Oberfinanzdirektion Karlsruhe - S 2282/6 - St 142

Familienleistungsausgleich:
Behandlung der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG;
Änderung von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden auf Grund nachträglicher Kindergeldgewährung

Bezug:

Aus gegebenem Anlass wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des (DStR 2005 S. 911) weder eine neue Tatsache (§ 173 AO) noch ein rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) darstellt. Ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid kann deshalb nicht mehr geändert werden. Dies gilt auch dann, wenn die Familienkasse nachträglich Kindergeld gewährt, weil bisher z.B. kein Kindergeldantrag gestellt worden war. Die Durchführung einer Günstigerprüfung (§ 31 EStG) sowie die Berücksichtigung der Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 EStG) bei der Festsetzung von Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag ist in bestandskräftigen Einkommensteuerveranlagungen damit ausgeschlossen.

Die nachträgliche Kindergeldgewährung stellt jedoch ein rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) für daran anknüpfende Tatbestände (z.B. Höhe der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG, Übertragung des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 5 EStG, Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG) dar und eröffnet insoweit eine Änderungsmöglichkeit für bestandskräftige Einkommensteuerbescheide.

Beispiel:

A ist allein erziehend mit einem minderjährigen Sohn (S) sowie einer volljährigen Tochter (T) in Berufsausbildung. Wegen der Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge der T erhielt A im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2004 lediglich die Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 EStG) für S. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde wegen der Haushaltsgemeinschaft mit T nicht gewährt. Der Einkommensteuerbescheid 2004 ist bestandskräftig. Kindergeld wurde nicht beantragt. Nach Bekanntwerden der Entscheidung des stellte A erstmals einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für T. Daraufhin werden ihr 1.848 Euro für das Kalenderjahr 2004 nachträglich ausgezahlt.

Da der Einkommensteuerbescheid 2004 bestandskräftig ist, können für T die Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 EStG) nicht mehr gewährt werden. Dies gilt auch bei der Festsetzung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags. Eine Günstigerprüfung nach § 31 EStG wird nicht durchgeführt.

Da A jedoch tatsächlich Kindergeld für T erhalten hat, kann ihr nachträglich der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden. Der Einkommensteuerbescheid 2004 kann nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden.

Die Frage, wie in offenen Einkommensteuerveranlagungen 2004 die Günstigerprüfung (§ 31 EStG) durchzuführen ist, wenn ein Kindergeldantrag bestandskräftig abgelehnt wurde, ist nach wie vor bundeseinheitlich nicht abschließend geklärt. Entsprechende Fälle sind weiterhin offen zu halten.

Oberfinanzdirektion Karlsruhe v. - S 2282/6 - St 142

Fundstelle(n):
SAAAB-68172