BMF - IV A 5 -S 7124 - 8/05 BStBl 2005 I 849

Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität und damit zusammenhängende sonstige Leistungen

Durch Art. 5 Nr. 1 bis 4, 6 und 10 des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG) vom (BGBl 2004 I S. 3310, BStBl 2004 I S. 1158) wurde § 3g UStG eingefügt und die §§ 3, 3a, 5 und 13b UStG geändert. Die Rechtsänderungen sind nach Art. 22 Abs. 5 des EURLUmsG mit Wirkung vom in Kraft getreten. Dadurch wird die Richtlinie 2003/92/EG vom (ABl. EG 2003 Nr. L 260 S. 8) in nationales Recht umgesetzt.

Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität sowie der damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen Folgendes:

1. Ort der Lieferung von Gas oder Elektrizität (§ 3g UStG)

1.1 Unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Richtlinie 2003/54/EG vom über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und der Richtlinie 2003/55/EG vom über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG findet die Regelung – entsprechend der Zielsetzung der Richtlinie 2003/92/EG – in Bezug auf Gas für alle Druckstufen und in Bezug auf Elektrizität für alle Spannungsstufen Anwendung. Bezüglich der Lieferung von Gas ist die Anwendung der Sonderregelung auf Lieferungen über das Erdgasnetz beschränkt. Die Sonderregelung findet z.B. keine Anwendung auf den Verkauf von Gas in Flaschen oder die Befüllung von Gastanks mittels Tanklastzügen.

1.2 Bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität ist danach zu unterscheiden, ob diese Lieferung

  • an einen Unternehmer, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Gegenstände in deren Lieferung besteht und dessen eigener Verbrauch dieser Gegenstände von untergeordneter Bedeutung ist (sog. Wiederverkäufer von Gas oder Elektrizität) oder

  • an einen anderen Abnehmer

erfolgt.

1.3 Die Haupttätigkeit des Unternehmers in Bezug auf den Erwerb von Gas über das Erdgasverteilungsnetz oder von Elektrizität besteht dann in deren Lieferung, d.h. im Wiederverkauf dieser Gegenstände, wenn der Unternehmer mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Menge weiterveräußert. Der eigene Gas- bzw. Elektrizitätsverbrauch des Unternehmers ist von untergeordneter Bedeutung, wenn nicht mehr als 5 % der erworbenen Menge zu eigenen (unternehmerischen sowie nichtunternehmerischen) Zwecken verwendet wird.

1.4 Die Bereiche „Gas” und „Elektrizität” sind dabei getrennt, jedoch für das gesamte Unternehmen i.S.d. § 2 UStG zu beurteilen. In der Folge werden grenzüberschreitende Leistungen zwischen Unternehmensteilen, die als nicht steuerbare Innenumsätze zu behandeln sind und die nach § 3g Abs. 3 UStG auch keinen Verbringungstatbestand erfüllen, in diese Betrachtung einbezogen. Außerdem ist damit ein Unternehmer, der z.B. nur im Bereich „Elektrizität” mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Menge weiterveräußert und nicht mehr als 5 % zu eigenen Zwecken verwendet, diese Voraussetzungen aber für den Bereich „Gas” nicht erfüllt, nur für Lieferungen an ihn im Bereich „Elektrizität” als Wiederverkäufer anzusehen.

1.5 Maßgeblich sind die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr. Verwendet der Unternehmer zwar mehr als 5 %, jedoch nicht mehr als 10 %, der erworbenen Menge an Gas oder Elektrizität zu eigenen Zwecken, ist weiterhin von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen, wenn die im Mittel der vorangegangenen drei Jahre zu eigenen Zwecken verbrauchte Menge 5 % der in diesem Zeitraum erworbenen Menge nicht überschritten hat.

Im Unternehmen selbst erzeugte Mengen bleiben bei der Beurteilung unberücksichtigt.

1.6 Anderer Abnehmer ist demgegenüber ein Abnehmer, der nicht Wiederverkäufer ist.

1.7 Bei der Lieferung von Gas oder Elektrizität an einen Wiederverkäufer gilt entweder der Ort, von dem aus dieser sein Unternehmen betreibt, oder – wenn die Lieferung an eine Betriebsstätte des Wiederverkäufers ausgeführt wird – der Ort dieser Betriebsstätte als Ort der Lieferung. Eine Lieferung erfolgt an eine Betriebsstätte, wenn sie ausschließlich oder überwiegend für diese bestimmt ist; Abschn. 38 Abs. 2 UStR gilt sinngemäß. Dementsprechend ist auf die Bestellung durch und die Abrechnung für Rechnung der Betriebsstätte abzustellen. Es kommt nicht darauf an, wie und wo der Wiederverkäufer die gelieferten Gegenstände tatsächlich verwendet (vgl. § 3g Abs. 1 UStG). Somit gilt diese Regelung auch für die für den eigenen Verbrauch des Wiederverkäufers gelieferte Menge. Dies ist insbesondere von Bedeutung bei der Verwendung für eigene Zwecke in eigenen ausländischen Betriebsstätten und ausländischen Betriebsstätten des Organträgers; auch insoweit verbleibt es bei der Besteuerung im Sitzstaat, soweit nicht unmittelbar an die ausländische Betriebsstätte geliefert wird.

1.8 Bei der Lieferung von Gas oder Elektrizität an einen anderen Abnehmer wird grundsätzlich auf den Ort des tatsächlichen Verbrauchs dieser Gegenstände abgestellt (vgl. § 3g Abs. 2 UStG). Das ist regelmäßig der Ort, wo sich der Zähler des Abnehmers befindet. Sollte der andere Abnehmer die an ihn gelieferten Gegenstände nicht tatsächlich verbrauchen (z.B. bei Weiterverkauf von Überkapazitäten), wird insoweit für die Lieferung an diesen Abnehmer der Verbrauch gem. § 3g Abs. 2 Satz 2 UStG dort fingiert, wo dieser sein Unternehmen betreibt oder eine Betriebsstätte hat, an die die Gegenstände geliefert werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass im Falle des Weiterverkaufes von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität für den Erwerb dieser Gegenstände stets das Empfängerortprinzip gilt. Da Gas und Elektrizität allenfalls in begrenztem Umfang gespeichert werden, steht regelmäßig bereits bei Abnahme von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität fest, in welchem Umfang ein Wiederverkauf erfolgt.

2. Innergemeinschaftlicher Erwerb, innergemeinschaftliches Verbringen sowie Einfuhr von Gas oder Elektrizität (§ 3g Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG)

Durch die spezielle Ortsregelung für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität wird klargestellt, dass Lieferungen dieser Gegenstände keine bewegten Lieferungen sind. Daraus folgt, dass weder eine Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG noch eine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG vorliegen kann. Bei Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität unter den Bedingungen von § 3g Abs. 1 oder Abs. 2 UStG liegt weder ein innergemeinschaftliches Verbringen noch ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Die Einfuhr von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG steuerfrei.

§ 3g UStG gilt auch im Verhältnis zum Drittlandsgebiet; die Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG ist demgegenüber mangels Beförderung oder Versendung ausgeschlossen. Die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität aus dem Drittlandsgebiet in das Inland ist damit im Inland steuerbar und steuerpflichtig; die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unter den Voraussetzungen des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 2 UStG ist zu beachten (vgl. nachfolgend unter 4.). Die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität aus dem Inland in das Drittlandsgebiet ist eine im Inland nicht steuerbare Lieferung.

3. Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und Elektrizitätsnetzen und die Fernleitung, die Übertragung oder die Verteilung über diese Netze sowie damit unmittelbar zusammenhängende sonstige Leistungen (§ 3a Abs. 4 Nr. 15 UStG)

3.1 Bei bestimmten sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität (§ 3a Abs. 4 Nr. 15 UStG) richtet sich der Ort der Leistung regelmäßig nach § 3a Abs. 3 UStG. Zu diesen Leistungen gehören die Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und Elektrizitätsnetzen, die Fernleitung, die Übertragung oder die Verteilung über diese Netze sowie andere mit diesen Leistungen unmittelbar zusammenhängende Leistungen in Bezug auf Gas für alle Druckstufen und in Bezug auf Elektrizität für alle Spannungsstufen.

3.2 Zu den mit der Gewährung des Zugangs zu Erdgasnetzen und der Fernleitung, der Übertragung oder der Verteilung über diese Netze unmittelbar zusammenhängenden Umsätzen gehören insbesondere:

  • die Gewährung des Zugangs zu Erdgasspeichern sowie die Zwischenspeicherung von Gas in solchen Speichern,

  • das Vorhalten von Speicherund Transportkapazitäten für Erdgas im eigenen Netz, auch wenn diese tatsächlich nicht in Anspruch genommen werden,

  • die Verpachtung von Leitungssegmenten und das Transportmanagement in fremden Netzen,

  • Überwachung des Transports von Gas,

  • die Bereitstellung von Arbeitsgasvolumen im Erdgasspeichersystem einschließlich der damit einhergehenden Einspeiseund Ausspeiseleistung,

  • technische Dienstleistungen, wie Ausgleich von Mengen- und Druckschwankungen, Verdichterleistung, Gastrocknung, Überlassung bzw. Wartung von Mess-, Druck-, Druckregel- und Datenübertragungsanlagen und Gasbeschaffenheitsanalysen,

  • Steuern von Gasflüssen (Dispatching) in eigenen und fremden Gasnetzen,

  • sonstige Serviceleistungen wie Überwachung, Revision und Wartung fremder Netze oder Pipelines, Netzoptimierung, Notrufbereitschaften.

3.3 Zu den mit der Gewährung des Zugangs zu Elektrizitätsnetzen und der Fernleitung, der Übertragung oder der Verteilung über diese Netze unmittelbar zusammenhängenden Umsätzen gehören insbesondere

  • der Anschluss an das Elektrizitätsnetz sowie die Netznutzung,

  • die Netzführung sowie die Schaffung der Voraussetzungen für die Messung,

  • die Spannungsund die Frequenzhaltung,

  • der Wiederaufbau der Versorgung nach Störungseintritt oder Störungsabgrenzung,

  • das Vorhalten von Übertragungskapazitäten, auch wenn diese tatsächlich nicht in Anspruch genommen werden,

  • Überwachung des Transports von Strom,

  • sonstige Serviceleistungen wie Überwachung, Revision und Wartung fremder Netze, Netzoptimierung, Notrufbereitschaften.

3.4 Der Ort der Vermittlung von unter § 3a Abs. 4 Nr. 15 UStG fallenden Leistungen bestimmt sich grundsätzlich nach § 3a Abs. 3 und 4 Nr. 10 UStG.

4. Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 2 Satz 1 UStG)

Bei Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer an einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer im Inland oder an einen anderen Unternehmer im Inland ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 2 Satz 1 UStG). Dies gilt auch, wenn der im Ausland ansässige Unternehmer im Inland lediglich eine Vertretung oder eine Betriebsstätte hat, die nicht als Zweigniederlassung anzusehen ist. Hat der leistende Unternehmer im Inland, auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung, ist er Steuerschuldner; § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UStG ist nicht anzuwenden. Dies gilt auch, wenn die Lieferung von Gas oder Elektrizität nicht vom Inland aus erfolgt.

5. Bemessungsgrundlage

Ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 2 Satz 1 UStG und schuldet er zugleich die Mineralölsteuer nach § 22 Abs. 1 oder § 23 MinöStG, gehört diese nicht zur Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer.

6. Behandlung bestimmter Fälle von grenzüberschreitenden Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität bis zum

Soweit Unternehmer bis zum ausgeführte Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität als bewegte Lieferung behandelt haben, gilt aus Vereinfachungsgründen Folgendes:

6.1 Wurde Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität aus einem EU-Mitgliedstaat in das Inland geliefert und hat der liefernde Unternehmer diese Lieferung in Übereinstimmung mit der rechtlichen Beurteilung des EU-Mitgliedstaates, in dem der Lieferort liegt, als innergemeinschaftliche Lieferung behandelt und ist insoweit im Inland keinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen, ist dies nicht zu beanstanden, wenn der Abnehmer den Erwerb dieser Gegenstände als innergemeinschaftlichen Erwerb behandelt hat oder nachträglich entsprechend behandelt. Die vom Abnehmer für den innergemeinschaftlichen Erwerb angemeldete und entrichtete Steuer kann unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG als Vorsteuer abgezogen werden.

Diese Vereinfachung kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Abnehmer nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 3 UStG keine Erwerbsbesteuerung durchzuführen hatte und auch nicht nach § 1a Abs. 4 UStG zur Erwerbsbesteuerung optiert hatte.

6.2 Wurde Gas über das Erdgasnetz oder Elektrizität aus dem Inland in einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert, und hat der liefernde Unternehmer diese Lieferung als nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt oder nachträglich entsprechend behandelt, weil sein Abnehmer in Übereinstimmung mit der rechtlichen Beurteilung des EU-Mitgliedstaates, in dem die gelieferten Gegenstände endgültig verblieben sind, den Erwerb dieser Gegenstände als innergemeinschaftlichen Erwerb zu behandeln hatte, ist dies nicht zu beanstanden, wenn die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Übrigen vorliegen und der leistende Unternehmer den Umsatz entsprechend in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung und in seiner zusammenfassenden Meldung angemeldet hat.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

BMF v. - IV A 5 -S 7124 - 8/05


Fundstelle(n):
BStBl 2005 I Seite 849
NAAAB-57836