Zulässigkeit einer außerordentlichen BeschwerdeS. 34
Gesetze: FGO § 128 Abs. 3; ZPO § 321a
Instanzenzug:
Gründe
I. Gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Antagsteller) ist Umsatzsteuer für die Jahre 1996 bis 1998 festgesetzt worden. Seine Prozessbevollmächtigte, eine Steuerberatungsgesellschaft, beantragte beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung der Bescheide, ohne eine Prozessvollmacht vorzulegen. Das FG forderte daraufhin die Prozessvollmacht nach. Die Steuerberatungsgesellschaft verwies auf eine in einem anderen Verfahren vorgelegte Prozessvollmacht. Dies genügte dem FG nicht; mit Schreiben vom teilte es der Steuerberatungsgesellschaft mit, die bezeichnete Prozessvollmacht beziehe sich nicht auf das vorliegende Verfahren, und bat sie, die „Vollmacht bis spätestens ” vorzulegen.
Mit Beschluss vom wies das FG den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide mangels Nachweises der Prozessvollmacht als unzulässig ab und legte die Kosten des Verfahrens der Steuerberatungsgesellschaft auf. Die Beschwerde gegen seinen Beschluss ließ das FG nicht zu.
Mit Schreiben vom , das den Eingangsstempel des trägt, legte die Steuerberatungsgesellschaft die Vollmacht vor.
Gegen den richtet sich die vorliegende „außerordentliche Beschwerde”. Der Antragsteller meint, diese sei ausnahmsweise statthaft, da eine Gegenvorstellung beim FG keinen wirksamen Rechtsschutz entfalten könne, da es um die Verletzung von Verfahrensvorschriften gehe, die gerade Gegenstand der finanzgerichtlichen Entscheidung gewesen seien. Allerdings sei die Rechtsauffassung des FG nicht klar ersichtlich: Entweder vertrete es die Auffassung, auch Personen i.S. von § 3 Nr. 1 bis 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) könnten als vollmachtlos zurückgewiesen werden, ohne dass es der Setzung einer Ausschlussfrist gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bedürfe, oder es vertrete die Auffassung, dass das Schreiben des eine derartige Präklusionswirkung entfalte. Hierzu führt der Antragsteller im Einzelnen aus, beide Auffassungen seien unrichtig.
Der Antragsteller beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an einen anderen Spruchkörper des FG zurückzuweisen und diesem die Kostenentscheidung zu übertragen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der angefochtene Beschluss ist mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht anfechtbar.
Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 FGO steht den Beteiligten nach § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Das FG hat die Beschwerde nicht zugelassen und in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses auf dessen Unanfechtbarkeit nach § 128 Abs. 3 FGO hingewiesen.
2. Die von dem Antragsteller in Kenntnis dieser Rechtslage erhobene außerordentliche Beschwerde hat ebenfalls keinen Erfolg.
Eine außerordentliche Beschwerde hat die Rechtsprechung ausnahmsweise in Fällen greifbarer Gesetzwidrigkeit für statthaft gehalten; also dann, wenn die erstinstanzliche Entscheidung jeglicher Grundlage entbehrt und damit eine nicht hinnehmbare Gesetzwidrigkeit zur Folge hat. Diese Voraussetzung ist etwa dann erfüllt, wenn die Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte.
Der Anwendungsbereich für außerordentliche Beschwerden hat sich verringert, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) im Anschluss an den Beschluss vom IV B 190/02 (BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269) mittlerweile in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass „schweres Verfahrensunrecht” im Finanzprozess mit einer Gegenvorstellung analog § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) bei dem Ausgangsgericht geltend gemacht werden kann (, BFH/NV 2004, 1657). Mit ihr ist insbesondere die Rüge geltend zu machen, das Gericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Darüber hinaus werden von der Gegenvorstellung alle schwerwiegenden Fehler umfasst, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die den materiellen Inhalt der Entscheidung beeinflusst haben können.
Es kann hier dahinstehen, ob danach überhaupt noch Raum für eine außerordentliche Beschwerde sein kann. Selbst wenn man annimmt, dass die außerordentliche Beschwerde von der Gegenvorstellung insoweit nicht verdrängt wird, als Verletzungen von Verfahrensvorschriften gerügt werden, deren Auslegung gerade den Gegenstand der angegriffenen Entscheidung bildet und deswegen eine Gegenvorstellung beim Ausgangsgericht in einem solchen Fall keinen wirksamen Rechtsschutz gewährleisten kann (s. hierzu , BFHE 206, 194, BStBl II 2004, 834), sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche außerordentliche Beschwerde hier nicht erfüllt.
Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich keine greifbare Gesetzwidrigkeit bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften, die bereits Gegenstand des angefochtenen finanzgerichtlichen Beschlusses waren.
Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen. Nach § 62 Abs. 3 Satz 2 FGO hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen. Nach § 62 Abs. 3 Satz 6 FGO „braucht” das Gericht den Mangel der Vollmacht jedoch nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 bis 3 StBerG auftritt. Nach den Grundsätzen des vom FG zitierten (BFHE 201, 409, BStBl II 2003, 606) kann das FG aber auch in diesem Fall eine schriftliche Vollmacht verlangen, wenn begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen. Der angefochtene Beschluss leidet demnach nicht deshalb unter einer greifbaren Gesetzwidrigkeit, weil das FG derartige Zweifel angenommen und deshalb die Vollmacht gefordert hat.
Anhaltspunkte dafür, dass das FG dem Antragsteller eine Frist mit ausschließender Wirkung i.S. des § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO zur Vorlage der Vollmacht gesetzt hat, oder dass ein Antrag wegen fehlender Vollmacht nur nach Setzung einer Ausschlussfrist gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO als unzulässig abgewiesen werden darf, sieht der Senat nicht. Auch insofern fehlt es an einer greifbaren Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses.
3. Möglicherweise hat das FG allerdings den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, weil es den Schriftsatz des Antragstellers vom mit der Prozessvollmacht nicht mehr berücksichtigte. Schriftsätze, die bis zur Absendung der Gerichtsentscheidung eingehen, sind nämlich grundsätzlich vom FG noch zu berücksichtigen (vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 751).
Der Schriftsatz des Antragstellers vom war aber nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses des FG. Das FG hat bislang nicht geprüft, ob es mit der Nichtberücksichtigung des Schriftsatzes vom den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Der Antragsteller hätte deshalb eine Rüge, das FG habe mit der Nichtberücksichtigung des Schriftsatzes vom seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, entsprechend der Vorschrift des § 321a ZPO mit der Gegenvorstellung beim FG vorbringen müssen. Für eine außerordentliche Beschwerde an den BFH ist insoweit kein Raum.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1104 Nr. 7
XAAAB-52565