerberaters trotz der unbeglichenen gegen ihn erhobenen Forderungen als geordnet zu betrachten wären. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG neben den Eintragungen in die Verzeichnisse des § 26 Abs. 2 InsO und § 915 ZPO als zusätzlicher Fall aufgeführt, in dem ein Vermögensverfall und im Weiteren auch eine Gefährdung der Auftraggeberinteressen vermutet werden. Schon dies deutet darauf hin, dass die im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestehende Möglichkeit einer Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse, insbesondere einer Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO), für das Vorliegen des Widerrufstatbestandes unerheblich ist (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 90). Das Insolvenzverfahren kann zwar das Ziel haben, die Gläubiger unter Erhaltung des Unternehmens des Schuldners zu befriedigen und dem Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien (vgl. § 1 InsO). Jedoch ist zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplanes (§§ 235 ff. InsO) —bzw. im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO bis zur Annahme eines vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplanes oder der Ersetzung der Zustimmung (§§ 308, 309 InsO)— völlig ungewiss, ob jenes Ziel im konkreten Fall erreicht wird. Solange dies indes —wie im Streitfall vom FG festgestellt— nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, kann von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne des StBerG und damit von einer Widerlegung der Vermutung der fehlenden persönlichen Eignung für die Ausübung des Berufs des Steuerberaters (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG) nicht ausgegangen werden (Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH für den Bereich der BundesrechtsanwaltsordnungBRAO—).

Die Frage, ob außergewöhnliche Umstände des Falles vorliegen, die trotz der wirtschaftlich nicht geordneten Verhältnisse, in denen der Steuerberater lebt, die Vermutung mangelnder persönlicher Eignung und dementsprechend der Gefährdung der Auftraggeberinteressen entfallen lassen, ist eine Frage, die unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu beantworten und einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren mithin nicht zugänglich ist (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 121/03, BFH/NV 2004, 824, m.w.N.). Insoweit hat das FG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die strafrechtliche Verurteilung des Klägers wegen Untreue abgestellt.

b) Die Frage, ob Auftraggeberinteressen trotz des Vermögensverfalls des Steuerberaters ausnahmsweise dann als nicht gefährdet anzusehen sind, wenn der Steuerberater ausschließlich nur als Angestellter tätig ist und nach der Gestaltung seines Arbeitsverhältnisses keinen Zugriff auf Mandantengelder hat, ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig, da sie durch die Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet —und verneint— worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2004, 90, und in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG gilt auch für nicht selbständig tätige Steuerberater (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Auch von ihnen verlangt das StBerG persönliche Eignung, die u.a. grundsätzlich voraussetzt, dass sie in geordneten Vermögensverhältnissen leben und nicht in Vermögensverfall.

c) Da somit die von der Beschwerde bezeichneten Rechtsfragen als durch die Rechtsprechung des Senats geklärt anzusehen sind, hätte die Beschwerde zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. , BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde jedoch nicht gerecht. Sie vertritt lediglich die Ansicht, dass das FG-Urteil verfassungsrechtlich bedenklich sei und verweist auf die Beschlüsse des BVerfG in AnwBl 2004, 525 sowie des BGH in NJW 2005, 1271. Diesen Entscheidungen lässt sich allerdings nichts für die von der Beschwerde vertretene Auffassung, dass damit eine Änderung der Rechtsprechung eingeleitet worden sei, entnehmen.

(1) Der genannte, im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangene Beschluss des BVerfG erlaubt nicht den Schluss, dass das BVerfG die dem § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG entsprechende berufsrechtliche Vorschrift der Bundesnotarordnung (BNotO) als unvereinbar mit dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ansieht bzw. dass damit —wie die Beschwerde offensichtlich meint— eine für den Streitfall relevante Änderung der Rechtsprechung erforderlich ist. Vielmehr kann dem Beschluss allein die Ansicht des BVerfG entnommen werden, dass der Amtsenthebung nachfolgende Verbesserungen der Vermögenssituation des Notars bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen sind. Übertragen auf den Streitfall bedeutet das, dass eine nach dem Widerruf der Bestellung wieder hergestellte Ordnung der Vermögensverhältnisse im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ist. Dies entspricht allerdings der Rechtsprechung des Senats zu § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG (, BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740, und vom VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II 1995, 909), von der das FG im Streitfall auch ausgegangen ist.

Im Übrigen liegt der Entscheidung des BVerfG ein anders gelagerter Fall zugrunde, in dem ein Insolvenzplan aufgestellt und vom Insolvenzgericht bestätigt worden war. Im Gegensatz dazu hat vorliegend das FG gerade nicht festgestellt, dass ein Insolvenzplan aufgestellt oder ein Beschluss über eine Restschuldbefreiung gefasst worden ist. Vielmehr hat es festgestellt, dass das Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch nicht beendet war und der Kläger nur den Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hatte. Die von der Beschwerde offenbar vertretene Ansicht, dass im Insolvenzverfahren des Steuerberaters auch ohne einen von der Gläubigerversammlung genehmigten und vom Insolvenzgericht bestätigten Insolvenzplan geordnete Vermögensverhältnisse wieder vorliegen könnten, lässt sich auf den Beschluss des BVerfG in AnwBl 2004, 525 nicht stützen.

(2) Auch der Hinweis der Beschwerde auf den BGH-Beschluss in NJW 2005, 1271 vermag die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist dieser Entscheidung, welche die dem § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG vergleichbare Vorschrift der BRAO betrifft, nicht die Aussage zu entnehmen, dass die Gefährdung von Mandanteninteressen nicht allein aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintrete. Vielmehr hat der BGH in dem genannten Beschluss entschieden, dass ein Vermögensverfall dann nicht mehr vermutet werden könne, wenn sich ein Rechtsanwalt nach einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren in der sog. Wohlverhaltensphase befinde und die Restschuldbefreiung vom Insolvenzgericht gemäß § 291 Abs. 1 InsO angekündigt sei. Dieser Rechtssatz entfaltet jedoch für den Streitfall keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich der Kläger vorliegend noch in Insolvenz befindet, so dass auch nach der Rechtsprechung des BGH weiterhin von einem Vermögensverfall und einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen auszugehen ist.

(3) Schließlich kann hinsichtlich der von der Beschwerde geltend gemachten verfassungsrechtlichen Zweifel darauf verwiesen werden, dass das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen den Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016 nicht zur Entscheidung angenommen hat ().

2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Die behaupteten Verfahrensmängel sind nicht schlüssig dargelegt.

Hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, weshalb der Kläger —wie er vorträgt— nicht damit rechnen konnte, dass das FG seine Entscheidung maßgeblich auf die frühere strafrechtliche Verurteilung wegen Untreue stützen würde. Insoweit setzt sich die Beschwerde nicht damit auseinander, dass diese Verurteilung bereits Gegenstand des angefochtenen Widerrufsbescheids vom war, dass der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren das Urteil des AG selbst zur Akte gereicht hat und dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu dieser strafrechtlichen Verurteilung Stellung genommen hat. Soweit die Beschwerde rügt, dass das FG die Strafakten nicht beigezogen habe, fehlt es an Darlegungen, welche konkreten, für den Rechtsstreit erheblichen Gesichtspunkte sich aus diesen Akten für das FG ergeben hätten.

Die Verfahrensrüge, dass das FG auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag des Klägers betreffend die Zulassung der Revision nicht eingegangen sei, ist bereits deshalb nicht schlüssig, weil das FG über die Zulassung der Revision nicht auf Antrag, sondern von Amts wegen entscheidet und dies im Streitfall auch getan hat, indem es die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen hat. Da sich weder im Tenor des FG-Urteils noch in den Entscheidungsgründen ein Ausspruch über die Zulassung der Revision findet, ist sie versagt (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 108), was sich im Übrigen aus der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung eindeutig ergibt.

Fundstelle(n):
JAAAB-70222