Mitunternehmerschaft eines stillen Gesellschafters bei fehlender Beteiligung am Geschäftswert des Unternehmens
Gesetze: EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 230
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) vereinbarte im Streitjahr 1984 mit seinem Bruder, dem Beigeladenen, die Gründung einer stillen Gesellschaft.
Nach § 1 Abs. 2 des Vertrages vom sollte sich der Kläger als „atypischer stiller Gesellschafter„ am Gewerbebetrieb seines Bruders beteiligen. Seine Einlage bestand in der Beschaffung eines Kredits zugunsten des Unternehmens seitens der Sparkasse X (Sparkasse) durch Übernahme selbstschuldnerischer Bürgschaften über 50 000 DM und 70 000 DM, die er am gegenüber der Sparkasse eingegangen war, um deren Darlehensforderungen gegen das Unternehmen in dieser Höhe (zuzüglich Nebenleistungen) zu sichern. Für den Fall einer Inanspruchnahme des Klägers aus diesen Bürgschaften sollte die auf ihn übergegangene Darlehensforderung als Einlage dienen.
Der Kläger war von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen. Ihm stand jedoch nach § 2 des Vertrages das Widerspruchsrecht eines Kommanditisten (§ 164 des Handelsgesetzbuchs —HGB—) gegen Geschäftshandlungen des Beigeladenen zu. Er hatte ferner das Recht, sich jederzeit über die Angelegenheiten des Betriebs zu unterrichten, Auskunft über alle Angelegenheiten des Geschäfts zu verlangen, die Geschäftsbücher und Bilanzen des Unternehmens einzusehen und aus ihnen Auszüge und Übersichten zu fertigen (§ 4).
Die Gewinn- und Verlustbeteiligung war in § 3 des Vertrages in der Weise geregelt, dass vorab der Beigeladene 3000 DM monatlich als Tätigkeitsvergütung erhielt. Von dem verbleibenden Gewinn oder Verlust sollten der Kläger 3 v.H. und der Beigeladene 97 v.H. erhalten. Für den Fall einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sollte sich der Anteil des Klägers am Gewinn um 1 1/4 v.H. je 10 000 DM seiner Inanspruchnahme aus den Bürgschaften erhöhen. Der Kläger war zur Entnahme seines Gewinnanteils berechtigt, soweit dies nicht zum offenbaren Schaden des Unternehmens führte. Seine Haftung war auf die Einlage beschränkt. Bei Auflösung der stillen Gesellschaft ist eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, in welcher die stillen Reserven des Betriebsvermögen zu berücksichtigen sind, aber ein Geschäftswert nicht anzusetzen ist. Der Anteil der Gesellschafter am Auseinandersetzungsguthaben soll ihrem Anteil am Gewinn und Verlust, wie er in § 3 des Vertrages geregelt ist, entsprechen (§ 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages).
Am vereinbarten der Kläger und der Beigeladene eine Abänderung („Ergänzung„) des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages mit Wirkung zum . In Abänderung der Regelung über die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft in § 2 des Gesellschaftsvertrages wurde vereinbart, dass der Kläger nach Maßgabe des Abs. 3 des geänderten Vertrages an der Geschäftsführung beteiligt sei. Nach § 2 Abs. 3 verpflichtete sich der Kläger, dem Beigeladenen im Rahmen der Geschäftsführung seine Erfahrungen als Ingenieur zur Verfügung zu stellen und die Entwicklung sowie die Qualitätssicherung der Produktion des Unternehmens zu beeinflussen. Der Kläger sollte ferner beratend bei der Auswahl und Überwachung von Lieferanten tätig werden und unternehmerischen Einfluss auf die Unternehmensstrategie nehmen. Die Tätigkeit des Klägers sollte sich dagegen nicht auf die Überwachung der Finanzen und der Buchführungspflichten erstrecken. Die Regelung des § 3 über die Gewinn- und Verlustverteilung wurde in Abs. 6 dahin gehend ergänzt, dass der Kläger für die von ihm übernommenen Geschäftsführungsaufgaben „zusätzlich zu den Absätzen 1 bis 5 am Gewinn und Verlust des Unternehmens mit 40 v.H. beteiligt wird, jedoch nach Ausgleich von durch Verluste vergangener Jahre entstandener negativer Kapitalkonten mit maximal 36 000 DM„.
Am kam es zu einer weiteren Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen, durch die sich der Kläger zur Leistung einer Bareinlage von 12 169 DM in die stille Gesellschaft verpflichtete. Der Kläger wurde in den Folgejahren aus den Bürgschaften in Anspruch genommen.
Im April 1986 ging beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) eine Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der stillen Gesellschaft ein. Darin war ein Verlust aus Gewerbebetrieb von 130 402 DM ausgewiesen, von dem 71 880 DM auf den Beigeladenen und 58 522 DM auf den Kläger entfielen. In dem nur an den Beigeladenen gerichteten, unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom über die gesonderte Feststellung des Gewinns stellte das FA entsprechend der eingereichten Bilanz auf den für das Streitjahr einen Verlust von 126 106 DM fest. In der Begründung des Bescheids wies das FA darauf hin, dass weder eine stille Gesellschaft, noch eine Mitunternehmerschaft bestehe.
Am erließ das FA gegenüber dem Kläger und dem Beigeladenen einen negativen Feststellungsbescheid für das Streitjahr, in dem es eine Mitunternehmerschaft am Gewerbebetrieb des Beigeladenen verneinte.
Das Einspruchsverfahren des Klägers gegen diesen Bescheid, zu dem der Beigeladene hinzugezogen wurde, blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es u.a. ausgeführt, die Voraussetzungen einer atypisch stillen Beteiligung des Klägers am Unternehmen des Beigeladenen seien nicht erfüllt.
Im Streitfall könne offen bleiben, ob zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen ein Gesellschaftsverhältnis in Form einer stillen Gesellschaft i.S. des § 230 HGB oder einer Innengesellschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB— (§ 705 BGB) bestanden habe.
Der Kläger sei im Streitjahr jedenfalls nicht Mitunternehmer gewesen. Zwar habe er durch die Ausübung der ihm durch den Gesellschaftsvertrag und den Ergänzungsvertrag eingeräumten Rechte, die im Wesentlichen denen eines Kommanditisten entsprächen, Mitunternehmerinitiative entfaltet. Er habe jedoch kein Mitunternehmerrisiko getragen. Im Streitfall sei die Mitunternehmerschaft des Klägers zu verneinen, weil er bei Auflösung der Gesellschaft nicht am Geschäftswert beteiligt sei. Zwar könne ausnahmsweise für die Frage der Mitunternehmerschaft auf eine Beteiligung an den stillen Reserven und am Geschäftswert verzichtet werden, insbesondere, wenn bereits bei Gründung der Gesellschaft absehbar sei, dass stille Reserven von wirtschaftlicher Bedeutung nicht vorhanden seien und mit ihrer Bildung auch in Zukunft nicht zu rechnen sei. Im Streitfall sei aber bei Abschluss des Vertrages ein vom Beigeladenen geschaffener Geschäftswert in dem Firmennamen des Unternehmens vorhanden gewesen, dessen künftige Werterhöhung durchaus möglich gewesen sei. Aus diesem Grund sei der Kläger vom Geschäftswert ausgeschlossen worden.
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe eine Mitunternehmerschaft trotz fehlender Beteiligung an den stillen Reserven auch dann bejaht, wenn die Mitunternehmerinitiative des stillen Gesellschafters besonders ausgeprägt sei, weil ihm die gesamte Geschäftsführung einschließlich der Führung der laufenden Geschäfte obliege. Auch dieser Ausnahmefall sei im Streitfall nicht gegeben. Zwar sei der Kläger durch den Ergänzungsvertrag an der Geschäftsführung beteiligt worden, ihm sei jedoch nicht die alleinige Geschäftsführung überlassen worden. Sonstige Umstände, die für ein Unternehmerrisiko des Klägers sprechen könnten, wie z.B. die Gewährung hoher Darlehen oder die unentgeltliche Überlassung technischer Entwicklungen oder eine besonders hohe Gewinnbeteiligung, lägen ebenfalls nicht vor. Der Kläger sei nur zu 40 v.H. am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt. Die Beratung des Beigeladenen in technischen Fragen könne der Überlassung technischer Erfindungen nicht gleichgestellt werden. Auch die Übernahme von Bankbürgschaften für das Unternehmen des Beigeladenen sei mit einer Darlehensgewährung nicht vergleichbar. Denn anders als bei der Hingabe eines Darlehens entstehe bei Übernahme einer Bürgschaft noch kein Anspruch gegenüber demjenigen, für dessen Anspruch gebürgt werde; erst bei Inanspruchnahme des Bürgen gehe der Anspruch des Gläubigers auf ihn über (§ 774 BGB).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unzutreffend ausgelegt. Zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen habe im Streitjahr eine Mitunternehmerschaft in Form einer atypisch stillen Gesellschaft bestanden (§ 230 HGB). Der Kläger sei entgegen der Ansicht des FG Mitunternehmer gewesen. Er habe nicht nur Unternehmerinitiative entfaltet, sondern auch ein Unternehmerrisiko getragen. Er sei nicht nur am Gewinn und Verlust, sondern auch an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt gewesen. Ausgeschlossen sei nur seine Beteiligung am Geschäftswert. Diese sei jedoch für die Annahme einer Mitunternehmerschaft nicht zwingend erforderlich. Die fehlende Beteiligung des Klägers am Geschäftswert werde im Streitfall kompensiert durch eine ausgeprägte Mitunternehmerinitiative, die sich aus seiner Geschäftsführertätigkeit ergebe und aus seinen —für die Gesellschaft wesentlichen— Erfahrungen als Ingenieur, die er dem Betrieb zur Verfügung gestellt habe. Hinzu komme, dass der Kläger neben seiner Beteiligung am Gewinn und Verlust ein zusätzliches unternehmerisches Risiko durch die Übernahme von Bürgschaften für die Verbindlichkeiten des Unternehmens getragen habe. Diese Bürgschaften seien nicht erst im Jahr der Inanspruchnahme des Klägers, sondern bereits bei Übernahme der Verpflichtung bei der Beurteilung seiner Mitunternehmerstellung zu berücksichtigen. Es sei für das unternehmerische Risiko unerheblich, ob ein Gesellschafter einen Vermögensgegenstand als Einlage erbringe oder eine gleichwertige Sicherheit stelle.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom und den negativen Gewinnfeststellungsbescheid des FA vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 1984 durchzuführen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen dem Senat keine abschließende Entscheidung darüber, ob der Kläger im Zeitraum vom 10. Mai bis als Mitunternehmer am Gewerbebetrieb des Beigeladenen beteiligt war.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass sich der Kläger und der Beigeladene durch den Abschluss des Vertrages vom zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks, nämlich zum Betrieb eines Unternehmens in der Rechtsform einer BGB-Innengesellschaft (§ 705 BGB) zusammengeschlossen haben (zu dieser Voraussetzung einer Mitunternehmerschaft vgl. BFH-Beschlüsse vom GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 768, und vom GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691; , BFHE 173, 28, BStBl II 1994, 282). Das FG konnte offen lassen, ob es sich bei diesem Vertragsverhältnis —wie von den Vertragsbeteiligten angenommen— um eine stille Gesellschaft i.S. von § 230 HGB handelte. Dies ist zweifelhaft, weil für das Zustandekommen einer stillen Gesellschaft nach § 230 HGB erforderlich ist, dass sich der stille Gesellschafter mit einer Einlage an dem Unternehmen des Inhabers des Handelsgeschäfts beteiligt. In einem weiten Sinn verstanden kann der Begriff der Einlage alle Leistungen umfassen, die auch Gegenstand eines Beitrags i.S. von § 705 BGB sein können (in diesem Sinn , BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389); er kann aber auch einschränkend in dem Sinn zu verstehen sein, dass nur Vermögensgegenstände eingelegt werden können, die das bilanzierte Betriebsvermögen vermehren (vgl. das zu § 15a EStG ergangene Urteil des Senats vom VIII R 45/98, BFHE 196, 103, BStBl II 2002, 339; zum Streitstand vgl. auch Karsten Schmidt in Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 335 (§ 230 n.F.) Rz. 135, m.w.N.; derselbe, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 20 II.3. und § 62 II.1., m.w.N.). Die Hingabe eines Darlehens oder die Übernahme einer Bürgschaft für die Verbindlichkeiten des Unternehmens führen nicht zu einer Mehrung des Betriebsvermögens und sind deshalb nach herrschender Meinung nicht als Einlage i.S. des § 230 HGB geeignet; sie sind jedoch unzweifelhaft mögliche Beiträge zur Förderung des Gesellschaftszwecks i.S. von § 705 BGB (vgl. , BFHE 192, 490, BStBl II 2001, 24; vom I R 25/79, BFHE 134, 421, BStBl II 1982, 186; vom IV R 166/70, BFHE 113, 30, BStBl II 1974, 677; Karsten Schmidt in Schlegelberger, a.a.O., § 335 (§ 230 n.F.) Rz. 138).
2. FA und FG haben eine Mitunternehmerschaft des Klägers aufgrund der Verträge vom 1. Februar und verneint. Diese Auffassung ist zutreffend, soweit der Feststellungszeitraum vom 1. Februar bis zum betroffen ist; für den nachfolgenden Zeitraum rechtfertigen die Ausführungen der Vorinstanz nicht deren Schlussfolgerung, der Kläger sei auch in diesem Zeitraum kein Mitunternehmer gewesen.
a) Der nicht nach außen auftretende Gesellschafter einer Innengesellschaft kann Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sein. Voraussetzung einer Mitunternehmerschaft ist, dass der Gesellschafter Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Beide Merkmale müssen vorliegen; jedoch kann die geringere Ausprägung eines Merkmals im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalles durch eine stärkere Ausprägung des anderen Merkmals ausgeglichen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteile in BFHE 134, 421, BStBl II 1982, 186; vom VIII R 122/86, BFHE 163, 346; vom VIII R 81/96, BFH/NV 1999, 355; vom VIII R 66-70/97, BFHE 190, 204, BStBl II 2000, 183, und vom VIII R 20/01, BFH/NV 2003, 601).
Mitunternehmerinitiative bedeutet dabei Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen zumindest in dem Umfang der Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB.
Kennzeichnend für das Mitunternehmerrisiko des Gesellschafters einer Innengesellschaft ist, dass das Unternehmen im Innenverhältnis (d.h. mit schuldrechtlicher Wirkung) auf gemeinsame Rechnung und Gefahr des nach außen auftretenden Geschäftsinhabers und des anderen Gesellschafters geführt wird (BFH-Urteile in BFHE 173, 28, BStBl II 1994, 282; vom VIII R 12/94, BFHE 181, 423, BStBl II 1997, 272). Der Gesellschafter der Innengesellschaft muss daher nicht nur am laufenden Unternehmenserfolg (Gewinn und Verlust) beteiligt sein; die Regelungen des Gesellschaftsvertrags müssen darüber hinaus die Gewähr dafür bieten, dass er grundsätzlich im Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses entsprechend seinem Gewinnanteil Anspruch auf den Zuwachs an den stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem —nach den üblichen Methoden des Geschäftsverkehrs ermittelten— Firmenwert hat (, BFHE 134, 261, BStBl II 1982, 59; vom IV R 1/92, BFHE 171, 510, BStBl II 1994, 700; vom IV R 6/01, BFH/NV 2003, 36; in BFH/NV 2003, 601).
Fehlt eine schuldrechtliche Beteiligung an den Wertsteigerungen des Betriebsvermögens, so müssen nach Maßgabe der allgemeinen Kriterien einer Mitunternehmerschaft (Unternehmerinitiative, Unternehmerrisiko) besondere Verhältnisse vorliegen, die die Annahme einer Mitunternehmerschaft rechtfertigen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Gesellschafter in erheblichem Umfang am Gewinn des Unternehmens beteiligt ist und ihm darüber hinaus im Gesellschaftsvertrag das Recht eingeräumt ist, typische unternehmerische Entscheidungen im Bereich der laufenden Geschäftsführung zu treffen (, BFHE 132, 542, BStBl II 1981, 424; BFH-Urteile in BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389; vom IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647; in BFH/NV 1999, 355; in BFH/NV 2003, 601, und in BFH/NV 2003, 36, m.w.N.).
b) Der Kläger konnte nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrages vom Mitunternehmerinitiative entfalten; ihm standen die Informations- und Kontrollrechte nach § 716 BGB zu, die weitergehen als die einem Kommanditisten nach § 166 HGB oder einem stillen Gesellschafter nach § 233 HGB zukommenden Rechte. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages hatte der Kläger ferner das Widerspruchsrecht eines Kommanditisten gegen Geschäftshandlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen (§ 164 HGB). Damit waren die Mindestanforderungen für die Annahme einer Mitunternehmerinitiative des Klägers erfüllt.
c) Für den Zeitraum vom 1. Februar bis trug der Kläger jedoch kein für die Annahme einer Mitunternehmerschaft ausreichendes Mitunternehmerrisiko. Er war nach den vertraglichen Vereinbarungen zwar mit 3 v.H. am laufenden Gewinn und Verlust beteiligt. Dabei ist die in § 3 des Vertrages vereinbarte Begrenzung seiner Verlustbeteiligung auf die Höhe seiner Einlage für die Beurteilung seines Mitunternehmerrisikos unschädlich, denn auch ein Kommanditist nimmt nur bis zur Höhe seiner Einlage am Verlust der Gesellschaft teil (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 36).
Der Kläger war jedoch nicht in dem —grundsätzlich erforderlichen— Umfang an den stillen Reserven des Unternehmens im Fall der Beendigung der Gesellschaft beteiligt, denn nach § 7 des Vertrages war ein Geschäftswert in der Auseinandersetzungsbilanz nicht anzusetzen. Dieser Umstand kann bei der Beurteilung der Mitunternehmerschaft des Klägers nicht schon deshalb außer Betracht bleiben, weil möglicherweise bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages am in Anbetracht der hohen Verluste des Unternehmens ein nennenswerter Geschäftswert nicht vorhanden war (, BFHE 157, 192, BStBl II 1989, 720). Das FG hat in diesem Zusammenhang —für den Senat bindend— festgestellt, bei Abschluss des Vertrages seien stille Reserven in dem vom Beigeladenen geschaffenen Geschäftswert (Firmenname) enthalten gewesen, deren Mehrung in der Zukunft noch möglich gewesen sei. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger sich kaum zur Übernahme einer Bürgschaft in der vereinbarten Höhe bereit gefunden hätte, wenn er nicht bei Abschluss des Vertrages davon ausgegangen wäre, der Betrieb werde nach Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel künftig wieder Gewinne erwirtschaften. Dies rechtfertigt die Annahme des FG, dass eine künftige Wertsteigerung des Unternehmens und damit die Entstehung eines Geschäftswerts bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages jedenfalls nicht realitätsfern, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen war (BFH-Urteile in BFH/NV 1993, 647; in BFH/NV 2003, 36, und in BFH/NV 2003, 601).
d) Die fehlende Beteiligung des Klägers am Geschäftswert des Unternehmens wird für den Zeitraum vom 1. Februar bis auch nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen, da der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag von der Geschäftsführung ausgeschlossen war. Die im Vertrag vom vereinbarte Rückwirkung auf den ist für die Beurteilung der Mitunternehmerstellung des Klägers ohne Bedeutung. Grundsätzlich ist die vereinbarte Rückwirkung eines Vertrages steuerrechtlich unbeachtlich; auch für das laufende Wirtschaftsjahr kann eine Rückwirkung nicht wirksam vereinbart werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 36, m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Rückwirkung nur über eine kurze Zeit erstreckt und sich aus ihr keine steuerrechtlichen Auswirkungen ergeben, sie also nur technische Bedeutung hat (, BFH/NV 1993, 586). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
e) Für den Zeitraum nach der Vertragsänderung vom kann die fehlende Teilhabe des Klägers am Geschäftswert des Unternehmens durch die Höhe seiner Beteiligung am laufenden Betriebsergebnis und durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen sein.
aa) Der Kläger war nach § 3 Abs. 6 des geänderten Vertrages in erheblichem Umfang, nämlich mit 40 v.H., am laufenden Betriebsergebnis beteiligt, am Gewinn allerdings nur bis maximal 36 000 DM. Er trug darüber hinaus auch schon vor seiner Inanspruchnahme aus der Bürgschaft das unternehmerische Risiko, sein Vermögen in Höhe der eingegangenen Verpflichtung zu verlieren. Angesichts der hohen Anlaufverluste des Betriebs und der geringen Kapitalausstattung des Unternehmens bestand für ihn schon im Streitjahr die Gefahr einer künftigen Inanspruchnahme aus der Bürgschaft und des Verlusts der dann ggf. nach § 774 BGB übergegangenen Darlehensforderung. Entgegen der Ansicht des FG ist das Risiko eines Bürgen, der durch die Übernahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft erst die Darlehensgewährung eines Dritten ermöglicht, dem eines Darlehensgebers wirtschaftlich gleichwertig. Tatsächlich ist der Kläger später in vollem Umfang aus seiner Verpflichtung in Anspruch genommen worden. Dieser Umstand kann berücksichtigt werden, obwohl er erst nach Ablauf des Streitjahres eingetreten ist; denn bei der Würdigung eines Vertragsverhältnisses ist auch dessen weitere Entwicklung zu beachten (BFH-Urteil in BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389).
bb) Nach § 2 des geänderten Vertrages war der Kläger „nach Maßgabe des Absatz 3„ an der Geschäftsführung beteiligt. Das FG hat diese Regelung ohne Rechtsfehler als Vereinbarung einer gemeinschaftlichen Geschäftsführung gewürdigt. Es hat jedoch aus diesem Umstand und aus der Tatsache, dass der Kläger von bestimmten Aufgabenbereichen der Geschäftsführung, insbesondere der Vertretung des Unternehmens nach außen und der Überwachung der Buchführung und der Finanzen, ausgeschlossen war, zu Unrecht den Schluss gezogen, wegen dieser Einschränkungen seiner Geschäftsführungsbefugnis könne der Kläger nicht als Mitunternehmer angesehen werden.
Die Mitwirkung eines Gesellschafters an der Geschäftsführung ist —auch wenn sie auf bestimmte Aufgabenbereiche innerhalb des Unternehmens beschränkt ist oder entsprechend dem gesetzlichen Regeltypus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. § 709 BGB) nur gemeinschaftlich mit einem anderen Gesellschafter ausgeübt werden kann— grundsätzlich geeignet, eine fehlende Beteiligung an den stillen Reserven des Unternehmens zu kompensieren (vgl. , BFHE 98, 21, BStBl II 1970, 320; in BFHE 134, 421, BStBl II 1982, 186; in BFH/NV 1999, 355).
Der Senat folgt nicht der Ansicht des FG, bei fehlender Teilhabe eines Gesellschafters am Geschäftswert des Unternehmens könne dessen Mitunternehmerschaft nur durch dessen alleinige und umfassende Geschäftsführungsbefugnis ausgeglichen werden. Ob eine umfassende Geschäftsführungsbefugnis ausnahmsweise dann zu fordern ist, wenn das Mitunternehmerrisiko eines Gesellschafters besonders stark eingeschränkt ist, weil er z.B. nicht nur von der Teilnahme am Geschäftswert, sondern auch von der Beteiligung am Verlust und an den stillen Reserven des bilanzierten Anlagevermögens ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389; in BFHE 163, 346), kann hier offen bleiben. Im Streitfall war das Unternehmerrisiko des Klägers nicht in diesem Umfang beschränkt. Das Urteil des FG kann deshalb keinen Bestand haben.
f) Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger aufgrund der ihm durch § 2 Abs. 3 des geänderten Gesellschaftsvertrags eingeräumten Befugnisse wie ein Unternehmer auf das Schicksal des Betriebs und damit auch seiner eigenen Erfolgsbeteiligung Einfluss nehmen konnte (vgl. BFH-Urteile in BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389, m.w.N.; in BFH/NV 1993, 647; in BFH/NV 1999, 355). Die Regelung in § 2 Abs. 3 des geänderten Gesellschaftsvertrags vom ist insoweit nicht eindeutig. Wenn es dort heißt, der Kläger sei verpflichtet, dem Beigeladenen bei der Geschäftsführung seine Erfahrungen als Ingenieur zur Verfügung zu stellen, die Entwicklung der Produktion zu beeinflussen, beratend bei der Auswahl und Überwachung von Lieferanten tätig zu werden und Einfluss auf die Unternehmensstrategie zu nehmen, kann dies dahin auszulegen sein, dass die Tätigkeit des Klägers aufgrund des § 2 Abs. 3 nur der eines letztlich nicht verantwortlichen Unternehmensberaters entsprechen sollte. Sie kann aber auch in der Weise zu verstehen sein, dass der Beigeladene unternehmerische Maßnahmen in den genannten Tätigkeitsbereichen nur gemeinsam mit dem Kläger durchführen konnte, dieser also Entscheidungen des Beigeladenen durch seinen Widerspruch verhindern konnte. Nur mit diesem Inhalt des § 2 Abs. 3 stand dem Kläger im Streitjahr eine mitunternehmerische Geschäftsführungsbefugnis zu. Soweit der Senat in seinem Urteil in BFH/NV 1999, 355 für die Bejahung der Mitunternehmerschaft eines stillen Gesellschafters das wirtschaftliche Gewicht der von diesem zu erbringenden gesellschaftsrechtlichen Dienstleistungen hat ausreichen lassen, hält er an dieser Auffassung nicht fest.
Für die Auslegung eines Gesellschaftsvertrages gelten die §§ 133, 157 BGB. Maßgebend für die Auslegung sind danach nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Sinn und Zweck des Vertrages und seine tatsächliche Handhabung durch die Gesellschafter (Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 705 BGB Rz. 144 f.). Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es deshalb darauf an, ob es dem Willen der Gesellschafter entsprach, Maßnahmen der laufenden Geschäftsführung in den Bereichen, in denen der Kläger nach § 2 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages vom tätig werden sollte, nur im wechselseitigen Einverständnis durchzuführen. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang aufzuklären haben. Hierfür kann es von Bedeutung sein, ob der Kläger in bestimmten Fällen Entscheidungen des Beigeladenen im Rahmen der laufenden Geschäftsführung durch seinen Widerspruch verhindert hat.
g) Sollten die Feststellungen des FG im zweiten Rechtsgang ergeben, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen im Zeitraum vom 10. Mai bis zum eine Mitunternehmerschaft bestand, sind die Einkünfte der Innengesellschaft für diesen Zeitraum nach § 179 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordung einheitlich und gesondert festzustellen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 1080
BFH/NV 2004 S. 1080 Nr. 8
DStRE 2004 S. 933 Nr. 16
IAAAB-22094