Wechsel des beklagten Finanzamts lässt örtliche Zuständigkeit des Finanzgerichts unberührt S. 23
Leitsatz
Ein Wechsel des Beklagten lässt die örtliche Zuständigkeit des FG unberührt, wenn der neue Beklagte zwar nicht seinen Sitz im Bereich des FG hat, Streitgegenstand jedoch weiterhin die Rechtmäßigkeit des ursprünglich klagebefangenen Verwaltungsakts ist (Abgrenzung zum , BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101).
Gesetze: FGO § 70 Satz 1GVG § 17 Abs. 1 Satz 1AO 1977 § 20aAO 1977 § 21 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug: (EFG 2004, 1498)
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Portugal, die u.a. im Streitjahr (1998) im Inland Bauleistungen erbracht hat. Streitig ist, ob sie in diesem Zusammenhang eine Betriebsstätte i.S. des Art. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Portugal) besessen hat. Das früher für die Veranlagung der Klägerin zuständige Finanzamt (FA B) hat das angenommen und auf dieser Basis gegen die Klägerin einen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr erlassen. Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren bei dem für das FA B zuständigen Finanzgericht (FG) Münster Klage erhoben.
Nachdem im Verlauf des Klageverfahrens § 20a der Abgabenordnung (AO 1977) in Kraft getreten war, teilte das FA B dem FG mit, dass der Beklagte und Revisionskläger (das FA K) für den Steuerfall zuständig geworden und deshalb Verfahrensbeteiligter sei. Das FG erließ daraufhin ein Urteil mit dem Tenor, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben werde. Im Rubrum des Urteils ist als Beklagter das FA K aufgeführt, das seinen Sitz im Bezirk des Hessischen FG hat. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1498 abgedruckt.
Das FA K hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt, mit der es eine Verletzung materiellen Rechts rügt. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorab über die Zuständigkeit des FG Münster zu entscheiden. Diese hat das FG zu Recht bejaht.
1. Nach § 38 Abs. 1 FGO ist dasjenige FG örtlich zuständig, in dem die beklagte Behörde ihren Sitz hat. Beklagte Behörde war im Streitfall zunächst das FA B, dessen Sitz sich im Bezirk des FG Münster befindet.
2. Im Verlauf des Klageverfahrens ist das FA K an Stelle des FA B als Beklagter in das Verfahren eingetreten. Hierdurch wurde jedoch die Zuständigkeit des FG Münster nicht berührt:
a) Die Zuständigkeit für die Besteuerung der Klägerin nach dem Einkommen richtete sich ursprünglich nach § 20 AO 1977. Hiernach war das FA B zuständig.
Während des Klageverfahrens ist mit Wirkung zum § 20a AO 1977 in Kraft getreten (Art. 1 i.V.m. Art. 8 des Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe, BGBl I 2001, 2267, BStBl I 2001, 602). Nach dieser Vorschrift knüpft die Zuständigkeit für die Ertragsbesteuerung bei Unternehmen, die Bauleistungen i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes erbringen und ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Ausland haben, an die zur Umsatzsteuer getroffene Regelung in § 21 AO 1977 an. Um ein solches Unternehmen handelt es sich bei der Klägerin, weshalb sich die Behördenzuständigkeit nunmehr nach § 21 AO 1977 richtet.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 kann das Bundesministerium der Finanzen (BMF) unter bestimmten Voraussetzungen die örtliche Zuständigkeit für die Umsatzsteuer bei einer bestimmten Finanzbehörde konzentrieren. Davon hat das BMF mit der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung vom (BGBl I 2001, 3794, 3814, BStBl I 2002, 4) Gebrauch gemacht. Hiernach ist für in der Portugiesischen Republik ansässige Unternehmer —und damit u.a. für die Klägerin— das FA K zuständig. Nachdem nunmehr in den Fällen des § 20a AO 1977 die Zuständigkeit für die Ertragsbesteuerung an diejenige für die Umsatzsteuer anknüpft, ist das FA K für den vorliegend zu beurteilenden Steuerfall zuständig geworden. Davon sind sowohl das FG als auch die Beteiligten ausgegangen.
b) Wird nach Erhebung der Klage statt der ursprünglich beklagten eine andere Finanzbehörde für die Steuerfestsetzung zuständig und beruht dieser Zuständigkeitswechsel auf einem Organisationsakt der Finanzverwaltung, so tritt die zuständig gewordene Behörde an Stelle des bisherigen Beklagten in den anhängigen Rechtsstreit ein (, BFHE 104, 524, BStBl II 1972, 438; vom I R 17/01, BFHE 200, 521, BStBl II 2003, 631, 632, m.w.N.). Im Streitfall hat mithin ein solcher gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden. Beklagter ist nunmehr das FA K.
c) Trotz des eingetretenen Wechsels auf der Beklagtenseite war das FG Münster weiterhin für die Entscheidung über die Klage zuständig. Das nunmehr beklagte FA hat seinen Sitz zwar nicht im Bezirk dieses FG. Dessen örtliche Zuständigkeit ergibt sich jedoch aus § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.V.m. § 70 Satz 1 FGO:
aa) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG wird die Zulässigkeit des Rechtswegs durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der zuständigkeitsbegründenden Umstände nicht berührt. Diese Regelung gilt gemäß § 70 Satz 1 FGO für die örtliche Zuständigkeit eines FG entsprechend.
bb) Die sich hieraus ergebende Fortdauer einer einmal begründeten örtlichen Gerichtszuständigkeit besteht allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur, solange der Streitgegenstand des betreffenden Verfahrens unverändert bleibt (, BStBl II 2005, 101; ebenso Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 70 FGO Rz. 13; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 70 FGO Rz. 4). Sie greift nach verbreiteter Ansicht ebenso nicht im Fall einer Klageänderung (Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O.; übereinstimmend zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren Verwaltungsgerichtshof Mannheim, Urteil vom IV 732/73, Neue Juristische Wochenschrift 1974, 823). Auch unter diesem Gesichtspunkt wird jedoch im Streitfall die Zuständigkeit des FG Münster nicht berührt.
Denn Streitgegenstand ist im finanzgerichtlichen Verfahren bei einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid allein die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids (, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., Einf. FGO Rz. 132, m.w.N.). Deshalb berührt, solange es —wie im Streitfall— um den ursprünglich angefochtenen Bescheid geht, ein Wechsel in der Beklagtenstellung den Streitgegenstand nicht (Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 67 FGO Rz. 5). Ebenso ist ein kraft Gesetzes eingetretener Beteiligtenwechsel keine Klageänderung (Stöcker in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 67 FGO Rz. 11; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O., § 67 FGO Rz. 28; zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren übereinstimmend Louis/ Abry, Deutsches Verwaltungsblatt 1986, 331, 334). Mithin bleibt in einer solchen Situation das ursprünglich zuständige FG auch dann, wenn das neu in das Verfahren eingetretene FA seinen Sitz nicht in dem Bezirk dieses FG hat, gemäß § 70 Satz 1 FGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG weiterhin für das Klageverfahren zuständig. Daraus folgt für den Streitfall, dass die Zuständigkeit des FG Münster nach dem Beklagtenwechsel fortbestanden hat.
3. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von dem Beschluss des V. Senats des BFH in BFHE 207, 511, BStBl II 2005, 101 ab. In jenem Beschluss heißt es zwar u.a., dass der Wechsel des Beklagten eine Änderung des Streitgegenstands darstelle und deshalb die Fortdauer der Gerichtszuständigkeit gemäß § 70 Satz 1 FGO erlöschen lasse. Diese Aussage bezieht sich aber erkennbar nur auf den vom V. Senat zu beurteilenden Sachverhalt, in dem der Wechsel des Beklagten dadurch ausgelöst wurde, dass ein anderes als das ursprünglich beklagte FA einen Änderungsbescheid erlassen hatte und dieser gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden war. In einer solchen Situation liegt eine Änderung des Streitgegenstands, die die Fortdauer der Gerichtszuständigkeit erlöschen lässt, schon in der Auswechselung des streitbefangenen Bescheids (, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791, 794; Stöcker in Beermann/Gosch, a.a.O., § 68 FGO Rz. 4). An einer solchen fehlt es aber gerade im Streitfall, weshalb dieser sich von der vom V. Senat beurteilten Gestaltung in entscheidungserheblicher Weise unterscheidet.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2005 II Seite 575
AO-StB 2005 S. 227 Nr. 8
BFH/NV 2005 S. 1198
BFH/NV 2005 S. 1198 Nr. 7
BStBl. II 2005 S. 575 Nr. 14
DB 2005 S. 1366 Nr. 25
DStRE 2005 S. 790 Nr. 13
HFR 2005 S. 870 Nr. 9
INF 2005 S. 527 Nr. 14
NJW 2006 S. 944 Nr. 13
StB 2005 S. 286 Nr. 8
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2005 S. 689
UAAAB-54896